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Allgemeiner Anzeiger : 08.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189903087
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- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-08
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Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.03.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser, der am Freitag nach Helgoland gefahren war und dort wegen hohen Seeganges nicht landen konnte, ist über Bremen nach Berlin zurückgekehrt. *Der Kaiser hat den Prinzen H einrich zum CH es des Kreuzerge schwaders ernannt. * Obwohl Staatssekretär v. Bülow am Dienstag in der Budgetkommisswn des Reichs tags das gegenwärtige Regime kauf Samoa als verkehrt und unhaltbar bezeichnet hatte, so scheint doch die Idee einer Teilung Samoas noch auf Schwierigkeiten zu stoßen. Im Unter hause teilte am Donnerstag der Unterstaats sekretär des Auswärtigen Brodrick mit, es sei kein formeller Vorschlag für die Teilung der Samoainseln von irgend einer Macht aus gegangen. Zwischen den drei beteiligten Mächten dauerten die Unterhandlungen über die jüngsten Unruhen auf Samoa fort. * Dem Reichstage ist der Gesetzentwurf betr. die Einrichtung eines bayrischen Senats beim Reichsmilitärgericht inBerlin zugegangen. Seine wesentlichsten Bestimmungen lauten: Für das bayrische Heer wird bei dem Reichsmilitärgericht in Berlin ein besonderer Senat gebildet. Der König von Bayern ernennt den Präsidenten und die Räte des bayrischen Senats sowie einen Militäranwalt für denselben; er bestimmt überdies die militärischen Mitglieder dieses Senats. Der bayrische Senat ist für alle dem Reichsmilitärgericht zugewiesenen Ent scheidungen und Geschäfte zuständig, welche das Urteil oder die Entscheidung eines bayrischen Militärgerichts oder die Entscheidung oder Ver fügung eines bayrischen Gerichtsherrn zum Gegenstand haben. Betrifft eine Sache zugleich Angehörige des bayrischen Heeres und eines anderen Kontingents oder der Marine, so treten der bayrische und ein vom Präsidenten des Reichsmilitärgerichts zu bestimmender anderer Senat zu gemeinsamer Verhandlung und Ent scheidung zusammen. *Das Fleischschaugesetz wird erst nach Ostern im Plenum des Reichstages zur ersten Beratung gestellt werden. Da zweifellos dann eine Kommisfionsberatung beschlossen wer den wird und diese sich ziemlich lange hinziehen dürfte, so könnte ehestens Pfingsten in die Einzelberatung eingetreten werden. Dieser Um stand schließt aber die Verabschiedung des Ge setzes noch in dieser Session nicht aus, da die diesmalige Tagung des Reichstages sich vor aussichtlich bis in den späten Sommer er strecken wird. * Im Jahre 1898 sind auf Grund der Bestimmungen des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes, welche sich auf die Erstattung von Beiträgen an solche weiblichen Versicherten, welche eine Ehe eingehen, und an Hinterbliebene von verstorbenen Versicherten beziehen, an rund 146 000 Personen Beitragserstattungen und zwar im Gesamtbeträge von 4,5 Mill. Mk. gezahlt worden. Auf Erstattung in Fällen der Ver heiratung entfielen davon 3,5 Mill, und auf Erstattung in Todesfällen eine Million. Frankreich. *Bei der am Freitag stattgehabten Wahl des Präsidenten des Senats wurde Falliöres mit 151 Stimmen gewählt. Constans erhielt 85. Und darum hat der arme Constans seinen schönen Konstantinopeler Bot- schastspostcn aufgegeben und ist nach Paris geeilt! * Endlich — endlich — ist nun auch die Picquart-Affäre wieder in Gang ge kommen, indem die Kriminalkammer den Obersten Picquart und seinen Anwalt Leblois (wegen der Anschuldigung, daß das „Petit bleu" gefälscht sei) vor die Anklagekammer verwies; wegen anderer Angelegenheiten gegen Picquart soll dagegen das Kriegsgericht zuständig