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Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189901180
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990118
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-18
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser wohnte am Freitag einem Lappjagen auf Damwild im Grunewald bei. * Der Kaiser empfing am Donnerstag im Königlichen Schlosse zu Berlin den Fürsten Herbert Bismarck und hatte mit dem selben eine längere Unterredung. * Der dem Bundesrat vorliegende Entwurf des Reichsbank-Gesetzes sieht eine Verstärkung des Grundkapitals um 30 Millionen vor, also von 120 ans 150 Mill. Mark, und damit die Erhöhung der Zahl der Reichsbank-Anteile um 10 000. Der Entwurf ordnet ferner die Wiederaufnahme der Zu schreibungen an den Reservefonds behufs Ver stärkung desselben bis auf zwei Fünftel des Grundkapitals, mithin bis zum Betrage von 60 Mill. Mk., an und ändert gleichzeitig die Gewinnverteilung dahin, daß der dem Reiche zufallende Anteil sich auf drei Viertel des Gewinnüberrestes erhöht, sobald die Gesamt- Dividende der Anteilseigner 5 Prozent über steigt. Das steuerfreie Notenkontingent der Reichsbank wird von 293 400 000 auf 400 Mill. Mark erhöht. *Das neue Jnvaliden-Versiche- rungsgesetz hat in den Ausschüssen des Bundesrats mehrfache Abänderungen erfahren und dürfte frühestens in vierzehn Tagen an den Reichstag gelangen. * Eine Revision des Patent gesetzes will der Deutsche Jngenieurverein, der über 12 000 Mitglieder zählt, jetzt ernstlich in die Wege leiten. Sein Vorstand hat eine Kommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, das zur Herbeiführung einer Revision nötige Material zusammenzustellen. Die Unzufriedenheit mit diesem Gesetz ist namentlich durch folgende drei Punkte herbeigeführt worden: 1) durch die un gleichmäßige Behandlung und Entscheidung in Patentsachen; 2) durch die unzulängliche Vor prüfung der Patentanmeldungen; 3) durch die verschiedene Deutung des Wortes „Erfindung" im Patentgesetz. Frankreich. *Es verlautet, die französische Regierung habe eine diplomatische Persönlichkeit mit einer vertraulichen Mission nach Petersburg betraut, um zu ermitteln, welche Haltung Ruß land in der Streitfrage zwischen Frank reich und England einnehmen würde. Die emvfangene Auskunft mußte eine ernüch ternde Wirkung auf Frankreich ausüben, denn Rußland scheine keineswegs geneigt zu sein, sich in den anglo-französischen Zwist zu mischen oder Partei für Frankreich zu nehmen. Es lehne jedoch ein Schiedsrichteramt nicht ab. * Der Justizminister ordnete, umBeaure - Paire zum Beweise seiner gegen Loew und einige andere Mitglieder des Kassations- hofes gerichteten neuen Anschuldigungen zu zwingen, eine eingehende Untersuchung an. Beaurepaire soll insbesondere Aufklärung darüber geben, wie er von den Vorkommnissen im Be ratungssaal der Kriminalkammer Kenntnis er langte. * Aus Anlaß einer Interpellation wegen des Rücktritts Beaurepaires nahm die Deputiertenkammer ein Vertrauensvotum für die Regierung an und zwar mit 423 gegen 125 Stimmen. Spanien. * Der Vertrauensmann Aguinaldos, Dr. Tunson, trifft in den nächsten Tagen in Madrid ein, um mit der Regierung wegen der Auslieferung der spanischen Ge fangenen zu unterhandeln. — General Otis fragte bei General Rios an, ob die spanischen Truppen in Manila die Amerikaner, sobald diese angegriffen werden sollten, unterstützen würden. Der Müüsterrai hat daraufhin beschlossen, daß die Spanier sich unbedingt neutral zu verhalten haben. Rußland. *Der Kriegshafen Libau, welcher nahezu vollständig fertig gestellt ist, sodaß nur noch einige der Unterbringung von Truppen dienende Ergänzuugsbauten nebst einigen Wasser bauten erforderlich sind, ist in diesem Winter Aw Uorade«d der Hochzeit. 