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Allgemeiner Anzeiger : 15.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189902156
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990215
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-15
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.02.1899
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Uon Unh und Fer«. Koburg. Der Schnellzug mit der Leiche des Erbprinzen von Sachsen Koburg-Gotba traf am Donnerstag nachmittag hier ein; der Herzog und der Großherzog von Hessen befanden sich in demselben Zuge. Auf dem Bahnhof waren die Spitzen der städtischen und staatlichen Be hörden, das Offizierkorps, die Geistlichkeit und zahlreiche Vertreter von Vereinen und Korpo rationen erschienen, um in dem geöffneten Wagen am Sarge des Erbprinzen prachtvolle Kränze und Blumenspenden niederzulegen. Nach kurzem Aufenthalt fuhr der Zug nach Eisenach weiter. Von dort wurde die Leiche am Freitag nach Gorha überführt. Während der Fahrt durch koburgisches Gebiet läuteten die Glocken sämtlicher Kirchen des Herzogtums. Petersburg. Der Goldminenbesitzer Mona- styrschin hier erhielt einen Brief des Inhalts, Tungusen hätten am 15. v. dem Polizeichef mitgeteilt, daß sie am 7. v. zwischen Komo (?) und Pit im Jenisseibezirk, 150 Werst von dem Sawinschen Goldgebiet, eine Art Hütte aus Stoff und Tauwerk in der Art eines Ballons gesunden hätten; nicht weit davon hätten drei menschliche Leichname, einer mit gebrochenem Schädel, und rings herum zahlreiche, ihnen (den Tungusen) unbekannte Instrumente gelegen. Der Polizeichef ist, wie der Brief weiter besagt, so fort abgcreist, um die Sache zu untersuchen. Man vermutet, daß es sich um den Andreeschen Ballon handelt. Elberfeld. Nach den hier vorgenommenen Ermittelungen in bezug auf die erwachsenen Taubstummen beiderlei Geschlechts befinden sich hier 95 derartige Personen. Verheiratet sind 17 Paare; in 14 Ehen sind beide Gatten taub. Die Kinder dieser Ehen sind sämtlich vollsinnig. Von den 95 Taubstummen sind 51 männlichen und 44 weiblichen Geschlechts. Die Männer sind Handwerker und Arbeiter, von den Frauen sind 7 Näherinnen, die anderen beschäftigen sich mit Hausarbeiten. In Barmen sind 33 Taub stumme; davon sind 5 Paare verheiratet. Die Kinder auch dieser Ehen sind vollfinnig. Lennep. Der Förster in Diepmannsbach traf in den dortigen Waldungen drei Wilddiebe. Dieselben verweigerten die Abgabe der Waffen und umstellten den Förster derartig, daß ihm em Ausweg nicht übrig blieb. In dieser Lebens- gesahr kamen dem Beamten eine Anzahl Per sonen aus Tankermühle zu Hilse. Die Wilderer wurden nach hartem Kampfe überwältigt und verhaftet. Köln. Die Kriminalpolizei verhaftete auf dem Zentralbahnhof ein Mitglied der inter nationalen Einbrecherbande, das aus Hessen stammt. Der Dieb führte 50 goldene Uhren, eine große Anzahl Pretiosen, Portemonnaies, Revolver rc. bei sich. Die Polizei entfaltet eine fieberhafte Thätigkeit, da angesichts des bevor stehenden Karnevals die Spur zahlreicher Gauner bereits hierher signalisiert wurde. Linz. In der steirischen Landes-Irren anstalt Feldhof wurde in einer Zelle für Tob süchtige eine Frauensperson, die in einer Zwangsjacke steckte, als Leiche aufgefunden. In derselben Zelle befand sich noch eine zweite Frauensperson, der gleichfalls die Zwangsjacke angelegt war. Die Erhebungen haben ergeben, daß die Irrsinnige eines gewaltsamen Todes gestorben sei, und zwar infolge Erstickung, die während eines Tobsuchtsanfalles durch die an deren Kranken herbeigeführt wurde. Feldhof hat einen Belegraum für 420 Patienten, muß aber thatsächlich 480 beherbergen. Auf diesen Um stand ist es