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Allgemeiner Anzeiger : 12.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189904129
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- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-12
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.04.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser, der vorsichtigerweise noch immer das Zimmer hütet, telegraphierte am Mittwoch an den in Wiesbaden lebenden General major Kleins chmitt, der die nassauische Artillerie begründete und den Tag vonEckern - förde mitmachte: der Kaiser gedenke mit freudiger Bewegung der Männer, die vor fünfzig Jahren schon für deutschen Ruhm und deutsche Herrlichkeit siegreich gekämpft haben. *Einem allerdings anderweitig noch nicht bestätigten Gerüchte zufolge werden in Skiern ewice (Nähe der deutsch-rusfisch- Ssterreichischen Grenze, wo bereits einmal eine Dreikaiser-Zusammenkunst stattfand) im Herbst dieses Jahres der deutsche Kaiser mit dem österreichischen und dem russi schen Kaiser zusammenkommen, Lei welcher Gelegenheit auch große Jagden abge halten werden sollen. * Die Verhandlungen der drei Mächte in der Samoafrage find jetzt so weit gefördert, daß endlich auch England sich mit dem deutschen Vorschläge einverstanden erklärt hat. Danach wird die Kommission, die die Verhältnisse auf Samoa zu prüfen hat, dem nächst eingesetzt werden. Es ist für die Kom mission ausdrücklich ausgemacht und jetzt auch von England zugestanden worden, daß ihre Beschlüsse einstimmig gefaßt wer den müssen. *Der Preuß. Kultusminister hat sämtlichen Regierungen und Oberpräsidenten einen Erlaß übermittelt, worin auf ein Urteil verwiesen wird, in dem entschieden ist, daß eine Polizeioerordnung, nach welcher schulpflichtige Kinder in der Zeit von 7 Uhr nachmittags bis 7 Uhr vor mittags zum Austragen von Backwaren, Milch, Zeitungen oder anderen Gegenständen, zum Kegelaufsetzen oder zu sonstigen Verrichtungen in Schankwirtschaften, zum Aufwarten oder zum Handel mit Blumen oder anderen Gegenständen nicht verwandt werden dürfen, Rechtsgültig- lei t hat. *Jn der württembergischenKam- mer erklärte die Regierung, es liege für Württemberg keine Veranlassung vor, seine selbständige Bahnverwaltung auf zu g e b e n. *Kiautschou, der jüngsten deutschen Kolonie, wird von den verschiedensten Seiten reges Interesse entgegengebracht. Es zeigt sich dies besonders in unzähligen Gesuchen, die zur Erlangung von Auskunft über Ansiede lungsverhältnisse, Fahrgelegenheit rc. an amtliche Stellen gerichtet werden. Auskunft über Kiautschou erteilt auf Anfrage das Reichs- marineamt. — Der Bedarf an Beamten und Angestellten der kaiserlichen Behörden ist gedeckt; eine unentgeltliche Beförderung von Privatpersonen nach Kiautschou findet nicht statt. *Das Londoner Central-News-Depeschen- büreau verbreitet einen Bericht aus West-Afrika, welcher von sehr ernsten Unruhen im Hinterland vonKamerun erzählt. Die selben sollen dadurch hervorgerufen worden sein, daß die Deutschen, die seit der Okkupierung der Kolonie bis vor kurzem bei der Eröffnung des Landes sehr vorsichtig verfahren seien, neuer dings erheblich rücksichtsloser vorgingen. Man wird gut thun, englischen Hiobsposten über deutsche Kolonien mit größtem Mißtrauen zu betrachten. Sie haben sich zu oft als gehässige Unwahrheiten dargestellt. Oesterreich-Ungarn. * DieTschechen machen mit ihrem Angriff auf die deutschen Abgeordneten des LöhmischenLandtages wegen des Fern bleibens von den Sitzungen