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Allgemeiner Anzeiger : 08.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189903087
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990308
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-08
-
Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.03.1899
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Osnabrück. Der Bundestag der deutschen Kriegervereine findet hier in den Tagen vom 15. bis 17. Juli statt. Im Anschluß daran soll die Einweihung des hiesigen Krieger-Waisen hauses stattfinden, welches auf dem Königshügel steht, ein stolzer Bau. Auch das Kaiser Wilhelm- Denkmal soll in vorgenannten Tagen seine Ent hüllung erfahren. Es ist eine hervorragende Schöpftmg, eine Nachbildung des Karlsruher Denkmals nach Prof. Heer. Man glaubt in be teiligten Kreisen annehmen zu dürfen, daß der Kaiser der Enthüllung beiwohnen wird. Krefeld. In geheimer Abstimmung erklärten sich am Mittwoch sämtliche ausständigen Weber mit zwei Ausnahmen für Fortsetzung des Streiks. Neumünster. Bei der Instandsetzung eines Personenwagens erster Klasse des V-Zuges Berlin-Hamburg wurde in der königl. Haupt werkstatt zu Neumünster von dem Stellmacher Griese eine Brieftasche gefunden. Die Tasche lag zwischen Polsterfitz und Rückwand versteckt und enthielt 5500 Mk. in barem deutschen Gelde und Wertpapieren. Der wertvolle Fund wurde von dem Handwerker, da sich in ihm kein Hin weis über den Verlierer vorfand, der Eisenbahn verwaltung übergeben, wo er eingefordert werden kann. Luckenwalde. Der älteste deutsche noch aktiv thätige Feuerwehrmann ist zur Zeit der hiesige Schuhmachermeister Dankhoff. Derselbe ist 81 Jahre alt und noch jetzt als Zugführer bei der freiwilligen Feuerwehr thätig. Dankhoff hat im Jahre 1842 bei der Bewältigung des großen Hamburger Brandes mitgewirkt. Er diente damals beim 3. Magdeburgischen Pionier- Bataillon und wurde zur Löschhilfe mit nach Hamburg entsandt. Infolgedessen besitzt Dank hoff auch eine Medaille mit der Aufschrift: „Das dankbare Hamburg seinen Freunden in der Not 1842." Im Jahre 1892 erhielt Dankhoff 50 Mk. zur Reise nach Hamburg zur 50jährigen Erinnerungsfeier des Brandes zugesandt. Außer ihm waren damals noch drei von den alten Löschmannschaften am Leben; heute ist er der einzige. Erst dieser Tage wirkte der alte Herr beim Ablöschen eines Fabrikbrandes in Lucken walde thatkräftig mit. Diwsden. Ein Verein für Kinderschutz und -Pfleci? wurde kürzlich in Dresden begründet. Der Versammlung wohnten 18 Damen und K Herren bei. Der jährliche Mitgliedsbeitrag wurde auf 4 Mk. festgesetzt. Der Verein be absichtigt, eine besondere Vereinszeitung zur Förderung seiner Zwecke herauszugeben. Pforzheim. Reichstagsabgeordneter Agster, der, wie gemeldet, Ende voriger Woche in die Jrrenklinik nach Pfullendorf geschafft worden war, traf wieder in Pforzheim ein, da sich seine Angehörigen weigern, die Erlaubnis zur Unter bringung in der Jrrenklinik zu erteilen. Der Unglückliche fand sich schon in der Darauf folgen den Nacht mehrmals auf der Polizeiwache ein und fragte nach seinem Schwager, der verhaftet sein sollte. Diese neuen Beweise seiner nervösen Ueberreizung veranlaßten die Polizeibehörde, ihn vorläufig ins Krankenhaus zu überführen. Da Agster noch nicht badischer Staatsbürger ist, so wird erst nach weiteren Verhandlungen mit den württembcrgischcu Behörden zu entscheiden sein, wohin er gebracht werden wird. Castrop. Das schon kurz gemeldete Un glück auf der Zeche Mout Cenis bei Castrop ist, wie die,Köln. Zig ' schreibt, durch die Fahr lässigkeit des Maichünsten herbeigeführt worden. Er war betrunken und hatte die Bremsvorrich tung nicht rechtzeitig