2tj Roman von Helene Stökl. «Fortsetzung.) „Was meinst du, Herz?" „Sie wollen meinen Mann nicht zu mir hereinlassen. Ich will ihn nur einmal noch sehen, dann muß er fort. Versprich mir, daß du dafür sorgen willst, daß er fortgeht. Er soll nicht um meinetwillen hier bleiben, ich habe ja dick. Ja, ich werde bald wieder gesund werden, und da kann ich ihm nachreisen." „Du darfst dich vor allem nicht au siegen. Sobald der Doktor es erlaubt, sollst du deinen Mann sehen; jetzt aber darfst du auch nicht ein einziges Wort mehr sprechen." Martha schloß ihre Augen und murmelte angstvoll: „O, was soll ich thun? „Dich ganz ruhig verhalten, mein Herz. Sprich nicht, Martha! Augenblicklich kannst du ihn nicht sehen, denn er ist mit dem Doktor gegangen, um sich nach einer Krankenpflegerin für dich umzusehen, und eine gute bekommt man nicht im Handumdrehen." „Du mußt es mir sagen, sobald er zurück kommt." „Ja, ich verspreche es dir. Jetzt aber ver suche zu schlafen." „Ich werde nicht eher schlafen können, als bis ich ihn in Sicherheit weiß. Er darf nicht hier bleiben. O Ida, ich wollte, ich wäre mit meinem lieben kleinen Kinde gestorben und niemand mehr im Wege." „Wenn du noch einmal so redest, gehe ich «ls dem Zimmer," erwiderte Ida. bereits zum Winterquartier für 2 PchsKrschiffe, 1 Kanonenboot und 1 Torpedoschiff ausersehen worden, die daselbst überwintern werden. Außer dem ist der Bau von 6 Mamischaftsbaracken für je 1000 Manu Marinemannschaften im Gange, die zum Teil noch im Laufe dieses Winters be zogen werden. Der der deutschen Küste am nächsten benachbarte russische Kriegshafen ist be kanntlich in außerordentlich umfangreicher Weise mit allen denjenigen Einrichtungen versehen, die ihn zu einer vorzüglichen Flottenstation und Operationsbasis der russischen Kriegsflotte im westlichen Teil der Ostsee machen. Balkanftaaten. * Außer einem Jrade des Sultans zum An kauf von 30000 Shrapnels und rauch schwachem Pulver ist eiu weiteres Jrade erlassen worden, mit welchem der Ankauf von 162 Schnellfeuergeschützen mit 7^2 Centi- meter-Kaliber für 27 Batterien, die zur teil weisen Neuarmierung der ersten drei Korps bestimmt sind, und ferner der Ankauf von Geschossen und Pulver für zwei Haubitzen-Regimenter der Korps von Salonichi und Adriauopel und einiger tausend Repitier- gewehre für Kavallerie angeordnet wird. Amerika. *Die Besitzergreifung der Phi- li pp inen solle nur eine vorläufige sein — so verlautete mit etwas dunklen Hinzu fügungen am Mittwoch im Senat zu Washington. Der Senator Foraker erklärte nämlich — und zwar, wie man annimmt, den Ansichten Mac Kinleys Ausdruck gebend —, die Ver. Staaten seien entschlossen, die Philippinen so lange in Besitz zu nehmen, bis die Bewohner im stände seien, die Regierung selbst zu führen. Wenn auch die Ver. Staaten volles Recht hätten, die Philippinen dauernd zu behalten, fo erstrebe dies doch weder Mac Kinley, noch irgend ein Mitglied des Senats. Auf die Frage, weshalb mit den Philippinen nicht ebenso verfahren wer den könne, wie mit Cuba, erwiderte Foraker, bei der cubanischen Frage kämen nur die Be ziehungen der Ver. Staaten zu Spanien in Bettacht, während bei den Philippinen andere Verwickelungen in Frage kämen, über die nur in einer geheimen Sitzung des Senats Aufschluß gegeben werden könne. Afrika. *Nach Meldungen aus Erythräa hat Ras Mangascha nun doch eine voll ständige Niederlage erlitten. Viele seiner Soldaten sind auf italienisches Gebiet entflohen und wurden dort entwaffnet. Asien. *Wie aus Hongkong gemeldet wird, habe das dortige Komitee der Filipinos beim Hongkonger Gericht gegen den amerika- nilchen Konsul auf Herausgabe von 47 000 Dollar geklagt, die im Juni 1898 bei ihm als Schatzmeister des Fonds für die Un abhängigkeit der Philippinen hinterlegt worden feien. Man erwartet infolgedessen sensa tionelle Enthüllungen, aus denen sich ergeben soll, daß die amerikanische Regierung die Filipinos