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Politische Rundschau. Die chinesischen Wirren. *Jn London verlantet aus angeblich amt licher Quelle, daß des Zaren Billigung zum englisch-deutschen Abkommen in Berlin vor der Veröffentlichung eingetroffen ist daß die Zurücknahme der Annexion der Mandschurei darauf zurückzuführen ist. Frankreichs Zustimmung ist ebenso ge sichert. Deutschland habe sich durch das Separatabkommeu wesentliche .Handelsvorteile bei allen Kolonien Großbritanniens gesichert, weitere Veröffentlichungen seien zu erwarten. *Das Drängen der chinesischen Unterhänd ler aut Beginn der Friedcnsverhandlungen mache den Eindruck, daß diese Herren noch gar- nicht die wirkliche Lage erkannten. Sie geben sich sehr harmlos, als pb die ganze Sache nicht viel Aufhebens wert wäre, und wagen es, den Mächten gegenüber Forderungen aufzustellen, während sie in erster Linie dafür sorgen müßten, daß ihrerseits das Gebiet der nichtssagenden schönen Redensarten verlassen werde. Allein mit „Bedauern" und „Trankopsern" ist es nicht gethan. Ueber die Grundlage der Friedensverhandlungen sei einedurch- aus befriedigende Verständigung unter den Mächten erzielt worden. Die gemein samen diplomatischen Verhandlungen sollen aber erst eröffnet werden, wenn die Gesandten in Peking wieder vereinigt find * Auch an den Präsidenten der fran zösischen Republik hat der chinesische Kaiser einen Bettelbrief geschickt. Der chinesische Gesandte hat dem Minister des Aeußern Delcassö diesen Brief überreicht, in dem der Kaiser um die guten Dienste des Präsidenten zur schnellen Eröffnung von Fr i ed e n s v e rh a n d l u n g e n bittet. *Nach Drahtmelduug eines englischen Blattes soll Graf Waldersee leicht an Ruhr erkrankt sein. Da von deutscher Seite der Oeffentlichkeit bisher keinerlei Mitteilung von einer solchen Erkrankung gemacht worden ist, darf man wohl hoffen, daß es sich schlimmsten Falls nm eine ganz ungefährliche Unpäßlichkeit des Feldmarschalls handelt *Auf mehreren japanischen Dampfern, die den Verkehr mit China vermitteln, sind Todesfälle au der Cholera vorgekommen, weshalb die Schiffe Quarantäne inuehalten müssen. Für die Kriegführung in Ehina könnte die Einschleppung der Cholera in die Lager der Verbündeten verhängnisvoll werden. Deutschland. *Das Kaiserpaar hat am Dienstag spät abends Homburg verlassen und sich nach Barmen-Elberfeld-Vohwinkel be geben, von wo ans es dem Keh.-Nat Krupp aus Villa Hügel bei Cssen einen Besuch nbzn- statten gedachte * Die Besserung im Befinden der Kaiserin Friedrich ist andauernd An den letzten Tagen konnte die hohe Fran einige Zeit außer Bett znbringen * Der K ö n i g v o n W ür t t e mb er g ist incognito zu mehrtägigem Aufenthalt in Pot 8- d a m zum Besuche heim Erbprinzen und der Erbprinzessin von Wied eingetroffen. * Bei der Feier des achtzig st en G e - b u r i s t a g e s des P r i n z - R e g e n l e n von Bayern am 12. März 1901 sollen, wie aus München gemeldet wird, alle kostspieligen Ge schenke und Ehrungen im ganzen Laude Weg fällen. Lediglich eine Landesstiftung zu gemein nützigen und Wohlthätigkeitszwecken soll errichtet werden, wozu die Städte bestimmte Beiträge leisten und eine allgemeine Sammlung eröffnet wird. Behufs Ersparnis von Kosten übergeben ine Städte eine gemeinschaftliche Adresse. *Neichskanzer Grgs Bülow hatte am Montag eine einstündige Unterredung mit Dr. v. Miquel lind stattete daraus den in Berlin wohnenden Gesandten der deutschen Bundesstaaten Besuche ab. * Die Ernennung des Unterstaatssekretärs v. Richthofen zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes (an Stelle des Zu Moltkes 100 jährigem Geburtstag. Am 26. Oktober sind 100 Jahre seit der Ge burt des großen Schlach tendenkers Grafen Hel mut Karl Bernhard von Moltke vergangen, der als Sproß eines alten mecklenburgischen Adels geschlechtes am 26. Ok tober 1800 in Parchim das Licht der Welt er blickte. Wie sein Vater, so war auch er ursprüng- lichLeutnant in dänischen Diensten, trat aber 1822 in die preußische Armee über. Er diente anfangs beim 8. Leibregiment in Frankfurt a. O. und zeichnete sich so aus, daß er bereits nach zehn Jahren in den General stab versetzt wurde. Auf einer Orientreise wurde er dem Sultan Mahmud vorgestellt und war meh rere Jahre lang Ratgeber dieses Monarchen bei dessen Militärresormen. 1839 kehrte er in sein Vaterland zurück, sand wieder Aufnahme beim Generalstab, wo er 1849 zum Abteilungsvorstand emporrückte. 