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Allgemeiner Anzeiger : 11.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189901119
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990111
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990111
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-11
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.01.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Des KaisersZustandist wieder völlig zufriedenstellend. Der Monarch hat zwar an der Jagd in Buckow am Freitag nicht teilge nommen, wohl aber ist er am genannten Tage bereits mit der Kaiserin in den Straßen Potsdams spazieren gegangen. *Am Donnerstag kam der franzö- siche Botschafter Marquis de Noailles nach Potsdam, um sich im Auftrage des Prä sidenten Faure nach dem Befinden des Kaisers zu erkundigen; er wurde von derKaiserin im Stadtfchloß empfangen. * Der Bundesrat hat sich in seiner Donners- tagsfitzung in der lippischen Thron folgefrage zwar für zuständig erklärt, da dieselbe einen Streitfall zwischen zwei Bundesstaaten darstellt, zu gleicher Zeit aber anerkannt, daß zur Zeit kein hinreichender Anlaß zu einer sachlichen Erledigung vorliegt. Durch diesen Beschluß soll einer späteren Entscheidung der Frage nicht vorgegriffen werden. * Die Beisetzung der Leiche des Fürsten Bismarck findet definitiv am 1. April statt. Das Mausoleum wird dann vollständig voll endet sein. * Das jetzt bestehende deutsch - eng lische Handelsprovisorium, das am 31. Juli d. abläuft, wird möglicherweise noch einmal verlängert werden müssen. Die englische Regierung hat nämlich auf die von Deutschland gemachten Vorschläge wegen eines neuen Handelsvertrages noch nicht geantwortet, und es hat den Anschein, als ob die Antwort auch nicht in nächster Zeit ein treffen werde. Unter diesen Umständen ist die Nachricht, daß der Reichstag sich noch in dieser Tagung mit dem deutsch - englischen Handels abkommen zu beschäftigen haben werde, dahin einzuschränken, daß es sich wahrscheinlich dabei nur um das Provisorium handeln wird. * Das Zustandekommen eines Handels- provisoriums mit den Ver. Staaten gilt einer offiziösen Meldung zufolge in politi schen Kreisen vielfach als der zu erwartende erste Erfolg der auf eine Verständigung gerichteten Bemühungen. Die hierauf gerichteten Verhand lungen werden von beiden Seiten in versöhn lichstem Geiste geführt. *Daß ein Gesetzentwurf betr. Haftung des Staates und der Gemeinden, sowie anderer Kommunalverbände für Versehen der Beamten im Preuß. Justizministerium ausgearbeitet sei und die Zustimmung des Staatsministeriums gefunden habe, wird auch von den ,Berl. Pol. Nachr.' als vollkommen unzutreffend bezeichnet. Es hätten aller dings, so schreibt das offiziöse Blatt, innerhalb der Preuß. Staatsregierung Erwägungen darüber statlgefunden, ob und gegebenen Falles inwiefern jetzt eine Aenderung des geltenden Rechtes in bezug auf die Pflicht des Staates, für Versehen seiner Beamten aufzukommen, angezeigt oder gar notwendig sei. Diese Erwägungen hätten aber zu einem negativen Ergebnis geführt. * Die Denkschrift über die Entwickelung von Kiautschou, welche Ende Oktober 1898 abgeschlossen worden ist, wurde am Donnerstag dem Reichstage überreicht. Die Broschüre be richtet in acht Abschnitten über die geographischen, politischen und kulturellen Fortschritte in den Verhältnissen des neuen deutschen Gebietes in Ostasien; es läßt sich deutlich daraus erkennen, welch