dadurch als k r i e g f ü h r e n d e Macht anerkannt habe, daß sie ihnen Waffen lieferte, und auch moralisch ihrer Sache dadurch diente, daß sie im vergangenen April mit Aguinaldo in Singapore einen Ver trag abgeschlossen habe. * Die schwere Erkrankung des Emirs von Afghani st an kann ernste Folgen nach sich ziehen. Sollte Abdurrahman sterben, so wird wahrscheinlich ein heftiger Kampf um die Thronfolge entbrennen. Es gibt in der Theorie ein Erbfolgerecht in Afghanistan, thatsächlich aber ist derjenige Erbe, der den größten Anhang hat. Prinz Habidullah, der älteste Sohn des Emirs von einer Witwe von königlichem Ge blüt, hat in der jetzigen Königin seine Gegnerin. Diefe wird sich für ihren ganz kleinen Sohn, Prinz Mohammed Omar, ins Zeug legen. In den letzten Jahren hat der alte Abdurrahman den Prinzen Habidullah begünstigt. So oft sich die Gelegenheit bot, wurde er dem Volke als Thronerbe vorgestellt. Die jetzige Königin ist aber eine thatkräftige Frau und wird kaum nachgeben, ehe sie muß. Vor einigen Jahren brach während der Abwesenheit des Emirs ein Aufstand in Kabul aus. Die Königin legte sofort Männerklcidung an, stellte sich an die Spitze des Heeres und warf den Aufstand nieder. Als ihr Gatte wieder einttaf, war die Ordnung völlig wiederhergestellt. — Solch' eine Frau kann sich noch entwickeln! Aus dem Reichstage. Im Reichstag wurde am Donnerstag die erste Beratung der Militärvorlage vom Preuß. Kriegs minister v. Goßler mit einer längeren Darlegung der Ziele der Vorlage eingcleitet. Dieselbe bezwecke neben einer unbedeutenden Vermehrung der Friedens präsenz die längst als dringend notwendig erkannte Neuordnung der Feldartillerie, die Formierung drei neuer Generalkommandos und zwei neuer Divisions- kommandos, eine Neuordnung der Verkehrstruppen, sowie eine Vermehrung der Kavallerie. Bis auf weiteres solle die zweijährige Dienstzeit bestehen bleiben. Abg. Richter (frs. Vp.) bekämpfte die Vor lage. Die zweijährige Dienstzeit müsse vor allen Dingen festgelegt werden. Die Abgg. Frhr. v. Stumm (frkons.) und v. Levetzow (kons.) traten für die Vor lage ein. Am 13. d. wird die erste Beratung der Militär- Vorlagen fortgesetzt. Abg. Bebel (soz.): Wenn man die Begründung von Militärvorlagen bei uns anhört, so gewinnt man daraus den Anschein, daß, je mehr Soldaten wir haben, je höher die Militärlasten find, um so größer auch das Wohlbefinden der Bevölkerung sein müsse. Herr von Stumm sprach das ja auch ganz offen aus. Herr von Levetzow als Vertreter der Landwirtschaft sprach sich schon viel vorsichtiger über die Vorlage aus, er erkannte an, daß sie der Be völkerung große Lasten auferlege und verlangte daher eingehende Prüfung, ob diese Lasten notwendig seien. Ich habe schon vor mehr als zwanzig Jahren darauf hingewiesen, daß jerade die Landbevölkerung unter dem Militarismus am meisten leiden müsse. Daß wir so große Rüstungen machen müssen, liegt wesent lich an der durch den letzten Krieg geschaffenen Kon stellation. Frankreich in seiner Isolierung ist dadurch gezwungen worden, sich Rußland zu nähern. Wir Gegner des Militarismus haben nun einen eigen tümlichen Bundesgenossen erhalten in dem Zaren. In allen europäischen Parlamenten werden, mag aus der Friedens-Konferenz werden, was wolle, die Worte des Friedensmanifestes als Waffe gegen den Militarismus benutzt werden. Es sieht geradezu aus wie eine Verhöhnung, wenn in demselben Augenblick, in dem unsere Regierung dem Zaren ihre Sympathien für den Friedensvorschlag aus drückt, uns eine solche Militärvorlage gemacht Wird. (Präsident Graf Bal lest rem ruft den Redner zur Ordnung.) Abg. Bebel (fortfahrend): Ruß land hat im Innern so viel mit schwierigen Ver hältnissen zu kämpfen, daß es in obsehbarer Zeit gar nicht daran denken kann, sich in Europa in einen Krieg einzulassen. Und Frankreich allein ist gegenwärtig auch