bleiben. *Die nationalistischen Blätter sprechen jetzt die Ueberzeugung aus, daß der Kass ations- hof nunmehr bald die Entscheidung in der Rivisionsangelegenheit fällen werde; die Radikalen ihrerseits meinen, daß das nun auch vom Senat beschlossene Revi- fionsgesetz insolge der Zusicherung voll ständiger Oeffentlichkeit c-er Ver handlung wesentlich an Bedeutung verliere. Man tröstet sich also. * Der Pariser Gemeinderat hat den Sozialisten Lucipia zu seinem Vorsitzenden gewählt. Italien. *Wenn bei einem 89 jährigen Greise eine Operation auch gutartig verläuft, wie dies beim Papste Leo der Fall war, so sind doch immer noch schlimme Zufälle nicht ausgeschlossen. Man darf sich daher nicht wundern, daß aus Rom allerhand (beglaubigte??) Meldungen über Vorbereitungen zu einem Kon klave kommen, daß Kandidaten für den päpstlichen Stuhl genannt werden und natürlich auch Nachrichten über allerhand angesponnene und anzusptnnende Intrigen nicht fehlen. Die Fülle und Unkontrollierbarkeit dieser Mel dungen verbietet ihre Wiedergabe im einzelnen. Belgien. *Die Königin der Belgier ist ziemlich ernstlich erkrankt. Dänemark. *Um seine Meldung über den Zaren auf recht erhalten zu können, erklärt das Kopen hagener Blatt .Politiken' weiter, daß Kaiser Nikolaus gegenwärtig von einer undurchdring lichen Mauer umgeben sei und daß alle Ab leugnungen, mögen nun die Gerüchte richtig sein oder nicht, von denen kämen, die zur Um gebung des Kaisers gehören; daher könnten natürlich die angeblichen Berichtigungen nicht anders lauten, als daß der Kaiser voll kommen gesund sei. Dagegen schreibt ein anderes Kopenhagener Blatt, ,Vort Land', u. a. nachfolgendes: In Wirklichkeit verlautet nichts über Krankheit des Kaisers. Gleich nach Erlaß des Friedensmanifestes, das der Zar persönlich verfaßt hatte, war der junge Monarch, wie das leicht möglich erschien, zweifellos von einiger Nervosität heimgesucht. Aber in den letzten Monaten hat Zar Nikolaus sich wieder voll ständig wohl befunden und die Bestrebungen, ihn jetzt als krank darzustellen, entspringen einzig und allein der Sensationslust. Spanien. *Der Rücktritt des Kabinetts Sagasta ist jetzt Thatsache geworden. Der Ministerpräsident erklärte der Königin-Regentin, daß es dem Kabinett unmöglich sei, mit den jetzigen Kammern weiter zu arbeiten; man müsse sie auflösen. Um der Königin-Re gentin ihre Aufgabe zu erleichtern, reichte Sagasta dann die Entlassung des Kabinetts ein und riet ihr, die tonangebenden politischen Persönlichkeiten zu Rate zu ziehen. Man glaubt, daß ein liberales Uebergangs- ministerium gebildet werden wird. * Infolge der Ergebnisse der Untersuchung über die Kapitulation von San Jago wurde General Toral verhaftet. Asien. *Jn China hat sich Italien als neuer „Pächter" eingestellt und zwar hat es etwa Halbwegs zwischen Schanghai und Kiautschou die Sanmunbucht als Kohlenstation und allgemeine Flottenstation erworben, unter den selben Bedingungen wie die von Kiautschou an Deutschland, ferner die Konzession der Inseln an der Küste, das Recht des Bahnbaues von der Sanmun-Bucht nach dem Bojang-See, sowie vorzugsweise Bahn- und Bergbaurechte, wie sie Deutschland in Schantung besitzt, innerhalb einer Einflußsphäre, welche die südlichen zwei Drittel der Provinz Tschekiang umfaßt. Das Hinter land treibt bedeutenden Seidenbau, was für die italienische Seidenfabrikation von hoher Wichtig keit ist. *Die russische Regiemng hat in- und aus ländischen Iuden die Niederlassung in Port Arthur verboten. Aus dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die zweite Etatsberatung beim Extraordinarium des Reichs amts des Innern fort. Bei der Abstimmung über den Antrag betr. einen Neichszuschuß zum Goethe- Denkmat in Straßburg, die durch Auszählung statt fand, ergab sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses und die Sitzung mußte abgebrochen werden. In der darauf folgenden zweiten Sitzung wurde die zweite Beratung des Militäretats ausgenommen. Der Kricgsminister sowie die Abgg. Bebel (soz.), Lingens (Zentr.) und Bassermann (nat.