hervorragende Arbeit in den verschiedensten Richtungen dort seit der deutschen Besitzergreifung geleistet worden ist. Von besonderem Wert sind die Anlagen, von denen die genauen Karten des Schutzgebietes, Bebauungspläne u. s. w. hervor gehoben seien. Frankreich. *Der Deputierte Grousset richtete an den Generalprokurator Manau einen Brief, in dem er Manau ersucht, vom Generalstabe die Heraus gabe des apokryphen Briefes Kaiser Wilhelms zu fordern, der in den ausge lieferten geheimen Akten fehle. Dieser falsche Kaiserbrief existiere in der That und der Inhalt desselben müsse dem Zaren, der Königin von England, dem Kaiser von Oesterreich sowie den Königen von Italien und Belgien be kannt sein. *Dreyfus' Antwwrt auf d<m im An fang Dezember zugesandten Fragebogen erwartet man gegen den 26. Januar, dieöffentlichen Schlußverhandlungen würden dann in der ersten Februarhälfte stattfinden. *Ein namentlich für deutsche Anschauungen geradezu verblüffendes Beispiel von mili tärischer Auflehnung gegen den Zivil- Kriegsmini st er ergibt sich aus gewissen Pariser Blättem. Freycinet hatte bekanntlich die weitere Beteiligung von Offizieren an der Sammlung für die Witwe Henrys unter sagt, und die Offiziere, die vorher namentlich gezeichnet hatten, wurden zu je vier Tagen Stubenarrest verurteilt. Trotzdem haben die Offiziere sich weiterhin an der Sammlung be teiligt. Das beweisen die Sammellisten der drei letzten Tage. Sie verzeichnen noch ohne Namensangabe 6 höhere Offiziere, 51 Haupt leute und Leutnants, 23 „Offiziere" schlechthin und 8 Gruppen von Offizieren. Daneben haben sich eingezeichnet 24 Marine-Unteroffiziere von Toulon, 12 Marine-Unteroffiziere, 6 Feld webel aus dem „Vogesenloche" u. s. w. *Der vom Matiw angekündigte bona- fi artistische Staatsstreich hat in Frankreich die Gemüter heftig erregt. ,Petit Bleu' fordert ein Einschreiten der belgischen Re gierung gegen den Prinzen Viktor Napoleon wegen Verschwörung gegen die französische Republik. Schweiz. *Der Mörder der Kaiserin von Oesterreich, der zu lebenslänglicher Kerker haft verurteilte Luccheni, soll dem Direktor des Gefängnisses gegenüber erklärt haben, er wolle ein neues, umfassendes Geständnis ablegen. Er habe bei dem Mordanschlag Helfershelfer gehabt, von denen einer am Bahn hof, mit einem Revolver bewaffnet, der Kaiserin aufgelauert habe, während der andere mit einer Dynamitbombe auf sein Opfer wartete. Es ist wahrscheinlich, daß Luccheni durch dies angeb lich „Geständnis" nur eine Aenderung in seiner strengen Haft zu erreichen beabsichtigt. England. *Jn Beantwortung eines Schreibens aus Guildford, in welchem die englische Regierung ersucht wurde, zu Gunsten des Abrü stu n g s - Vorschlages des Kaisers von Ruß land alles aufzubieten, erklärte der Parla mentsuntersekretär des Aenßern, Brodrick, er könne dem Schreiber versichern, daß die Regie rung entschieden den Wunsch hege, die betreffende Konferenz zu fördern. — Andere englische Staats männer haben sich bekanntlich minder günstig über die Aufnahme der russischen Vorschläge ausgesprochen. Schweden-Norwegen. * Eine mit über 200 000 Unterschriften be deckte Adresse mit der Bitte um Ausdehnung des Stimmrechts in Schweden wurde dem König Oskar durch eine zwanzig Mitglieder starke Abordnung, deren Sprecher der Reichs- tagsabgeomete Dr. Bergström war, überreicht. Der König versprach in seiner Antwort, daß die wichtige Frage im Staatsrat eine ernste und allseitige Prüfung finden