jetzt Ernst. Der tschechisch-radikale Baxa hat einen Antrag ge stellt, welcher die Ungültigkeitserklärung der deutschen Mandate bezweckt. Baxa fand aller dings nicht die Zustimmung der Jungtschechen, und sein Antrag wurde deshalb abgelehnt; von Interesse aber ist die Erklärung des Oberst landmarschalls, daß der Anttagsteller im Wesen recht habe, und daß er dem Gesetze nach vor gehen werde. Nach dem Gesetze werden aller dings die Mandate der deutschen AbgeiMmeten, wenn diese binnen zwei Wochen nach M Auf forderung des Oberstlandmarschalls nicht an den Sitzungen teilnehmen, erlöschen. Es ist aber trotzdem fraglich, ob die Regierung diese Kon sequenz ziehen wird; denn die dann statt findenden Neuwahlen werden sicherlich zu Gunsten der deutschen Radikalen ausfallen und dadurch die Lage noch ungünstiger gestalten. Einen Erfolg irgend welcher Art hat die Regierung davon nicht zu erwarten. Frankreich. * Der ,Figaro' fährt trotz der gegen ihn eingeleiteten Untersuchung in seinen Publikationen fort. Er veröffentlicht jetzt das Verhör des Untersuchungsrichters Bertulus, welcher seiner Zeit bei Esterhazy eine Haus suchung vorgenommen hat. Bertulus besprach die Beziehungen zwischen Esterhazy und dem Oberst Henry. Letzteren fragte Bertulus: „Ueber- mitteln Sie Esterhazy militärische Schriftstücke?" Henry brach in Thränen aus, umarmte und küßte Bertulus und rief schluchzend: „Retten Sie uns!" Dann äußerte er: „Esterhazy ist ein Bandit." Bertulus sagte: „Esterhazy ist der Urheber des Bordereaus." Henry erwiderte: „Bestehen Sie nicht auf Ihrer Frage, die Ehre der Armee über alles!" Italien. * Der Papst wird am 11. April, am Leotage, das Kardinal-Kollegium empfangen. Wenn nicht unvorhergesehene Umstände eintreten, wird der Papst sich am 16. April in feierlichem Aufzuge nach derPeterskirche begeben, um dort der Messe beizuwohnen. Holland. * Die Einladungen für die Abrüstungs konferenz zum 18. Mai find nunmehr von der holländischen Regierung erlassen worden. Der päpstliche Stuhl und Bulgarien find nicht eingeladen worden. Schweden-Norwegen. * Der schwedische Reichstag bewilligte in ge meinsamer Abstimmung 2 388 000 Kronen zum Ankauf vonG ewehrenund 2 200 000 Kronen zu Befestigungszwecken. (Abrüstung?) Tvanien. *Der spanische Marineminister will die drei Hamburger Schnelldampfer, die bei Anfang des Krieges in London angekaust und als Hilfskreuzer ausgerüstet wurden, wieder veräußern. *Die karlistische Gefahr im nörd lichen Spanien scheint noch keineswegs beseitigt zu sein. Nach einem Telegramm aus Madrid ist dort der Generalkapitän von Aragonien eingetroffen, um mit der Regierung über die karlistische Bewegung zu beraten. Der ,Jm- parciall meldet, daß auch die Karlisten in Navara lebhafte Thätigkeit entwickeln. Ruhland. * Wie aus Helfingfors gemeldet wurde, find die vier Stände des finnischen Land tages zur Ablehnung jener Bestimmungen der neuenWehrpflichtvorlage entschlossen, wonach die Dienstzeit der finnländischen Wehr pflichtigen von drei auf fünf Jahre verlängert werde und finnländische Wehrpflichtige nach dem Ermessen des Kriegsministeriums in russische Regimenter eingereiht werden können. Der Landtag werde der Regierung die Verantwort lichkeit für die etwaige Durchführung dieser Be stimmungen mittels eines Machtgebots über lassen. — Wie neuerdings verlautet, soll dieser Schritt mit der Aufhebung der finni- scheu Volksvertretung überhaupt beantwortet werden. Balkanstaaten. *Zur serbischen Kirchen-Affäre wird gemeldet: Der Bischof Zmejanowitsch