-lib.) ergriffen zu längeren Ausführungen das Wort, wobei es zwischen dem Kriegsminister und dem Abg. Bebel zu scharfen Erörterungen kam. Am. 3. d. wird die Beratung des Militär etats bei dem Titel „Kriegministcr" fortgesetzt. Abg. Paasche (natlib.): Wir haben in Preußen ein besondere Art Schulen, die Ober-Realschulen. Diese haben sich trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens durchaus bewährt, es ist ihnen eine ganze Reihe von Berechtigungen gewährt worden, nur nicht die eine zum Eintritt der Abiturienten als Offiziere in das Heer und die Marine. Ich möchte den Kriegsminister um Gewährung auch dieser Berechtigung bitten. Abg. Bebel hat gestern die Ursache der Zunahmeder Vorbestrafungen unter den cintretenden Rekruten in unseren sozialen Verhältnissen gesucht. Aber unsere sozialen Verhältnisse und die Lage der arbeitenden Klassen sind doch in den letzten 20 Jahren jedenfalls nicht schlechter geworden. Schuld an der Verrohung unsere Jugend ist ohne Zweifel die wachsende Ir religiosität. Schuld ist vor allem, daß der Glaube an die alleinseligmachende Kirche der Jugend abhanden gekommen ist. Dieser Glaube schwindet mehr und mehr durch die sozialdemokratischen Agitationen. Bezeichnend für die Sozialdemokraten ist es auch, daß ihr Hauptorgan es heute so darstellt, als habe der Kriegsminister dem Abg. Bebel gar nichts zu er widern vermocht. Wir in der Mehrheit haben doch wohl alle den Eindruck gehabt, daß der Abg. Bebel vom Kriegsminister vollständig widerlegt worden ist. Abg. Gröber (Zentr.) Ich bin dem Vorredner dankbar dafür, daß er für Pflege der Religiosität eintritt. Hoffentlich hat er dabei seine ganze Fraktion hinter sich. Eine von seinen Angaben nötigt auch mich zu einigen Bedenken. Es handelt sich um den Sozialdemokraten Wiese, der vor Ge richt auf Befragen gesagt haben soll, im Zivil sei er Sozialdemokrat. Der Kriegsminister meinte nun, Wiese hätte die Beantwortung verweigern sollen. Das ist aber irrtümlich, denn das Gericht hat in solchen Fällen auch gegen Militärpersonen Zwangs befugnisse. Abg. Bebel (soz.): Ich danke dem Vorredner für die ruhige und sachliche Behandlung dieses Falles, die sehr vorteilhaft abstach von der Behand lung desselben durch den Kriegsminister. Abg. Paasche hat freilich noch den letzteren zu übertrumpfen ge sucht, er hat sich vor allem päpstlicher erwiesen als der Papst. Abg. Paasche meint wohl, die Lage der Arbeiter sei deshalb so viel vorteilhafter, weil die Löhne gestiegen sind. Er darf aber nicht ver gessen, um wie viel sich die Lebenshaltung ver teuert hat. Mangel an Religiosität soll nach Herrn Paasche schuld an der Verrohung der Jugend sein. Aber wir leben doch gerade in einer Zeit der Ver- frommung. Zwischen Herrn Paasche und mir dürfte jedoch in bezug auf Religiosität oder Irreligiosität kein großer Unterschied sein. Wenn ich auch gestern wieder eine Reihe von Vorfällen zur Sprache ge bracht habe, so ist das keineswegs geschehen, um die Krone oder die Träger dieser Institution dafür ver antwortlich zu machen, sondern in der Absicht, Besserung zu schaffen. Abg. v. Tiedemann (freikons.) hält dem Vor redner als offenbare Unrichtigkeit dessen Behauptung vor, daß Graf Stolberg den Sergeanten „erstochen" habe. (Rufe: nun dann erschlagen!) Das sei ein großer Unterschied. Auch sonst seien Bebel Unrichtig keiten untergelaufen. Was habe übrigens der Klub der Harmlosen mit dem Kriegsministerium zu thun? Aktive Offiziere seien da gar nicht mit im Spiele! Bebels Material sei ganz dürftig gewesen. Wenn derselbe mit