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Allgemeiner Anzeiger : 14.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189901149
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990114
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990114
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-14
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.01.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Die Ueberfiedelung des K a i s e rp a ar e s nach dem königlichen Schloß in Berlin ist am Donnerstag in dieser Woche er folgt. *Der Kaiser machte am Sonntag dem französischen Botschafter in Berlin einen Gegenbesuch. Der Monarch kam nach mittags um 6 Uhr aus Potsdam hier an und begab sich vom Bahnhofe aus in der Uniform der Garde du Korps in die französische Bot- schasr, wo er längere Zeit verweilte. * Der ehemalige bayrische Minister präsident Otto v. Bray-Steinburg, welcher am 23. November 1870 in Versailles den Vertrag ab schloß, demzufolge Bayern in das neu zu gründende Deutsche Reich eintrat, ist im Alter von 91 Jahren gestorben. *Das Bild einer wirtschaftlichen Vereinigung im Reichstag wird bald nach den Ferien erfolgen. Außer Mitgliedern der Fraktionen der Konservativen und Frei konservativen (Reichspartei) werden sich jeden falls auch nationalliberale Abgeordnete der wirt schaftlichen Vereinigung anschließen. Auch inner halb der Zentrumspartei steht eine ansehnliche Gruppe dieser Vereinigung sympathisch gegen über und dürfte dem Eintritt in dieselbe nicht abgeneigt sein. *Zur besseren Ausgestaltung des berg- polizeilichen Aufsichtsdienstes ist bekanntlich von der Preuß. Bergwerksverwaltung die Heranziehung von bewährten Unter beamten in Aussicht genommen. Dem Ver nehmen nach werden in dem nächstjährigen Staatshaushaltsetat 50 solcher Beamtenstellen zum ersten Male gefordert. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph soll bereit sein, in den Rücktritt Banffys zu willigen, falls die ungarische Opposition sich verpflichte, der Be schlußfassung über den Ausgleich keine Hindernisse zu bereiten. * Da die Erledigung der Ausgleichs- vorlagen gegenwärtig undenkbar ist, so deutet man dieEinberufungdesReichs- raLs auf den 17. d. dahin, daß Graf Thun wirklich einen Versuch zur Einleitung eines deutsch-tschechischen Ausgleichs unternehmen wolle. Halbamtlich verlautet, man wolle die Zustimmung dafür erlangen, daß wie ini mährischen auch im böhmischen Landtage ein ständiger Ausgleichungsausschuß zur Regelung der Sprachcnfrage eingesetzt werde. Der Vor schlag erscheint jedoch kaum durchführbar, da die Deutschen den Wiedereintritt in den böhmischen Landtag nur nach Gewährung von Bürgschaften für die Erfüllung ihrer nationalen Forderungen vollziehen würden. * Sämtliche Reserveoffiziere, die bei den studentischen Kundgebungen im November 1897 gegen das Ministerium Badeni teilgenommen haben, sind jetzt nach Abschluß des Verfahrens der Offiz iers- charge verlustig erklärt worden. Frankreich. *Der Skandal Beaurepaire scheint der widerlichste aller bisherigen Skandale zu werden. Beaurepaire bekennt sich als entschie denen Gegner der Dreyfus-Revision, erhebt die infamsten Beschuldigungen gegen seine Kollegen vomKassationshof und drohtmitEnthüllungen aller Art in seinem Leiborgan- ,Echo de Paris', welches zeitig das halbamtliche Organ des Generalstabs ist. Allgemein wirddie Absetzung Beaurepaires gefordert. Der Justizminister Lebret bezeichnete sein Vorgehen als unerhört. Man erwartet entschiedene Erklärungen der Regierung. Die Dreyfus-Presse sagt, Beaurepaires Rücktritt habe den Kassationshof gesäubert. *Die Aussagen von Dreyfus sind telegraphisch in Paris eingetroffen. Er beteuert seine Unschuld und bestreitet, auch nur unvor sichtige Handlungen begangen zu haben. Der Eindruck auf das