Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 21.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189901213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990121
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-21
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.01.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische R«ndscha«. Deutschland. * Der Kaiser hielt am Dienstag im Berliner Schlosse das Kapitel desSchwarzen Adlerordens ab, bei welcher Gelegenheit u. a. auch der Historienmaler Professor von Menzel investiert wurde. * Die Thronrede, mit der der Kaiser und König Wilhelm am Montag den neuen preußischen Landtag eröffnete, bezeichnet die Finanzlage als günstig, kündet die Neuregelung der Gehaltsverhältnisse . einzelner Klassen von Unterbeamten, die anderweitige Regelung der Versorgung von Witwen und Waisen der Volks schul lehr er, der Regelung der Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten und die Einführung ehrengerichtlicher Ein richtungen für den ärztlichen Stand an. Ferner soll das G e meind e w ah lre ch t der durchgeführten Steuerreform besser angepaßt werden. Die kommunale Besteuerung der Warenhäuser soll voraussichtlich noch in dieser Session gesetzlich festgelegt werden; das Staatsbahnnetz soll eine Erweiterung erfahren und auch mehrere Kleinbahnen sollen gebaut werden. Ferner zählt die Thron rede an Vorlagen die wegen des Mittel land-Kanals (Verbindung von Rhein, Weser und Elbe) sowie betr. die Arbeiten zur Vorbeugung der Hochwasserschäden auf, endlich die wegen Anpassung der Landesgesetz gebung an das neue BürgerlicheGesetz- buch. * König Albert von Sachsen wird an der Feier des Geburtstages des Kaisers in Berlin teilnehmen. * DerBundesrat hat in seiner Montag- fitzung den Vorlagen eines Gesetzes wegen Fest stellung des Landeshaushalts-Etats von Elsaß- Lothringen für das Rechnungsjahr 1899 und eines Gesetzes über die Abänderung der Gewerbeordnung, ferner deni Antrag der betreffenden Ausschüsse über den Entwurf eines Invalidenversicherungs-Gesetzes, dem Bericht über die Verleihung von Kor- porationsrechten an die Gesellschaft Süd- Kamerun, sowie dem mündlichen Bericht der betreffenden Ausschüsse über den Entwurf eines Gesetzes für Elsaß - Lothringen betr. die Dis ziplin der Richter, seine Zustimmung erteilt. *41 Initiativanträge sind im Reichstage nach der jetzt veröffentlichten Ueberficht eingebracht worden, darunter 6 vom Zentrum, 2 von den Konservativen, 8 von den Sozialdemokraten, 10 von der Freisinnigen Volkspartei, der Freisinnigen Vereinigung und der deutschen Volkspartei, 11 von den National liberalen, 3 von den Antisemiten und 3 von fraktionslosen Abgeordneten. * In Württemb erg ist jetzt außer der Verfassungsrevision auch die pro jektierte Reform derdirektenSteuern gescheitert. * Ein schuldenfreierBundesstaat ist neben Reuß ä. L. auch das Großherzog tum Baden. Das hat außer einer Eisen bahnschuld von 230 Mill, keinerlei Schulden. (Das Erträgnis der Bahnen deckt den Schulden zins überreich.) Oesterreich-Ungar«. *Ministerkonserenzen, Audien zen beim Kais er, Verhandlungen mit Parteiführern, Beschlüsse der Parte i- versammlungen betreffend Festhalten an dem einmal angenommenen Programm, dazu in Ungarn parlamentarischeDuelle — das bildet jetzt den täglichen Inhalt der Mel dungen ausWien und B udap est und kenn zeichnet die Verworrenheit und Unsicherheit der Lage. *Nach heftigster und erbittertster Debatte wurde am Montag in Prag der mehrjährige Kampf der Jungtschechen gegen die Alttschechen und Klerikalen wegen der Errichtung eines Huß- Denkmals beendet und die Aufstellung dieses Denkmals neben der Muttergottes-Statue auf dem Ringplatz mit zwei Stimmen Mehrheit be schlossen. Die