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Allgemeiner Anzeiger : 01.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189902018
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-01
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.02.1899
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Kolitische Mud scharr. Deutschland. -*An seinem Geburtstage hat der Kaiser vielfache hohe Ordeusauszeich- uungen verliehen, darunter dem russischen Botschafter Grafen Osten-Sacken den Schwarzen Adlerorden, dem Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein Herm v. Köller das Großkreuz des Roten Adlerordens mit Eichenlaub; Fürst Herbert Bismarck ist Mim Generalmajor befördert worden. * Eine Kabinettsordre des Kaisers, gleichfalls an dessen Geburtstage erlassen, setzt fest, daß die im Jahre 1866 zum Teil aus kur- hessischen und nassauischen Stämmen gebildeten Regimenter ihre Geschichte an die der ursprünglichen Regimenter anknüpfen solle; dazu sind diesen Regimentern noch weitere Auszeichnungen, Helmbänder rc. zu teil ge worden. *Die Erklärung des Staatssekretärs Grafen v. Posadowsky, daß die Hoffnung, Deutschland würde der Union zum Schutze des ge- werblichenEigentums beitreten, größer clls früher sei, wird jedenfalls von dem größten Telle des deutschen Gewerbes freudig ausge nommen werden. In dieser Frage hat stets eure Uebereinstimmung zwischen den Regierungen und dem Gewerbe bestanden. Prinzipiell waren Leide mit dem Eintritt in die Union einver standen. Die verbündeten Regiemngen bekun deten das prinzipielle Einverständnis auch da durch, daß sie zu jeder Konferenz der Union staaten Vertreter entsandten. Indessen herrscht auch in Deutschland Uebereinstimmung darüber, ' daß der Eintritt in die Union nur dann voll zogen werden könnte, wenn die Gewähr dafür gegeben wäre, daß die deutschen Interessen da durch keine Schädigung erfahren würden. Die Möglichkeit, daß dies geschähe, rührt aus der Verschiedenheit her, welche die deutsche Gesetz gebung über gewerbliches Eigentum gegenüber der fremdländischen vielfach aufweist. Gerade nach dieser Richtung werden sich also die Ver hältnisse gegen früher gebessert haben, wenn nunmehr größere Hoffnung auf Beitritt Deutsch lands zur Union besteht. Sobald der Beitritt vollzogen wäre, würde die bisherige deutsche Politik, über Patent-, Marken- und Musterschutz besondere Verträge mit einzelnen Staaten des Auslandes abzuschließeu, wie mit Oesterreich- Ungarn, Italien, Serbien rc. vorhanden sind, nicht weiter verfolgt werden. *Der Gedanke einer „Not-Tagung" des preußischen Abgeordnetenhauses im Spätsommer oder Herbst beginnt der .Köln. Ztgl zufolge „bei Eingeweihten ewigen Raum zu gewinnen, da die Ausarbeitung der preuß. Aus- führungsgesetze zu den fog. Nebengesetzen des Bürgerlichen Gesetzbuches trotz aller angestrengten Vorarbeiten nicht schon in dem Blaße allseitig gefördert sei, daß die Vorlegung aller erforderlichen Entwürfe in der eben begon nenen regelmäßigen Tagung des Landtages ge sichert erscheine." * Am Mittwoch ging ein Ersatztransport für die Schutztruppe in Süd westafrika nach Hamburg ab. Die Uebersührung nach Swakopmund erfolgte auf einem Woelmann- Dampfer. Der Ersatz besteht aus dem Leutnant v. Stürmer, einem Unteroffizier und 75 Reitern. Die Ankunft in Swakopmund wird Ende Februar erfolgen. *Zur Milderung der „Leute not" im Osten schlägt die ,Schles. Volksztg.' den Erlaß eines Spezialgesetzes vor, das dieEinwande - rung russischer Arbeiter auf drei Monate vollständig freigibt, mit der Maßgabe, daß die wünschenswerten Arbeiter — also mit Ausschluß der Kranken, Verbrecher rc. — sofort naturalisiert werden. Es sei dann darauf zu rechnen, daß 