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Allgemeiner Anzeiger : 07.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189901075
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-07
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Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.01.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Die Besseruug im Befinden des Kaisers schreitet stetig fort, doch wird der Monarch noch einige Tage das Zimmer hüten müssen. *Die silberne Hochzeit des Her zogpaares vonKobnrg-Gotha wird am 23. Januar unter Teilnahme vieler fürst licher Gäste im Schlosse Friedenstein in Gotha gefeiert werden. Die ans Anlaß dieser Feier getroffenen umfangreichen Vorbereitungen sind nahezu beendet. *Das,Armeeverordnungsblatt' veröffentlicht eine Kabinettsordre vom 1. Januar d., in welcher, „um die Reinheit der Sprache zu fördern", folgende Verdeutschung von Fremdaus drücken in der militärischen Dienst - sprache angeordnet wird: Offizier - Aspirant (in aktiven Dienststande) Portepee-Fähnrich Sekond-Lieutenant Premier-Lieutenant Obersttieutenant, General lieutenant Charge Funktion Avancement Anciennetät Fahnenjunker Fähnrich Leutnant Oberleutnant Oberstleutnant General leutnant Dienstgrad Dienststellung Beförderung Dienstalter. An Stelle der Bezeichnung „etatsmäßiger Stabs offizier" find künftig dem Dienstgrade die Worte „beim Stabe" hinzuzufügen. *Der Bundesrat wird seine Arbeiten Ende diese Woche wieder aufnehmen, während der Reichstag erst am 10. Januar seine Weih nachtspause beendigt. * Es bleibt bei den bisher getroffenen Geschäftsdispositionen imReichs- tage, daß, falls am 10. Januar die Inter pellation Wangenheim betr. die Enqueten über die Fleischnot und die übrigen Punkte der Tagesordnung: Wahl des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten für die Dauer der Session, erste und event. zweite Beratung des Gesetz entwurfs betr. die Kontrolle des Reichshaus halts, des Laudeshaushalts von Elsaß-Lothringen und des Haushalts der Schutzgebiete pro 1898, sowie erste und event. zweite Beratung der Uebereinkunst zwischen Deutschland und den Niederlanden u. s. w. zur Erledigung gelangt sein sollten, am 11. Januar die erste Beratung der Militär-Vorlagen und an den fol genden Tagen die zweite Beratung des Etats stattfinden wird. *Der Entwurf eines Fleischschau gesetz e s, welcher bekanntlich dem Reichstage noch im Laufe der Session unterbreitet werden soll, hat bereits die Zustimmung des preußischen Staatsministeriums gefunden. Der Entwurf soll allen berechtigten Forderungen der deutschen Landwirtschaft entsprechen, jedoch wird manches von den Ausführungsbestimmungen des Bundes rates abhängen, dem weitgehende Vollmachten eingeräumt sind. * Dem Hypothekenbankgesetze nt- wurf wurde, dem Vernehmen nach, auf Wunsch der süddeutschen Staaten die Bestimmung ein- gesügt, Hypotheken auf Baustellen bis zu ge wissen Grenzen als Unterlage für Pfandbriefe zuzulassen, jedoch hat der Bundesrat darüber noch keinen Beschluß gefaßt. *Jn Hadersleben wurden etwa 30 dänische Unterthanen, die meistens bei Dänen in Dienst stehen, ausgewiesen. Die Arbeit geber der Ausgewiesenen hatten am 29. Dezember an einer Versammlung des dänischen Kommunal vereins, in welcher Abg. Hansen die früher^ Apenrader Ausweisungen scharf kritisierte, tÄ- genommen. * Unter