seinem entwickelten Spürsinn aus der Skandalchronik eines ganzen Jahres nicht mehr.habe hercmsffnden können, so beweise das, daß unser Offizierkorps tadellos sei, und daß die Absicht Bebels, dasselbe zu diskreditieren, Fiasko gemacht habe. Kriegsminister v. Goßler: Gestern habe Abg. Bebel eine ganze Reihe falscher Behauptungen auf gestellt. Was den Fall Wiese betreffe, so hat der betreffende, als ihn der Gerichtsvorsitzende vor der Vernehmung befragte, ob er Sozial demokrat sei, geantwortet: In Zivil ja! Schon diese Antwort beweist, daß der Mann wußte, daß er nicht sich als Soldat zur Sozialdemokratie bekennen durste. Was die Juristen über den Fall denken, das zu sagen, bin ich im .Moment außer stände. Ich werde mich aber mit solchen in Verbindung setzen. Nach militärischen Anschauungen kann ich das ge fällte Urteil jedenfalls nur für berechtigt halten. Ucbrigens wiederhole ich meinen früheren Ausspruch: Die Sozialdemokratie wird an ihren eigenen Fehlern zu Grunde gehen. Abg. Hoch-Hanau (soz.) klagt über verzögerte Entschädigungen für Flurschäden in seinem Heimats kreise. Weiter hält Redner dem Minister vor, daß bei den Soldaten der Mut zu einer Beschwerde von den Vorgesetzten direkt erstickt werde. Kriegsminister v. Goßler: Die Behörden find angewiesen, die Flurbeschädigungen möglichst rasch auszuzahlen. Abg. Graf Klinckow ström (kons.): Aba. Bebel stellt es so dar, als hätte er die Armee nicht angegriffen. Einen schärferen Angriff kann es aber doch kaum geben als die Behauptung, es werde in der Armee mit zweierlei Maß gemessen. Ein glän zenderes Zeugnis konnte unserer Armee nicht aus gestellt werden als durch Herrn Bebel, der im ganzen neun Fälle von Verstößen verschiedener Art hcraus- znfinden vermochte. Abg. Bebel rühmt es, daß seine Genossen in der Armee sich wohl hüten, ihre sozial demokratische Gesinnung zu bethätigen. Daraus möge Herr Bebel die Lehre entnehmen, daß, wenn die Sozialdemokraten ihren Zukunstsstaat mit Ge walt sollten durchführen wollen, ihre Genossen im Zivil von den Genossen in Uniform totgeschoffen werden. Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.): Abg. Bebel hat gestern behauptet, ich hätte mich von einem meiner Redakteure irrcführcn lassen. Er spielt damit auf die Affäre Fink an. Herr Bebel stützt sich auf einen gestohlenen Brief, in dem ich von einer Lüge gesprochen habe. Nach Lage der Sache mußte sich aber Herr Bebel selbst sagen, daß nicht ich die Lüge ausgesprochen habe, sondern daß man mich falsch berichtet hat. Herr Bebel hat dagegen in zahlreichen Fällen von Soldatenmißhandlungen hier Dar stellungen gegeben, die sich als durchaus falsch er wiesen haben. Auch im Falle Fink hat Abg. Bebel Behauptungen aufgestellt, für die er einen Beweis nicht erbringen konnte. Das hat er damals durch die Korrektur des Stenogramms bewiesen. Im übrigen verbitte ich mir, daß mir Irrtümer vor geworfen werden auf Grund von vom .Vorwärts' gestohlener Briefe. Abg. Stöcker (wildkons.): Ich bin drei Jahre Feldprediger gewesen und habe Gelegenheit gehabt, die wunderbare Größe dieses Instituts kennen zu lernen. Wie winzig müssen da die Dinge erscheinen, die hier gegen die Armee vorgebracht werden. Man wird es draußen im Lande nicht verstehen, daß wir uns hier zwei Tage über solche Kleinigkeiten unter halten. Daß jetzt auch die Nationallibcralen für die Religion eintreten, ist mir gewiß erfreulich, noch erfreulicher wäre es mir aber, wenn die national liberale Presse dem Beispiel der Fraktion folgte. Wir wollen uns jedoch die Freude an unserer Armee und den Stolz auf sie durch solche sozialdemokratischen Kritteleien nicht verkümmern lassen. Wir wollen die Armee hochhalten als die beste Schule unseres Volkes, als das Instrument unserer nationalen Ein heit und Größe! Abg. Bebel (soz.) meint, seine