20- bis 40 000 Arbeiter sofort eiuwandcrn, und nach Ablauf der drei Monate könne man die Grenze wieder schließen, bezw. die alten Bestimmungen wieder- hcrficllen. Nach sicheren Informationen aus Petersburg werde im Schoße der russischen Negierung ernsthaft der Vorschlag beraten, noch in diesem Jahre ein Arbeiter-Auswanderungs verbot nach Deutschland zu erlassen. (Auf diese letztere Möglichkeit wurde schon vor Monaten hiugewiesen.) Oesterreich-Ungarn. *Aus Gmunden wird der ,N. Fr. Presst gemeldet, daß man amCumberlandschen Hofe erklärt, alle Meldungen Hamburger Blätter, als würde der Prinz Georg Wilhelm die Ergebnisse des Krieges von 1866 anerkennen und den Fahneneid als preußischerOffizier leisten, seien absolut unwahr und unbegründet. *Jn Ungarn haben die Vertrauensmänner der vereinigten Oppositionsparteien die bindende Erklärung abgegeben, daß sie, wenn die liberale Partei Banffy zu opfern be reit sei, blindlings die ihr von Koloman Szell vorzulegenden Bedingungen annehmen. Frankreich. * Der .Soleil', sonst ein ernsthaft zu neh mendes Blatt, schreibt: In der letzten Zeit hat der Versuch zu einer deutsch-franzö sischen Allianz weitere Fortschritte ge macht. Gegen die diplomatische und vielleicht auch militärische Unterstützung Frankreichs von feiten Deutschlands gegen England wird Frankreich die jetzigen Grenzen des Deutschen Reiches anerkennen und sich öffentlich bindend erklären, niemals die verlorenen Provinzen zurückzufordern; der deutsche Kaiser wird seinerseits im Falle, daß beide Mächte gegen England siegen würden, die Räumung Aegyptens von England ver langen. Aegypten würde alsdann unter ein gemeinsam-es Protektorat Europas gesetzt und Frankreich würde den Vorsitz des ! Kontrollausschusses erhalten. Schließlich würde der deutsche Kaiser zurrt Beweise des voll ständigen Einvernehmens im Jahre 1900 nach Paris zum Besuch der Ausstellung und zwar mit dem Zaren kommen. Der deutsche Kaiser würde jedoch vorher einen länge ren Aufenthalt auf Kap Martin nehmen, um seinen Aufenthalt in Paris einzuleiten. „Dies ist," so sagt der Petersburger Korrespondent des Blattes, „das vorgeschlagene Bündnis, welches ich Anlaß habe, als angenommen zu be ttachten (!!!) *Der Vorschlag Rocheforts, Tongking und Indochina gegen Lothringen auszutauschen, ist nur im,Jnttansigeanff auf getaucht, von der Rednertribüne des Parlaments aus aber nicht wiederholt worden. Rochefort meint, ganz Frankreich würde solchen Vertrag ratifizieren. Zu einem Vertrag gehören aber bekanntlich zwei Parteien und die „zweite" ist eben nicht zu finden. *Der Aufruf zur „Einigung aller Franzosen" hat in den letzten Tagen eine große Anzahl Unterschriften erhalten, darunter diejenigen von Mitgliedern des Instituts der Wissenschaften und anderer hervorragender Per sönlichkeiten. Italien. * Eine Vollversammlung der Bischöfedes lateinischenAmerika ist für den 28. Mai nach Rom einberufen worden. Russland. *Die Veröffentlichung der Vorschläge für das Programm der Abrüstungskon ferenz seitens der russischen Regiemng hat keinerlei Ueberraschung gebracht. In ihren Grundzügen waren die Vorschläge bereits be kannt und erörtert. Die Initiative betreffs der vollständigen Veröffentlichung mußte selbstver ständlich der Petersburger Regierung überlassen bleiben und sie hat, indem sie sich dieser Auf gabe unterzog, gleichzeitig mit aller Deutlichkeit erklären lassen, daß es nicht in ihrer Absicht liegen konnte, ein endgültiges Programm festzu- stellcn und der Konferenz selbst vorzugreifen. Voraussetzung bleibt dabei, daß der gezogene Rahmen nicht überschritten wird. Innerhalb dieses Rahmens bleibt Raum genug für den ernsten Willen, etwas Gutes und Bleibendes zu schaffen, und