schwierigen Umständen hat Premier leutnant Dominik eine Strafexpedltion gegen den unbotmäßigen Batschens« am Sannagaflusse im mittleren Kamerun durch- geführt. Der Kampf fand in dem ^deutenden Flusse statt, auf dessen zahlreicher Inseln die Eingeborenen Dörfer angelegt hattn. Bis auf zwei Soldaten, die ertranken, warn indessen die Verluste ganz geringfügig. Oestcrreich-Unga^n. - W * Den Jungtschcchen nahestehende- BläüH bezeichnen die Stellung sowohl des Grafen Thun als des Grafen Goluchowski als äußersterschüttert. Halbamtlich wird, dagegen betont, man habe es lediglich mit einem lebhaften tschechischen Wunsche zu thun. Was Goluchowski anbclangt, so werde allPdings seine Stellung durch den Verlauf der dMploma- tischenVerhandlungenmitDeutsch- laud in der Ausweisungsfrage als erschüttert betrachtet; es sei aber mindestens ver- früht, die Entscheidung schon als nahe bevor stehend anzusehen. *Jn Budapest suchte der Ministerpräsident Banffy, der sich beim Neujahrs- empfang von seinen Freunden feiern ließ, als habe er eben die Eichenkrone ums Vater land verdient, die Welt glauben zu machen, daß der „überwiegende Teil der Nation" auf seiner Seite stehe. Doch man ist nicht mehr gewohnt, Banffys große Worte als vollgültige Münze anzusehen. *Für die im Lande ins Werk zu setzende Protestbewegung gegen das verfassungs widrige Regime werden große Vorbereitungen getroffen, die bei allem Ernst der Sache zum Teil einen ziemlich komischen Eindruck machen. So beabsichtigen einige Abgeordnete der äußersten Linken Volksversammlungen zu arrangieren zu dem Zwecke, das Volk zur Enthaltung vom Rauchen, vom Kartenspielen und vom Trinken alkoholischer Getränke zu veranlassen, und auf diese Weise den Fiskus um den größten Teil seiner indirekten Steuern zu bringen. Frankreich. * Den nationalistischen Blättern zufolge hatte der Kassationshof vor vierzehn Tagen die Rückkehr des Dreyfus beschlossen. Der Justizmiuister, von der Entscheidung ver ständigt, habe erklärt, die Rückkehr würde große Ruhestörungen veranlassen, und der Kassations hof habe deshalb die Bekanntgabe der Ent scheidung vertagt. Dem General Chanoine wurde die Rolle des Vertreters des G e u e c a l- stabes bei der Revisionsverhandlung über tragen. *Ueber die Pest auf Madagaskar wird aus Tananarivo berichtet: Die Pest dauert in Tamatave an, bleibt jedoch auf diesen Ort beschränkt. Seit dem 25. November v. find 204 Erkrankungen, darunter 132 mit tödlichem Ausgange vorgekommen. Balkanstaaten. * Der neue Generalkommissar von Kreta, Prinz Georg, empfing sechs Beis in Einzel audienz und sicherte bei dieser Gelegenheit der mohammedanisch/ n Bevölkerung Gleich berechtigung zu. Der frühere Präsident des Exekutivkomitees, Sphäkianakis, den Prinz Georg zurückberusen hat, «'M am Montag in Kanea ein, um doch die Leitung des Na oaal rates zu übernahmen. «Das erfolMche Streben der Kreter nach Autonomie moM auch inMacedonien ent sprechende M-msche wieder rege. Im Februar beabsichtigen die macedonischen Ausschüsse in Genf eine« „macedonischen Kongreß" zu ver anstalten. zu welchem Vertreter aus allen Balkan- ländern zusammentreten sollen, um ihre Forde rungen und die Verhältnisse Macedoniens über haupt einer eingehenden Beratung zu unterziehen und die Ergebnisse derselben den verschiedenen Regierungen zu unterbreiten. Die