hat an den Patriarchen Brankowitsch ein Schreiben gerichtet, in welchem er den Pattiarchen um Verzeihung bittet und konstatiert, er habe die Ueberzeugung gewonnen, daß alle gegen den Pattiarchen erhobenen Beschuldigungen jeder Grundlage entbehren. Er hebt hervor, daß er sich in allem der Hoheit der Synode unterwerfe, auf welcher er erscheinen werde. Es wird an genommen, daß der Bischof auf der Synode auch mündlich Abbitte leisten werde. Asten. *Die Besetzung von Jtschau durch eine deutsche Truppenabteilung ist in Ruhe er folgt. Mit den Gerichtssitzungen zur Bestrafung der Schuldigen im Falle Stenz ist begonnen worden. Das deutsche Vorgehen hat den Er folg gehabt, daß durch Befehl des Kaisers von China zum Schutze der Missionare und Berg werksbeamten nach Jtschanfu Militär gelegt worden ist. * Zur Lage auf den Ph ilip p in en meldet der spanische General Rios aus Manila: Die Einnahme von Malolos bedeutet einen ersten Erfolg für die Amerikaner, da die Aufständischen erkannten, daß sie hinter ihren Verschanzungen den Geschützen des Gegners nicht standzuhalten vermögen. Aguinaldo kann daher sein bis heriges großes Heer nicht mehr zusammenhalten, zumal es auch an Lebensmitteln für die Menschenmasfen fehlt. Gleichwohl ist eine Aus sicht auf baldige Unterwerfung nicht vorhanden, da Agninaldo auch mit 30—40 000 Mann den Kriegszustand aufrecht erhalten wird. Eine Spaltung unter den Führern ist noch nicht er kennbar. Das Hauptquartier Aguinaldos be findet sich in Pulilan. — Das klingt allerdings anders als die jüngste hochtrabende Proklamation des amerikanischen Oberbefehlshabers. *Die japanische Regierung soll eifrig be müht sein, ein möglichst enges Verhält- n i s zwischen China und Japan gegenüber den Bestrebungen der nichtasiatischen Mächte in Ostafien herbeizuführen. Zwischen Tokio und Peking soll eine geheime Abmachung bett, die Ausbildung eines Teils der chinesischen Armee durch japanische Instruktoren und bett, die Ausbildung chinesischer Offiziere in den japanischen Kriegsschulen bestehen. Obwohl eine authentische Bestätigung bisher noch aussteht, erachten die diplomatischen Kreise Petersburgs es nicht für unwahrscheinlich, daß die chinefisch japanische Annäherung bis zu diesem Punkte gediehen sei. Telegraphie ohne Draht. Die neuesten englischen Blätter enthallen näheres über die Versuche, welche mit der Telegraphie ohne Draht am Dienstag unter der persönlichen Leitung des Erfinders Marconi über den Kanal La Manche stattfanden. Nach allen Berichten find sie trotz der bedeutenden Ent fernung (32 englische Meilen) und mancher atmosphärischen Störungen außerordentlich ge lungen. Jedes Wort, das von Frankreich nach England und umgekehrt telegraphiert wurde, kam deutlich an. Die Depeschen wurden den Berichten zusolge so leicht abgegeben und empfangen, als ob die Endpunkte durch einen Draht verbunden gewesen wären. Wenn dies wirklich der Fall ist, so wären die Kabel zwischen England und Frankreich überflüssig. Die Stationen waren: in Frankreich das Chalet l'Artois bei Wimereux, einem Dorf in der Nähe von Boulogne, in England der Leuchtturm von South Foreland bei Dover, Vertreter des französischen Kriegsministeriums und französische Postbeamte wohnten den Versuchen bei und äußerten ihr Erstaunen und ihre Bewunderung. Die Versuche werden jetzt emsig fortgesetzt, und man wird auch erproben, ob man sich mit Schiffen, die sich auf der See befinden, in tele graphische Verbindung setzen kann. Der ,Daily- Telegraph' meint, der 28. März 1899 werde