wenn die humanen und weitsichtigen Anregungen des Zaren für den Augenblick auch nur dahin führen sollten, die Bestimmungen der Genfer Konvention zu er weitern und die Verwendung von Explosivstoffen einzuschränken, so wird das Vorgehen Folgen von wesentlichem Nutzen für die Menschheit und für die Mensch lichkeit erzielen. Asien. *Der Umstand, daß die amerikani schen Behörden in Hongkong eine Anzahl von kleinen Dampfschiffen für den Verkehr auf den Flüssen angekauft haben, er weckt bei den Filipinos neuen Verdacht. Diese glauben, daß die von Mac Kinley ein gesetzte Ueberwachungs-Kommisfion lediglich ein Vorwand sei, um Zeit zu gewinnen. Deutscher Reichstag. Am 26. d. wird die zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Abg. Prinz Schönaich-Carolath (wildlib.) empfiehlt seinen Antrag, als Beihilfe zu den Kosten der Er richtung eines Goethe-Denkmals in Straßburg den Betrag von 50 000 Mark in einen Ergänzungsetat für 1899 einzustellen, mit dem Hinweis, daß das Standbild dieses deutschen Mannes in Straßburg geeignet sei, die geistige Zusammengehörigkeit der Reichslande mit dem Dlutterlande, die niemals unter brochen worden sei, za kennzeichnen. Abg. Riff (frs. Vgg.) befürwortet den Anttag und hält es für einen sehr glücklichen Gedanken, dem jungen Goethe gerade in der Hauptstadt Elsaß- Lothringens ein Denkmal zu setzen, mit welchem schönen Lande er persönlich und dichterisch so eng verknüpft war. Abg. Schädler (Zentt.): Er verstehe die Empfehlung des Zuschusses zu dem Denkmal seitens der beiden Vorredner sehr Wohl, er glaube aber, daß der Zusamnienhang zwischen Elsaß-Lothringen und dem Mutlerlande auch auf andere, bessere Art aufrecht erhalten werden könne. Es sei zwar gefährlich, gegen diesen Antrag zu sprechen, weil man leicht zu den Obsku ranten und Philistern geworfen werden könne. Trotz dieser Gefahr opponiere er, aber aus; rein praktischen, äußern Erwägungen untet Anerkennung des großen Dichtergenies und seiner Bedeutung für die deutsche Litteratur. Es werde das Urteil darüber herausgefordert, ob Goethe als Muster des deutschen Patriotismus in Straßburg gerade an der richtigen Stelle sei. Wenn das ganze deutsche Volk an diesem Denkmal Anteil nehme, möge es diese Anteilnahme auch in klingendes Geld umwechseln. Bei einem derartigen Rcichszuschuß fürchte er die Konscqüenzen. Es könnten immer mehr Gelder zu Denkmälern gefordert werden. Vom Etatsstand- punkt des Reichstages aus müsse man diesen Antrag ablehnen. Der Antrag wird hierauf der Budgetkommission überwiesen; nur einige Zentrumsabgeordnete stimmen dagegen. Beim Titel „Kommission für Arbeiterstatistik" wünscht Abg. Heine (soz.), daß die Verhältnisse der An gestellten bei Rechtsanwälten ebenso geregelt würden wie die der Handlungsgehilfen. Durch die über mäßige Anstellung von Knaben, namentlich in An- waltsbüreaus, seien die Löhne sehr herabgedrückt worden unter gleichzeitiger übermäßiger Arbeitszeit. Die Folgen seien schlechte gesundheitliche und mora lische Qualitäten. Es sei Zeit, daß das Reich hier eingreife. Abg. Bebel (soz.), erblickt in der Nichtveraus gabung der 39 000 Mk., die für die Kommission für Arbeiterstatistik ausgeworfen seien, ein Zeichen, daß die Sozialreform ins Stocken geraten sei, und be klagt, daß die Bäckerciverordnung nur mangelhaft ausgeführt werbe. Staatssekretär Graf Posadowsky teilt mit, daß in nächster Zeit für eine Reihe von Fabriken Verordnungen bevorstehcn. Wenn Beschwerden über die Handhabung der Bäckerei-Verordnung vorhanden sind, müssen sie in den Landtagen vorgettagen werden. Abg. Oertel (kons.) bekämpft die Bäckerei verordnung, die nur das Denunziersystem gezüchtet habe. Bebel möge den Berliner Bäckermeistern erst einmal sagen, wie sie die Verordnung überhaupt durchführen können. Dem Vorbildc dieser unglück lichen Verordnung sollte man bei der zu erwartenden Müllereiverordnung nicht folgen. Der Mittelstand muß erhalten werden. Abg. Möller (nat.