solle. Später wurde die Abordnung vom Ministerchef Boström em pfangen. Spanien. * Zur Neubildung des spanischen Kabinetts haben sich Silvela und General Polavieja im Einverständnis miteinander bereit erklärt, falls die Königin-Regenün sie dazu auf fordern sollte. Dieses Einverständnis macht es wahrscheinlich, daß die Konservativen an die Regierung kommen. Aegypten. * Der Unterführer des Kalifen, Emir Ahmed Fedil, der zum Blauen Nil geflohen war, als Gedaref von den Engländern einge nommen wurde, ist am 26. Dezember von dem ihn mit den sudanesischen Irregulären verfol genden Obersten Lewis bei Rosaires (viele Meilen von Omdurman nilaufwärts) ein geholt worden. Lewis setzte mit seiner Streit macht auf eine Insel über, wo dreiviertel von Fedils Truppen ausgestellt waren, und nahm nach hartem Kampf die Position der Derwische. 500 Derwische wurden getötet, 1500 gefangen. Auf feiten der Engländer wurden ein Major und sechs ägyptische Offiziere verwundet; 27 Mann blieben tot, 118 verwundet. Emir Fedil entkam auf das andere Ufer mit 300 Mann und floh südwärts. Amerika. * Voraussichtlich werden die Amerikaner ver suchen, Aguinaldo zu verhaften, wenn er es ablehnen sollte, der Aufforderung nachzu kommen, daß die Filipinos die Waffen nieder legen und innerhalb einer entsprechenden Frist auseinandergehen. Eine Proklamation des Ge nerals Otis, in welcher er die Herrschaft der Amerikaner auf den Philip pinen verkündet, ist bereits veröffentlicht worden. Dir Uebergabe von Gvba. Das Anbrechen des neuen Jahres bedeutete für Spanien den definitiven Verlust des west indischen Reiches. Mit Spannung erwarteten die Cubaner den Tag, der ihnen „Befreiung" von der verhaßten spanischen Besetzung bringen sollte. Wer weiß, wie ihnen die Amerikaner auf die Dauer gefallen werden! Vom frühen Morgen an, so besagt ein Bericht der ,Schles. Ztg.', — ein Morgen, der über Havana in süd licher Schönheit aufging, drängten sich die Volks- maffen in den Straßen. Militär zog in Patrouillen durch die Stadt. Teils waren es Spanier, die heute zum letzten Mal amtlich aufmarschieren dursten, teils erschienen die „neuen Herren" als solche zum ersten Mal auf dem Platze. Die amerikanischen Panzerschiffe, die sich draußen im Hafen auf den blauen Fluten wiegten, waren prächtig über die Toppen ge flaggt. Um Punkt elf Uhr sah man vom Admiralschiffe das Boot sich entfernen, das den neuen Gouverneur, General Brooke, nach der Residenz brachte. Als General Brooke den Hafenkai betrat, spielte die spanische Banda den Unionsmarsch, Stars and Stripes. Der Gou verneur wurde von einer großen Eskorte nach dem Palacio Real geleitet, wo die Zeremonie der Uebergabe stattfinden sollte. Dorthin hatte sich bereits vorher der letzte spanische Gouver neur, General Castellanos, begeben. Eine statt liche Eskorte und viel Volk hatte ihn vom Fort El Fuerte, seiner Residenz, nach dem Hafen be gleitet, wo der Palacio Real sich befindet. Im großen Thronsaale des Palastes hatten sich in zwischen die zahlreichen spanischen und ameri kanischen Behörden versammelt, um dem Akte beizuwohnen. Mit dem Schlage zwölf trat General Castellanos auf die Estrade des Saales. Hinter ihm reihten die spanischen Offiziere sich auf. Er verlas eine kurze Akte, welche die Uebergabe an die Vereinigten Staaten enthielt. Danach drückte der General, welcher sehr bewegt war, die Hoffnung aus, es möchte zwischen den Truppen beider Armeen bis zur völligen Räumung der Insel das