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Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189902080
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-08
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Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1899
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Merseburg. Der kränkliche Handwerker Dietze wurde von seinem kürzlich erst aus dem Gefängnis entlassenen und vielfach auch mit Zuchthaus vorbestraften ältesten Sohn, von dem er nichts mehr wissen wollte, in seiner Wohnung mißhandelt und erwürgt. Der alte Mann wäre wahrscheinlich von dem brutalen Menschen er würgt worden, wenn ihm nicht der jüngere Sohn zu Hilfe gekommen wäre, der nach hartem Kampf den Bruder überwältigte, ihm in seiner Wut über die Mißhandlung des Vaters mit einem Hammer den Kops und das Gesicht blutig und den besinnungslos zusammenbrechenden aus der Wohnung hinaus und in den Chausseegraben warf. Nach Anlegung eines Notverbandes wurde der Verletzte nach dem Krankenhaus gebracht. Der jüngere Dietze stellte sich sofort der Polizei und schilderte den Vorgang. Neuß. In Neuß übergoß sich nach einem Ehestreit eine Frau mit Petroleum, zündete sich an und ist, schrecklich verbrannt, gestorben. Karlsruhe. Erhängt hat sich Dienstag nacht im Untersuchungsgefängnis der 60 jährige Kaufmann, Stadtverordneter und Armenrat Bronner. B. war am Dienstag wegen Verdachts von Sittlichkeitsvergehen, begangen an Kindern, mit denen er in seiner Eigenschaft als Armenrat in Verbindung kam, verhaftet worden. Gumbinnen. Am 28. d. abends vermißte die 5. Kompanie des hier garnisonierenden Füsilier-Regiments einen Soldaten. Nachfragen ergaben, daß er sich am Geburtstage des Kaisers etwas zu gütlich gethan hatte und in seinem Rausch den Pregel durchschwimmen wollte. Ein Kamerad warnte ihn, doch vergebens, er ging tiefer in den Fluß und ertrank. Erst jetzt wurde die Leiche gefunden. Dt.-Krone. In Quiram verunglückte die 13 jährige Tochter des Besitzers Eggert beim Dreschen. Mit dem Nachschütten des einmal durchgedroschenen Haferstrohes beschäftigt, verlor sie das Gleichgewicht, wurde vom Werk erfaßt und sofort getötet. Wien. Der im Jahre 1895 Hingerichtete Franz Wondratschek aus Kalladorf bei Ober hollabrunn soll das Opfer eines Justizmordes gewesen sein. Dr. Pupovatsch, der ehemalige Ver teidiger des Wondratschek, erhielt die Mitteilung, daß der Vater der ermordeten Katharina Pamperl vor einigen Tagen aus seinem Sterbebette dem Pfarrer des Ortes das furchtbare Geständnis abgelegt haben soll, er sei es gewesen, der am Weihnachtsabend des Jahres 1894 seine Magd Marie Woburka und dann sein Kind Katharina ermordet habe, letzteres deshalb, weil es Zeugin des an der Woburka verübten Mordes war. Dieses Geständnis soll der Sterbende dann in Gegenwart zweier vom Pfarrer herbeigerufenen Gemeindevertreter vonKalladorf wiederholt haben. Uhr und Kette des Ermordeten sollen in den Besitz Wondratscheks auf die Art gelangt sein, daß Pamperl diese Gegenstände auf die Straße warf, woselbst sie später von Wondratschek ge funden wurden. Budweis. In einer zur Zeit hier sich auf- halteuden Menagerie kam ein Unteroffizier des zweiten Infanterie-Regiments dem Tigerkäfig zu nahe und wurde von einem Tiger sehr schwer verletzt. Triest. Von einem angeblichen Radunfall der Kronprinzessin Stefanie wußten österreichische Blätter zu berichten. Am Montag sollten ita lienische Radfahrer zwischen Miramar und Barcola die ebenfalls auf dem Rad fahrende Kronprinzessin umgeworfen haben, so daß ihr Rad gänzlich zerbrack und sie in einem Wagen ins Schloß gebracht werden mußte. Die Mel dung ist völlig falsch. Der