Publikum ist nicht bedeutend; den Revisionisten bieten die Aussagen nichts neues, die Generalstäbler und Nationalisten er klären sie für „eingedrillt" und belanglos. In etwa zehn Tagen wird die Zeugenvernehmung beendet sein. England. *Aus London wird ein neues Blau buch, beireffend Neufundland, ange kündigt. Darin soll dargethan werden, daß Frankreichs Reservatrecht bezüglich der Fischerei weitaus enger begrenzt ist, als die französischen Staatsmänner behaupten. Salisbury will damit seinen Ausgleichvorschlägen mehr Gewicht verleihen und die Sache so hinstellen, als wäre es pure Großmut, daß England den gegenwärtigen Zustand, der eigentlich eine Rechtsverletzung sei, dulde. Italien. *Die Lage in Erythräa am Roten Meere gab der italienischen Regierung Anlaß zu den ernstesten Befürchtungen. Dazu ist zu bemerken, daß der endgültige Friedens schluß zwischen den genannten Ländern noch immer aus steht, und zwar weil die Grenz frage ihrer Regelung harrt. Italien legt Wert darauf, den Mareb als Grenzscheide des abessi nischen Gebietes von der Erythräischen Kolonie zu erhalten, während der Negus Menelik sich bis jetzt nicht zur Erfüllung dieses italienischen Wunsches zu entschließen vermocht hatte. Dieser Tage nun hat Menelik ein freundnachbarliches Schreiben im entgegenkommenden Sinne an König Humbert gerichtet. Balkanstaaten. *Am griechischen Neujahrstage werden aus allen größeren Gemeinden.Kretas Deputationen in Konea eintreffen, um dem Prinzen Georg Glückwunsch- und Er gebenheitsadressen zu überreichen. Ferner werde sich eine kretische Abordnung nach Athen begeben, um dem König Georg eine Dankadresse zu unter breiten. — Die Entwaffnung der Christen auf Kreta soll nunmehr, nachdem auch die Einwohner von Apokorona die Waffen abgeliefert haben, durchgeführt sein. Die ab gelieferten Gewehre, im ganzen 9600, werden von den Behörden nur in Verwahrung ge nommen, ohne daß die bisherigen Eigentümer ihr Befitzrecht an denselben verlieren würden. Asien. * Der Führer der Filipinos, Aguinaldo, hat als Antwort auf den Auf ruf des Generals Otis eine Kundgebung erlassen, in welcher er dagegen Einspruch erhebt, daß Otis sich selbst als Militärgouverneur der Philippinen bezeichnet, und erklärt, daß er nie mals sich damit einverstanden erklärt habe, die Souveränetät der Amerikaner anzuerkennen. In dem Aufruf, den General Merritt vor der Kapi tulation der Spanier erlassen habe, sei aus drücklich und feierlich erklärt worden, daß die amerikanischen Truppen nur gekommen seien, um die Filipinos zu befreien. Er, Aguinaldo, erhebe deshalb im Namen des Allmächtigen Einspruch gegen das unberechtige Ein dringen der Amerikaner. *Auf Jlo-Jlo haben die Aufstän dischen Barrikaden,in den Straßen errichtet und eine Menge Petroleum in viele Häuser geschafft, damit das ganze Geschäftsviertel sofon zerstört werde, sobald die Amerikaner das Feuer eröffnen sollten. Die Fremden flüchteten an Bord des britischen Kreuzers „Bonaventüre" und die Banken schafften ihre Bestände ebenfalls dorthin. *Der Gesundheitszustand des Emirs von Aighanistan ist, wie der in den Diensten des Emirs von Afghanistan stehende Tierarzt Elements, welcher sich nach Indien be geben hat, erzählt, schlecht, es sei nicht an zunehmen, daß der Emir noch lange leben werde. Deutscher Reichstag. Am 10. d. gedenkt Präs. Graf Ballestrem des Ablebens des Abg. Dieben. Das Haus erhebt sich zu Ehren des Abgeschiedenen. Auf der Tagesordnung steht zunächst die defini tive Wahl des Präsidiums. Auf Vorschlag des Abg. v. Leveyow wird das bisherige Präsidium per Akklamation wiedergewählt, also die Herren Graf Ballestrem, v. Frege und Schmidt-Elberfeld. Nach Erledigung einer Rechnungssache folgen die erste und zweite Beratung der Uebercinkunft zwischen Deutschland und den Niederlanden betr. gegen seitige