geschlossen, infolgedessen ging der eine Förderkorb zu hoch, der andere zu tief und geriet in den Sumpf oder wurde zu fest aufgesetzt. Bei allem Unglück ist es noch als ein Glück zu bezeichnen, daß von den 22 Verletzten keiner tödlich verletzt ist. Man hofft auch die fünf Schwerverletzten am Leben zu er- halten. Auf der Zeche General Blumenthal er- eignete sich vor einiger Zeit ein ähnliches Un- gluck, obschon dort der sogenannte Nömersche Sicherheitsapparat eingebaut war. Aus Zeche Mont Cenis war der Apparat nicht vorhanden, es waren aber sonst sinnreiche Einrichtungen ge stossen, die, falls der Maschinist nur einiger- maßen aufpaßte, ein Unglück unmöglich machten. Eine Vorrichtung zeigte dem Maschinisten ganz genau, wo sich die Körbe im Schachte bei der Förderung befinden, und ein lautes Schellen zeichen gibt ihm den Zeitpunkt an, wann er die Bremse schließen muß. Wenn er allerdings be trunken ist, so helfen auch die besten Sicherungs vorkehrungen nichts. Mülheim a. Rh. Die ,Mülh. Ztg.' be richtet von einem schweren Verbrechen, das in der Nacht zum 2. d. auf dem linken Rheinufer oberhalb der Mülheimer Schiffbrücke verübt worden ist. Die Vorübergehenden fanden mor gens am Ufersaume die schrecklich zugerichtete Leiche eines Mannes mit zerfetzten Kleidungs stücken. Dem Getöteten war der Schädel zer trümmert. Zwischen dem Mörder und seinem Opfer muß ein furchtbarer Kampf stattgefunden haben. Die Polizei ist eifrig bemüht, Licht in die dunkle Affäre zu bringen. Nordhausen. Ein schreckliches Unglück er eignete sich an der Kiesböschung bei Ammendorf. Dort hatten mehrere Knaben aus Beesen eine Höhle ausgegraben. Die Kinder waren in die Höhle gegangen und hatten sich dann wieder daraus entfernt. Mr der zehnjährige Sohn des Arbeiters Gröber hielt sich etwas länger darin auf. Plötzlick, ehe der Knabe ins Freie ge langen konnte, stürzten Erdmassen herab und verschütteten das Kind. Obwohl Hilfe sofort zur Stelle war, konnte der Verschüttete den be klagenswerten Eltern nur als Leiche zugeführt werden. Zittau. Am Sonntag abend unternahm der erst aus dem Gefängnis entlassene Tage arbeiter Anton Schwerdtner in Ober-Ullersdorf gegen seinen Vater einen Mordversuch. Der schon vielfach bestrafte Mensch zertrümmerte, da er das Haus verschlossen fand, die Hausthür und drang auf seinen alten auf dem Sofa liegenden Vater mit dem gezückten Messer ein. Er brachte ihm am Kopf und im Gesicht sieben zum Teil sehr gefährliche Stich- und Schnitt wunden bei und versetzte dann dem Mann noch mehrere Schläge auf den Kopf. Erst als sich sein Vater nicht mehr rührte und er ihn für tot hielt, ließ der Verbrecher von seinem Opfer ab und entfloh. Der Schwerverletzte kam nach einiger Zeit wieder zu sich und vermochte sich bis zur Hausthür zu schleppen, wo er einen vorübergehenden Nachbar um Hilfe anflehte. Es ist Aussicht vorhanden, den Schwerverletzten am Leben zu erhalten, doch ist die Sehkraft des rechten Auges durch einen Stich verloren. Der Verbrecher ist wahrscheinlich über die nahe Grenze nach Böhmen geflüchtet. Liverpool. Wieder hat eine schwere Schiffs katastrophe stattgefunden und wieder war es der Kapitän eines deutschen Schiffes, des Dampfers „Viking", der dabei Heldenthaten verrichtete, in dem er unter Gefahr für das eigene Fahrzeug, die Passagiere des fremden, vom Untergang be drohten auf das seine rettete. Es handelt stch diesmal um den Dampfer der Dorminion-Linie „Labrador", der auf der Fahrt von Halifax nach Liverpool begriffen war und bei dichtem Nebel auf die Mac Kenfic-Felsen, vier Meilen vom Skerrymore-Leuchtturm, stieß. Die gesamte Be satzung mußte in die acht Rettungsboote flüchten; sieben davon wurden nach dreistündiger Fahrt vom „Viking" angetroffen und unter den denk bar schwierigsten Verhältnissen geborgen; das achte erreichte den Leuchtturm von Skerrymore. Belgrad. In Serbien herrscht nnter dem Volke der Aberglaube, daß die Schätze des Zadovan irgendwo in der Erde vergraben seien und nicht selten bilden sich ganze Bauergenossen schaftest die mit vereinten Kräften diesen Schätzen nachspüren. Ein solche Bauerngesellschaft war dieser Tage in der Ortschaft Petrovatsch am Werke und ein Bauer, Theodor Pajkoviisch, hatte auch seine Frau Marinka mitgebracht, welche aus der Ferne mit ansah, wie die Männer im Schweiße ihres Angesichts die Erde aufwühlten. Da sagte einer der Schatzgräber, er habe gehört, daß es nur dann glücke, die Schätze zu heben, wenn ein Mensch dabei umkomme. Die Schatzgräber blickten einer den andern fragend an und einer derselben wies mit einem Wink auf die Frau des Pajkovitsch hin und wandte sich mit einem fragenden Blick an den Pajkovitsch selbst. Dieser hatte den Blick verstanden und sagte: „Gut, sie möge sterben; es gibt noch Weiber genug auf dieser Welt!" Kaum Katte er diese Worte ge sprochen, da krachte ein Schuß, der das arme Weib tot hinstreckte. Krampfhaft gruben die abergläubischen Bauern angesichts der Leiche die ganze Nacht hindurch weiter, bis endlich der Morgen graute. Den gesuchten Schatz fanden sie natürlich nicht. In der nächsten Nacht sollte die Arbeit fortgesetzt werden, allein die Behörde erfuhr von dem aus Aberglauben verübten Morde und ließ alle Schatzgräber hinter Schloß und Riegel bringen. New Uork. Karl Schurz, der hervorragende Deutsch-Amerikaner, hat am Mittwoch unter all gemeiner Anteilnahme seinen 70. Geburtstag be gangen. GerichtslMe. Berlin. Der seltene Fall, daß Arbeitswillige sich eines thätlichen Angriffs gegen einen Streikenden schuldig gemacht haben sollten, beschäftigte die Be rufungsstrafkammer des Landgerichts. Die vier Maurer Roß, Lewark, Schulze und Zimmermann waren vom Schöffengericht wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt worden, die sich zwischen 1v und 20 Mk. bewegten. Es war dabei folgender Thatbestand für erwiesen an gesehen worden. Auf einem Bau in der Hussitenstraße hatte im verflossenen Sommer der größte Teil der dort beschäftigten Maurer die Arbeit niedergelegt. Es wurden Akkordmaurer angenommen, welche fort gesetzt seitens der Strikenden schweren Belästigungen ausgesetzt warm. Eines abends trafen die vier Angeklagten vor dem Bau mit dem Maurer Augustin zusammen, der zu dm Streikenden gehörte. Sie versuchten mit ihm anzubindm und fielen dann insgesamt über ihn her. Augustin wurde erheb lich, wenn auch nicht bis zur Arbeitsunfähigkeit, gemißhandelt. Er wurde im Strafverfahren gegen die Angeklagten als Nebenkläger zugelassm. Wegen der niedrigen Strafen, auf die erkannt worden war, legte Austin Berufung ein. Sein Vertreter führte in der Verhandlung aus, daß das milde Urteil des Schöffengerichts um so weniger ge rechtfertigt sei, da doch gegen die Streikenden, welche sich gegen Arbeitswillige vergingen, diehärtesten Strafen verhängt würden. Ein so mildes Urteil wie das an gefochtene, könne unmöglich dazu dienen, vor Gewalt- thaten abzuschrecken. Der Gerichtshof verwarf dennoch die eingelegte Berufung. Es müsse besonders mildernd ins Gewicht fallen, daß die Angeklagten seit längerer Zeit von den Streikenden schwere Unbilden hätten erdulden müssen, sodaß sie wiederholt dm Schutz der Polizei angerufen hätten. — In dem mit der Sache Ziethen verknüpften Prozeß gegm den Schriftsteller Landauer wegen Be leidigung des Polizeikommissars Gottschalk ist noch kein neuer Verhandlungstermin anberaumt worden. Die damit befaßten Behörden stellen, so darf man wohl annehmen, weitere