Ehrenkavalier der Kronprinzessin, Graf Coreth, depeschierte nach Wien, es sei nichts dergleichen vorgefallen; das Gerücht entstand offenbar durch einen kleinen Unfall, welcher kürzlich einer Hofdame der Kron prinzessin beim Radfahren zustieß. Es war ja auch sehr unwahrscheinlich, daß die Kron prinzessin am Todestage ihres Gatten, den sie stets in stiller Zurückgezogenheit verbringt, radeln würde, zumal auf öffentlicher Straße. Lemberg. Obgleich die bisher hinsichtlich der Sparkasse getroffenen Verfügungen be ruhigenden Eindruck machten, so herrscht in der Rückzahlungs-Abteilung doch noch immer großer Andrang; anderseits sind auch neue Kapitalien eingezahlt worden. Die Konferenzen über die Sanierungsaktion dürften nun beginnen. Die Feststellung uneinbringlicher und zweifelhafter Forderungen dauert fort. Uebereinstimmend wird versichert, daß die Spareinlagen keinessalls ge fährdet seien. Paris. Der Marineminister Lockroy äußerte sich begeistert über das Untersee-Torpedoboot „Gustave Zödö". Bei hochgehender See ver ließ das Boot den Hafen, gefolgt von einem großen Schiffe, welches bestimmt war, nötigen falls Beistand zu leisten. Nach wenigen Minuten war „Gustave Zödö" verschwunden und galt als verloren. Das große Schiff kehrte nach dreistündiger Suche in den Hasen zurück. Der Kapitän wagte kaum Bericht zu erstatten, da erschien ein Schiffsjunge mit der Meldung, daß „Gustave Zödö" nach erfüllter Aufgabe seit einer halben Stunde im rückwärtigen Hafen sei. Als der Minister dort ankam, entstieg dem Torpedoboot wohlbehalten der Seeleutnant Mottez in Galauniform mit Zweispitz und weißen Handschuhen. Rom. Der Erzbischof von Chieti, Mon signore Cocchia, veröffentlicht im ,Osservatore Romano' Artikel, in denen er zu beweisen sucht, daß die kürzlich von den Spaniern mit so großen Ehrenbezeigungen aus Havana nach Seviglia verbrachten Gebeine nicht Christoph Kolumbus, dem Entdecker Amerikas, angehören. Wie man weiß, wurde Kolumbus im Jahre 1540 in San Domingo begraben. Als die Insel Haiti 1795 an Frankreich abgetreten wurde, verbrachten die Spanier die Gebeine des Kolumbus nach Havana. Monsignore Cocchia behauptet nun, daß die Spanier im Jahre 1795 betrogen worden seien. Atan habe ihnen irgend ein paar Menschenknochen ausgeliefert, die Ge beine des Kolumbus aber in San Domingo zurückbehalten. Als Beweis dafür führt Mon signore Cocchia an, er habe im Jahre 1877, als er Bischof von San Domingo war, im Dome dieser Stadt eine Bleiurne gefunden, die viele Knochen enthielt, und auf der die Worte einge graben waren: „Der hochberühmte Don Christoph Kolumbus, Entdecker Amerikas und Groß admiral." Nizza. Die hiesigen Geschworenen sprachen am Mittwoch nach Landesbrauch eine gewisse Bonassi frei, die ihren Liebhaber ermordet hatte. Einige Freunde des Getöteten, weniger galant als die Geschworenen, warteten vor dem Ge richtspalast auf die Bonassi, die sofort enthaftet wurde, als der Freispruch erfolgt war, nahmen sie in ihre Mitte und schnitten ihr den Hals ab; den Leichnam ließen sie vor dem Gerichtspalast liegen. Arras. In einem Wirtshausstreit in Etaples zog am Dienstag ein junger Mensch von zwanzig Jahren das Messer gegen seinen eigenen Vater und verletzte ihn lebensgefährlich durch einen Stich in die Lunge. Der Vatermörder wurde sofort verhaftet. New Hork. Die Influenza fordert in Cincinnati'so viele Opfer, daß die Aerzte in folge Ueberanstrengung und Erschöpfung schier zusammenbrechen und auch die Leichenbesorger nicht wissen, wie sie die Arbeit bewältigen sollen. Da die klimatischen Verhältnisse im Ohiothal der Entwickelung der Lungenentzündung überhaupt sehr günstig ist, tritt diese bei zahlreichen Grippe