beste Einvernehmen herrschen. General Wade von der Unionsarmee betrat nun ebenfalls die Estrade und nahm aus den Händen des Spaniers dieses Schriftstück entgegen. In wenigen herzlichen Worten über gab darauf General Wade dem neuen Gouver neur die Bestallung zu seinem Amte und führte ihn in dasselbe ein. In diesem Augenblick senkte sich unter lautloser Stille der vor dem Palast versammelten Masse langsam die rot- goldene Fahne Spaniens und an ihrer Stelle stieg das Unionsbanner über dem Refidenzpalast empor. Die Stadt, welche Diego de Velasquez einst am Latigoflusse gegründet hatte, war amerikanisch geworden. Nun dröhnte vom Fort El Fuerte, der erste Salutschuß, Castel El Moro antwortete und der Reihe nach donnerten die Kanonen von Las doce Apostoles, von La Divina Pastora, La Punta ihren Gruß über die Stadt hin. In allen Forts, am Hafen und an allen Stellen, wo übungs gemäß Militärposten standen, vollzog sich nun ein ergreifendes Schauspiel. Mit klingendem Spiel rückten die Unionstruppen an, um auf Posten zu ziehen. Vor dem Palacio zog General Lee auf, und nachdem der Präfentiermarsch ge spielt war, präsentierten zuerst die spanischen, dann die amerikanischen Truppen und das Streifenbanner wurde in die Residenz des ersten amerikanischen Gouverneurs getragen. Darauf stellten sich am Palastthore die beiden Posten gegenüber, präsentierten vor einander und darauf rückten die Amerikaner in die spanischen Posten ein. Das gleiche vollzog sich auch auswärts. Während das Donnern der Kanonen der Forts und das Echo von den Panzern der Union das Ende der spanischen Herrschaft öffent lich verkündete, nahm General Castellanos in einem Saale des Palastes Abschied von der Garnison. Der greise General vermochte nicht die tiefe Bewegung zu bemeistern, die ihn — und nicht ihn allein — erschütterte. Die Hellen Thränen liefen ihm über die Wangen. Als er schloß, er habe manche Schlacht geschlagen, aber heute habe ihn der Schmerz übermannt, weinten viele Offiziere. Der General verließ den Palast, in dem noch am 4. Mai des Vorjahres General Blanco große Worte gesprochen hatte, und be gab sich sofort nach dem nahen Hafen. Als er das Boot bestieg, das ihn an Bord des spani schen Dampfers brachte, spielten die amerika nischen Truppen die spanische Hymne. Damit war die Feier abgeschlossen. Am Nachmittag hielt General Lee zugleich mit dem Gouverneur Brooke im Parco Centtal große Parade ab, an der das VII. Armeekorps und alle anderen Truppenteile teilnahmen. Ganz Havana war nach dem Park geströmt. Die Umgebung des Parkes war durch Flaggen und Guirlanden ge schmückt. Die Bevölkerung zeigte sich den Ame rikanern durchaus sympathisch. Don Uah und Fern. Berlin. Durch sich jagende Spatzen schwer verletzt wurde am Mittwoch nachmittag die Gattin eines Rentners aus der Anklamerstraße hierselbst. Die Dame ging die Brunnenstraße entlang, als ihr plötzlich zwei Spatzen entgegen flogen, die einander jagten. Der verfolgte Vogel stieß nun in der vollen Kraft des Fluges mit seinem Schnabel in das rechte Auge der Frau. Mt schrillem Wehlaut sank die Frau zusammen und wurde von hilfsbereiten Passanten in einen Hausflur getragen. Nach Anlegung eines Not verbandes durch einen herbeigeeilten Arzt schaffte man dann die Bedauerswerte nach ihrer Woh nung. Nach Ansicht des Arztes ist das verletzte Auge verloren. Trebbin. Weil er nicht im Dienst bleiben, sondern nach Berlin wollte, wozn aber seine Eltem die Einwilligung nicht