Galerien, die Loggia und die Korridore des Rathauses waren überfüllt, ebenso der Ringplatz, auf dem Tausende den B:Wuß mit begeisterten Zurufen begrüßten. Die Mnge durchzog» nationale Lieder singend, die Straßen. Der Beschluß hat die größte politische Bedeutung wegen seiner Rückwirkung auf die der Reichsratsmajorität angehörende katho lische Volkspartei. Frankreich. *Die Nachrichten über den Stand der Dreyfus-Angelegenheit lauten so konfuse wie möglich. Besonders gehen die Meldungen darüber auseinander, ob Ester hazy nach Paris kommen wird. Der seines Amtes entsetzte Beaurepaire macht noch immer „Enthüllungen," findet aber damit wenig Anklang, denn man erinnert sich daran, daß s. Z. durch sein Verschulden die Panama-Anklage ver jährte. Es wäre wirklich an der Zeit, daß die leidige Angelegenheit in der einen oder andern Weise zu einem Abschluß käme! *Jm Dreyfus-Prozeß wird die öffentliche Revifionsverhandlung, wie der der Präsident der Kriminalkammer Loew am Sonntag erklärte, spätestens in drei Wochen stattfinden. England. * Nach englischen Blättern soll nunmehr der jüngste Sieg des Obersten Lewis über die Mahdisten im Sudan östlich des Niles so wenig ausgiebig gewesen sein, daß der Führer der Derwische, Emir Fadil, nachttäglich bei Rosaires (am blauen Nil) die englischen Truppen überfallen und ihnen schwere Verluste beigebracht haben soll; ein ganzes Bataillon der Sudanesen sei aufgerieben worden. Die Engländer hätten Verstärkungen herangezogen und ein neues Treffen stehe bevor. — Demnach wäre der Siegesjubel über die vollständige Vernichtung der Derwische im Ost-Sudan sehr verfrüht gewesen. Rußland. *Eine neue Note der russischen Regierung zur Abrüstungsfrage ist soeben an die Mächte versandt worden. Sie enthält ein ganzes Bündel von Einzelvorschlägen, die die Absicht verfolgen; die Kriege für die Zukunft humaner zu gestalten. Die Staaten sollen u. a. Überein kommen, die Heeres- und Flottenmacht, sowie die Kriegsbudgets auf bestimmte Zeit nicht zu vermehren, und sich bemühen, sie zukünftig zu vermindern. Zu untersagen sei die Einführung neuer Waffen oder Sprengstoffe, die mächtiger als die gegenwärtigen find. Amerika. *Jm Repräsentantenhaus zu Washington erklärte der demokratische Abgeordnete für Kentucky, Berry, in seiner Rede bezüglich der Philippinen unter stürmischem Applaus: „Wir werden vielleicht Norddeutschland die selbe Tracht Prügel erteilen müssen wie Spanien." Durch den diesem unverschämten Ausspruch gezollten Beifall scheint das Re präsentantenhaus in besonderer Weise gegen die versönliche Haltung des amerikanischen Senats protestieren zu wollen. (In Deutschland wird man auf ähnliche Herausforderungen die richtige Antwort zu finden wissen.) Afrika. *Der König von Abessinien Menelik hatte, wie seiner Zeit allgemein berichtet wurde, die feste Absicht, in nächster Zeit Europa zu besuchen. Den letzten Nachrichten aus Abessinien zufolge hat nun Negus Menelik auf seine Europareise verzichtet, weil die poli tische Lage in seinem Reich es ihm unmöglich mache, dasselbe gegenwärtig zu verlassen. Asien. * Nach einer Mitteilung Aguinaldos an den spanischen General Rios befinden sich in der Gewalt der Philippiner 12 200 spanische Soldaten, darunter 40 höhere und 500 niedere Offiziere; außerdem 1900 Civilpersonen, von denen etwa die Hälfte Beamtenstellungen eingenommen hatten. Von den Mannschaften find etwa 6000 eingeborene Philippi ner, doch behandelt Aguinaldo dieselben als Spanier, da die republikanische Nationalversamm lung beschlossen hat, daß kein Tagale, welcher bis zuletzt im Dienste der Spanier geblieben ist, innerhalb des unabhängigen Philippinen staates das Bürgerrecht erhalten darf. Deutscher Reichstag. Am 17. d. werden