Pforte hat übrigens neuerdings Maßnahmen zu Künsten der christlichen Bevölke rung Macedoniens versprochen. Amerika. * Die Amerikaner scheinen das Be dürfnis zu verspüren, Europa einmal durch eine Flottendemonstration zu imponieren. Wie das ,Kl. I.' aus New Jork erfährt, wird ein amerikanisches Geschwader unter Führung des Admirals Sampson im Frühjahr die Häfen Englands, Deutschlands und Frankreichs be suchen. *Jn Cuba lacht den Amerikanern das Glück. Am 1. d. wurde die amerika nische Flagge an Stelle der spanischen auf gezogen. Die Form der Uebergabe der Sou- Mbränctät von Spanien an die Ver. Staaten Mestand lediglich in dem Austausch entsprechender Ansprachen in einem Saale des Gouverneur- Palastes. Vor und nach dem feierlichen Vor- ' gange wurden von den Hafenforts und den Kriegsschiffen Salutschüsse abgefeuert. Die Be völkerung begrüßte den Flaggenwechsel mit lauten Jubelrufen. * In einigen südamerikanischen Republiken gärt es wieder gewaltig. In Bolivia ist eine ernstliche revolutionäre Be wegung ausgebrochen. Der Durchfuhrhandel über Mollcndo ist unterbrochen. Auch in Ecuador herrscht große Unruhe. Hingegen ist Peru vollkommen ruhig. Die gesetzliche Garantie der persönlichen Freiheit ist wieder her gestellt. Die bedeutendsten Parteien haben den Zivil-Ingenieur Edoardo Romana, einen an gesehenen, in England erzogenen Mann, als Kan didaten für die nächste 'Präsidentenwahl auf gestellt. Afrika. *Nach den letzten Nachrichten befindet sich der Sultan von Marokko wohl. In Tafilet herrscht Ruhe. Aste«. * Depeschen aus Manila zufolge ist Jlo- Jlo mit bewaffneten Eingeborenen gefüllt. Die Aufständischen rüsten sich zum Widerstande gegen den amerikanischen General Miller, falls derselbe versuchen sollte, die Stadt mit Gewalt zur Kapitulation zu bringen. General Miller verlangte neue Instruktionen aus Manila; in zwischen bereitet er die Landung vor. — Der Beginn des Kampfes der Amerikaner gegen die Insurgenten scheint demnach eine Frage der kürzesten Zeit zu sein. Die Amerikaner werden dann die Schattenseiten der „Befceier"-Rolle, die sie gespielt, am eigenen Leibe verspüren. * Einer weiteren Depesche aus Washington zufolge hat General Otis dorthin gemeldet, Aguinaldo sei spurlos verschwun- d e n. Man vermutet, daß er insgeheim den Widerstand gegen die Amerikaner organisiert. Von Otis sollen noch weitere wichtige Nachrichten eingegangen sein, infolge deren Otis von Washington aus mit neuen In struktionen versehen wurde. Rem Kon des Irnpfge fetzes. Entsprechend dem Buudesratsbeschlusse vom 16. Juni 1897 ist vom Reichsamt des Innern eine Sachverständigenkommission zur Prüfung der Frage berufen worden, ob und inwieweit etwa nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft und der auf dem Gebiete des Impfwesens ge machten praktischen Erfahrungen eine Revision oder Ergänzung der zum Vollzüge des Jmpf- gesetzes ergangenen Bestimmungen angezeigt er scheint. Die Kommission ist ähnlich wie die, welche 1884 eine Reihe wichtiger Ausführungs bestimmungen vorgeschlagen hat, aus Vertretern der medizinischen Wissenschaft und Praxis, sowie aus Beamten der hauptsächlich beteiligten Ver waltungsressorts zusammengesetzt worden. Die Regierungen der größeren Bundesstaaten haben Vertreter entsandt; ferner find Aerzte aus den Reihen der Jmpfgegner zugezogen worden, um auch deren