Anklagen müßten doch gesessen haben, sonst würde man sich nicht so viel Mühe geben, sie abzuschwächen. Der Rückgang der Strafen und der Selbstmorde, auf den von ver schiedenen Seiten hingewiesen worden sei, spreche nicht für die Vortrefflichkeit der Institution, sondern sei eine einfache Folge der Herabsetzung der Dienst zeit. Entgegengetreten seien ihm viele Redner, belehrt habe ihn keiner. Abg. Gröber (Zentr.): Um die vom Abg. Bebel zur Sprache gebrachten Fälle an das Licht der Oeffentlichkeit zu bringen, bedurfte es der gestrigen Rede des Abg. Bebel nicht. Sie waren sämtlich schon bekannt. Es kann ihn also nicht allein die Absicht geleitet haben, eine Bessemng herbeizuführcn. Damit schließt die Diskussion. — Der Titel „Minister" wird bewilligt und darauf die Weiterbe ratung vertagt. »rruyifchrr Landtag. Das Abgeordnetenhaus beendete am Donnerstag die Generaldebatte über den Eisenbahnetat. Gegen über den Beschwerden des Frhrn. v. Eynatten über die Behandlung der Fahrräder auf den preußischen Bahnen erwiderte Minister Thielen, die betr. Be stimmungen seien erlassen, um den großen Andrang der Radfahrer zu den Zügen zu verhindern, welcher den fahrplanmäßigen Abgang zum Teil unmöglich gemacht habe. Im Abgeordnetenhaus wurde am Freitag das Ordinarium des Eisenbahnetats erledigt. Es wurde viel über die Tarifreform gesprochen. Der Antrag der Freisinnigen auf Beibehaltung der Arbeitersahr karten mindestens im bisherigen Umfange wurde als überflüssig abgelehnt, da eine Aenderung nicht beab sichtigt werde. Usn Nah und Fern. Kiel. Der Kaiser verlieh den dänischen Fischern, welche die Besatzung der an der jüti schen Küste gestrandeten deutschen Kuff „Markie" retteten, 300 Kronen, dem Führer Christiansen eine goldene Uhr mit Bildnis. Die Weber der Kansa. 4) Novelle von A. R. Rangabö. (Fortsetzung.) „Wenn du mir versprichst, sie im Leben zu schützen und glücklich zu machen, so ist Elga dein." „Ob ich sie glücklich machen werde?" rief Oskar. „Mein ganzes Leben, meine ganze Hoffnung, dereinst selig zu werden, gebe ich mit Freuden für ihr Glück dahin. Aber, Muster, meine Liebe allein genügt nicht, wenn Elga die selbe nicht teilt." „Elgas Liebe!" rief die Aste aufgebracht. „Ueber Elgas Liebe habe ich zu verfügen, mache dir deshalb keine Sorgen l Elga ist deine Braut, sage ich dir." Oskar hielt eS nach dieser für ihn so be ruhigenden Zusage der Alten nicht für nötig, weitere Bedenklichkeiten zu erheben. Außerdem sagte ihm auch seine Eigenliebe, daß die Art und Weise, wie das junge Mädchen seine Hul digungen entgegen nahm, ihn zu den freudigsten Hoffnungen berechtigte. Indessen um seinem Gewissen vollständig Genüge zu thun, sagte er zu Grumbrige: „Ich danke Euch, Mutter, für das köstliche Geschenk. Aber ich will es nicht allein aus Euren Händen empfangen. Ich werde Gelegen heit finden, für mich selbst zu sprechen." Aber Grumbrige war keine von denen, die den Willen anderer dem ihrigen gegenüber für maßgebend erachten, und denselben Abend noch redete sie mit Elga. . „Meine Tochter," sagte sie, „ich habe über deine Zukunft bestimmt. Ich habe für dich einen geschickten Handwerker zum Gatten gewählt, der nicht verfehlen wird, bald die höchsten Stellun gen in seinem Gewerbe einzunehmen. Er ist ein rechtschaffener und braver Mann, der dich innig liebt und dich glücklich machen wird." „Wer ist es?" fragte Elga. „Oskar Syvern," erwiderte die Alte. „Großmutter! o Großmutter!" rief das Mädchen. „Ich bin ja glücklich, wie ich bin! Warum willst du mich von dir stoßen ? Du hast noch lange Jahre vor dir, und so lange du lebst, laß mich bei dir bleiben." „Ich habe es einmal beschlossen," sagte Grumbrige heftig, „und du kennst mich und weißt, daß das, was ich einmal bestimmt habe, auch geschieht. Oskar wird morgen in den Verband der Hansa