in dritter Lesung zunächst end gültig angenommen das Gesetz über die die Kon trolle des Reichshaushalts und das Uebereinkommen mit Holland über die erweiterte Zulassung von Aerzten u. f. w. in dm Grenzgemeinden. Es folgt die erste Lesung des internationalen Zusatz-Abkommens über den Eisenbahn- Frachtverkehr. Das Abkommen wird sofort in zweiter Lesung angenommen. Sodann tritt das Haus in die zweite Beratung des Etats ein. Bei dem Etat „Reichskanzler und Reichskanzlei" nimmt das Wort Abg. Lenzmann (fts. Vp.): Meine Freunde haben über den Fall Lippe einen Anttag einge bracht, der demnächst zur Verhandlung kommen wird. Durch den bekannt gewordenen Bundesratsbeschluß ist die staatsrechtliche Bedeutung der Frage noch er heblich gesteigert worden. Redner rekapituliert die bekannten Vorgänge, es dabei namentlich auch als „nicht schön" bezeichnend, daß von dem Tode des Fürsten Woldemar dem Volke viele Stunden lang nichts mitgeteilt worden sei, so lange bis als Regent der Schaumburger erschienen sei. Auf die Legiti mationsfragen eingehend, konstatiert Redner, daß der Schiedsrichterspruch des Königs von Sachsen zu Gunsten der Linie Lippe-Biesterfeld leider übersehen habe, auch gleich ausdrücklich die Erbfolge zu Gunsten auch der Söhne des jetzigen Regenten festzulegen. Daher allein der jetzige Zwist, obwohl diese Erbfolge angesichts der Gründe des Schiedsspruchs zweifellos sei. Der Bundesrat erklärt sich für zuständig in der Sache, sagt aber gleichzeitig, daß zur Zeit kein An laß vorliege, auf die Sache selbst einzugehen. Ich bedaure es lebhaft, daß der Vertreter von Lippe- Detmold im Bundesrate heute nicht anwesend ist. Er würde bestätigen, daß die Zustände im Lande unerträglich sind. Der Bundesrat stützt sich in seinem Beschlusse auf den Absatz 1 des Artikels 76 der Ver fassung, der ihm die Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesstaaten zuspricht. Um einen solchen handelt es sich hier gar nicht, sondern um eine Frage des privaten Fürstenrechts, die als solche vor den ordentlichen Gerichten entschieden werden muß. Ein eigenartiger Gerichtshof ist fürwahr in diesem Falle der Bundesrat! Die streitenden Par teien sitzen selbst als Richter mit in ihm, sie ent scheiden mit und nicht einmal mit gleicher Stimmen zahl. Es kommt hinzu, daß die Regelung der Thron folge Sache der Einzejstaaten ist; das ist geltendes Recht. Nicht der Bundesrat allein kann dieses Recht ändern, sondern die gesetzgebenden Faktoren gemein sam. Die. beiden Lippe haben denn auch bei An rufung des Schiedsgerichts ihre Volksvertretungen entscheiden lassen. Wir sollten den Bundesrats beschluß verächtlich behandeln. Präs. Graf Ba liest rem: Das Wort ver ächtlich gegenüber einem Bundesratsbeschlutz ist parla mentarisch nicht zulässig. Abg. Lenzmann: Jedenfalls haben wir die Pflicht, gegen eine so einseitige Stellungnahme des Bundesrats Einspruch zu erheben. Vielleicht tragen meine Ausführungen auch dazu bei, daß uns die Gründe für den wundersamen Bundesratsbeschluß mitgcteilt werden. Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Die Reichs verfassung weist bestimmte Streitigkeiten dem Bundes rat zur Entscheidung zu, der auch allein über seine Kompetenz zu entscheiden hat. Es war die Ent scheidung des Bundesrats angerufen worden, der Bundesrat hatte also in jedem Falle zunächst zu entscheiden, ob er zur Entscheidung kompetent sei. Die materielle Entscheidung mußte einstweilen noch ausgesetzt bleiben, sie wird aber genau nach den ver- sassungsrechtlichen Grundsätzen erfolgen, vorausgesetzt, daß nicht, wie zu hoffen, eine Einigung der beiden streitenden Parteien erfojgt. Abg. Lieber (Zentr.): Daß es sich um eine reine Frage des Fürstenrechts handelt, ergibt ganz