Zulassung der Tierärzte. Die Annahme ge schieht debattelos. Es folgt die Interpellation v. Wangen heim: Ob der Reichskanzler bereit sei, Auskunft zu geben über die Enquete-Ergebnisse über die an gebliche Fleischnot. Graf Posadowsky erklärt sich zu sofortiger Beantwortung bereit. Abg. v. Wangenheim (kons.), die Inter pellation begründend, weist besonders den Vorwurf zurück, den man der deutschen Landwirtschaft ge macht habe, daß sie sich nicht genug um Förderung der Viehzucht bemüht habe. Thatsöchlich habe sich die Viehzucht stark gehoben, sogar noch weit über den Bevölkerungszuwachs hinaus. Bei deu Schafen habe allerdings eine Abnahme stattgefunden, das falle aber um so weniger ins Gewicht, als die Ab nahme sich in der Hauptsache auf die Wollschafe er strecke, und nur zum kleinen Teil auf Flcischafe. Weiter verbreitet sich Redner über die Notwendigkeit von Sperren zum Schutze gegen Seuchen - Ein schleppung, gerade auch im Interesse des Konsums. Nach einer ihm vorliegenden Zusammenstellung von Marktberichten aus 300 Orten im Vorjahre sei von einem mangelhaften Viehauftrieb auch durchaus nicht die Rede. Ebenso wenig von kolossal hohen Preisen. An der Erhaltung unserer Viehproduktion sei keines wegs nur der große und mittlere Grundbesitzer interessiert, sondern ganz besonders auch der länd liche Arbeiter. Daß die Landwirtschaft so weite Schritte vorwärts habe thun können, das verdanke sie, er erkenne es gern an, zu einem großen Teile dem preußischen Landwirtschaftsminister. Staatssekretär Graf Posadowsky: Eine große Reihe von Petitionen haben den Reichskanzler veranlaßt, eine Umfrage an die Bundesregierungen darüber zu halten, ob und inwieweit eine erhebliche Steigerung der Fleischpreise zu verzeichnen gewesen ist. Die Antworten find zum Teil erst in den letzten Tagen eingegangen. Danach sind für Rindfleisch die Preise zum Teil allerdings gestiegen, zum Teil find sie stabil geblieben oder sogar gesunken. Für Schweine sind dagegen die Preise gegen früher fast überall ge stiegen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß wir im vorigen Jahre ganz außergewöhnlich niedrige Preise gehabt haben, die wir nicht gut als Norm an nehmen können. Aus einer Reihe von Städten wird nun ein Rückgang an Schlachtungen, namentlich von Schweinen, gemeldet. Damit ist aber noch keines wegs ein Rückgang des Fleischverbrauchs erwiesen. Es ist sogar mit Recht die Frage aufgeworfen wor den, ob nicht die Zufuhr aus dem Auslande die Ur sache des Rückganges an Schlachtvieh sei. In saft allen vorliegenden Berichten wird aber darauf hin gewiesen, daß durch die gute Kartoffelernte schon in allernächster Zeil ein erheblich verstärkter Auftrieb von Schweinen auf fast allen Märkten zu verzeichnen sein wird. Man betont aber ausdrücklich, daß die Fortdauer der Grenzsperre die Voraussetzung für eine gedeihliche Entwickelung der deutschen Viehzucht sein muß. — Von Händlerringen n. s. w. ist nach den meisten Berichten nichts Be stimmtes sestzustellen gewesen, wohl aber wird in manchen Berichten behauptet, daß größere Händler ein Abkommen dahin getroffen haben, einander nicht ins Gehege zu kommen, daß sie dann von den Land wirten das Schlachtvieh zu außerordentlich billigen Preisen anfkaufen und so lange znrückhalten, bis sie möglichst günstige Preise für dasselbe erzielen können. Dies das vorliegende thatsächliche Material. Das Fazit daraus ist, daß von einer wirklichen Flcischnot ganz und gar nicht die Rede sein kann. In den Petitionen ist vielfach eine Milderung der Sperr- maßregcln gefordert worden. Man gewinnt aber den Eindruck, daß die Petenten über die thatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Seuchengefahr nicht gut unterrichtet sind. Speziell die Maul- und Klauen seuche herrscht noch in allen umliegenden Ländern, und