erkrankungen als Begleiterscheinung auf und die Zahl der Todesfälle beläuft sich täglich auf zwölf bis fünfzehn. Man schätzt die Zahl der Grippe-Erkrankungen in der Stadt auf mindestens 50 000. Die Seuche wird in den Palästen der Reichen ebenso gut angetroffen, wie in den Hütten der Armen. Die deutsche Lehrerin Jennie Stamm, die seit einigen Tagen an der Grippe litt, hat sich den Hals abge- Ichmtten. Die Krankheit hatte das Gehirn an- gegriffen. Die junge Danie stammt aus einer sehr achtbaren deutschen Familie. Gerichtshsüe. Magdeburg. Eine seltsame Ueberraschung wurde vor einigen Monaten den Beamten eines hiesigen Krankenhauses bereitet, als sie im Begriff ' waren, eine Leiche einzusargen. Sie fanden nämlich den S '7 vollgepackt mit Hunderten von nicht be stellten Drucksachen rc., welche der Magdeburger Privatbriefbefö^derung „Kourier" anvertraut worden waren. Des Rätsels Lösung war leicht; denn der beteiligte Sargtischler war der Vater eines „Kourier boten". Das Lande wicht verurteilte den ungetreuen Menschen, der sein Verhalten mit Arbeitsüberbürdung zu entschuldigen suchte, wegen Urkunden-Vernichtung zu zwei Wochen Gefängnis. Rom. Das Schwurgericht fällte den Urteils spruch gegen Galloni und Berna wegen verschiedener räuberischer Ueberfälle, die dieselben in der Nähe von Dörfern des Albanischen Hügels vollführt haben sollen und unter denen auch der Ueberfall auf den Herzog von Sachsen-Meiningen sich befand. Das Gericht sprach Galloni frei, nahm ferner an, daß Berna nicht der Urheber des Ueberfalls auf den Herzog von Sachsen-Meiningen sei und sprach ihn deshalb frei, verurteilte ihn aber zu fünfzehn Jahr Zucht haus wegen anderen Ueberfälle. Elise v. Kohenhausen Eine freundliche, liebenswürdige Erscheinung ist aus der litterarifchen Welt, von dem gesell schaftlichen Leben Berlins geschieden. Elise v. Hohenhausen ist am Dienstag sanft ent schlummert. Die greise Schriftstellerin hatte sich eine seltene Frische und Anpassungsfähigkeit bewahrt, ein geradezu überraschendes Verständnis und mehr als liebevolles, ein freudiges Ein gehen auf Wesen und Art der Jugend. Man war gewohnt, das gutmütige Gesicht der allzeit freundlich heiteren Greisin in der Gesellschaft zu finden wie in dem Theater. In der äußeren Erscheinung trug sie gern etwas Großmütterlich- Altmodisches zur Schau und schien doch der Jüngsten eine in der Lebhaftigkeit des Gesprächs und in dem Eifer, mit dem sie für ihre Mei nung eintrat. Das Hinscheiden der Frau v. Hohenhausen beraubt Berlin des letzten litterarifchen Salons, eines freundlichen Ueber- bleibsels aus guter und milderer Zeit. Im Salon der Frau v. Hohenhausen fand sich unsere vornehmste Litteratur zusammen. Hier konnte man oft den Prinzen Georg treffen, der unter dem Pseudonym G. Conrad ein fruchtbarer dra matischer Schriftsteller ist, hier fand ehedem der junge Ernst v. Wildenbruch die erste Aufmunte rung, hier traf man nicht selten den Prinzen v. Schönaich-Carolath, der zu unseren lyrischen Dichtern gehört, und General Dincklage war ein ständiger Gast des Hauses. Alles was in der Litteratur Geltung hatte, war hier willkommen und fühlte sich wohl, denn der „Kürschner" galt hier mehr als der „Gotha". Frau Geh. Ober-Regierungsrat Elise Rüdiger, geb. Freiin v. Hohenhausen, als Schriftstellerin Elise v. Hohenhausen genannt, war die Tochter des 1848 verstorbenen Regierungsrats Frhrn. Leopold v. Hohenhausen und seiner Gattin Elise, des französischen Divisionsgenerals der west fälischen Truppen v. Ochs, späteren Chefs des kurfürstl. hessischen Generalstabs, jüngster Tochter. Die Verstorbene würde am 7. März ihr 87. Lebensjahr vollendet haben. Ihre Mutter, die bekannte und