in der Geschichte des menschlichen Fortschritts ein denkwürdiger Tag sein. Marconis Erfindung beruht auf der elektrostatischen Wirkung des elektrischen Stromes. Er benutzt elektrische Wellen von hoher Wechselzahl (System Hertz), deren Länge er durch geeignete Reflektoren auf ein Minimum herabsetzt. Die Wechselzahl der Wellen beträgt ungefähr 250 Millionen in der Sekunde. Das Empfangsrelais Marconis ist ein 4 Zentimeter langes Glasrohr, in welchem fich zwei Silber-Elektroden befinden. Den Zwischenraum zwischen denselben füllt ein Gemisch von Silber- und Nickelfpänen. Dieses Rohr liegt mit einem empfindlichen Relais und zwei Leitungswiderständen in einem Batterie ström- kreis. Sobald das Glasrohr von einer elek trischen Welle getroffen wird, werden die darin befindlichen Metallteilchen polarisiert, stellen fich, aneinander hastend, in eine Richtung und schließen so den Strom. Ein kleiner Ankerhammer, von einem zweiten Lokalstromkreis in Funktion ge setzt, schlägt an das Glas, und durch diese Er schütterung wird die Verbindung der Metall späne unterbrochen und mit ihr der Strom. Hierbei find die Morseschen Telegrammzeichen, die auch schriftlich abgenommen werden können, für ein geübtes Ohr auch leicht nach dem Gehör abzulesen. Don Uah «nd Fern. Primkenau. Ein Waldbrand wütete in den Primkenauer Forsten des Herzogs Ernst Günther von Schleswig-Holstein am Osterheilig abend, dem volle'40 Morgen sehr alten pracht vollen Erlenbestandes zum Opfer fielen, Holz arbeiter hatten im hohen dürren Grase Feuer gemacht, um ihren Kaffee zu wärmen. Das verheerende Element, von starkem Winde ange facht, verbreitete fich mit rasender Schnelligkeit. Die Löscharbeiten, an denen fich der Herzog selbst beteiligte, dauerten vier Stunden. Noch ist der Waldbrand nicht gänzlich erloschen. Bitterfeld. Die schwarzen Pocken find in Roitzsch ausgebrochen. Zwei polnische Arbeiter find in die Klinik nach Halle eingeliefert. Der Kreisphyfikus von Bitterfeld stellte weitere Fälle fest und befürchtet eine Ausbreitung. Die Klinik in Halle verweigert weitere Aufnahmen. Teltow. Ein neuer See hat fich bei Halbe gebildet, einer 60 Kilometer von Berlin ent fernten Station der Görlitzer Bahn. Es wieder holte sich dort im, großen und im Freien, was in Schneidemühl im kleinen, aber innerhalb der Stadt geschah und deshalb viel größeren Schaden anrichtete. In der Nähe des neuen Sees liegen mehrere Ziegeleien. Arbeiter trafen nun im vorigen Jahre beim Graben von Thon auf eine Quelle, welche riesige Wassermengen zu Tage förderte. Durch diesen Ausbruch wurden bald mehrere nebeneinander liegende Thongruben, sowie sonstige Bodenvertiefungen unter Wasser gesetzt. Den leichten Sandboden mußte das stetig hervorquellende Wasser fortgesetzt unter wühlen und aushöhlen, so daß dadurch die zuerst nur kleine Wasserfläche bald vergrößert wurde. So stürzte zuerst ein großer Teil des südlichen Uferrandes in das Wasser. Dabei wurde eine Feldbahn mitgerissen. Leute und Pferde konnten nur mit knapper Not gerettet werden. Auf der anderen Seite, wo eine Kantine steht, wurde der Uferrand vier Meter hoch be festigt, aber plötzlich verschwand auch diese neue Böschung samt der alten im See. Dabei wurden wieder die Feldbahn, das Material und ver schiedene Hölzer mitgerissen. Hierdurch kam die Kantine in Gefahr, da fie nun direkt an dem hohen Uferrande stand. Es mußte deshalb schleunigst durch Erdaufschüttung dem See frisches Ufer abgerungen werden. Dies glückte nach wochenlanger Arbeit, aber neue Einstürze