zurückzuführen, daß nicht alle Tob süchtigen eigene Zellen erhalten konnten. Fiume. Der Tierarzt Tink jagte im Wald Ogulin und stieß dabei auf eine Bären höhle. Da er auf ein solches Ereignis nicht vorbereitet und nicht genügend bewaffnet war, die m Aussicht stehende Beute aber doch nicht missen wollte, kehrte er wieder heim und suchte dann m Begleitung zweier bekannter Dorsjäger, Szalopek und Sztipetitsch, die Höhle nochmals auf. Als sie dahin kamen, währte es nicht lange, und der Insasse der Höhle ward sichtbar. Tink und Sztipetitsch gaben sofort auf den Bären „Zum Gerichtsgebäude? Was sollen wir dort?" fragten die beiden andern verwundert. Den Inhalt von Baumanns Gepäck unter suchen, das sich noch von der Verhandlung her dort befindet." . Eine halbe Stunde später finden wir alle drei voll Spannung über den Koffer Baumanns gebeugt. Mit einem Ausruf der Befriedigung zog Paul eine hübsche runde Schachtel hervor, in der sich beim Oeffnen elf neue Kragen vor fanden, die auf ein Haar dem zwölften mit den Blutflecken glichen und genau in derselben Weise gezeichnet waren, wie dieser. Voller Freude über ihre Entdeckung begaben die drei sich wieder in das Melliensche Haus und setzten sich dort zur Beratung zusammen. Was sollten sie nun zunächst thun? Durfte Heinrich von ihren Hoffnungen erfahren? Sie entschieden sich dafür, daß es besser sei, ihm vorläufig nichts davon zu sagen. Sollten ihre Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg haben, so würde die Enttäuschung zu bitter sür ihn sein. Aber auch Martha durfte einstweilen noch nichts von der gemachten Entdeckung er- iahren. Sie würde das Geheimnis ihrem Gatten nicht vorenthalten können, der Blick ihrer Augen, der Druck ihrer Hand würde es ihm verraten, und die Ungewißheit würde seine schwankende Gesundheit vollends untergraben. „Wir drei wollen die Wahrheit ans Licht bringen und nicht ruhen und rasten, bis Heinrich Lestows Ehre wiederhergestcllt ist," das war der Entschluß, mit dem sie sich trennten. Sie hatten beschlossen, die Hilfe der Polizei nicht in An spruch zu nehmen; aber sie wandten sich an einen Schuß ab, worauf das Tier unter wildem Gebrüll das Weite suchen wollte. Doch Szalopek schoß den Bären wiederholt an und versetzte ihm auch mit dem Gewehrkolben einen Schlag auf den Kopf. Nun stürzte sich der Bär auf seinen Angreifer, schlug ihn zu Boden und als auf das Geschrei des armen Menschen seine Genossen ihm zu Hilfe eilten, war es bereits zu spät; das Raubtier hatte ihm die rechte Hand und die Nase abgebissen. Der 51jährige Mann, der allgemein als vorzüglicher Jäger bekannt war, wurde in sterbendem Zustande in seine Wohnung gebracht. Paris. In Lille erfolgte unter sonderbaren Umständen der Mord eines 11 jährigen Knaben namens Foveau. Der Verdacht fiel aus seinen Lehrer, welcher der erste war, der anläßlich der Katastrophe dem Vater seines Zöglings einen Besuch abstattete. Derselbe legte aber bisher kein Geständnis ab. Die Untersuchung hält daran fest, daß der Mord von einem Ange hörigen des Instituts begangen sei. Der Thäter schneb folgenden Zettel, welchen man neben der Leiche fand: „Ich, ein ehemaliger Schulbruder, jetzt ein wütender Sozialist, beging diesen Mord, um das verhaßte Haus zu Grunde zu richten." Man fand den Leichnam im Sprechzimmer liegen. Dort machte der Hausdiener die grauen hafte Entdeckung. Bern. Zwei junge Leute aus Bern, welche mit Schneeschuhen das Hochthürli passierten und am Sonntag wieder in Bern sein wollten, wer den vermißt. Man befürchtet, daß sie bei der Tour verunglückt find. St. Gallen. Ein kulturhistorischer Festzug soll im Mai in St. Gallen zum ersten Male veranstaltet werden. Hauptzüge aus Scheffels „Ekkehard" werden dabei als historische Bilder vorgeführt werden; im ganzen sollen 22 Gruppen von mehr als 1500 Personen dargestellt werden. Eingeleitet wird der Zug durch eine Allegorie, den Sieg des Frühlings über den Winter, und eine Schlußgruppe auf dem Exerzierplätze soll sämtliche Teilnehmer, Wagen und Gespanne zu einem großartigen Gesamtbilde zusammensassen. Mit solchen Festzügen, die in- Zukunft alljähr lich im Mai abgehalten werden, will man den idealen Sinn im Volke, Verständnis und Pietät für Landesgeschichte heben. Der Plan zu diesem ersten Festzuge ist von hervorragenden Historikern und Künstlern entworfen worden. London. Mit bezug auf das Verschwinden des Prinzen Ludwig Löwenstein-Wertheim er fährt die .Franks. Ztg.', daß der Prinz seit mehreren Monaten auf Reisen sei, und daß die Familie Briefe von ihm habe. Wahrscheinlich werde er bald wieder nach Deutschland kommen. Es handle sich nicht um Erpressungen, sondern um eine Mitteilung, die entgegenzunehmen der Prinz nicht gewillt sei. Nach dem ,Berl. Börs.- Kour/ hat der Prinz thatsächlich einen Prozeß fall in seiner deutschen Heimat durchzuführen. Sein Bruder und Majoratsherr Ernst will nämlich die Erbanteile des Prinzen Ludwig, aus 271000 Mark und 575 851 Mark den je elften Teil be schlagnahmen, weil er solche Summen früher seinem Bruder vorgeschossen hat. Rom. Ende dieses Monats wird Papst Leo in besonderer Audienz den ältesten der Diener des Vatikans, den Kommendatore Pacelli empfangen, der am 27. Februar sein 101. Lebens jahr vollendet. Pietro Pacelli, der früher Direktor der päpstlichen Zollverwaltung war, ist noch so rüstig, daß er sich zu Fuß nach dem Vatikan begeben kann. Pacelli ist nicht der einzige Veteran des Vatikans; der General Raphael de Courtini, Exkommandant der päpst lichen Garde, ist 90 Jahre alt. Neun Kardinäle, Canossa, Mertel, Celesia, Richard, Krementz, Gruscha, Galeoti, Schlauch und Steinhuber zählen zusammen das hübsche Sümmchen von 735 Jahren. Ostende. Auf dem Postdampfer „Leo pold II.", der von Ostende nach Calais fuhr, hat in der Nacht von Sonntag auf Montag eine Dame unter bemerkenswerten Umständen Selbst mord verübt. Die im Alter von 30 bis 40 Jahren stehende Dame fiel dadurch auf, daß sie erklärte, auf Deck bleiben zu wollen, obwohl es außerordentlich kalt war. Von Zeit zu Zeit wurde sie von den wachthabenden Matrosen in Herrn Schwartz, damit sie dieser in ihren Be mühungen unterstütze, den Aufenthalt von Käthe Rallas zu erforschen und dann durch sie Alfred Baumann aufznfinden. „Lieber, guter Onkel Gustav," sagte Martha, diesem wehmütig in die Augen blickend, als er reisefertig im Hausflur stand und auf den Wagen wartete, der ihn zum Bahnhof bringen sollte, „also auch du gehst von uns!" „Ich muß, mein Kind, ich muß," entgegnete er, "jlsch traurigen Blicke ausweichend. „Wir waren schlechte Gesellschafter für dich all die trübe Zeit hindurch, aber deine Gegen- wart war ein großer Trost für uns. Es wird sehr emsam hier werden, wenn du gehst. Du weißt, daß auch Ida, seit ihr Töchterchen ge boren ist, nur selten und flüchtig bei uns sein kann." „Ich komme wieder, Martha, sobald es mög lich fft, und" — xx beugte sich dicht zu ihrem Ohr "?fld wenn ich komme, so hoffe ich euch frohe Nachrichten bringen zu können." „Nachrichten, die Heinrich betreffen?" rief Martha freudig überrascht; „o, Onkel, sage mir, was du weißt." Aber schon kam der Wagen. Onkel Gustav sprang hinein. „Zum Christfest rechne als Gast auf mich," rief er ihr zu. „Will's Gott, so wollen wir diesmal fröhliche Weihnachten hier in dem alten Herrenhause halten." 