beliebte Schriftstellerin und die intimste Freundin der Heimgegangenen Annette v. Droste-Hülshoff hatten wohl den größten Einfluß auf die litterarische Begabung der nun Verstorbenen. Ihre verschiedenen Werke „Berühmte Liebespaare", „Aus Goethes Her zensleben", „Prinz Louis Ferdinand", „Drei Kaiserinnen" rc. sind in den weitesten Kreisen bekannt geworden. Seit dem Tode ihres Gatten, 1862, in Berlin lebend, stand sie durch Jahrzehnte so recht mitten im litterarifchen und geselligen Leben. Nach einer bösartig auf tretenden Influenza nahm ihr Geist kürzlich an Regsamkeit wohl ab, trotzdem war Elise v. Hohenhausen liebevoll und gütig bis zuletzt, wie denn Liebe und Güte der Grundzug ihres Wesens gewesen sind. Mit ihrer Nichte und Pflegetochter, der unter dem Namen Arthur v. Loy schriftstellerisch thätigen Freiin Helene v. Düring-Oetken in inniger Harmonie ver bunden, blickte sie bis zuletzt auf ein reich gesegnetes Leben voller Sonnenschein zurück. Eine Zeitung in Klondyke. Der ,Klondyke-Nugget' (Goldklumpen) ist ein ruhmvolles kleines Blatt, welches in der Nähe des heiratete sie im geheimen. Was geht das uns an? Wir sind hier, um ihn wegen Mordes an Alfred Baumann zu richten, aber nicht, um sein Urteil irgend einer Thorheit oder romantischen Laune wegen zu sprechen, die ihn veranlaßte, eine zeremonielle Heirat zu vermeiden. „Das Gesetz erlaubt nicht, daß feine Frau Zeugnis für ihn ablegt, es verbietet, daß er selbst einen Eid zu seiner Reinigung schwört. Unser Gesetz weist die eigene Aussage des An geklagten zurück, damit sie nicht gegen ihn ge braucht werden könne, und schreibt vor, daß seine Schuld von andern so klar bewiesen wer den muß, daß in den Augen intelligenter Männer kein Zweifel daran bleiben kann. „Sie werden, meine Herren Geschworenen, vielleicht zugeben, daß die indirekten Beweise m diesem Falle nur eine Reihe von Nullen sind, wie ich sie früher genannt habe, aber sie werden möglicherweise cinwenden, daß, wenn eine Eins zu diesen Nullen kommt, dieselben eine Summe ausmachen, und daß diese Eins durch die Aus sage der Käthe Nallas gegeben ist. Zu dieser Aussage komme ich jetzt und bitte Sie, sich die selbe in das Gedächtnis zurückzurufen. War sie die Aussage einer geistig normalen Person? Verfolgen Sie das Benehmen der Zeugin. Sie weigert sich, ihre besten Freunde und nächsten Verwandten in deren neue Heimat zu begleiten, obgleich diese mit Liebe in sie dringen; sie weist einen ihr voll Güte gebotenen lcichtcn und angenehmen Dienst mit Hohn zurück und läuft aus dem Hause, das sich ihr freund lich öffnete, davon, als sei es eine Mörder grube. Sie bleibt in der Mühle, während diese jeden (Augenblick Zusammenstürzen kann, lehnt die ihr gebotene Hilfe spöttisch ab, verschwindet nach Monaten auf geheimnisvolle Wege, um dann ebenso geheimnisvoll zurückzukommen und diese furchtbare Anklage gegen einen vollkommen unbescholtenen, hochachtbaren Mann zu schleu dern. Ist dies das Betragen eines vernünftigen Geschöpfes? „Meine Herren Geschworenen! Ich könnte hier ruhig aufhören, aber ich will es nicht. Gestern abend wurde eine Entdeckung gemacht, welche dem Scharfsinn meines Freundes und Kollegen, des Herrn Justizrats Mellien, eines Ihrer Mitbürger, zur größten Ehre gereicht. Wir gingen zusammen auf den Schauplatz des angeblichen Mordes und kamen zu einem Resultat, das uns in den Stand setzt, über jede Möglichkeit eines Zweifels hinaus zu be werfen. daß die Zeugin Käthe Rallas entweder log, oder an zeitweisen Sinnestäuschungen leiden muß- Sie konnte nicht sehen, was sie gesehen zu haben vorgibt, denn die Mauern der Zwölf apostelkirche, die Ihnen allen bekannt war, stan den noch in der Nacht