nicht in der Lage, einen Krieg mit Deutschland anzufangen. Es liegt also keine Ver anlassung vor zu neuen Rüstungen, zumal in einer Zeit, in der die dringendsten Kulturaufgaben vom Staat nicht erfüllt werden können. Dem Friedens manifest des Zaren gab Herr v. Stumm eine eigen tümliche Deutung; er hätte lieber schweigen sollen, denn einen günstigen Eindruck können seine Worte in Petersburg nicht machen. Viel erhoffen auch wir nicht von der Friedenskonferenz, insbesondere nicht eine Herabsetzung der Präsenzziffer. Wir werden schon weiterhin dafür sorgen, daß die Bevölkerung aufgeklärt wird, daß der Arbeiter immer intelligenter werde. Auch der Militärverwaltung muß doch ein intelligenter Industrie-Arbeiter als Soldat lieber sein als ein dummer Bauer. Viel mehr Nutzen könnte aber aus einer planmäßigeren Volksbildung die Militärverwaltung ziehen, wenn schon die Jugend militärisch herangebildet und organisiert würde. Sogar der Chef des Generalstabes des 16. Armee korps hat sich kürzlich in einem Vortrage dahin aus gesprochen, daß man nur dann mit Zuversicht in einen künftigen Krieg gehen könne, wenn das ganze Volk als Reserve bewaffnet hinter der die Schlachten schlagenden Armee stehe. Meine Freunde werden die Vorlage ablchnen. Kriegsminister v. Goßler: Wenn Abg. Bebel die Militärvorlagen objektiv Prüfen würde, so würde er zugeben müssen, daß sie mit dem Manifest des Zaren nicht im Widerspruch stehen. Wir suchen eben nur die bestehende Organisation zu sichern. Bezüg lich der Miliz und ihrer Bedeutung habe ich mich schon im vorigen Jahre dahin ausgesprochen, daß dieselbe sich viel kostspieliger stellen würde als das stehende Heer. Daß die Landwirtschaft durch die Vorlage mehr belastet wird, gebe ich zu, die Land wirtschaft trägt die Lasten aber gern, ohne in der Armee eine Versorgungsanstalt für höhere Stände zu sehen. Der Uebergang zur Miliz ist von jeher der Lieblingsgedanke derjenigen gewesen, die die Armee demokratisieren möchten. Was unsererseits aber geschehen kann, um der Demokratisierung der Armee entgegenzuarbeiten, das wird geschehen. Abg. Frhr. v. Hertling (Zentr.): Eine Vor lage in solchem Umfange haben auch wir allerdings nach den vorjährigen Erklärungen des Kriegsministers nicht erwartet. In den politischen Verhältnissen können wir eine Begründung dafür nicht sehen. Der Dreibund besteht fort, und wir müssen jedenfalls zu Oesterreich auch ferner das größte Vertrauen haben. Das Manifest des Zaren ist ein großes Zeugnis für den idealen Sinn des jugendlichen Monarchen. Es wäre nur zu wünschen, daß die russische Diplo matie sich daran gewöhnte, ebenfalls so ideale Bahnen zu verfolgen. Was die Vorlage s^bst be trifft, so sage ich vorweg, daß meine Freunde großen Wert auf die Beibehaltung der zwei jährigen Dienstzeit legen; ein Teil derselben möchte sie schon jetzt gesetzlich festgelegt wissen, aber zu einer solchen Maßnahme scheint uns doch eine zwingende Notwendigkeit nicht vorzulicgen. Die Forderung für die Neu-Organisation der Feld artillerie erkennen wir als berechtigt an, dagegen scheint uns die Vermehrung der Artillerie in dem geforderten Umfange nicht ausreichend begründet, ebenso wenig die geforderten neuen Divisionen und Armeekorps. Die ganze Forderung auf diesen Ge bieten legt den Gedanken nahe, daß wir vor un geahnten späteren Neufordernngen stehen. Wir müssen also genau prüfen, was dahinter steckt, denn wer A sagt, muß auch B sagen, und vielleicht werden wir demnächst das ganze Alphabet hersagen müssen. Abg. Sattler (nat.