gaben, steckte Dienstag früh der Knecht Albert B. in Gers dorf (Kreis Teltow) das Gehöft seines Dienst herrn, des Lehnschulzengutsbesitzers Bertram Schulze, an. Der Brandschaden dürste 50000 Mark übersteigen. Der Brandstifter ist in den Flammen umgekommen. Nördlingen. Als ein seltenes Ereignis darf es wohl angesehen werden, wenn Zwillings geschwister den 80. Geburtstag gesund und rüstig feiern können. Es ist dies dem Privatier Friedrich Lippacher, früher Schlossermeister, der erst vor kurzem seine goldene Hochzeit gefeiert hat, und seiner Zwillingsschwester Frau Katharina Wörlen, Witwe des im vorigen Jahre in hohem Alter verstorbenen Privatiers Alexander Wörlen, be- schieden, die als Kinder des Rotgerbermeisters Georg Balthasar Lippacher und seiner Ehestau Elisabeth, geb. Lemp, am 31. Dezember 1818 dahier geboren find. Gotha. Im Dezember wurden im hiesigen Krematorium 13 Leichen (10 männliche, 3 weib liche) eingeäschert; davon 4 von hier, 9 von auswärts. Im Jahre 1898 haben 179 Ver brennungen stattgefunden, im ganzen bis jetzt überhaupt 2092. Pforzheim. In großer Lebensgefahr schwebten in der Nacht zum Dienstag in der Calversttaße 12 Menschenleben, in welcher die Gasleitung ausgebessert wurde, wobei an der Leitung ein Fehler entstanden zu sein scheint. Das Gas strömte aus und wurde durch den herrschenden Sturm gegen zwei von den Fa milien Ungerer und Klein sowie von einer Kom missionärin bewohnte Parterre-Wohnungen ge- Am Dorabend Ler Hochzeit. 22j Roman von Helene Stökl. sF°rts-tzun«q Ida zürnte Martha nicht mehr, denn daß sie am Leben war, machte alles gut, sie zürnte nicht einmal deren Gatten, fett sie wußte, daß er von Martha geliebt ward, aber an ihren Vater konnte sie nicht denken, ohne daß Thränen des Nergers ihr in die Augen traten. Er hatte gewußt, daß Martha lebte, und hatte ihr doch deren Tod unbarmherzig vorgeworfen, er hatte Heinrich wie den Mörder Marthas be handelt, er hatte sich in sein Zimmer einge schloffen und Kummer geheuchelt. Das letztere war vielleicht das ärgste, was er nach Idas Meinung begangen hatte. Wie konnte sie ihn jemals wieder achten? Me konnte sie ihm jemals wieder Glauben und Vertrauen schenken? Und sie hatte ihren künftigen Verkehr mit Martha von ihm abhängig gemacht! Sie wäre am liebsten noch einmal unigekehrt, als dieser Gedanke ihr einfiel, aber es war zu spät. Sie fand ihren Mann mit Onkel Gustav im Rauch zimmer, ganz behaglich und zufrieden aussehend. „Bist du schon da?" rief ihre Gatte, als sie sich ermüdet auf das breite, niedrige Sofa warf. »Wir glaubten, du würdest mindestens noch zwei Stunden ausbleiben." »Das merke ich," sagte Ida, mit einem Blick auf die leere Flasche auf dem Tische vor ihnen. „Ihr habt es euch hier gut gehen lassen und mich habt ihr meinem Schicksal überlassen." „Aber liebes Kind, dein Vater war ja bei dw, und wir thaten nur, was er uns sagte." „Was sagte er euch?" „O, eine ganze Menge! Das Martha nicht wohl genug sei, um uns zu sehen, daß ihr beide euch sehr viel zu sagen hättet und daß er dich später nach Hause begleiten wolle. War es nicht so?" Onkel Gustav, an den diese Frage gerichtet war, blies ein paar blaue Rauchwölkchen vor sich hin, ehe er antwortete: „Das waren seine Worte. Der Sinn der selben aber schien mir zu sein: Macht um Gotteswillen, daß ihr fortkommt, denn je länger ihr bleibt, desto mehr Lügen werde ich euch sagen." Ida biß sich auf die Lippen. „Du setzest kein Vertrauen in Papas Worte?" sagte