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Allgemeiner Anzeiger : 01.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189903012
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- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-01
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Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.03.1899
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Politische Rundschau. Deutschlanv. * Beim Kaiser fand am 25. d. eine größere Frühstückstafel zu Ehren Königs Wilhelm 1l. von Württemberg statt, der an diesem Tage das 51. Lebensjahr voll endete. * Der Kaiser nahm am Donnerstag mit großer Begleitung an der Trauerfeier teil, die in der katholischen Hauptkirche für den ver storbenen Präsidenten Faure abge halten wurde. * Die ,Posll glaubt den Gerüchten von einem baldigen RücklrittdesReichskanzlers entgegentreten zu können: „Gegenüber dem in einigen Blättern wieder austauchenden Gerücht, der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe beab sichtige, bald nach seinem Geburtstage zurückzu- treten, als sein Nachfolger sei bereits Fürst Radolin ausersehen, sind wir zu der Erklärung ermächtigt, daß es sich auch in diesem Falle wieder um müßige Erfindungen handelt." * Erfreulich ist es, daß man in Amerika einzusehen beginnt, wie unverantwortlich das Benehmen des Herrn Chambers bei den letzten Wirren auf Samoa gewesen ist. Aus New Jork meldet jetzt nämlich der Draht, die letzten Nachrichten zeigen, daß die Haltung des Oberrichlers Chambers von Samoa durch aus verkehrt war. — Spät ist zwar den Ameri kanern die Erleuchtung gekommen, anerkennens wert ist es aber immerhin, daß sie ihnen über haupt gekommen ist. Unter diesen Umständen lassen die diplomatischen Verhand lungen, die unzweifelhaft demnächst in dieser Frage zwischen den drei beteiligten Mächten geführt werden, ein gutes Resultat erhoffen. * Im Monat Januar d. haben 1240 Schiffe (gegen 839 Schiffe im Januar 1898) mit einem Netto - Raumgehalt von 211656 Registertons (1898: 134 374 Registertons) den Kaiser Wilhelm-Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblotsgeldes, an Gebühren 110 318 Mark (1898: 71 867 Mk.) entrichtet. Oesterreich-Ungarn. * Das von den ungarischen Paria- mentarischenParteien aufgesetzte Proto koll über die Kompromißbedingungen wurde am Donnerstag von Koloman Szell und den Vertrauensmännern sämtlicher Parteien unter fertigt. Im Sinne des Kompromisses wird in der ersten Sitzung des Abgeordnetenhanses nach der Programmerklärung des neuen Kabinetts die Indemnität, das Ausgleichsprovisorium, die Vorlage betr. das Rekruteukontingent, und der Ausgleich mit Kroatien auf die Tagesordnung gesetzt und erledigt werden. Dadurch käme das ungarische Staatsleben wieder in verfassungs mäßigen Zustand. Frankreich. *Der Pariser ,Soir' verkündet, der oberste Staatsanwalt Manau beantrage die Frei sprechung von Dreyfus ohneneues Kriegsgerichtsverfahren. Das Blatt fragt, ob das Land eine derartige Heraus forderung dulden wolle. *Der famose Deroulede ist verhaftet worden und mit ihm der Abg. Millevoye; beide hatten beim Leichenbegängnis Faures demonstriert; Deroulede war dem Pferde des Generals Roget in die Zügel gefallen und hatte den General unter bombastischen Phrasen auf gefordert, an der Spitze der Patriotenliga nach dem Elhsee zu marschieren; Frankreich sei mit ihm. Die Regierung hat bei der Deputierten kammer die Genehmigung zur gerichtlichen Verfolgung Derouledes und Millevoyes nach gesucht. * Dem ,Soir' zufolge ist unter Führung ver schiedener progresststischer, radikaler und radikal sozialistischer Abgeordneten eine neue Liga zur Verteidigung der