ausgenommen und den nächsten Sonn tag in meine Familie." „Aber Großmutter," bat das Mädchen, „laß mir wenigstens Zeit zum Ueberlegen. Warum Oskar? Weißt du denn, ob er mich liebt? Weißt du, ob er in seinem Vaterlande nicht schon durch ein Versprechen gebunden ist, ob seine Hoffnungen nicht einen höheren Flug nehmen werden, wenn er in seiner Laufbahn Erfolg findet? Warum gerade er? Soll man etwa sagen, daß du ihn bei dir nur ausgenom men, um ihm deine Enkelin aufzubürden? Wenn du unwiderruflich meiner ledig sein willst, gibt es da nicht noch einen anderen geschickten Handwerker, der ehrsam und wohlhabend ist?" „Kind," sagte die Alte rauh, „es ist unnütz, daß du überlegst, wo ich alles wohl bedacht habe. Oskar ist durch kein anderes Versprechen gebunden, auch hat er kein anderes Streben, als dein Gatte zu werden. Es liegt die Kluft eines Mordes zwischen ihm und mir, und nur du kannst dieselbe ausfüllen. Ich beraubte ihn seines Vaters, und als Sühne für des Vaters Blut gebe ich dich dem Sohne. So war es bestimmt, und so soll es geschehen;" mit diesen Worten ging die Alte hinaus. Wie erstarrt, blieb Elga einige Augenblicke stehen, dann warf sie sich vor dem Bilde der heiligen Jungfrau auf die Kniee, welches über ihrem Bette hing, und den Kopf in die Kissen begraben, sendete sie trostlos schluchzend heiße Gebete um Rettung zu der Gebenedeiten empor. Auch Oskar verbrachte die Macht in großer Aufregung und Unruhe. ' Die bevorstehende Feierlichkeit, welche ihm zu Ehren am morgen den Tage stattfinden sollte, und durch welche, wenn auch nicht sein Schicksal entschieden, so ihm doch die Aussicht auf neue Hoffnungen er öffnet werden sollte, besonders aber die Worte der Alten und die süße Verheißung, welche die selben enthielten, klangen beständig in seinen Ohren, verscheuchten den Schlaf aus seinen Augen und setzten das Kaleidoskop seiner Ein bildungskraft in Bewegung. Gegen Mitternacht war es ihm plötzlich, als höre er eine Stimme flüstern, träumte er, oder war es wirklich die Stimme Elgas? Die Augen geschlossen, gab er sich dem un aussprechlichen Zauber hin, in welchem diese Gehörstäuschung ihn befangen hielt. Nach und nach aber schien es ihm, als sei es kein Spiel seiner Einbildungskraft, sondern Wirklichkeit. Er glaubte leichte Schritte im Garten, unter seinem Fenster zu vernehmen. So leicht sprang er auf und eilte an das Fenster, aber der trübe Mond war mit Wolken bedeckt, und er war nicht sicher, ob es eine menschliche Gestalt sei, die sich hinter den Bäumen entfernte, oder ob es die Zweige waren, welche derNachtwind hin und her bewegte. Erwartete eine Zeitlang; da er aber nichts weiter sah noch hörte, kam er zu dem Schluffe, daß es der Wind gewesen sei, er legte sich deshalb wieder zu Bett und schlief bald vollständig be ruhigt ein. 5. Kaum war der Sonntag angebrochen, als die Abgesandten der Weber erschienen, um Oskar feierlich zur Kirche abzuholen, wo die sämtlichen Mitglieder der Gilde schon versammelt waren, um die Messe zu hören. An der Kirchthür stand ein mit vier Ochsen bespannter Wagen. Nachdem man denselben mit Kränzen und grünen Zweigen geschmückt, bestieg der Altmeister mit Oskar denselben, ihnen folgten zwei Syndiken, zwei Weber und zwei Lehrlinge. Alle auf dem Wagen stehend, fuhren sie langsam im festlichen Aufzuge durch die Hauptstraßen der Stadt, Trompeter ritten voran, und unter Hochrufen auf das Wohl des «en- aufgenommenen Hanseaten Oskar Syvern folgte« die andern Glieder des Bundes. Nach diesem öffentlichen Umzuge hielt »an vor der Herberge Grumbriges, wo zu Ehren der Aufnahme Oskars ein Festmahl hergerich tet war. Zuerst an der Tafel saß der Altmeister der Weber, die andern setzten sich nach ihrem Range, und diejenigen, welche keinen besonderen Rang
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