Erhebungen an. Inzwischen hat das hiesige Ziethen-Komitee nicht gerubt und Thatsachen ermittelt, die geeignet sind, die Hoffnung auf ein Wiederaufnahmeverfahren in Sachen Ziethen zu stärken. Das Komitee hat auch einen engeren Ausschuß gewählt, der allwöchent lich tagt und u. a. mit der Herausgabe einer größeren Broschüre über den Fall und seine bisherigen Schick sale beschäftigt ist. Köthen. Das Dessauer Schwurgericht ver urteilte auf Indizienbeweis den Bergmann Wolter aus Edderitz wegen Ermordung der fünfzehnjährigen Else Knake aus Köthen zum Tode, außerdem wegen Diebstahls zu vier Jahr Zuchthaus und zehn Jahr Ehrverlust. „Karon Reuter". Der am 25. v. in Nizza verstorbene Baron Reuter, der Begründer des Reuterschen Tele- graphenbüreaus, hat auch, wie nicht allgemein bekannt sein dürfte, nachdem er kurze Zeit in Göttingen in einem Bankgeschäft thätig war, vor und im Verlaufe der Berliner Märztage eine gewisse Rolle gespielt, und zwar als Ver leger einer Reihe von politischen Flugschriften ziemlich radikaler Natur. Seine Firma war „Reuter und Stargardt" und sein Kompagnon war der späterhin als bedeutender wissenschaft licher Antiquar sehr bekannte gelehrte Buch händler Joseph Stargardt. Die Firma wurde im Jahre 1847 gegründet und machte sich bald durch Broschüren von Tagesgrößen der Demo kratie bekannt. Eine der ersten Schriften war von Julius Fröbel verfaßt (dem Neffen des Pädagogen), der später Konsul des Deutschen Reiches in Smyrna und Algier wurde und im Jahre 1893 in der Schweiz gestorben ist. Der Titel dieser Schrift lautete: „Das Königstum und die Volkssouveränität oder gibt es eine demokratische Monarchie?" Weitere Schriften waren von N. H. Neumann, einem bekannten Volkswirtschaftler, von Georg Herwegh, TituS Ullrich und anderen verfaßt. Stargardt, ein freisinniger, ruhiger Mann, trennte sich bald von Reuter und dieser ging nach London. Reuters dortige Anfänge hat Julius Rodenberg in seinem inhaltreichen Buche ,Tag und Nacht in London' sehr anschaulich und interessant geschildert. Da heißt es: „Vor einigen Jahren, als sein Name zuerst an der Spitze der telegraphischen Depeschen erschien, fragte alle Welt in London: „Wer ist Mr. Reuter?" — Jetzt aber fragt keiner mehr. Jedermann kennt ihn. Jedermann ist gewohnt, seinen Namen mit den entscheidenden Ereignissen des Tages in Verbindung zu bringen, und Mr. Reuter ist heute (1860) das wichtigste und unentbehrlichste Glied in der großen und kom plizierten Kette der englischen Tagespresse . . . Im Jahre 1849 ward das erste Telegraphen- büreau des Kontingents, das nämlich in Aachen, etabliert und unter den ersten Beamten des selben erblicken wir unsem Herm Reuter. Sein Stem war im Aufgehen. Er war auf dem rechten Wege seiner Bestimmung, welchen er seitdem unermüdlich verfolgt. . . . Bald ging Reuter nach London und eröffnete sein Geschäft damit, die großen Häuser der City mit Nach richten zu versorgen. Im Jahre 1851 aber, als das erste unterseeische Kabel, das zwischen Calais und Dover, glücklich gelegt worden war, da traf den erfindungsreichen Geist unseres Landsmannes wie ein Blitz der Gedanke, den Telegraphen in den Dienst der Tagespresse zu nehmen. Es ist das Ei des Kolumbus . . . lange Zeit blieben seine Anstrengungen fruchtlos (er hatte seine Depeschen den ,Times' angeboten) und er machte endlich im Jahre 1858 einen letzten Versuch. Er sandte auf gut Glück einen ganzen Monat lang seine telegraphischen De peschen in die Redaktionsbüreaus aller Londoner Blätter und überließ es ihrem Ermessen, Ge brauch davon zu machen. Die eine Zeitung brachte sie, die anderen nicht; alle hatten jedoch Gelegenheit, sich von ihrer Korrektheit zu über zeugen, indem sie