-lib.) ist ebenfalls für Ab änderung der Bäckerverordnung. Abg. Bebel (soz.) empfiehlt im Interesse der Ver besserung der Sozialgesetzgebung die Errichtung eines Reichsarbeitsamtes. Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.) stimmt der Anregung des Zlbg. Möller zu, die Kommission für Arbeiterstatistik nochmals mit Erhebungen über die Mißstände im Bäckereigewerbe zu beauftragen. Vor schläge zur Abstellung dieser Mißstände zu machen, würde aber über die Aufgaben dieser Kommission hinausgehen. Jedenfalls müsse zunächst festgestellt werden, wie nachteilig die Bäckereiverordnung auf die Bäckermeister gewirkt habe und in welchem Umfange solche Nachteile hervorgetreten seien. Abg. Molkenbuhr (soz.) nimmt für di« Kom mission für Arbeiterstatistik das Recht in Anspruch, auch bestimmte Vorschläge zur Abstellung von Miß ständen zu machen. Abg. Hitze (Zentt.) hält die ganze Debatte für fruchtlos, so lange nicht das von der Regierung aus der Umfrage gewonnene Material vorliegt. Erst dann könne man sich darüber entscheiden, ob die Kommission für Arbeiterstatistik mit einer nochmaligen Prüfung der Verhältnisse im Bäckereigewerbe betraut werden solle. Die Position „Kommission für Arbeiterstatistik" wird darauf bewibligt. Beim Kapitel „Statistisches Amt" vermißt Abg. R ö s i ck e - Kaiserslautern für den so oft und so laut behaupteten wirtschaftlichen Aufschwung den zahlenmäßigen statistischen Nachweis im „Sta tistischen Jahrbuch". Derselbe müßte doch in den Ausfuhrziffern zum Ansdruck kommen. Den Haupt anteil an dem Aufschwünge sollte bekanntlich die Eisenindustrie geliefert haben; nun habe sich aber kürzlich herausgestellt, daß der Wert ihrer Ausfuhr durch einen Druckfehler um 100 Millionen zu hoch angegeben worden ist. Abg. Böckel (wilder Antis.) fordert ebenfalls eingehendere statistische Nachweise über die Lage des Mittelstandes. Staatssekretär Graf Posadowsky kann nicht zugeben, daß das Bild unserer Handelsbilanz ei« so ungünstiges sei, wie Abg. Rösicke es darstelle. Der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr rühre im wesentlichen von der Mehreinfuhr an Getreide und Futternütteln her. Daß der Wohlstand zunimmt, dafür sprächen äußere Kriterien wie die ungeheuer steigenden Sparkasseneinlagen und die Kapitalanlagen zu großen Wirtschaftlichen Unternehmungen. Abg. Frhr. v. Stumm kann auch in dem sinkenden Export keinen Nachweis für den finkenden Wohlstand erblicken. Abg. Paasche (nat.-lib.) tritt ebenfalls der Deutung des Abg. Rösicke entgegen, daß unsere Handelsbilanz den Rückschluß zulasse, daß wir uns hinsichtlich des Wohlstandes auf absteigender Linie befinden. Abg. Werner (Antls.) tritt für Verbesserung der Lage der Büreaubeamten und der Hilfsarbeiter beim Statistischen Amt ein und fragt an, wie die Mehrforderung von 28900Mk. verwendet werden solle. Staatssekretär Graf Posadowsky erwidert, die Mehrfordernng erkläre sich von selbst aus der Vorberatung des Zolltarifs, zu der sechs neue zoll technisch vorgebildete Beamte erforderlich sind, sowie aus den infolge der Zulagen sich in diesem Jahre erhöhenden Gehältern einer größeren Anzahl von Beamten. Abg. Rösicke- Dessau (wildlib.) befürwortet die Gleichstellung der beiden Klassen von Kanzleisckre- tären, die noch im Reiche bestehen. Abg. Müller-Sagan (frs. Vp.) beantragt, mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Frage den auf die Büreaubeamten bezüglichen Titel an die Budet-Kommission zu