Auffassungen mit zur Erörterung kommen zu lassen. Die Kommission hat im Kaiserlichen Gesundhcitsamte getagt und eine Anzahl von Ergänzungen und Aenderungen der geltenden Vollzugsvorschriften zum Jmpfgesetz in Vorschlag gebracht. Es wird darüber das Nachstehende mitgeteilt: Es soll insbesondere eine Erhöhung des Schutzes gegen schädliche Nebenwirkungen der Impfung herbeigeführt werden. Als dringend erwünscht hat es die Kommission bezeichnet, daß zu den Impfungen im Inland ausschließlich Lymphe aus staatlichen Anstalten verwendet wird. Anderseits wurde anerkannt, daß es eine Härte wäre, wenn die privaten Jmpfinstitute aufgehoben würden. Es wurde allerseits als empfehlenswert erachtet, diese Institute zwar be stehen zu lassen, aber bezüglich ihrer Ein richtungen und ihres Betriebes den gleichen Bedingungen zu unterwerfen, welche in Zukunft von den staatlichen Anstalten zu erfüllen sind. In der Kommission ist ferner darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmunzen zum Vollzüge des Jmpfgesetzes, wonach eine regelmäßige technische Ueberwachung sowchl.der öffentlichen als auch der privaten Jiwfinstitnte erfolgen soll, bisher nur in beschränken: Umfange einge hakten worden sei. Als unungänglich notwendig wurde allerseits bezeichnet, diß diese Bestimmung thunlichst bald und wirksan durch Anordnung regelmäßiger, von Mediziialbeamten vorzu nehmender Revisionen der inöetracht kommenden Anstalten zur Ausführung gbracht werde. Nach träglich sind von Mitgliedrn der Kommission noch zwei Zusätze zu dem Entwürfe von Ver haltungsvorschriften für de Angehörigen der Erstimpflinge befürwortet vordem Der eine dieser Zusätze, durch welchen ausgesprochen wird, daß die erfolgreiche Erftimfung deutlich sicht bare Narben hinterläßt, b^weckt, Täuschungen durch Scheiuimpfungen vtzubcugen. Durch deu anderen Zusatz soll der Schutz der Impflinge gegen Wundinfektionskrankhuen erhöht werden. Da nämlich beobachtet wordu ist, daß bisweilen Erreger von rosenartigen Erzündungen, Wund vereiterungen und Hautkrankhiten in die Schnitt stellen des Impflings am seiner Umgebung übertragen werden, sollen ie Angehörigen der Impflinge durch einen besnderen Hinweis auf diese Gefahr aufmerksam gmacht werden. Die Kommissionsmitglieder, wehe nachträglich uni ihre Auffassung befragt wrden sind, haben in ihrer großen Mehrheit diese Anregungen zuge stimmt. Der Bundesrat wd nunmehr über die Beschlüsse der Sachverständienkommission zu be finden haben. Uon Uah uw Fern. Berlin. Am Montag cüh fand hier aber mals eine Mordthat statt Der Werkmeister Haseloff überraschte morges zwischen 2 und 3 Uhr zwei Personen be einem Einbruchs diebstahl in das Kontor dr Sauerstoff-Fabrik von Dr. Elkan in der Tepler Straße, wo er angestellt war. Die Diebe zersetzten ihm sieben Messerstiche in den Kopf, wran er nach wenigen Minuten starb, nachdem erruf die Thäter, die einstweilen entkommen sind,vier Revolverschüsse abgegeben hatte. Charlottenburg. De Barbier Busse hat eingestaudeu, die Kellnerin »ermann in der Er regung getötet zu haben. E hatte ihr ein Fünf- und ein Zweimarkstück weMnommen, welches Geld sie stürmisch zurückbeghrte und sich des halb auf ihn stürzte. Er jabe ihr Ohrfeigen gegeben und dann die Kehleso lange zugedrückt, bis die H. tot gewesen sei. Dann habe er den Körper an die Stelle gettgen, wo er später