Reuters Nachrichten einige Tage später jedesmal durch ihre Spezial korrespondenten bestätigt sahen. Unter solchen Auspizien machten die ,Times', nachdem sie ein Jahr lang Herm Reuters Depeschen bald ge bracht, bald zurückgelegt hatte, am 9. Februar 1859 das Wagestück, jene berühmten Worte des Kaisers Napoleon zu publizieren, welche den italienischen Krieg gegen Oesterreich zur Folge hatten. Diese Worte waren um 1 Uhr nach mittags in den Tuilerien gesprochen worden, und um 2 Uhr desselben Nachmittags brachte sie eine dritte Ausgabe der ,Times' in die City und an die Börse. Dieser 9. Februar ist der entscheidende Tag für Herm Reuter gewesen und während die franko-italienischen Waffen trium phierten, feierte auch Reuter sein Magenta und Solferino." Zuletzt sah Julius Rodenberg seinen hessischen Landsmann im Jahre 1881 in dessen fürstlichem Hause zu London, in der Gegend des Kensington Palace; er hatte dem Dichter ein dankbares Erinnern bewahrt, da er als junger Mensch indessen elterlichem Hause verkehren durfte. Kuntes Allerlei. Invalidenversicherung in England. Der namhafte englische Statistiker Charles Booth meint, daß 15—25 Schilling die Woche der richtige Alterspensionssatz sein würde. Aber daß der Staat den Bettag zahlen solle,, käme gar nicht in Frage. Booth schlug vor, den sog. „nichtverdienten Vermögenszuwachs", die Bodenrente u. s. w. zum besten der staatlichen Alterspenfion zu besteuern. Darüber ließe sich viel verhandeln. Zunächst sei es am wichtigsten, das Prinzip der Alterspension anzuerkennen. — 15—25 Schilling — die englischen Arbeiter werden froh sein, wenn sie ein Drittel davon erst einmal wirklich erhalten. Wünschen läßt sich viel ins Blaue hinein. Schlagfertig. Hausfrau: „. . . Ich weiß nicht, Marie, find Sie verrückt oder ich!" — Köchin: „Gnädige Frau werden doch keine ver rückte Köchin genommen haben!" — einnahmen, je nach der Zeit ihrer Aufnahme in die Hansa, so daß Oskar, als der jüngste, zur Linken des Altmeisters seinen Platz erhielt. Ein Platz war jedoch noch leer, und zwar zur Rechten -/SMrs, für denjenigen, der vor ihm in den Bund ausgenommen worden: Christian. . „Er kommt nicht, sagten einige. „Er wagt es nicht, nach dem, was gestern vorgefallen, hier zu erscheinen." „Es ist wenigstens gut, wenn er sich schämt und bereut." Während dieser Reden öffnete fichiedoch die Thür, und Christian trat ein. Ohne zu zaudern, ohne ein Wort der Entschuldigung, nahm er seinen Platz ein. . Der Altmeister runzelte die Stirn und warf ihm einen unwilligen Blick zu, aber er machte keine Bemerkung. Ohne die Kundgebungen des Mißfallens zu beachten, die sich von allen Setten gegen ihn erhoben, aß und trank Christian, als sei außer ihm niemand zugegen und die Tafel nur für ihn allein gedeckt. Gegen Ende des Festmahls erhob sich der Altmeister und schlug, Stille gebietend, dreimal mit seinem Messer auf den Tisch. „Weber der Hansa", sagte er mit lauter Stimme, „wir haben heute einen Genossen unter uns ausgenommen, der unsere ganze Zu neigung und Achtung verdient. In seinem Handwerke hat er eine seltene Geschicklich leit gezeigt, in seinen Prüfungen hat er bewunderungswürdigen Mut und Ausdauer bewiesen und im Verkehr mit seinen Genossen eine Sanftmut und Großherzigkeit, welche für den Edelmut seines Charakters zeugen. Laßt uns dreimal auf die Gesundheit unseres Mitge nossen Oskar Syvern austoßen." Auf diese Worte erhoben sich die Weber allesamt, und dreimal erschallte ein lautes Lebe hoch im Saale. Mr Christian war nicht aufgestanden, und von seinem Platze aus erhob er sein Glas stech gegen Elga: Schönes Mädchen," sagte er, „fülle mein Glas, auf daß ich es zu Ehren deiner blauen Auaen leere " „Weber Christian," rief