unzweifelhaft der seiner Zeit veröffentlichte Schieds vertrag, in dem kein Wort darin enthalten ist, daß es sich um einen Streit zwischen den beiden Staaten handelt. Meine Freunde stimmen in der Beur teilung des Bundesratsbeschlusses mit dem Abg. Lenzmann überein. Denken Sie sich, daß in Preußen einmal eine Regentschaft nötig würde und daß zwei Staaten sich über die Reihenfolge in der Regent schaft streiten sollten. Da könnten die verhängnis vollsten Schwierigkeiten entstehen und schon deshalb mußte der Bundesrat auch aus politischen Gründen von vornherein bei dieser ersten Gelegenheit fest stellen, daß Art. 76 nur eine Notbestimmung ist, die in den äußeren Notfällen zur Anwendung ge bracht werden darf. Abg. v. Dziembowski-Pomian (Pole) beschwert sich darüber, daß in der Provinz Posen die Standesämter Anweisung erhalten haben, in den Registern die polnischen Vornamen in deutsche umzuwandeln. Sodann bringt er eine Verfügung des preußischen Ministers des Innern zur Sprache, nach welcher im Gegensatz zu den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches das Züchtigungsrecht dem Gesinde gegenüber fortbestehen soll. Staatssekretär Graf Posadowskh: Ich halte mich für verpflichtet, gegen die Art, wie Abg. Lenz mann sich über den Beschluß des Bundesrats in der lippischen Angelegenheit ausgesprochen, feierlich Ver wahrung einzulegen. Was die Sache selbst betrifft, so handelt es sich keineswegs um eine bloße Frage des privaten Fürstenrechts. Dadurch, daß ein Akt der Gesetzgebung eines Landes in die Rechte der Regierung eines anderen einzugreifen drohte, war die Sache zu einem Streit zwischen zwei Staaten ge worden. Der Bundesrat hat nun bisher nur über seine Zuständigkeit entschieden, ohne auf die Sache selbst einzugehen. Der Bundesrat in seiner Zusam mensetzung würde sich wcchrscheinlich auf eine solche nicht einlassen, sondern die Entscheidung einem be sonderen Gerichtshof oder einem Schiedsgericht über tragen. Am richtigsten glaubt aber der Bundesrat zu handeln, wenn er eine Einigung zwischen den beiden streitenden Parteien anstrebt. Abg. v. Levetzow: Meine Freunde nehmen für keinen der beiden streitenden Staaten Partei. Wir haben das Vertrauen, daß der Bundesrat einen Spruch nicht fällen wird, wenn es sich um eine Frage des privaten Fürstenrechts handelt. Damit schließt die Diskussion. Der Gat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei wird be willigt. Es folgt der Etat des Rcichsamts des Innern. Bei dem Titel „Staatssekretär" bemängelt es Abg. Molkenbuhr (soz.), daß bei der Fest stellung der Renten der Seeleute nicht deren voller Arbeitsverdienst berechnet werde. Direktor im Reichsamt des Innern Dr. von Woedtke erwidert, die Grundsätze für die Renten feststellung seien auf ein Gutachten der Seeberufs genossenschaft hin ausgestellt worden, genau nach den Bestimmungen des Gesetzes. Abg. Beckh (frs. Vp.) kommt auf seine vor jährige Anregung betreffend einen wirksameren Vogel schutz zurück. Staatssekretär Graf P o s a d o w s k y spricht sein Bedauern darüber aus, daß es noch immer nicht gelungen sei, eine Ratifikation der Pariser Konvention von 1890 durchzusctzen. Die Regierung wirke aber fortgesetzt auf eine solche hin und hoffe, sie auch zu stände zu bringen. Darauf würden auch die Be stimmungen über die Handhabung des Vogelschutzes im Jnlande abgeändert. Preußischer Landtag. Die Sitzung des Herrenhauses wurde am Mon tag durch den Präsidenten der vorigen Session Fürsten zu Wied mit einem Hoch auf den König er öffnet. Das Präsidium der vorigen Session wurde durch Akklamation wiedergewählt. Das Herrenhaus erledigte am Dienstag in einer kurzen Sitzung nur geschäftliche Angelegenheiten. Nächste Sitzung unbestimmt. Im Abgeordnetenhause