wie dürfen die deutsche Landwirtschaft nicht der Gefahr aussetzen, daß unsere Viehbestände mehr und mehr verseucht werden. Nur dann kann die deutsche Landwirtschaft ihre Pflicht thun in dem Bestreben, den FIcischbedarf aus der eigenen Produktion zu decken. Ich hoffe, sie wird dieses Ziel in nicht allzu langer Zeit erreichen. Auf Antrag des Abg. Fischbeck (fr. Vp.) erfolgt eine Besprechung der Interpellation. Abg. Fischbeck (ft. Vp.) hebt hervor, wie der Bund der Landwirte diese Angelegenheit zu einer Parteiftage gemacht habe. Keinesfalls dürften die Handelsverträge unter dem Vorgebcn sanitärer bezw. veterinärer Maßregeln umgangen werden. Daß diese Maßregeln milder gehandhabt werden könnten, sehe man doch in Oberschlesien. Fragen müsse man da nur, weshalb man nach Schlesien nicht ebenso gut den ganzen Bedarf von 20 000 Schweinen her einlassen könne, wenn man doch 7000 hereinlasse! Daran zeige sich doch, daß das Ganze lediglich eine agrarische Maßnahme sei. Wenn Herr v. Wangen heini über Händlerkartelle klage, ja weshalb bringen denn die Landwirte ihr Vieh nicht selber zum Markte. Daß anhaltend hohe Schweinepreise bestehen, habe ja überdies die agrarische Genossenschaft in Rosen berg i. Westpr. selber in ihrem Zirkular eingestanden, das sie im September v. an ihre Kunden verschickt habe. Er selbst könne, anders als der Herr Staats sekretär, nur mit der Hoffnung schließen, daß man angesichts der thatsächlichen Notstände mehr Ent gegenkommen zeige als bisher und in größerem Umfange als bisher Vieh nach Deutschland hereinlasse. Abg. Gerstenberger (Zentr.): Bei uns in Bayern überwiegt die Zahl der kleinen Landwirte, die auf den Verkauf ihres Viehs zu möglichst hohen Preisen angewiesen sind. Ist von den Getreidezöllen die Rede, so sagt man auf der Linken immer, von ihnen habe der Bauer keinen Nutzen, denn er könne kein Getreide verkaufen. Aber etwas muß er doch verkaufen, um seine Bedürfnisse zu decken. Bei uns kann deshalb gar keine Rede von einem Viehmangel sein, denn wir haben in Süddeutschland drei Jahre hindurch gute Futterernten gehabt. Infolgedessen sind die Preise außerordentlich niedrig. In manchen Gegenden ist der Bedarf an Fleisch unverhältnis mäßig gestiegen, weil besonders das Anwachsen der großen Städte eine ganz ungewöhnliche Verschiebung der Bevölkerung zu Wege gebracht hat. Auch das Metzgergewcrbc hat einen ganz anderen Charakter angenommen. In den großen Städten sind die Metzger nichts weiter als Fleischhändler. Der Staat sollte demgegenüber die Fleischer-Innungen unter stützen, damit der kleine Schlächter sein Vieh wieder direkt vom Bauern kaufen könne. Preuß. Landwirtschaftsminister Frhr. o. Ham merstein: Abg. Richter hat der Besorgnis Aus druck gegeben, daß wir auf sanitärem Gebiete bestrebt sein würden, die Verhandlungen mit Amerika über einen Handelsvertrag zu erschweren. Es ist aber der Wunsch der deutschen Regierungen, in wirtschaft licher Beziehung mit dem Auslande auf Friedensfuß zu leben, selbstverständlich unter voller Wahrung unserer eigenen Interessen. In keinem Falle hat uns bei den Grenzsperren die Absicht nahe gelegen, durch solche Maßnahmen Preissteigerungen herbei- zuführcn, sondern wir haben damit lediglich sanitäre Zwecke verfolgt. Wir haben doch wahrlich genug trübe Erfahrungen mit der Einschleppung der Rinder pest aus Rußland. Also wir müssen die Seuchenpolizei mit aller Strenge handhaben, sowohl im Jnlande, wie an den Grenzen. Damit allein können wir unsere Viehbestände sichern. Das ist auch für den Kriegsfall von eminenter Wichtigkeit. Für diesen müssen wir darauf gerüstet sein, daß wir alles, was wir brauchen, auch selbst im Lande produzieren. Die Rede des Abg. Fischbeck hätte besser nach Amerika gepaßt, als in den deutschen Reichstag. Gerade im Interesse des ober- schlefischen