der Altmeister mit strenger Stimme, „was du da thust, ist gegen die Sitte. Es steht dir frei, auf das Wohl des schönen Mädchens zu trinken, aber zuerst sollst du, wie wir alle, dein Glas auf das Wohl unseres neuen Genossen leeren, der selbst groß mütig genug gewesen, dir zu verzeihen. Bitte ihn um Verzeihung." „Verzeihung!" rief Christian. „Ich verlange weder Verzeihung, noch nehme ich dieselbe an. Hat er Mut. so möge er ihn beweisen, indem er sich mit diesen Armen mißt." Und von dem fortgesetzten Trinken erhitzt, stürzte er sich auf Oskar, den die Geduld schon zu verlassen begann, umschlang ihn mit seinen nervigen Armen und suchte ihn zu Boden zu werfen. Aber Oskar, obgleich kleiner und schmächtiger als Christian, besaß eine Kraft und Gewandt heit, von welcher dieser keine Ahnung hatte. Mit einer schnellen, ausweichenden Bewegung faßte er ihn um die Mitte des Leibes und streckte ihn der Länge nach hin. Ein allgemeines Gelächter erhob stch, und lautes Beifallrufen erschallte von allen Seiten. Aber plötzlich aufspringend, mit wutverzerrten Zügen, ergriff Christian ein Tisch messer und stieß es seinem Gegner mitten in die Brust. Ein allgemeiner Schrei der Empörung erhob sich in der Versammlung. Oskar fuhr mit der einen Hand nach der Wunde, aus welcher das Blut reichlich strömte, mit der andern entwand er Christian das Messer und warf es zur Erde. „Das sind Sachen, die sich nicht schicken," sagte er, sich zu Christian wendend. „Laß das Messer liegen, damit unsere Genossen nicht glauben, daß wir nicht scherzen." „Bravo!" schrieen die Hanseaten begeistert. „Das ist ein edles Beispiel!" Aber Christian, durch den Beifall noch mehr gereizt, der seinem Gegner gespendet wurde, in dem er einen versteckten Tadel seines eigenen Betragens erblickte, ergriff wütend ein anderes Messer und drang wie wahnsinnig aufs neue auf Oskar ein, den er getötet haben würde, wenn die anderen Weber nicht dazu gesprungen wären und ihn daran verhindert hätten. „Hinaus, hinaus mit dem Feigling; hinaus mit dem Mörder!" schallte es aus einem Munde, „der sich bewaffnet auf einen Unbewaffneten stürzt! Der ohne Grund über denjenigen her fällt, der ihm kurz vorher noch seine Unbill ver ziehen! Wir stoßen ihn aus dem Bund der Hansa aus!" „Liebe Freunde," erwiderte Christian, der etwas ruhiger geworden, „Ihr vergeßt, daß es ganz gleichgültig ist, ob Ihr mich wollt oder 1 nicht. Ich bin ein Glied der Hansa, und ohne Richtcrspruch kann ich nicht aus dem Verband ausgestoßen werden. Ich kann hier bleiben, so lang es mir gefällt, das ist mein Recht, aber ich habe gut gegessen und gestunken, und möchte jetzt schlafen, darum gute Nacht." Und mit einem frohen Lachen ging er hinaus. Mu erhob der Altmeister seinen weißen Stab, das Abzeichen seiner Würde und rief: „Sind zwölf Handwerker hier im Saale, die aus voller Ueberzeugung und auf ihr Ge wissen aufrichtig fordern, daß über Christian Gericht gehalten werde, und glauben sie, daß es gut sei?" „Wir alle, wir alle!" erschallte der Ruf. Zwölf der ältesten Weber traten vor und sagten: „Aus voller Ueberzeugung und aufrichtigem Bewußtsein fordern wir, daß über Chnfttan Ge richt gehalten werde." Worauf der Altmeister den Stab auf die Erde stieß und mit langsamer, feierlicher Stimme sagte: „Der Weber. Christian ist dem Gericht übergeben und wird aufgefordert, sich morgen im Syndikat einzufinden, sobald die Sonne auf gegangen." 6. Am nächsten Morgen, zur festgesetzten Stunde, hatten sämtliche Weber aus Neugier und Teil nahme ihre Arbeit verlassen und strömten nach dem Syndikat, wo schon die Syndiken und der Gildemeister versammelt waren. WH 4 (Fortsetzung folgt.)
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