überweisen. Dieser Antrag wird angenommen. Das Kapitel „Statistisches Amt" wird darauf angenommen, ebenso das Kapitel „Normal-Aichuugs- Kominission". Sodann wird die Weiterberatung bis zum 28. d. vertagt. Don Nah nnd Fern. Berlin. Falsche Ein- und Zwei-Markstücke werden jetzt wieder in Berlin und Umgegend in Verkehr gebracht. Die besonders scharf und vorzüglich ausgeführten Falsifikate tragen das Münzzeichen und die Jahreszahl 1878 oder 1883. Die falschen Münzen haben einen dem echten Gelde ähnlichen Klang, fühlen sich aber etwas fettig an. Jedenfalls stammen die jetzt noch im Umlauf befindlichen falschen Geldstücke von der vor kurzer Zeit festgenommenen Falsch- münzerbande her. Längere Zeit war es der Behörde ein Raffel, auf welche Weise die Falsch münzer die Geldstücke hergestellt hatten. Wie die Sachverständigen annahmen, mußten die Geldstücke geprägt sein; bei den sorgfältigen Haussuchungen wurden aber weder Matrizen noch Stanzen gefunden. Die Prägung des Geldes ist außerdem mit Lärm verbunden; so viel aber auch die Nachbarn in dem Hause ver nommen wurden, niemand will etwas gehört haben. Jetzt endlich hat sich nach dem Kleinen Journ/ einer der Falschmünzer zu dem Ge- ständis Herbeigelasien, daß die Falsifikate nicht geprägt, sondern in Formen gegossen wurden. Die Falschmünzer stellten anfangs die Formen aus gewöhnlichem Gips her, dessen grobe Körner jedoch sichtbare Eindrücke auf den Flächen des Geldes hinterließen. Später wurde Am Vorabend der Hochzeit. 28j Roman von Helene Stökl. <?o Nttznuga Der Rektor blieb jedoch seinem alten Grundsatz, alles Unangenehme von sich abzuwehren, treu; da Brauns Anblick allerlei peinliche Erinnerungen in ihm hervorrief, so provozierte er einen Streit mit ihm, schickte ihn Knall und Fall aus dem Hause und warf die Briefe, in denen der Ent lassene ihn um ein gutes Zeugnis bat, einfach ins Feuer. Dies brachte Braun natürlich aus, und es that ihm wohl, dem Geheimpolizisten gegenüber, der in Frau Baumanns Auftrag Heinrich v. Lcstow aufzuspürcu, sich zuerst nach Neudorf begeben batte, seinem Ingrimm Lust machen zu können. Nicharv hatte anfänglich nicht viel von dem ihm gewordenen Auftrage gehalten. Frau Bau mann machte ihm den Eindruck einer übertrieben argwöhnischen alten Frau und Käthe Rallas den einer Abenteurerin; jetzt aber, nachdem er Braun gesprochen und dessen Aeußerungen mit den Gerüchten verglichen hatte, die am Otte im Umlauf waren, fing er an, die Sache ernster zu nehmen. Er begab sich sofort nach Berlin, um dort Heinrich von Lestows Spur aufzufinden. Lange Zeit waren seine Bemühungen erfolglos, endlich aber ward er Ms Willy Boßler aufmerksam und ließ ihn überwachen. Des Justizrats Be merkung, daß Frank mit Dr. Wellner in Verkehr stehe, veranlaßte ihn, auch diesen genau beob achten zu lassen. Als Dr. Wellner an dem Tage, an dem Willy Boßler die Nachricht brachte, daß Martha Wellner und Frau Braun ein und dieselbe Person seien, aus Idas Hause eilte, angeblich um seine Fassung wieder zu ge winnen, in Wirklichkeit aber, um Heinrich zu warnen, war ihm jemand unbemerkt nachge schlichen. Wir haben gesehen, in welcher Weise Herr Richartz die gemachte Entdeckung zu benutzen wußte. Martha nahm die Nachricht von der Ver haftung ihres Gatten, die man ihr endlich nicht mehr verheimlichen konnte, mit weit größerer Fassung aus, als ihre Angehörigen erwartet hatten. „Ich bin froh," sagte sie, während ihre blassen Wangen sich röteten, „daß dieses erbärm liche Verstecken und diese aufreibende Ungewiß heit vorüber sind. Was immer kommen möge — das war das ärgste. Papa sagte, daß der Fall ungeheures Aufsehen macht und daß wir gut thun werden, wenn alles vorbei ist, stw ein oder zwei Jahre