Jndustriebezirks haben wir die Einfuhr eines bestimmten Kontingents gestattet und, je nachdem die eigeneProduktion zugcnommen hatte, dasselbe allmählich beschränkt, bis wir auf dem Bcharrungszustand ange kommen sind. Ich werde dafür sorgen, daß die Gefahr einer Verseuchung unserer Viehbestände nicht wieder eintritt. Unter Wahrung aller Beziehungen zum Aus lande wird auch das Reich uns zu unseren Bestreben unterstützen, das Land vor neuen Gefahren zu schützen. Geheimrat Schröter legt das Interesse der Armeeverwaltung an der Hebung und Sicherung der heimischen Viehzucht statistisch dar. Die Weiterbcratung wird vertagt. Usn Uah und Fern. Potsdam. Ein seltsames Vorkommnis wird von der Moss. Ztg.' wie folgt erzählt: Im Stadtschlosse patroullieren des Nachts Feuer wehrleute den Korridor entlang. Einige von ihnen konnten in der Nacht ihre Neu gierde nicht bemeistern und betraten einige Zimmer, um sie zu besehen. Da hörten sie plötzlich Schritte und flüchteten in ein anderes Zimmer das zum Unglück das Schlafzimmer der Kaiserin war, die durch das Geräusch er schreckt, sofort Lärm schlug. Der Kaiser und die Beamten eilten herbei, und die Ruhestörer wurden fcstgeuommen. Ariedrichsruh. Das Bismarckmausoleum ist im Rohbau völlig fertiggestellt, und es wird jetzt an der Ausstattung der Grabgewölbe und der Kapelle energisch gearbeitet. Der Zutritt zur Baustätte ist nach wie vor verboten. Eine hohe Einfriedigung umgibt das Mausoleum und den für landwirtschaftliche Anlagen bestimmten Platz, auf dem es steht. Man hofft, die An lagen bei weiterem günstigen Wetter noch vor dem Beisetzungstage der Leichen des Fürsten und der Fürstin, wofür der 1. April definitiv in Aussicht genommen sein soll, vollenden zu können. Zur Beisetzungsfeier werden nur Ein ladungen an mit dem verstorbenen Fürsten näher befreundete Personen und Familien und an hochgestellte Persönlichkeiten ergehen, da der Raum der Kapelle für eine große Trauerver sammlung nicht ausreichen würde. Am Vorabend der Hochzeit. 231 Roman von HeleneStökl. lFortsrtzunq.) „Ich bedauere, nicht dienen zu können," ant wortete Mellien der Wahrheit gemäß: hatte Heinrich ihm doch geschrieben, daß er nicht wisse, wie lange er in Madrid bleiben und wohin er dann reisen werde. „Es wird Ihnen bekannt sein, daß ich sein Generalbevollmächtigter bin; wenn Sie also etwas wünschen ..." „O, nein, ich danke," entgegnete der sehr fein und vornehm aussehende Fremde nachlässig, „es handelt sich um eine persönliche Angelegen heit. Darf ich fragen, wann Sie zuletzt von Herm von Lestow hörten?" „Hm," überlegte Mellien, „das ist sich einer von denen, die den armen Frank mit ihrer Zu dringlichkeit belästigten." — „Eine persönliche Angelegenheit?" wiederholte er laut, „nun, wenn Sie persönlich mit meinem Klienten bekannt sind, so werden Sie wissen, Herr ..." „Richartz," ergänzte höflich der Fremde. „Er lauben Sie mir, Ihnen meine Katte zu geben." „Ich danke, — so werden Sie wissen, Herr Richartz, daß der junge Gutsherr in der letzten Zett von einem der härtesten Schicksalsschläge, die einen jungen Mann treffen können, heim gesucht worden ist." „Allerdings. Die Dame, mit der er verlobt war, stürzte, wie man sagt, von den Klippen zu Neudorf herab." „Was meinen Sie mit dem Ausdruck: wie man sagt?" fragte der Justizrat scharf. „Verzeihen Sic, ich begreife, was Sie gegen diese Worte haben. Es besteht ein thörichtes Gerücht, daß die junge Dame selber den Tod gesucht habe, aber ich war weit davon entfernt, meine Worte darauf zu beziehen. Ich sagte nur aus dem Grunde so, weil niemand that sächlich den Sturz sah und der Leichnam nir gends aufgefunden wurde." „Sie find Jurist?" fragte Mellien. „O, nichts weniger als das." Herr Richartz lächelte. „Wie kommen Sie zu dieser Ver mutung ?" „Weil Sie Ihre Worte