sind keineswegs ausgeschlossen. Eine direkte Gefahr für das Dorf, die Ziegeleien und den Bahn körper besteht vorläusig nicht. Augenblicklich ist der See zehn Morgen groß und durchschnittlich acht Meter fies. Kiel. Die über die zwangsweise erfolgte Umpfarrung erregten Bewohner des Dorfes Sievershütten melden fortgesetzt ihren Austritt aus der Landeskirche an; eine Anzahl hat bereits den Austritt vollzogen. Anscheinend ist dieses Ergebnis dem Kieler Konsistorium, welches die Bewegung hervorgerufen hat und bisher auf der einmal erlassenen Verordnung beharrte, höchst unangenehm, denn neuerdings verlautet, daß ein höherer kirchlicher Beamter die Bitte an die Sievershüttener gerichtet habe, vorläufig mit dem Austritt innezuhalten, da die Angelegenheit auf seine Veranlassung nochmals gründlich unter sucht werden solle. Koblenz. Der in dem Zweikampf mit dem Leutnant D. durch einen Schuß in den Unter leib schwer verletzte Student der Philologie Klövekorn ist seiner Verwundung erlegen. Ueber die Ursache des Zweikampfes erfährt die ,Köln. Ztg.' folgendes: In einem Vergnügungslokal in Güls tanzte am 5. d. Klövekorn. Leutnant D. vom 68. Regiment, der die Tänzerin Klövekorns auch Durch Leiden mm Glück. 4) Erzählung aus dem Lebend. OskarMerres. <Fous-?ung.) Ein leichter Fächerschlag traf Arnos Schulter. „Sieh da, lieber Arno, meine kleine Trutze ist es, die dich so sehr fesselt und mir deine Galan terie entzieht!" Der Ueberraschte hatte fich schnell gefaßt. „Allerdings, meine Teure, es liegt mir daran, alles ebenfalls an mich zu fesseln, was dir ge hört. Ich erklärte deiner werten Kousine soeben meine rückhaltlose Pflicht, deinem Wunfch in ihrem Interesse bedingungslos nachkommen zu wollen." Frieda lachte ihn befriedigt an, nahm seinen Arm und nickte Trude im Abgehen huld reich zu. Dieser war das Zwischentreten Friedas an genehm gewesen, denn schon längere Zeit fühlte sie die beobachtenden unheimlichen Augen der Tante Friederike auf sich ruhen. Der Verlobungsabend des reichen Mädchens verlief im übrigen ziemlich einförmig; die ein geladenen Bekannten des aristokratischen Bräuti gams fanden wenige Annäherungspunkte mit den übrigen Anwesenden, und entschädigten sich dafür durch fleißigen Genuß der reich und gut besetzten Tafel. Am nächsten Sonntag hatte Trude auch wieder Zeit gefunden, an das alte kranke Mütterchen da drüben in Moabit zu denken. Durch das resolute Auftreten Friedas war sie der bösen Tante gegenüber doch mehr Herrin ihrer Person geworden. Frieda war heute wieder mit ihrem Verlobten ausgefahren, und die Tante hatte beide als Anstandsdame begleitet. So machte sie sich kurz entschlossen auf den Weg, diesmal allein, und trat mit einem freudigen Gefühl in das kleine, sonntäglich geputzte Stüb chen der Familie Jänsch. Die junge Frau sprang mit einem Satz von ihrem Stuhl auf. „Kommen Sie wahrhaftig, liebes gutes Fräulein!" rief sie überglücklich aus, — „wenn Sie wüßten, wie mich das freut!" Das alte Großmütterchen saß in einem breiten altmodischen Lehnstuhl weich eingebettet und streckte dem lieben Besuch beide Hände ent gegen. „Sie müssen schon so gut sein und zu mir Herkommen, daß ich Ihnen guten Tag sagen kann. Es geht ja jetzt viel besser mit mir, das macht die große Freude, wenn ich an Sie gedacht habe." Trude hatte der alten Frau einen Strauß frisch abgcschnittener Orchideenblüten mitgebracht und legte die derselben fremden prächtigen Kinder Floras mit freundlichem Lächeln ihr in den Schoß. Im Hintergründe des Stübchens saßen heut die