21. Wir haben Käthe Rallas verlassen, als sie, nachdem Frau Baumann ihr den Eintritt in ihr derselben Stellung sitzend gesehen. Als das Schiff sich jedoch ungefähr auf der Hälfte des Weges befand, bemerkte jemand von der Mann schaft, daß auf dem Platze, auf dem die Dame vorher gesessen, sich jetzt nur ihr Handkoffer, ihr Hut und Cape befanden. Bei genauerem Zu sehen fand man auf dem Handkoffer einen an den Kapitän des Schiffes gerichteten Brief, welcher von der Absicht der Dame, Selbstmoro zu begehen, Kenntnis gab. In dem Handkoffer befand sich die Photographie einer Dame und eine Visitenkarte auf den Namen Alice Dagron aus Paris. Da man kein Klatschen des Wassers gehört hatte, wurde das ganze Schiff abgesucht, jedoch ohne Erfolg. Zweifellos war es der Lebensmüden gelungen, ihre Absicht zur Aus führung zu bringen. New Aork. Der „Clou" der New Porker Ballsaison dürfte der „Ball verkehrt" werden, zu dem eine der originellsten und vornehmsten Damen der New Porker Gesellschaft, Frau Fish, die „Vierhundert" der Aristokratie für den Fast nachts-Dienstag eingeladen hat. Zur Beruhigung der Leser und Leserinnen wollen wir mitteilen, daß es sich nicht um einen Ball handelt, bei dem die Gäste auf dem Kopf stehen müssen; sie haben nur die Pflicht, mit einer Gesichtsmaske auf dem Hinterkopf und einer Perrücke auf dem Gesicht zu erscheinen, so daß es den Anschein gewinnt, als ob die ganze Gesellschaft rückwärts ginge und tanzte. Kiautschou. Die Errichtung eines deutschen Theaters in Kiautschou ist geplant, und zwar wird als Leiter desselben derHofschauspielerPortal vom fürstlichen Hostheaterin Gera (Reuß) genannt. Bombay. Zwei Brüder namens Dravid, durch deren Mitteilungen die Mörder zweier britischer Offiziere in Poona im Jahre 1897 entdeckt und verhaftet worden waren, wurden abends aus ihrem Hause in Poona heraus gelockt, worauf mehrere Male auf fie geschossen wurde. Der eine wurde sofort getötet, der andere starb bald darauf. Der Vorfall erregt in Indien großes Aufsehen. Die beiden Dravids waren Eingeborene. Die Ausregung ist noch durch einen Vorfall gesteigert worden, der sich in Bombay auf der Polizeistation zutrug. Meh rere Mitglieder der Bande, welche von Damodar und Chapekar, den später Hingerichteten Mördern der britischen Offiziere Rand und Ayerst, ge bildet worden ist, sollten gerade vernommen werden, da feuerte der jüngste Bruder Chapekars auf einen eingeborenen Polizeichef einen Revolver schuß ab, der fehlging. Chapekar rühmte fich, die Brüder Dravid getötet zu haben, und er wähnte gleichzeitig einen gewissen Ranade, der als sein Komplice verhaftet wurde. Gerichtshalle. Berlin. Wegen vorsätzlicher Tötung eines geisteskrankenPatienten wurde bekanntlich im August v. der Oberwärter Friedrich Wilhelm Schneider ver haftet. Schneider hatte in der Nervenheil- und Pflegeanstalt von O. Achtziger in Charlottenburg einen Kranken in solch fürchterlicher Weise geprügelt, daß er demselben mehrere Rippen zerbrach. Um die Entdeckung der Körperverletzung zu verhindern, gab er alsdann dem Kranken eine so große Dosis Chloralhydrat, daß derselbe starb. Im Ver laufe der Untersuchung stellte sich heraus, daß der Angeklagte bereits wegen Geisteskrankheit in Dall dorf und Herzberge interniert war. Der psychia trische Sachverständige Sanitätsrat Dr. Lippmann hat nun sein Gutachten dahin abgegeben, daß Schneider noch wie früher geisteskrank ist. Der letztere wird daher nicht vor den Strafrichter gezogen, sondern wieder interniert werden. London. Die reizende japanische Theehaus geschichte, die so vielen Theaterdirektorcn den klingendsten Erfolg gebracht, hat dem Verfasser nicht das rechte Glück eingetragen. Der Verfasser der „Geisha" — besser bekannt unter dem Namen „Owen Hall" — steht jetzt