vom 28. Juni 1885 und versperrten durch eine drei Steine dicke Wand gänzlich die Aussicht auf die Stelle unter den Weidenbäumen, welche das Mädchen so genau und wiederholt beschrieben hat. „Ich werde Ihnen den Bauplan der Kirche vorlegen, der noch vorhanden ist. Wir haben heute morgen Versuche anstellen lassen und können, wenn es verlangt wird, fünfhundert Zeugen zur Stelle bringen, welche alle bestäti gen werden, daß die Weidenbäume, an deren Fuße der verhängnisvolle Schlag geführt worden sein soll, von der Brücke aus nicht gesehen wer den konnte, so lange die Mauer stand. Diese fiel aber erst um fünf Uhr nachmittags des andern Tages. Hiermit ist auf das unumstöß lichste das direkte Zeugnis widerlegt, und mit diesem fallen die indirekten Beweise in nichts zusammen." Rechtsanwalt Hallberg schloß seine Anrede, noch einmal hervorhebend, daß die Anklage von einem Morde spreche, bei dem aber kein Ermor deter zu finden sei, und daß sie von einer Zeugin erhoben würde, die augenscheinlich unzurech nungsfähig sei; dann ließ er sich triumphierend und selbstbewußt nieder. Justizrat Mellien legte nun den Bauplan der Kirche vor und rief zehn Zeugen auf, welche sämtlich auf ihren Eid aussagten, daß es von dem Platze, aus dem Käthe Rallas gestanden haben wollte, unmöglich war, die Weidenbäume zu sehen. Der Staatsanwalt jedoch verliert den Mut durch diesen Zwischenfall keineswegs. Die un erwartete Entdeckung überrascht ihn wohl, schüchtert ihn aber keineswegs ein. Er bringt durch geschicktes Fragen heraus, daß, wenn auch die Weiden nicht gesehen, werden konnten, der Platz zwanzig Fuß davon deutlich zu überblicken war; er beantragt die nochmalige Vernehmung der Zeugin. Die Verteidigung hält dies nicht für nötig, der Vorsitzende aber stimmt dem Staatsanwalt bei. Käthe Rallas wird wieder vorgerufen und tritt ein, ruhig und sicher wie vorher, nur vielleicht um einen Schatten bleicher. „Die Mauer der Kirche stand allerdings noch nördlichen Polarkreises herausgegeben wird. Es hat nur vier Seiten. Weißes Papier ist in Dawson ein teures Produkt, und so bezahlen die Abonnenten die Kleinigkeit von 100 Mk. jähilich für den ,Nugget' oder 2 Mk. für die wöchentlich erscheinende Nummer. Die Anzeigen einer,Nugget'-Nummer aus dem November um fassen die Ankündigungen von fünfzehn Ver gnügungs-Etablissements, einer Brauerei, zweier Dampfergesellschaften und einiger Aerzte und Advokaten. Ferner find Verkaufsanzeigen von Besitzanteilen darin enthalten. Die Hauptneuig keit ist ferner eine 2'^ Spalten lange Geschichte über den Angriff eines städtischen Beamten auf einen „Zeitungsherausgeber", während beide miteinander kneipten. „Das Leben", meint Tit. Bits schmunzelnd, „muß in Dawson ein sehr ausschweifendes sein/' Unter anderem wird ein neuer Schwindel enthüllt. „Der bewußte Schwindler", sagt der Berichterstatter des,Nugget', „füllt einen Sack halb voll Schrot und geht in eines unserer zahlreichen Spielhäuser. Dort wirft er den Sack sorglos auf den Tisch und geht ein Spiel ein. Der Kartengeber legt den Sack vorsorglich in sein Schubfach. Gewinnt der Spieler, so erhält er seinen Sack zurück und auch Gold, so viel er gewonnen hat, nach ehr lichem Gewicht. Verliert er, so ist die Bank um einige vorzügliche Rehposten reicher." Aber wie der Schwindler entkommt, ohne eine Ladung derselben in seinem Körper zu spüren, das ver rät der,Nugget' nicht. Kuntes Allerlei. Doppelgänger gekrönter Häupter. Be kanntlich heißt es, daß jeder Mensch feinen Doppelgänger hat, daß die Natur jede „Mensch ausgabe" immer gleich in zwei Exemplaren gleichzeitig herausgibt. Wie weit das richtig ist, läßt sich natürlich nicht kontrollieren, sonderbar aber