übernahm am Montag Abg. v. Voß (frkons.) das Altcrspräsidium und brachte das übliche Hoch auf den König aus. So dann gedachte er mit Worten der Bewunderung des neuen prächtigen Hauses, in das die Mitglieder ein gezogen sind. Daranj beglückwünschte der Minister präsident Fürst Hohenlohe die Abgeordneten beim Eintritt in ihr Haus im Namen der Regierung. Alterspräsident v. Voß gedachte der seit den Wahlen verstorbenen Mitglieder, deren Andenken die An wesenden durch Erheben von den Sitzen ehren. Am Dienstag wählte das Abgeordnetenhaus durch Akklamation das Präsidium der früheren Session wieder, nämlich die Abgg. v. Kröcher (kons.) zum Präsidenten, Frhr. v. Heeremann (Zentr.) zum ersten Vizepräsidenten und Dr. Krause (natlib.) zum zweiten Vizepräsidenten. Präsident v. Kröcher widmete dem Fürsten Bismarck einen Nachruf. Hierauf brachte Finanzminister v. Miquel den Etat ein. Der Ueber- schuß des laufenden Etatsjahres, so erklärte der Minister, werde sich nicht so günstig wie der Abschluß für 1897 98 stellen. Der Ueberschuß der Eisen bahnen würde im laufenden Etat voraussichtlich 74^ Vttll. Vik. betragen. Nächste Sitzung am 21. d. Don Uah und Fern. Dresden. Bayrische Blätter schrieben, der Kaplan Dr. Max Prinz von Sachsen, werde während seiner Kuratenthätigknit an der Elisabeth- kirche in Nürnberg den Namen Dr. Max Wettin führen. Wie das Hofmarschallamt des Prinzen Georg, des Vaters des Prinzen, bekannt gibt, ist diese Mittrilung falsch. Der Prinz habe keineswegs die Absicht, seinen fürstlichen Namen abzulegen, wozu auch gar keine Veranlassung vorhanden sei. Aw Uoradeud der Hochzeit. Roman von Helene Stökl. (Fortsetzung.) M „Mein Weib, mein teures Weib, was hast meinetwillen gelitten!" flüsterte Heinrich M von Thränen erstickter Stimme, sich mit Deckenden Lippen über die Schlummernde beugend. Uber er wagte nicht, sie zu küssen, er mußte um ihretwillen den Schmerz, ohne Abschied von ihr zu gehen, auf sich nehmen. Leise drückte er seine Lippen auf das Polster neben ihrem Haupte, gerade auf die Stelle, die sie mit ihrer Wange berühren mußte, sobald sie sich um wandte. „Wohin bringen Sie mich?" fragte Hein rich, als der Polizist ihn daran mahnte, daß schon zehn Minuten vergangen seien und er fort müsse. „Nach Roßlau. Wenn wir uns beeilen, können wir noch den Drei-Uhr-Zug benutzen." „Wir kommen dir nach," tröstete Ida, „sobald Marthas Gesundheit es erlaubt. Onkel Gustav soll dir gleich heute noch nachreisen. Verlaß dich darauf, daß ich Martha gut pflegen werde. Du kannst ihretwegen unbesorgt sein; ich werde auch nicht einen Augenblick von ihr gehen." „Wie soll ich dir danken, Ida?" Heinrichs Stimme bebte. „Indem du guten Muts bist und die Hoff nung nicht aufgibst. Ich glaube jedes Wort, was du mir gesagt hast, und wir werden schon dafür sorgen, daß auch andere es glauben Müssen. Deine Unschuld wird bewiesen wer den .. . Wie dürfen Sie sich unterstehen, zu lächeln!" — sie wandte sich zornig zu dem Polizisten, der ähnliche Versicherungen zu oft gehört hatte, um etwas anderes als ein un gläubiges Lächeln für dieselben zu haben. „Die Unschuld dieses Herrn wird bewiesen werden, ob Sie dazu lächeln oder nicht. Und nun, Gott sei mit dir, lieber Heinrich, wir bleiben dir treu, was immer kommen möge." Noch ein Händedruck, ein zärtlicher Blick, ein unterdrücktes Lebewohl und Ida war allein. Im Laufe des Tages kamen Dr. Wellner und der Major, die Ida, wie wir wissen, brieflich von Marthas Krankheit in Kenntnis ge setzt hatte. Wir können uns denken, wie überraschend ihnen die Kunde von dem neuen Unglück kam. Nachdem sie sich von dem ersten Schrecken er holt hatten, hielten sie einen Megsrat über die nächsten Schritte, die sie zu unternehmen hatten. Das