wiederum vor dem Londoner Gerichtshöfe. Seine Schuldenlast beläuft sich auf ganze — dreißig Tausend Mark, sein Vermögen ist — null. Das Verhör, das der Richter mit dem geistreichen Autor anstellte, ergab viele heitere Momente. Owen Hall erklärte, daß er für seine Werke seit dem Jahre 1897 über acht tausend Pfund eingenommen habe. Der Richter fragte ihn: „Sie sind ein erfolgreicher dramatischer Autor, Mr. Davis?" — „Wie Sie sehen, bin ich es nicht, sonst würde ich nicht hier vor Haus versagte, dem Bahnhofe zuschritt, um mit dem 12 Uhr-Zuge nach Berlin zu fahren. Der Morgen dämmerte bereits, als die Droschke, die fie bei ihrer Ankunft in Berlin genommen hatte, an der Ecke einer entlegenen Straße an dem westlichen Ende der Stadt hielt. Sie stieg aus, bezahlte den Kutscher und setzte ihren Weg zu Fuß fort. Nachdem sie noch eine gute Strecke gegangen war, blieb fie vor einem kleinen Hause stehen, an dessen Thür sie an klopfte. Nach kurzem Warten machte ihr die Hauswirtin auf, Käthe Rallas trat hastig in den Hausflur, öffnete dann die Thür des gegen überliegenden Zimmers und stand gleich darauf dem Manne gegenüber, den ermordet zu haben fie am Tage vorher Heinrich von Lestow an geklagt hatte. Alfred Baumann war bleicher als früher, er trug einen dichten Vollbart, und eine breite rote Narbe über der Stirn gab seinen Zügen einen fremden und unheimlichen Ausdruck. Seine grauen stechenden Angen blickten gespannt der Eintretenden entgegen. „Er ist schuldig gesprochen?" fragte er, vor nervöser Ausregung zitternd. „Nein, Alfred," entgegnete fie, seinen Blick ruhig aushaltend, „er ist freigesprochen." „Freigesprochen?" Seine Züge verzerrten sich vor Wm. „Wie war es möglich, daß er freigesprochen wurde?" „Die Schuld lag nicht an mir," versetzte das Mädchen finster. „Ich sagte Wort für Wort, was du mir vorgesagt hast. Möge Gott mir vergeben, wenn ich Unrecht that." „Du bist mit einem Male sehr gewissenhaft Ihnen stehen l" (Gelächter des Publikums.) „Ganz recht!" sagte der Beamte würdevoll. „Aber Ihre Mißerfolge haben sich außerhalb der Bühne zuge tragen und Sie schließlich hierher gebracht!" — „Nicht doch!" entgegnete der schlagfertige Autor. „Meine Gläubiger brachten mich hierher!" — „Sie haben über fünftausend Pfund pro Jahr verbraucht!" — „Ja wohl! wenigstens einige kurze Jahre lang!" — „Sie haben seit März 1897 mehr als 8000 Pfund auf den Rennplätzen verspielt!" — „Jawohl!" — „Und dort find Sie durchgefallen?" — „Leider!" — „Ich sehe hier in den Nachweisen, daß Sie ein Rennpferd ge kauft haben?" — „Es sollte wenigstens eins werden, wurde aber bei seiner Premiere ausgezischt! (All gemeines Gelächter.) Uebrigens habe ich das Tier niemals bezahlt, wie ich zu meiner Schande gestehen muß. Es sollte 189 Pfund kosten. Nachher wurde es für 13 Pfund verkauft." — Die Verhandlungen ergaben, daß der Schuldner im ganzen etwa 300000 Mk. in zwei Jahren eingenommen und einige 40 000 Mk. darüber hinaus verbraucht hatte. Hebbels Milme. Am 9. Februar feierte die ehemalige Schau spielerin Frau Christine Hebbel, die Witwe des Dichters Friedrich Hebbel, ihren 83. Geburts tag. Sie war im verflossenen Jahre leidend, erfreut fich aber, wie die ,Neue Freie Presst schreibt, jetzt wieder der vollsten Gesundheit. Bei freundlichem Wetter kann man die greise Dame fast täglich ihren Spaziergang auf der Ringstraße in Wien machen sehen. Im Früh jahr werden es 60 Jahre, seit Frau Hebbel (damals Fräulein Christine Enghaus) zum ersten Mal im Wiener Hofburgtheater gastierte. Sie trat als Jungfrau von Orleans auf. Im Jahre 1840 trat sie dann ihr Engagement am Burg- Theater an, wo fie bis 1875 thätig blieb. Vor genau fünf Jahren war ihr noch