ist es, daß man bei denjenigen, die so zusagen an der Spitze der Völker marschieren, die man überall kennt und auf die sich das all gemeine Interesse konzentriert, bei den gekrönten Herren und Frauen notorisch in den meisten Fällen Doppelgänger nachweisen kann. Was uns am meisten interessiert, auch Kaiser Wil helm II. hat einen Doppelgänger, aber keinen Deutschen. Es ist ein englischer Artillerie- Offizier, der dem deutschen Kaiser zum Ver wechseln ähnlich sieht. Noch viel auffallender ist die Achnlichkeit, die eine Krankenpflegerin mit der Kaiserin Friedrich aufweist. Eine be kannte Thalsache ist auch die Achnlichkeit des Zaren und des Herzogs von Connaught, die sich dabei nicht nur auf das Aeußerliche be schränkt. Die beiden innig befreundeten Fürsten sind sich auch im Charakter sehr ähnlich. Manch lustiges Vorkommnis, das der Herzog von Connaught erzählen kann, ist auf diese Aehn- lichkeit mit seinem kaiserlichen Kousin zurück zuführen. Die Ehre aber, der Doppelgänger dieser beiden fürstlichen „Doppelgänger" zu sein, genießt nicht nur ein Kanonier der enp- lischen Marine, sondern auch ein Agent einer Brauerei. Frauenspazierstöcke. Nachdem die Königin von England sich bei ihrem hohen Alter not gedrungen eines Spazierstockes zu bedienen an gefangen hat, haben jetzt sämtliche Damen der englischen Königsfamilie Spazierstöcke in Ge brauch, von denen einzelne Exemplare mit goldenen Knöpfen kleine Kunstwerke find. Die Stöcke der Königin sind mit mehreren Griffen versehen, da sie zugleich zur Stütze dienen, wenn die Königin auch nur sehr kurze Strecken noch zu Fuß zurückzulegen pflegt. Die englischen Offiziersdamen ahmen die Hofmode nach, so daß manche Geschäfte in London Dutzende von Stöcken wöchentlich verkaufen. Außerdem kommen in England auch die Schirme in Auf nahme, die als Spazierstock Verwendung finden. So benutzt die Prinzessin von Wales mit Vor liebe einen Schirm, der zusammengelegt nicht stärker als ein gewöhnlicher Spazierstock ist. Der versteht's. Sonntagsreiter: „Dummer Junge, warum läufst du immer mit uns mit?" Junge: „Sie werden ja doch bald runterfallen, und da will ich mir fürs Pferdehalten 'n gutes Trinkgeld verdienen." in der Nacht vom 28. Juni," gibt sie auf das Befragen des Staatsanwalts zu ; „da ich jedoch seitdem oft auf der Brücke gestanden und über das Vorgefallene nachgedacht habe, der Anblick aber am Tage und ohne die Mauer sehr ver schieden von dem in jener Nacht war, so kann es wohl möglich sein, daß ich mich in meiner Erinnerung unwillkürlich durch den späteren Ein druck beeinflussen ließ. Es ist möglich, daß die Stelle, an der die That geschah, zwanzig Fuß seitwärts von den Weiden lag, hinsichtlich der That selber aber bin ich ihrer ganz gewiß. Was ich gesagt habe, ist wahr, bis auf den Irrtum hinsichtlich des Platzes." . . Rechtsanwalt Hallberg lehnt es mit einer geringschätzigen Bewegung der Hand ab, Käthe Rallas weiter zu befragen, und faßt seine Ver teidigung nochmals kurz, aber herausfordernder als je zusammen. Am Ende jedes wohlberech neten und genau erwogenen Satzes fragt er, bald sarkastisch, bald unwillig, bald vorwurfsvoll und drohend: „Wo ist der Körper des Ermor deten ?" Jetzt erhebt sich der Staatsanwalt, um noch einmal feierlich das Wort zu nehmen: „Allerdings hat sich die Zeugin bei Angabe des Ortes um eimge Fuß geirrt, aber sie hat dies offen zugegeben und ist bei der Versiche rung stehen geblieben, über die That selbst in keinem Irrtum zu sein. Offenbar ist es nicht Sache der Geschworenen, darüber zu urteilen, wo der Mord stattsand. Der Ort ist unwesent lich dabei." VH so (Fortsetzung folgt.)
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