ins Ausland zu gehen. Aber ich sage: Es wäre besser gewesen, wenn wir der öffentlichen Meinung gleich anfangs frei gegenüber getreten wären. Wir wollen dem Sturm nicht länger ausweichen, sondern ihn über uns ergehen lassen und ihm tapfer stand halten." Es kam Martha gar nicht in den Sinn, daß die gerichtliche Verhandlung einen anderen Ver lauf als zu Gunsten ihres Mannes nehmen könne, und der Umstand, daß die Hauptzeugin bei dem unglücklichen Streite zugegen gewesen war, bestärkte sie nur in ihrer Zuversicht. Nie mand hatte bis jetzt den Mut gehabt, ihr zu sagen, daß diese Zeugin Heinrich des Meuchel mordes anklagte. Da die Geschworenen-Sitzungen in Roßlau erst im August stattfinden sollten, so blieb hin länglich Zett, sogar einen Zeugen aus Buenos Ayres kommen zu lassen, der, wenn es nötig werden sollte, bestätigen konnte, daß Alfred Baumann niemals dort angekommen war. Seine Mutter hatte alles aufgeboten, die geschicktesten Kräfte für die Verfolgung der Sache aufzu- treiben, in der sie als „Nebenklägerin" zuge lassen war. Der Anwalt, der dieselbe über nommen hatte, war dem berühmten Hallberg in jeder Hinsicht gewachsen und nahm sich vor seinem Gegner wohl in acht. Er vermied es mit ängstlicher Sorgfalt, sich die geringste Blöße zu geben, weil er aus Erfahrung wußte, wie unbarmherzig und rücksichtslos Hallberg eine solche zu seinem Nutzen auszubeuten verstand; denn war es diesem nur erst gelungen, in den Zeugenaussagen eine Lücke zu finden, die ihm erlaubte, den kleinen Finger hindurchzustecken, so chatte er sie in kürzester Zeit so sehr erweitert, daß der Angeklagte mit Kopf und Hals hindurch- schlüpfen konnte. Bis jetzt hatte aber Hallberg zu seinem großen Leidwesen noch keine derartige Lücke aufzufiuden vermocht. „Wissen Sie, mein lieber Mellien," sagte er zu diesem, „daß dies die kitzlichste Geschichte ist, die mir seit Jahr und Tag vorgekommeu? Da spricht man immer davon, daß die meisten Ver brechen durch die Gewissensangst und Unüber legtheit der Verbrecher an das Tageslicht kom men, und hier haben wir einen Fall, in dem ein Unschuldiger sich genau so benimmt, wie ein von seinem Schuldbewusstsein verfolgter Uebelthäter. Dieser junge Mann scheint seinen ganzen Scharf sinn aufgeboten zu haben, um sich selb) de» Strick um den Hals zu legen. Und trotzdem glaube ich ihm jedes Wort. Seine Erzählung ist zu seltsam, um nicht wahr zu sein." „Ich . bin von meiner eigenen Unschuld nicht fester überzeugt, als von derHeinrich vonLestows," beteuerte Mellien mit Wärme. „Der Fall, daß ein Unschuldiger sich tausend mal verdächtiger benimmt, als ein wirklich Schuldiger, steht übrigens nicht vereinzelt da," fuhr Hallberg fort. „Der Landgerichtsrat B., den Sie ja auch kennen müssen, pflegte zu sagen, er würde, wenn ein Polizist plötzlich an ihn heranträtc, um ihn zu verhaften, zweifels ohne davonlaufen, was er nur laufen könnte, und ich glaube, daß er recht hat." „Das ist nicht unmöglich," bestätigte Mellon. „Die Vorurteile, welche die meisten gegenüber einer Berührung mit der Polizei haben, nehmen ihnen im ersten Augenblick die Besinnung, und haben sie einmal zu einer Lüge Zuflucht ge- uommen, so ist es sehr schwer, wieder zur Wahr heit zurückzukehren. Doch, kommen wir auf unseren Fall zurück. Ich weiß noch immer nicht, wie es uns möglich sein wird, auch Mr zu be weisen, daß Lestow herausgefordert wurde.' „Wenn es nur gelänge diese Käthe Rallas so in die Enge zu treiben, daß sie die Möglich keit zugäbe, den ersten Schlag, der gcthan wurde, in der Dunkelheit nicht bemerkt zu haben!" „Ich möchte Ihnen davon abraten, das Mädchen in die Enge treiben zu wollen,' «einte
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