republikanischen Grundsätze gebildet worden. Diese Liga soll einen Gegensatz bilden zu der Liga der Vaterländischen. Das Ausscheiden von Mit gliedern aus der Liga der Vaterländischen soll noch immer fortdauern, dagegen behauptet die Liga selbst, daß die Zahl ihrer Mitglieder stetig zunehme und bereits die Zahl 100000 er reicht habe. Italien. * Ein Telegramm der,Tribuna' aus London besagt, die englische Regierung habe Rußland die Mitteilung gemacht, daß Eng land an der Abrüstungs-Konferenz nicht teilnehmen werde, wenn Italien sich zurückziehe. Die ,Tribuna' schreibt dazu, sie könne hinzufügen, daß die Verhandlungen be treffend die Konferenz nicht so weit gediehen seien, um eine derartige energische, entscheidende Intervention Englands notwendig erscheinen zu lassen. Die ,Tribuna' teilt zum Schluß mit, die Königin der Niederlande werde demnächst die Einladungen zur Konferenz er gehen lassen, ohne jedoch denVatikan eben falls aufzufordern. Dänemark. * Kopenhagener Hofkreise betrachten die Reise der Prinzessin von Wales und ihrer Tochter nach Athen als Bestätigung der Gerüchte einer bevorstehenden Verlobung der Prinzessin Viktoria mit dem Prinzen Georg. Spanien. * Die spanische Deputiertenkammer beriet am Msttwoch den Antrag der Republikaner, der die Einberufung einer konstituierenden Versammlung fordert. Salmerou verlangte in heftiger Rede im Namen der Republikaner, daß die Regierenden zur Verant wortung gezogen würden, deren Bestreben dahin gegangen sei, mit Hintansetzung des Vater landes die Monarchie zu retten, und die er be schuldigt, dasKolonialreich den Ver. Staaten ausgeliefert zu haben nach einem Kriege, der nur 276 Tote gekostet habe. Der gegenwärtige Friede sei der schimpflichste, den die Geschichte aufweise. Man stände einem Kadaver gegenüber: aber es sei nicht derjenige Spaniens, sondern desjenigen, der es regiere. — Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Republikaner und Karlisten abgelehnt. Rustland. * An eine Erhebung der Bonapar ti sten will man in Petersburg nicht mehr glauben. Durch ihren Mangel an Entschlossen heit stehen die Bonarpartisten auf dem Punkte, dort alle Sympathien zu verlieren. Ein offener, wenn auch mißglückter Putsch hätte den Herren ungemein viel genützt und ihnen die Sympathie, wahrscheinlich auch die indirekte Unterstützung Rußlands für jetzt und die Zukunft ge sichert. Wie man sich erzählt, hat Oberst Lud wig Napoleon Bonaparte in den letzten Tagen von seinen Kameraden mancherlei Sticheleien aushalten müssen. Das „Schwert" der Bonar partisten hat sich bei der ersten einigermaßen günstigen Gelegenheit jedenfalls nicht bewährt, und wenn es später doch noch einmal gezogen werden sollte, so dürfte es längere Zeit dauern, bis man an seine Schärfe und Ausdauer zu glauben beginnt. Aegypten. * Der Kalif im Sudan, den man ver nichtet wähnte, ist gegen Araberstämme, die den Engländern freundlich gesinnt waren, angriffs weise vorgegangen und hat dabei Erfolge er rungen. Oberst Kitchener hat nunmehr An ordnungen getroffen, um „das weitere Vor dringen der Derwische zu verhindern." Amerika. *Ueber die Zusammenkunft der Präsidenten von Argentinien und Chile, die kürzlich an Bord des „O'Higgins" vor Punta Arenas stattgefunden hat, erklärt eine amtliche Depesche, daß von beiden Seiten die herzlichsten Gesinnungen ausgesprochen wurden und Präsident Roca die Einladung, demnächst nach Santiago zu kommen, angenommen hat. *Die Verhandlungen zur Beilegung der kanadischen Differenzen sind er gebnislos verlaufen. ,Wolffs Büreau' meldet aus Washington: Die vereinigte englisch- amerikanische Kommission hat am Montag beschlossen, sich bis zur Mitte des Sommers zu vertagen, nachdem