gefunden wurde. Liegnitz. Dem Mufidirektor Goldschmidt hierselbst, dem ältesten Kapllmeister der Armee, ist anläßlich seines Scheidns aus dem aktiven Dienst durch Verleihung des Offiziersranges eine besondere kaiserliche Auszeichnung zu teil geworden. Hamburg. Der Stttiner „Vulkan" unter handelt mit dem hiesiger Senat wegen Er werbung eines 280 000 Quadratmeter großen, am Kohelbrand unmittelstr neben den neuen, im Ba« begriffenen Hfenanlagen belegenen Terrains. Der „Vulkan' beabsichtigt, dort eine Schiffswerft in großartiKM Stile zu errichten. Bochum. Ein Vndermord ist in Alten dorf verübt worden. Äe beiden Brüder Wil helm und Karl H. kehrt« auf dem Heimwege von der Zeche noch in einer Wirtschaft ein; hier kam es zwischen rn beiden zu Streitig keiten, in deren Verlauf der Aeltere ein Messer ergriff und es seinem Buder in die Brust stieß; der Stoß durchbohrte ds Herz und der junge Mann sank sofort tot ;u Boden. Der Thäter wurde verhaftet. Brunsbüttel. Zu km Brandunglück in Brunsbütteler-Koog, »obn die 78jährige Be sitzerin Frl. Boje, sowe die 72jährige Haus hälterin Krummfuß ihr Leien einbüßten, meldet man noch, daß die Srktim der beiden Leichen nichts Bestimmtes ergelen hat, welches die Ver mutung bestätigen körne, daß die Frauen er mordet find, was allgemein angenommen wurde. Es dürfte somit wohl schwer sallen, Klarheft in dieses Dunkel zu brimen. Am Dorakend de/ Hochzeit. 21j Roman von Helee Stökl. Gonscyim) „Ida, meine liebe, lebe Schwester, frage nicht danach. Ich darf es dir nicht sagen. Wir werden dieses Haus noch heute nacht verlassen und weit, weit fortgehen. Vielleicht sehe ich dich nie wieder!" „Und das nennst d« gut und lieb von deinem Manne?" „Ida, du bist eine Frau und du wirst be greifen, daß, so sehr ich dich liebe, meine erste Pflicht ihm gehört." Ida küßte sie zärtlich'auf Wangen und Augeu.X „Du bist so gut," flüsterte Martha, sich fester an sie schmiegend, „wenn ich dir nur alles sagen dürfte, aber Papa . . ." „Weiß er alles?" unterbrach Ida sie lebhaft. „Natürlich weiß er es." „Du hast es ihm heute mitgeteilt?" „Heute?" Martha sah sie verwundert an. „Du willst doch nicht sagen," rief Ida zurück fahrend, während ein plötzlicher Gedanke durch ihren Sinn fuhr, „daß er die ganze Zeit ge wußt hat, daß du nicht tot warst?" „Er meinte es gut, Ida." „In meinem Leben habe ich nichts so Ab scheuliches gehört!" rief ihre Schwester außer sich. „Dann warst du es doch, die in jener Nach: durch den Garten ging?" „Du darfst nicht vergessen, Ida, daß ich noch minderjährig war und ohne Papas schrift liche Erlaubnis nicht heiraten konnte." „Und du gingst in sein Studierzimmer und ließest sie dir geben!" „Was hätte ich sonst thun sollen? Aber, Ida, Papa hat mir verboten, dir mehr zu sagen, damit ich nicht irgend etwas äußere, das uns schaden könnte." „Weißt du, daß Papa es mir wohl zwanzig mal zum Vorwurf gemacht hat, daß ich dich damals hinausgehen ließ? daß er immer so geredet hat, als sei ich schuld an deinem Tode? Weißt du, daß er von dem armen Heinrich ge sprochen hat, als sei er dein Mörder?" „O, Ida, du sagtest, du habest mir ver ziehen!" „Ich spreche nicht von dir, sondern von Papa." „Er that alles um meinetwillen." „Du hast mich in eine solche Verwirrung versetzt, daß ich nicht weiß, was ich denken oder sagen soll. Wem kann ich noch glauben?" „Mir, gute