sie dann. „Nach seinem heutigen Benehmen ist das nicht leicht möglich." „Und dabei weißt du auch nicht die Hälfte von dem, was er gethan hat, Onkel Gustav! Aber ich will euch alles erzählen, denn ich bin fest entschlossen, dieser unseligen Sache auf den Grund zu kommen und ihr beide müßt mir dabei helfen." Dann berichtete sie ihnen, was wir schon wissen, und schloß: „Papa muß schon oft bei ihnen gewesen sein. Er ging heute zu ihnen, um sie vor uns zu warnen. Ihre Sachen waren schon gepackt und sie wollen noch heute nacht fort. Jetzt sagt mir nur, wozu all diese Heimlichkeit ist und vor wem sie sich eigentlich ftirchten! Wir werden uns Alfred Baumann gewiß nicht aufdrängen, wenn er uns nicht zu sehen wünscht. Unseretwegen braucht er die arme Martha nicht in einem solchen elenden Loche zu verschließen oder sie über das Meer zu schleppen, noch dazu in ihrem jetzigen Zu stande." „Ihr Mann muß ein elender Kerl sein," sagte Idas Gatte entrüstet. „Nein, nein, Georg, Martha spricht mit der größten Zärtlichkeit von ihn. Es ist mir unbegreif lich, weshalb und vor wem er sich so fürchtet." „Ich hab's!" rief ihr Mann aufspringend. „Das Vormundschaftsgericht wird hinter ihm her sein, weil er Martha ohne die Einwilligung desselben geheiratet hat." „Unsinn!" entgegnete Onkel Gustav ent schieden. „Das Vormundschastsgericht weiß gar nicht, daß sie verheiratet sind. Niemand außer uns dreien weiß ja, daß Martha noch lebt." „Du vergißt Willy Boßler!" wars Ida ein. „Wie leicht kann dieser Mensch, der für Geld zu allem fähig ist, sie verraten haben! Ich glaube, daß Georg recht hat. Baumann war sicher viel an Marthas Geld gelegen; er hat es sich verschafft und beabsichtigt auch, es zu behalten." „Du sprichst, wie du es eben verstehst, mein Kind," sagte Idas Gatte. „Um Marthas Geld zu bekommen, hätte er erstens beweisen müssen, daß sie nicht verunglückt ist, und wir hätten in diesem Falle sicher davon gehört, und zweitens, daß er sie geheiratet hat. Er wird sich aber gehütet haben, dies zu beweisen, da er dann sofort unter Anklage gestellt worden wäre. Nein, meine Liebe, er hat das Geld nicht bekommen." „Wer könnte es sonst bekommen haben?" fragte Ida verwundert. Onkel Gustav zuckte die Achsel». „Du glaubst, daß das Geld noch unbe rührt ist?" „Ich hoffe es." Sein sonderbarer Ton ließ einen eisigen Schauer über Idas Herz fahren. „Wer würde das Geld erhallen haben, wenn Martha wirklich gestorben wäre?" fragte Ida nach einer Weile zaghast. „Dein Vater." „Alles?" „Jeden Pfennig I" Eine lange Pause folgte, die keiner zu unter brechen schien. „Schon ein Uhr!" sagte Onkel Gustav plötz lich, auf seine Uhr sehend und sich hastig er hebend. „Ich hatte keine Ahnung, daß es schon so spät sei. Gute Nacht! Wirst du morgen nachmittag zu Hause sein, Ida?" „Ja, ja!" „Bleibe nur im Zimmer," sagte Onkel Gustav, als sie aufstand, ihn hinauszubegleiten. „Du bist übermüdet und mußt gleich zu Bett gehen " „Ich muß dich hinauslassen, die Leute schlafen schon. Ich bin gleich wieder da, Georg." Draußen blieben beide wie auf gemeinsame Verabredung stehen. . , „O, Onkel Gustav!" Ida legte die Hand auf seine Schulter und sah kläglich zu ihm auf, während die dicken Tropfen über ihre Wangen liefen. „Kann es möglich sein, daß Papa das Geld genommen hat und daß Martha jetzt um seinetwillen tot sein muß?" „Wir haben uns schon so ost getäuscht in dieser Angelegenheft . .
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