-lib.): Ich glaube den Worten des Vorredners die Hoffnung, daß die wesentlichen Punkte der Vorlage Annahme finden werden. Herr Bebel möchte statt des ausgebildeten Heeres eine Mliz haben; aber er erinnere sich doch, daß Frankreich gerade deshalb so schwere Nieder lagen erlitten hat, weil seine Truppen nicht die ge hörige Ausbildung hatten. Wir halten die zweijährige Dienstzeit für ausreichend zur gründlichen Aus bildung. Wir halten daher strikte an der zweijährigen Dimstzeit fest und sind so fest davon überzeugt, daß sie gar nicht wieder abgeschafft werden kann, daß wir die gesetzliche Festlegung derselben nicht zur Vorbedin- dingung der Zustimmung zu dieser Vorlage zu machen brauchen. Die Einzelheiten der Vorlage enthalten auch für meine Freunde Unklarheiten und Widersprüche, die eine gründliche Prüfung notwendig erscheinen lassen. Wir wünschen aber, daß diese Prüfung dazu führt, daß die Hauptpunkte der Vorlage zur Annahme gelangen. Den Hauptpunkten der Vorlage bringen meine Freunde die wärmsten Sympathien entgegen: der Neu-Organisation der Artillerie, der Vermehrung der Kavallerie und der Etatserhöhung der schwachen Infanterie-Bataillone. Das Friedensmanifcst des des Zaren ist wohl kaum an irgend einer Stelle so ausgefaßt worden, daß die Staaten nun ohne weiteres ihre Rüstungen einstellen sollen. Der Zar felbst hat ja kurz vor Erlaß des Manifestes eine er hebliche Vermehrung der russischen Flotte angcordnet. Diese Maßnahme steht ebenso wenig im Widerspruch mit dem Manifest wie unsere Vorlage. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Ants.): Ich werde gleich den Vorrednern alles Persönliche aus dem Spiele lassen und nur die sachlichen Argu mente zu der Vorlage geltend machen. Selbst Herr .Bebel ist ja heute ganz besonders mäßig aufgetreten. Ich kann also von vornherein erklären, daß meine Freunde für die neuen Organisationsforderungen eintreten werden, vorausgesetzt, daß die Kommissions beratung den Nachweis der Zweckmäßigkeit der neuen Organisation erbringt. Was die zweijährige Dienst zeit betrifft, so bin ich früher Gegner derselben ge wesen, aber ich mutz auch sagen: Nachdem sie einmal eingeführt ist, kann sie nicht wieder abgeschafft wer den. Aber wir müssen nun auch alles bewilligen, was nötig scheint, um die Ausbildung der Mann schaft in den zwei Jahren zu sichern. Schließlich bitte ich die führenden Parteien, in die Vorlage eine ähnliche Klausel hineinzuarbeiten, durch die es aus geschlossen wird, daß die Deckung der Vorlage, falls m einem Jahre die laufenden Mittel dazu nicht aus reichen sollten, durch Steuern angesttebt werden, welche die breite Masse des Volkes belasten. Abg. Rickert (frs. Vgg.): Meine Freunde halten auch eme eingehende Prüfung der Vorlage für ge boten; wir werden aber alles gern und freudig be willigen, was als notwendig für die Sicherheit des Vaterlandes nachgewiesen wird. Für die zweijährige Dienstzeit sind wir seit Jahrzehnten eingetreten, wir haben sie nach langen und harten Kämpfen durch gesetzt und wir werden unsere Kräfte dafür einsetzen, daß sie dem Volke erhalten bleibe als teure Errun genschaft. Wir zweifeln aber auch nicht daran, daß sie dem Volke erhalten bleiben wird, nicht nur die kommenden fünf Jahre, sondern auch weiterhin, gleichviel, ob die gesetzliche Festlegung erfolgt oder nicht. Meine Freunde sind daher bereit, an dem Zustandekommen der Vorlage mitzuarbeiten. Damit schließt die Diskussion. — Die Vorlage wird der Budget-Kommission überwiesen. Nächste Sitzung: Dienstag. Martha wollte ihre schwachen, abgemagerten Hände aussttecken, um sie zurückzuhalten, aber sie sanken kraftlos zurück; Ida strich ihre Kissen glatt und küßte sie zärtlich. „Ich will alles thun, was du willst," hauchte Martha, „aber sei freundlich zu ihm, Ida, um meinetwillen! Versprich es mir." ^Wenn du versuchen willst, einzuschlafen, so will ich dir selbst versprechen, ihm um deinet willen einen Kuß zu geben." Martha lächelte und schloß die Augen, und es dauerte nicht lange, so sah Ida an ihren regelmäßigen Atemzügen, daß sie wirklich ein geschlummert war. Ida benutzte diese Zeit, um sich ins Nebenzimmer hinauszustehlen und ein paar Zeilen an ihren Mann und