Ida. Ich gebe dir die Ver sicherung, daß wir nicht anders handeln können. Es war nicht möglich, jemand ins Vertrauen zu ziehen, ohne unsere Sicherheit in Gefahr zu bringen. Onkel Gustav hat es mit den besten und freundlichsten Absichten dahin gebracht, daß wir beobachtet und bewacht werden. Seinet wegen müssen wir von hier fortgehen." „Aber weshalb, weshalb?" rief Ida heftig. „Ich kann den Grund hierzu nicht einsehen. Es ist doch kein Verbrechen, mit jemand davon zulaufen, selbst ohne die Einwilligung des Vaters!" Marthas Antlitz überflog Totenblässe. „Ich darf dir nicht antworten," stammelte sie. „Du hast kein Vertrauen zu mir!" brauste Ida auf. „Das Geheimnis gehört nicht mir. Wenn mein Gatte hier wäre ..." „Was zu meiner Freude nicht der Fall ist." „Ich leide nicht, daß du so von ihm sprichst, Ida," sagte Martha zurücktretend, „er verdient es nicht." „Dann wird es am besten sein, gar nicht von ihm zu sprechen. Du kannst nicht erwarten, daß ich freundlich von einem Manne denke, der ein solches Elend über jemand gebracht hat, den ich einst zärtlich liebte, oder nein, den ich heut noch zärtlich liebe." „Ich sage dir, Ida," — Marthas Stimme bebte leicht — „daß du meinetwegen nicht be kümmert zu sein brauchst." „Ich meinte dich nicht. Du sagst, daß er dich glücklich macht, aber es gibt jemand, dessen Lebensglück er für immer zerstört hat. Ich möchte dir keinen unnötigen Kummer machen, mein armes Kind, aber ich muß einen Namen nennen, den du dich vermutlich zu vergessen bemühst. Erzählte dir Papa, daß ein Brief ankam an dem Tage, an dem du von uns gingst?" „Von Heinrich?" „Ja, ich öffnete ihn, um seine Adresse heraus zufinden und, Martha, ich konnte mich nicht ent halten, ihn zu lesen." „Es kommt jetzt nicht mehr daraus an," sagte Martha in müdem Tone: „ich hoffe, du hast ihn verbrannt." „Ich hatte kein Recht dazu, ich habe ihn hier." Sie zog den Brief aus ihrer Kleidertasche und näherte sich damit demOfenfeuer, — „wenn d» ihn verbrennen willst —" „Nein, gib ihn mit" Marcha streckte bittend ihre Hand aus. „Nimm dich in ackt, daß er kein Unheil «m» Met!" „Fürchte nichts" sagte diese, ihn nehmend und betrachtend. M trauriges Lächeln zuckte um ihren Mund, all sie die Aufschrift: „Au Fräulein Martha Welner" las. „An eine Tote!" sagte sie wehmütig. „An eine Tote ür den, der diese Zeiten schrieb," wiederholte Ida ernst. Aber Martha hörte nicht, was sie jagte. Zu ihrer Schwester Ueberraschung drücke sie den Brief an ihre Lippen, küßte ihn u:d warf ihn dann zusammen gedrückt mitten in de glühenden Kohlen. „Armer Heinrich — Gott sei mit ihm!" seufzte Ida, der el war, als ob mit diese« jetzt zu Asche verkannten Brief das letzte Band vernichtet sei, das sie noch mit Heinrich verbunden hatte. „Gott sei mit ihn!" flüsterte auch Martha, gedankenvoll auf dn Asche des Papiers blickend, bis der letzte Funlen erloschen war. „Lasse» wir die Vergangeiheit vergangen sein, Ida," sagte sie dann, dies« zum Sofa führend. „Ich muß jetzt gehen," sagte Ida, „me« Mann wird nicht wissen, was aus mir ge worden, und es scheint, daß ich hier nichts nützen kann. Da IsZapa dein Vertrauen besitzt, so wird er wohl wissen, wohin ihr geht und wie wir uns zuweilen schreiben können. Wo ist übrigens Papa?" „Er hält draußen Wache, glaube ich."
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