es ihr nicht gelungen, in den wesentlichsten Fragen, in welchen Differenzen zwischen den Ver. Staaten ^rnd Kanada schweben, eine Einigung zu er zielen. Asten. * Auf den Philippinen geht der Kampf munter vorwärts. Eine Depesche des Generals Otis an die Kriegsverwaltung meldet, daß am Mittwoch ein energischer Versuch gemacht wurde, Manila in Brand zu st ecken. Das Feuer war in drei verschiedenen Stadtvierteln angelegt und wurde von den Truppen nach großer Anstrengung bewältigt. Eine erhebliche Anzahl der Brandstifter wurde erschossen, einige Soldaten wurden verwundet. Der durch den Brand angcrichtete Schaden dürste eine halbe Million.Dollar betragen. Aus dem Reichstage. Der Reichstag beendigte am Donnerstag bei Beratung des Etats der Reichsjustizverwaltung die allgemeine Debatte im Anschluß an den Titel „Ge halt des Staatssekretärs." Der größte Teil der Sitzung wm de mit Erörterung des Urteils des Dresdener Schwurgerichts über die Löbtauer Aus schreitungen ausgefüllt. Außer der Löbtauer Ange legenheit wurde noch zwischendurch über die Fragen der bedingten Verurtetlnng, des Strafvollzugs und anderes debattiert. Am 24. d. nimmt das Wort Präsident Graf Ballestrem: Wir haben bei dem Titel Staats sekretär des Reichsjustizamts eine ausgiebige General diskussion gehalten. Ich bitte daher die Herren Kollegen, sich bei der Beratung der übrigen Titel selbst zu beschränken und nicht auf die General diskussion zurückzugreifen. Ich bitte Sie ferner, keine weitere Kritik richterlicher Urteile mehr vorzu nehmen, da dies auch bei der Generaldiskussion in ausgiebiger Weise geschehen ist. Geschieht dies den noch, so würde ich annehmen müssen, daß die Redner von der Sache abschweifen. Ich richte diese Bitte an die Herren Kollegen mit Rücksicht auf die Geschäfts lage. Wir stehen damit sehr zurück und haben die Verpflichtung, den Etat zum 1. April fertigzustellen. Der 1. April bedeutet aber bei der diesjährigen Lage des Osterfestes den 22. März. Darauf wird die Spezialberatung des Etats der Reichs-Justizverwaltung fortgesetzt. Beim Kapitel „Reichsgericht" bemerkt Abg. Stadthagen (soz.), seine Freunde würden die neue Forderung zur Schaffung eines weiteren Zivilsenates beim Reichsgericht ablehnen. Es müßte nicht nur eine Entlastung der Zivilsenate, sondern auch eine solche der Strafsenate eintreten. Staatssekretär Ni eberding erwidert, nach den Berichten des Präsidenten des Reichsgerichts seien wohl die Zivilsenate, aber nicht die Strafsenate belastet. Es habe also ein dringendes Bedürfnis nur für die Schaffung eines neuen Zivilsenats Vor gelegen. Das Kapitel wird darauf bewiligt. Ebenso dcbattelos der Rest des Etats der Reichsjustizver waltung. Es folgt der Etat des Reichstags, der be willigt wird. Bei dem nun folgenden Etat des Reichs- Eisenbahn-Amts befürwortet Abg. Münch-Ferber (nat.-lib.) im Interesse der sächsischen Textil-Jndustrie eine Beschleunigung des Güterverkehrs nach Eugland. Präsident des Rcichs-Eisenbahnamts Schulz erkennt die Wichtigkeit dieser Forderung an. Aba. Pach nicke (frs. Vgg.): Um den Klagen über die verschiedenartige Behandlung der Fahrräder auf den Eisenbahnen abzuhelfen, müßte das Reichs eisenbahnamt auf eine Vereinheitlichung der Vorschriften hinwirken. Die wichtigste Forderung, die wir aber immer wieder erheben müssen, ist die auf Verein fachung und Verbilligung der Personentarifc. Die Herren auf der Rechten wollen eine solche Reform nicht, weil sie befürchten, daß noch mehr ländliche Arbeiter nach den Städten wandern würden. Eine solche Befürchtung ist doch grundlos. Die Arbeiter würden zu demselben Preise, zu dem sie jetzt in der vierten Klasse fahren, nach Durchführung