so genau abwägen. Herr Lestow ist im Auslande, wo er zu dem ausdrücklichen Zweck reist, uni Zerstreuung für seinen Kummer zu finden. Sie werden es deshalb begreifen, daß ich Ihnen seine Adresse nicht gebe. Wenn er wünschte, Briefe nach geschickt zu erhalten, so würde er sicher mich oder jemand anders damit beauftragt haben." „Er scheint Sie aber im Gegenteil gebeten zu haben, jede Verkehrsanknüpfung mit ihm un möglich zu machen," sagte der Fremde, verbind lich lächelnd und nach seinen: Hut greifend. „Vielleicht weiß Herr von Lestow nicht einmal, wie nachteilig seine Handlungsweise sür seinen Ruf ist. Sein Benehmen der jungen Dame gegenüber hat Anlaß zu sehr ungünstigen Be urteilungen seines Charakters gegeben." „Was kann man an seinem Benehmen aus zusetzen finden?" „Seine augenfällige Selbstsucht. Er dachte nur an sich und seinen Kummer und hielt es nicht einmal für nötig, sich persönlich von dem Unglücksfall zu überzeugen. Niemand war so schnell von dem Tode Fräulein Wellners über zeugt wie er; er benahm sich, als käme ihr Tod ihm nicht unerwartet. Sobald er die Nachricht bekam, reiste er ins Ausland, ohne die, welche denselben Kummer wie er zu tragen hatte, auf zusuchen und mit ihnen die Verlorene zu be- trauern." Mellien war während dieser Worte, deren Wahrheit er nur allzu sehr fühlte, bald rot, bald blaß geworden. Der letzte Satz des Fremden hals ihm jedoch über seine Verlegenheit hinweg. „Was, Sie wissen von ihm?" mgw er ge- ringschätzig. „Herr von Lestow steht m fort währender Korrespondenz mit Doktor Wellner, dem Vater seiner Braut." „Ah, das wußte ich nicht!" entgegnete Herr- Richartz mit einem so eigenen Lächeln, daß der Justizrat augenblicklich bereute, die Bemerkung gemacht zu haben. „Wenn Sie sein Freund sind," sagte er, sich erhebend, zum Zeichen, daß er die Unterredung als beendigt ansehe, „so werden Sie seinen Wunsch beachten und ihn unbelästigt lassen; wenn Sie jedoch sein Freund nicht sein sollten, dann thäten Sie jedenfalls besser . . ." „Mich um meine eigenen Angelegenheiten zu bekümmern," nahm ihm Herr Richartz das Wort aus dem Munde; „das will ich thun, Herr Justizrat, Sie wissen nicht, wie verbunden ich Ihnen für Ihre freundliche Auskunft bin. Ver zeihen Sie, wenn ich Ihre kostbare Zeit so lange in Anspruch nahm." „Das hat gar nichts zu sagen." „Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu em pfehlen." Mit einem höflichen Schwenken des Hutes verließ der Fremde das Zimmer. Aber nicht die Stadt. Als Mellien am Abend desselben Tages seiner Wohnung zu schritt, sah er ihn auf der Brücke in lebhafter Unterhaltung mit Käthe Rallas. Was konnte das bedeuten? Der Justizrat fühlte sich unan genehm überrascht und ging nachdenklich weiter. Vor dem Eingang in die Allee, die zu einem Hause führte, blieb er in Gedanken versunken einen Augenblick lang stehen. Da kam Käthe vorbei, diesmal allein. „Wer ist der Herr, mit dem Sie auf der Brücke sprachen?" wandte Mellien sich an das Mädchen. „Herr Richartz." „Und wer ist, bitte, dieser Herr Richartz ? „Ein Herr aus Berlin." „Der gekommen ist, Sie zu besuchen? Nein." ^Weshalb antworten Sie so karg?" „Unverschämte Fragen beantworte ich immer kurz, wenn ich sie überhaupt beantworte, sagte das junge Mädchen kühl. „Nun, allzu höflich sind Sie gerade nicht!" erwiderte der Justizrat, ärgerlich lachend. „Ich wollte Sie übrigens nicht beleidigen, Herr Richartz war hente bei mir, um sich nach Henn Lestow zu erkundigen, und es überraschte mich, Sie mit ihm zu sehen, das ist alles." Er hatte absichtlich so ausführlich geant wortet, um sie zu einer Entgegnung zu verleiten, aber sein Versuch mißglückte. Sie blieb schweigend stehen, ohne daß ein Zug ihres hübschen, aber zarten Gesichtes sich geändert hätte.
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