beiden Männer, welche beim vorigen Besuch draußen vor der Thür geblieben waren. Die geschwärzten Gesichter und die ganze Gestalt der beiden sahen heut sonniglich aus. Beim Eintritt Trudens hatten sie ihre kurzen Pfeifen weggclegi und waren aufgestanden. „Die sehen heut auch besser aus," plauderte Frau Jänsch munter und überglücklich, „bloß die die Stube haben sie vollgequalmt, daß es eine Schande ist. Der Schwarze da ist mein Mann und der Blonde mit dem gewichsten Schnurr bart, das ist mein Bruder Fritz!" Die beiden Männer hatten dem Besuch eine ungeschickte Verbeugung gemacht und setzten sich dann wieder auf ihren Platz. „Aber liebes Fräulein," setzte die junge Frau an stelle der stumm bleibenden Männer die Unterhaltung fort, „heut müssen Sie mir aber eine große Bitte erfüllen und sich gefallen lassen, daß ich Ihnen ein Täßschen Kaffee an biete. Wir armen Leute können ja so wenig zeigen, aber desto größer ist die Freude, wenn uns das nicht abgeschlagen wird. Sehen Sie, liebes Fräulein, daß Sie unserm kranken Mütterchen so schöne Sachen gebracht hatten, war für uns eine große Freude, wir können ihr so was ja nicht kaufen, aber was uns noch darüber geht, daß ist doch Ihr gutes freund liches Herz, das uns bescheidenen Leuten mit so viel Güte entgegenkommt, gar nicht vornehm, als ob wir Ihresgleichen wären. Sie glauben gar nicht, wie wohl uns das thut." Trude mußte bei den einfachen Worten der natürlich sich gebenden Frau lächeln und ein glückliches Gefühl dehnte sich in ihr zu der Gr- wißheit aus, daß auch einfache Menschen die richtige Form finden können, wenn sie aus dem Herzen sprechen. „Warum soll ich denn Ihr gut gemeintes Anerbieten abschlagen, nach dem kleinen Spazier gang zu Ihnen ist mir eine Tasse Kaffee sehr angenehm, dabei läßt fich ja recht gut plaudern." „Das ist aber mal hübsch von Ihnen," jubelte die junge Frau auf und drückte statt aller weiteren Worte Trudens Hand, um darauf in die kleine Küche zu eilen, wo man fie dar auf singend umher rumoren hörte. Dann steckte sie den lachenden Kopf wieder in das Stübchen hinein und winkte ihrem Bruder Fritz. Und während sich Trude mit dem wie von einer ungewohnt erwärmenden Lebenssonne an gehauchten Großmütterchen unterhielt, lies Bruder Fritz zum Bäcker und der in seiner gesellschaft lichen Unbehofenheit noch immer stumme Ehr mann setzte den Tisch vorsorglich an den alten Lehnstuhl. Es währte nicht lange, bis Frau Jänsch mit der dampfenden braunen Kanne erschien, Fritz stellte die Tassen sorgsam zurecht und holte die Stühle herbei. „Nun seien Sie so gut, liebes Fräulein und langen Sie zu," lud die junge Frau ein. „Ein Schelm gibt's besser, als er's hat, ich hab's noch nicht zu einer weißen Kanne bringen können, das kommt erst später. Schönen Zwie back hat der Fritz gebracht, vielleicht ist Ihnen das was Neues!" Und die Augen der aufgeregten Wirtin schwammen in Seligkeit, als sie ihren vor nehmen Gast ohne Zögern zugreifen sah. „Schmeckt es Ihnen auch wirklich Lei uns, liebes tzerzensfreulein? Herr Gott, was ist das heut für ein seelenvergnügter Sonntag. Aber die beiden Männer fitzen ja wie die stummen Oelgötzen da, und lassen mich immer allein reden. Bloß wenn ihr unter euren Kameraden seid, da könnt ihr den Mund aufthnn, manch mal mehr als nötig ist. Das liebe Fräulein ist ja auch gar nicht stolz; wenn ihr's nicht so geschickt yerausbringt, so wird sie's nicht übel nehmen. Sie weiß ja, daß ihr keine studierten Männer seid."
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