jener Reform in der dritten Klasse fahren. Präsident des Reichseisenbahnamts Schulz: Eine Auskunft über die Tarifreform kann ich nur mit sehr großer Beschränkung erteilen. Im vorigen Frühjahr ist eine Konferenz der deutschen Eisenbahn verwaltungen abgehalten worden, im Sommer haben dann die erforderlichen statistischen Erhebungen statt gefunden und kürzlich ist wieder eine Konferenz im Reichseisenbahnamt zusammengetreten. Ueber das Ergebnis etwas mitzuteilen, bin ich leider außer stände, da die Vertreter der Eisenbahnverwaltuugen den Wunsch geäußert haben, daß die Verhandlungen streng vertraulich behandelt werden. Ich kann aber versichern, daß wir das ernste Bestreben haben, zu einer Einigung zu gelangen, und ich hoffe auch, daß es gelingen wird, die Schwierigkeiten, die dem noch cntgegenstehen, hinwegzuräumcn. Abg. Bräsicke (frs. Vp.) fordert die allgemeine Einführung von Staffeltarifen, namentlich im Inter esse des notleidenden Ostens. Präsident des Reichseisenbahnamts Schulz will die Frage der Kompetenz des Reiches in Tarif- fragcn aus dem Spiel lassen und verweist den Vorredner nur darauf, daß über den Nutzen der Staffeltarife bekanntlich ganz verschiedene Ansichten herrschen. Die einen wünschen sie, die anderen ver wahren sich dagegen. Jedenfalls lasse sich ein solcher Tarif nicht ohne weiteres generell einführen. Abg. Stolle (soz.) bedauert es, daß man mit der Tarifrcforni nicht vom Flecke komme; man könne von den preußischen Eisenbahnen jedenfalls sagen: Immer langsam voran, daß die Eisenbahn auch nachkommen kann! Der preußische Finanz minister stelle sich eben allen Reformen entgegen, weil er die Eisenbahn als gute Einnahmequelle, nicht als ein Verkehrsmittel betrachtet. Abg. Gamp (freikons.): Die Forderungen des Abg. Pachnicke gehen zu weit. Die Personentarife für die vierte und dritte Klasse sind schon billig genug. Eher würde sich eine Herabsetzung der Preise für die erste und zweite Klasse rechtfertigen. Abg. Moeller-Dortmund (nat.-lib.) schließt sich der Anregung auf Beschleunigung des Güter- Transports nach England an. Er halte überhaupt eine Reform der Gütertarife für viel dringlicher als die der Personentarife. Abg. Gras Stolberg (kons.) erklärt sich für seine Person für die Maybachsche Tarifreform, aber unter Beseitigung aller Retour-, Saison-, Rundreise- Billets u. s. w. einverstanden. Dringlicher aber als eine Reform der Personentarifc sei diejenige der Gütertarife, vor allem empfehle er die Einführung von Staffeltarifen. Abg. Schrader (frs. Vg.) wünscht, daß wir durch die in die Wege geleitete Reform zu möglichst großer Vereinfachung und zu möglichst mäßigen Sätzen gelangen. Aber auch eine Ermäßigung der Gütertarife halte er für notwendig, und zwar vor allem für weitere Entfernungen. Das beste wären zweifellos Staffeltarife. Abg. Frhr. v. Stumm (Rp.) bedauert, daß man seiner Zeit nicht zum Reichseisenbahn-System übergegangen ist. Wären die Pläne des Fürsten Bismarck damals nicht gescheitert, so hätten wir längst einheitliche Tarife. Das System der Staffel tarife möchte er lieber nicht mit heranziehen; für Getreide seien dieselben überhaupt nur denkbar unter Wiedereinführung des Identitätsnachweises. Abg. Graf Kanitz (kons.) hält den Staffeltarif für den finanziell richtigen Tarif. An eine Reform der Personentarife dürfe überhaupt vor derjenigen der Gütertarife nicht herangetreten werden. Abg. Stolle: Abg. Gamp habe daraus, daß er das sächsische Eisenbahnwesen über das preußische gestellt habe, entnommen, daß er eigentlich das ganze sächsische Beamtentum hätte loben müssen. Nein das thue er nicht, denn die Art, wie Polizei und Gerichte gegen seine Parteigenossen