schwierigste war, Martha, die man nicht ganz in Unkenntnis lassen konnte, von der Ab wesenheit ihres Mannes zu benachrichtigen, ohne sie dasiei einer Aufregung auszusetzen, die der Arzt für die nächsten Tage auf das strengste verboten hatte. Aber Martha kam der besorgten Ida selbst zu Hilfe. „Ist er fort?" war ihre erste Frage, als sie aus dem Schlafe, in den Erschöpfung und Opiate sie versetzt hatte, erwachte und Ida konnte zu ihrer (Erleichterung mit einem wahrheitsgemäßen: „Ja, er ist fort!" antworten. Wohin er ge gangen war, verschwieg sie wohlweislich. Von den dreien, die mit ängstlicher Sorgfalt bei Martha verweilten, war Onkel Gustav sicher der, der um seinen Gemütszustand am wenigsten zu beneiden war. Niemand machte ihm Vor würfe; aber er selber klagte sich als Urheber all' dieses Unheils an. Hätte er sich ruhig ver halten und nichts von seinen Vermutungen laut werden lassen, hätte er Willy Boßler unbelästigt gelassen und Doktor Wellners Bitten berück sichtigt, so wäre Heinrich von Lestow wahr scheinlich niemals in die Lage gekommen, in der er sich jetzt befand. Er hatte eine Krähe schießen wollen und hatte seine Lieblingstaube getroffen, wie es manchmal zu gehen pflegt. Jetzt war ibm freilich klar, von wem die Schritte Willy Boßlers bewacht worden waren. Eins aber konnte weder Onkel Gustav noch einer der andern sich erklären; nämlich von wem die Anklage wegen Mordes erhoben worden sein konnte. Doch darüber mußte das Roß lauer Gericht, vor das Heinrich zunächst gebracht wurde, ihnen Auskunft geben können. Onkel Gustav hatte sich sogleich erboten, hinzufahren, um bei der Verteidigung Heinrichs thätigen Anteil zu nehmen; aber sein Schwager wollte nichts davon wissen. „Wie oft habe ich dich gebeten," sagte er halb vorwurfsvoll, halb resigniert, „dich nicht um diese Angelegenheit kümmern zu wollen." „Hättest du mir lieber die Wahrheit gesagt!" verteidigte dieser sich, seinen Rock zuknöpfend und sehr rot im Gesicht werdend, denn Doktor Wellners Worte hatten ein recht unbehagliches Gefühl in ihm hervorgerufen. „Du bist ebenso sehr zu tadeln wie ich, wenn nicht noch mehr. Das ganze Unheil kommt von deiner unglückseligen Neigung zum Verheimlichen und Verstecken." „Oder, mein Lieber, von deiner unglück seligen Neigung, dich stets in Sachen zu mischen, die dich nichts angehen." „Diese Angelegenheit ging mich sehr viel an, sie betraf die Ehre unserer ganzen Familie. Wenn du nur wüßtest, was für Gerüchte über unsere Martha verbreitet waren!" „Warum habt ihr mir nichts davon mit geteilt?" fragte der Doktor, „seht ihr — ihr hattet so gut Geheimnisse vor mir als ich vor euch!" „Aber, guter Gott, rief Onkel Gustav, „wie hätten wir es denn machen sollen, um dir etwas mitzuteilen! Hast du dich nicht unter dem Vor wande, ganz von Schmerz überwältigt zu sein, in dein Zimmer eingeschlossen? Nicht einmal Ida durfte zu dir hinein! Und als wir dich endlich zum Sprechen brachten, ergingst du dich in langen Vermutungen während du mit zwei Worten alles hättest ausklären können. Wenn du mir Vertrauen geschenkt hättest, dann wären Heinrich und Martha jetzt, längst in Sicherheit." „Und wenn du mir die Gerechtigkeit hättest widerfahren lassen, M glauben, daß ich zu ihrem Besten handelte, so wären sie nie entdeckt worden." „Das nennst du zu ihrem Besten handeln?" „Ja! Heinrich hatte Martha alles mitgeteilt, was geschehen war; er mußte seine Verhaftung schon am nächsten Tage erwarten. Es blieb nichts übrig, als Martha unverzüglich zu heiraten, damit fie nicht Zeugnis gegen ihn ab legen konnte. Der Zufall kam uns zu Hjlfe, indem er eine sehr einleuchtende Erklärung für das Verschwinden beider gab. Sie war tot und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)