Onkel Gustav zu schreiben. Es lag ihr schwer auf dem Herzen, daß fie in der Eile, zu Martha zu kommen, ganz vergessen hatte, zu Hause zu sagen, wohin sie gegangen sei, und die Depesche, die ihre Ab wesenheit hätte erklären können, in die Tasche gesteckt hatte. Während fie noch schrieb, hielt eine Droschke vor dem Hause und gleich darauf ertönten eilige Schritte auf der Treppe. „Es ist Herr Baummn," sagte die Wirtin, welche neben Ida stand, um die Briefe sogleich zur Beförderung zu übernehmen. Erschrocken sprang Ida auf und eilte dem letzten Zimmer zu. Sie fühlte, daß fie augen blicklich trotz aller guten Vorsätze dem Mann ihrer Schwester nicht ruhig gegenüber treten konnte. Ihr Versprechen, ihn ihr zu Liebe küssen zu wollen, war vergessen, ihr Herz klopfte stürmisch und leidenschaftlich. Sie sollte in wenigen Minuten dem Manne gegenüberstehen, der die gute, offene Martha dazu bewog, ihr Wort zu brechen, der die Schuld trug an der Verbannung des armen Heinrich von Lestow, der durch seine Falschheit und Heuchelei so viel Elend über Martha und sie alle gebracht hatte! Sie machte eine gewaltige Anstrengung, freundlich an ihn zu denken, als den Gatten, den Martha liebte, und als den Vater ihres armen toten Kindchens, aber es wollte ihr nicht gelingen. Wenn sie nur wenig stens fünf Minuten gehabt hätte, um sich zu sammeln! Aber ihr Wünschen war umsonst, sie konnte der Begegnung mit ihm jetzt nicht mehr ausweichen. Sie hörte, wie er die Klinke der Thür niederdrückte: jetzt öffnete er sie, sie fühlte förm lich, wie er bei ihrem unerwarteten Anblick zurückfuhr. O, wenn er umkehrte! Wenn er wenigstens noch eine kleine Weile draußen bliebe! Aber er trat herein. Und jetzt war es um Idas künstlich erhaltene Fassung geschehen; sie warf sich, in Thränen ansbrechend, auf das Sofa und verbarg ihr Gesicht in beiden Händen. Da schlugen die vorwurfsvollen Worte an ihr Ohr: „Hast du keinen Blick für mich, Ida?" „Was ist das? Das ist Baumanns Stimme nicht!" Sie fuhr auf und sah — Heinrich von Lestow vor sich stehen. Ida gehörte keineswegs zu den schwächlichen, empfindlichen Damen, die bei jeder Kleinigkeit Nervenzufälle bekommen, aber diese Ueberraschung war selbst für sie zu viel. Mit einem Aufschrei sank sie auf das Sofa zurück und fiel in Ohnmacht, in die erste rechte Ohnmacht, zu der sie es in ihrem Leben gebracht hatte. Unter Heinrichs und der Hauswirtin Be mühungen schlug sie indessen bald die Augen wieder auf. Sie blickte erst verwirrt nm sich und richte sich daun hastig in die Höhe. „Heinrich, du bist es? Komm und laß dir einen Kuß geben. Ich versprach Martha, daß ich ihren Gatten küssen wollte, ihr zuliebe. Ich dachte freilich nicht, daß — nein, sage und er kläre mir jetzt nichts, ich bitte dich darum. Alles dies wird ja seinen guten Grund habem aber wenn du statt mit Menschen- mit Engel- zungen reden wolltest, würde ich doch nichts da von verstehen. Mein armer Kopf! Wo ist Frau West? — O, da sind Sie ja! Ich habe Jbnen Mühe gemacht, ich danke Ihnen vielmals-,Aber Sie sehen so verstört aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen! Am Ende ist es nur dein Geist, Heinrich, der vor mir steht? Aber nein, Geister küssen nicht!" „Ich dachte, Madame," begann die Haus wirtin, „der Herr sei Ihnen bekannt^?" Die gute Frau wußte nicht, was sie denken sollte. Die Schwester ihrer Mieterin wendet sich mit allen Zeichen des Schreckens bei dem Eintritt des Gatten derselben ab, wird bei seinem Anblick ohnmächtig, küßt ihn dann und nennt ihn „Heinrich", während er doch „Alfred" heißt! Das war mehr als sonderbar. „Nattirlich kenne ich ihn," entgegnete Ida, sich fassend, „aber wir haben uns lange nicht gesehen und — und — das Unglück meiner armen Schwester hat mich ganz nervös gemacht Jetzt bin ich aber wieder vollkommen wohl.
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