vorgingen, sei geradezu eine Schande für das Königreich Sachsen. Präs. Graf Ballestrem: Der Ausdruck „Schande für das Königreich Sachsen" ist nicht zulässig, ich rufe den Redner zur Ordnung! Abg. Stolle (fortfayrend) polemisiert gegen die jenigen Redner, die sich gegen eine Eisenbahntarif- Ncform ausgesprochen haben. Abg. Beck H-Koburg hält die Reform der Personen tarife für mindestens ebenso dringend, wie die der Gütertarife. Abg. Gerstenberger (Zentr.) erklärt, Süd deutschland würde gegen die Wiedereinführung der Staffeltarife für Getreide entschieden Protest einlegen. Die Süddeutschen seien doch schließlich auch deutsche Brüder, auf die man Rücksicht nehmen sollte. Abg. Hahn (wildk.) entgegnet dem Aba. Gersten berger, der Bund der Landwirte halte sich i» der Frage der Staffeltarife neutral. Der Etat des Reichseisenbahnamtes wird darauf b e w ill ig t. Preußischer Aandtaa- Das Abgeordnetenhaus setzte am Donnerstag bei Beratung des Etats des Finanzministeriums die Er örterung über die Besoldungsverbesserung der Unter- beamtcn fort. Der Gang der Debatte ließ erkennen, daß, ausgenommen etwa die Gendarmerieobcrwacht- meister, denen die Kommission eine kleine Gehalts erhöhung über die Regierungsvorlage hinaus zu gebilligt hat, andere Beamtenkategorien nichts erhoffen dürfen. Im Abgcordnetenhause wurde am Freitag das Ordinarium des Etats des Finanzministeriums er ledigt. Die Vorlage betr. die Aufbesserung der Be soldung der Unterbeamten wurde unter Ablehnung sämtlicher Abänderungsanträge nach den Vorschlägen der Regierung angenommen, nachdem Finanzmimster v. Miquel nochmals dringend davor gewarnt hatte, die Begehrlichkeit der Beamten durch die Einbringung von Anträgen auf Erhöhung der Aufbesserungen noch zu steigern. Die Weber der Kansa. 2) Novelle von A. R. Ran gab 6. s^orUtyunzg „Wie, aus Leyden? Und dein Name, wenn du ihn nennen willst?" „Ich heiße Oskar." „OSkar, und weiter?" „Syvern." „Ha, Syvern I Oskar Syvern. Dein Alter — sage mir dein Alter!" schrie die Alte heftig auffahrend. „Neunzehn Jahre," erwiderte Oskar, sie er staunt ansehend. „Und du bist ein geschickter Weber?" „Ich nehme es mit den besten Werk meistern auf." Oskar Syvern," rief Grumbrige, ihm die Hand reichend. „Fortan ist mein Haus das deinige. Ich weroe dein Pate sein und ich ver- spreche dir, daß die Hansa dich als eines ihrer Mitglieder aufnehmen wird." „Aber, gute Frau, wolltet Ihr Euch wirklich eine solche Last aufbürden?" stammelte der junge Diann, dem die Freude fast den Atem nahm, bei dem Gedanken ein Gast in dem Hause zu sein, das er schon wie ein Paradies zu be trachten begann. „Mache mir keine Kopfschmerzen mit deinen Redensarten. Ich sage dir, dieses Haus ist deine Wohnung. Elga, richte die grüne Kammer für den Gast her, und du setze dich, und höre mich an." 2. „Du glaubst," begann die Alle, als sie mit ihm allein war, „du glaubst, daß du mir für meine Gastfreundschaft Dank schuldest. Aber ich bin es, die deine hundertfache Schuldnerin bleibt, denn du nimmst dieselbe an, und du kannst sie mir reich vergüten. Du bis aus Leyden ge bürtig, auch ich stamme aus Leyden. Du bist Oscar Syvern, der Sohn Rudolf Syverns. Ich habe deinen Vater gekannt, er war einer der reichsten und rechtlichsten Kaufleute, einer der geachtetsten Stadträte. Von seinen Mit bürgern geliebt und geehrt, wurde er als einer der glücklichsten Sterblichen angesehen. Ich kannte auch sein Haus. Es war ein hohes, großes, schönes Gebäude, eine beneidenswerte Stätte der Freude und des Wohlstandes. Aber dein Vater wurde dennoch wie ein Ehrloser ge hängt, sein Vermögen wurde eingezogen und sein Haus dem Boden gleich gemacht. Und ich war es, die ihn dem Henker