Gelegenheit geboten, vor dem deutschen Kaiser Wilhelm II. zu deklamieren. Es war dies gelegentlich der Ausführung von „Die Nibelungen" von Hebbel, dec anzuwohnen die damals 78 jährige Dame die Reise nach Berlin nicht scheute. Frau Hebbel wurde in die Hofloge zum Kaiser be- schieden, der sich über den Dichter mit Be wunderung äußerte. Auf Wunsch des Kaisers mußte später die Künstlerin das Gedicht: „An Se. Majestät den König von Preußen" dekla mieren und fand damit den größten Beifall. Es war dies ihr letztes „Auftreten". — Im histo rischen Museum der Stadt Wien sind gegen wärtig in einem eigenen Schaukasten, in dem sich Hebbel-Erinnerungen befinden, die kürzlich von der Witwe Christine Hebbel der Gemeinde Wien zum Geschenk gemachten Andenken an Hebbel ausgestellt, darunter der Schillerpreis sür die „Nibelungen" in Form einer großen goldenen Medaille. Hebbel erhielt die Nach richt, daß ihm dieser Preis von Berlin aus zu teil geworden, am 10. November 1863 auf dem Krankenlager kurze Zeit vor seinem Tode (13. Dezember 1863). Lächelnd nahm er diese Nachricht mit der Bemerkung entgegen: „Das ist Menschenlos! Bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher." Weiter ist auch ein schöner Siegelring des Dichters mit einer antiken Gemme ausgestellt. Diese, den Kopf Julius Cäsars darstellend, wurde in Gegenwart Tischbeins und Goethes auf dem römischen Forum ausgegraben und von dem Hamburger Domherrn Meier erstanden. Von diesem erhielt fie Christine Hebbel, da fie noch in Hamburg als Christine Enghaus spielte. Kuntes Allerlei. 17« 72« 100 ««« «v« ««« Bakterien passieren — wie ein findiger Kopf ausgerechnet hat — täglich den Jsarfluß unterhalb Münchens bei Garching. Diese geradezu ungeheuerliche Zahl gibt uns einen — allerdings schwer faßbaren Maßstab für den Gehalt des Wassers an Klein lebewesen. Ist es auch allgemein bekannt, daß die Luft die wir atmen, die Speisen, die wir genießen, das Wasser, das wir trinken, die Klei der, die wir tragen, die Gegenstände, die wir benutzen, kurz alles, womit wir in Berührung kommen, große Mengen von Bazillen, Kokken rc. enthalten, so macht man sich doch im allgemeinen über die Zahl dieser Kleinlebewesen ganz falsche Begriffe, da man fie saft immer zu niedrig an geworden!" sagte er, sie argwöhnisch be trachtend. „Reut dich vielleicht, was du aeaen ihn gesagt hast?" „Nein, wenn es wahr ist, daß er versuchte, drr das Leben zu nehmen. Aber, Alfred," sie schlug die dunklen Augen in ängstlicher Frage zu ihm auf, „hast du mir auch wirklich alles mitgeteilt, was zwischen euch vorging? Ich bitte dich, ich beschwöre dich, sage mir die Wahrheit." „Wie kommst du zu dieser Frage?" , „Ich kann den Blick nicht vergessen, den er mir zuwarf, als fie mich fragten, ob kein Streit dem furchtbaren Schlage vorausging, und ich „nein" sagte. Er wandte sich um und blickte mich an, so sonderbar und mahnend, — es ging mir bis ins Herz hinein." , „Daß ihni deine Aussage nicht gefiel, hättest du dir im voraus denken können. „Du täuschtest mich nicht, Alfred. Es fiel kein Kampf zwischen euch vor - „Nicht vor dein e ten Schlage.' Er sprach die Wahrheit, aber er vergaß zu sagen, daß der erste Schlag von ihm geführt wurde. Sie ahnte den Doppelsinn seiner Rede nicht und be ruhigte sich- . . „Erzähle MW jetzt den genauen Verlauf der Verhandlung, jagte Baumann, mit unruhigen Schritten m dem Gemache auf- und abgehend. Sie that es. „Bedauerst du jetzt nicht," fragte sie, als sie geendet hatte, „daß du dich nicht, wie ich dir riet, damit begnügtest, ihn des Mord versuchs statt des vollbrachten Mordes verdächtig zu machen?" BH sr (Fortsetzung folgt.)
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