überlieferte, ich war es, die sein Haus zerstörte. „Ich hatte im stillen geplant und Ränke geschmiedet, bis er endlich zu Falle gebracht war. Er wurde angeklagt, aus den Archiven wichtige Papiere geraubt und die Interessen der Stadt verraten zu haben, deren erster Würden träger er war. Der Schein war gegen ihn, und ich, die ich seine Unschuld beweisen konnte, ich schwieg. Verblendete Richter hatten ihn ver dammt, und das durch die Wut noch ver- blendetere Volk plünderte und zerstörte sein Haus." Bei dem letzten Worte der Men war Oskar aufgesprungen und mit entsetztem Blicke das Weib anstarrend, die ihm wie ein Geist der Hölle erschien, rief er: „Und du wagst es, mir das alles zu sagen, und fürchtest nichts, indem du mir jene schreck liche Mitteilung machst? Laß mich von hinnen, ohne daß ich den Kopf umwende, und bete, daß ich alles vergessen möge, was du mir gesagt." Aber die Alte legte gebietend ihre knöcherne Hand auf seinen Arm. „Bleibe," sagte sie, „und dränge den Fluch zurück, der auf deinen Lippen schwebt. Höre mich bis zu Ende an und dann laß deine Ver wünschungen auf mein graues Haupt herab fallen, oder richte, ob die Vorsehung dich nicht hierhergesandt, damit du mir vor meinem Tode die Verzeihung angedeihen lassest, welche ich er flehe. Dein väterliches Haus wurde zerstört, aber als dasselbe noch eines der schönsten Häuser Leydens war, das sich in den klaren Wassern des großen Kanals spiegelte, der die Stadt durchfließt, kam ich oftmals mit meiner Margarete daran vorüber, meiner schönen Margarete, meinem unglücklichen Kinde. „O meine Margarete, sie war die Freude, der Zweck und die Wonne meines Lebens, die Seele meiner Seele. Mein Herz ist in zwei Teile geteilt, der eine wurde von Engeln ge schaffen, der andere von höllischen Geistern. Der erste war voll von Liebe und Zärtlichkeit für meine Tochter und als sie gestorben, starb auch alles Gute in mir und wurde mit ihr be graben. „Oftmals ging ich mit meiner Margarete an deinem Vaterhause vorüber, und fast ledes- mal, wenn wir vorbei kamen, stand ein junger reichgekleideter Herr an der Thür desselben, der uns achtungsvoll grüßte. Es währte nicht lange, so hatte er auch einen Vorwand gefunden, mit uns bekannt zu werden. Bald begann er auch, uns auf unseren Spaziergängen zu be gleiten und endlich wurde er ein gerngesehener Gast in unserm Hause. Er nannte Margarete öffentlich seine Braut und wechselte mit ihr das Gelübde ewiger Liebe. „Ein ganzes Jahr lang dauerte das Glück meines Kindes, dann verließ ihr Verlobter, Rudolf Syvern, sein Heim, wie er sagte Ge schäfte halber, die er vor der Heirat in Ordnung bringen müsse. Er ging, und während eines Jahres ließ er sich nicht Wiedersehen, und mein Kind weinte im stillen über seine Ab wesenheit. „Endlich, eines Abends kamen wir an dem schönen Hause am Kanal vorüber. Wir sahen, daß alle Fenster geöffnet waren, wie zu einem Feste, Heller Lichtglanz und die Töne fröhlicher Musik drangen daraus hervor. „Was geht hier vor?" fragte ich einen aus der Menge, die sich vor dem Hause versammelt hatte. „Wißt Ihr denn nicht, daß der reiche Rudolf Syvern heute mit der Tochter unseres Bürgermeisters Hochzeit macht?" „Wie, ein Donnerschlag traf das Wort mein Ohr, gleich einem Blitzstrahl traf es das Herz meiner Tochter. Wie eine verwundete Schlange schnellte sie empor und stürzte sich nach dem Kanal, aber noch ehe sie das nahe Ufer erreichte, brach sie ohnmächtig zusammen. Ich fing sie in meinen Armen auf. Ich brachte die Be wußtlose in mein Haus und legte sie auf ihr Bett. Alle bösen Geister in meinem Herze« waren erwacht. Wie eine Irrsinnige rannte
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