1858 trat er an die Spitze des Generalstabes und erhielt den Rang eines General leutnants. Der Kriegs plan gegen Dänemark war größtenteils sein Werk, wie er denn auch dem Generalstabe des Oberstkommandierenden! er der oberste geistige Leiter im Kriege gegen Prinzen Friedrich Karl Vorstand. Auch war j Oesterreich und leitete nach der Schlacht von Da» T«»kul«m Moltke«: Kchlotz LrrUa«. Königgrätzden Vormarsch der Preußen gegen Wien undOlmütz; ebensofnhrte er die Friedensverhand- lnngen in Nikolsbnrg. Der Mobilisationsplan gegen Frankreich ist eben falls sein ureigenes Werk und hat sich glän zend bewährt. Die ohne alle Störung bewerk stelligte Beförderung der Truppen durch die Eisenbahnen, der Auf marsch der drei Armeen am Rhein sowie die Leitung der Kricgs- operalionen selbst er füllten alle Welt mit Bewunderung. Am 28. Oktober 1870 wurde Moltke von seinem dankbaren König in den Grafenstand er hoben und am 16. Juni des nächsten Jahres zum Generalfeldmarschall Moltke-Manfoteum in Trelsau. ernannt. Bis an sein sanftes Lebensende (24. April 1891) war Graf Moltke im Dienste; bis 1888 stand er dem Großen Generalstab vor, dessen Organisation und unbestrittene Tüchtig keit das Hauptwerk seines Lebens war. Seine freie Zeit ver lebte er ans dem Gute Creisau in Schlesien, wo er auch beigesetzt ist. -Groß als Soldat, war er auch be deutend als militä rischer Schriftsteller und in seinem Wesen von eminenter Bescheiden heit. Der „große Schweiger" wird für immer im Gedächtnis des ihm dankbaren deut schen Volkes fortleben. Grasen Bülow) ist nunmehr amtlich bekannt ge geben worden. * Fürst Hohenlohe ist am Freitag von Baden-Baden in Berlin eingetroffen, um sich zu verabschieden. Der Bundesrat und das Staatsministerium werden ihm zu Ehren ein Diner veranstalten. *Dem Reichstage wird gleich bei seinem Zusammentritt eine Vorlage zugehen, in der die Reichsregierung die Jndemnitätserteilung (nachträgliche Bewilligung) wegen der Kosten der China- E x p ediiion beantragt. Der Zug nach China wird als eine SLraf- expedition bezeichnet, zu deren Anordnung derKaiser berechtigt sei und keinen Aufschub duldet. * Auch die Reichstags-Stichwahl in Wanzleben ist, wie die in Branden burg, auf den 26. d. festgesetzt worden. * Mit bezug auf neuerliche Angaben in der Presse über den Inhalt der neuen Kanalvorlage weist die ,Nordd. Allo . Ztq. wiederholt darauf hin, daß eine endgültige Fest stellung der Vorlage erst nach den demnächst beginnenden kommissarischen Beratungen erfolgt. Belgien. *Auch Belgien will in China gleich den größeren Mächten durchaus mitthun. Der Messager de Bruxelles^ berichtet vom Montag, König Leopold habe von Frankreich die Zu stimmung erhalten, daß sein Land sich wenig stens an der Bildung einer internatio nalen Gendarmerie für China beteiligen könne, deren Einrichtung beschlossen sein soll. Spanien. * Die Ernennung des Generals Weyler, unseligen Cuba-Angedenkens, zum General- Kapitän von Madrid, hat beim Volke und in der Presse einen so stürmischen Wider stand hervorgerusen, daß das Ministerium Silvelas zurücktrat. — General Azcarraga wird ein provisorisches Kabinett bilden, das einem liberalen Kabinett Sag asta den Weg ebnet. Ruhland. *Die Gerüchte von einem Komplott gegen den Zaren werden dem ,New Iork- Herald' aus Jalta als unbegründet be zeichnet. Amerika. *John Sherman, der bekannte ehe malige Staatssekretär der Ver. Staaten von Nordamerika, ist laut einer New Iorker Depesche vom Montag gestorben. Im Jahre 1823 geboren und 1844 Rechtsanwalt geworden, schloß er sich von Awang an der republikani schen Partei an und fungierte unter Präsident Hayes von 1877—81 als Finanzminister: seine letzte amtliche Stellung bekleidete er unter Mac Kinley, der ihn im Jahre 1897 zum Minister des Auswärtigen ernannte. Afrika. *Vom Kleinkrieg in Transvaal und im Oranje-Freistaat treffen noch fortgesetzt Meldungen ein, die beweisen, daß die Boeren häufig Telegraphen und Eisenbahnen zerstören und englische Truppen beunrubigen. Auch klagen die englischen Berichte über die heimliche Unterstützung der Kämpfenden selbst durch solche Boeren, die bereits den Treueid geleistet baben. Australien. *Der Gouverneur von Neu-Seeland, Lord Kanfurly, hat „auf einmütiges Ersuchen der Häuptlinge" die Cook-Inseln formell annektiert. Von Vah und Fern. Der jüngste Aufstieg des Zeppelinscheu Ballons hatte infolge eingetretenen leichten Regenwetters nur wenig Zuschauer. Außer dem Dampfer „Charlotte" mit dem württembcrgischen Königspaar und dem königlichen Hof und dem Dampfer „König Karl" mit eingeladenen Gästen waren nur wenig Leute anwesend. Der Auf stieg erfolgte um 5 Uhr. Die Lenkbarkeit und die Fahrt gegen den Wind waren vorzüglich. Nach verschiedenen Exerzitien erfolgte die tadel lose Rückfahrt und der Abstieg in der unmittel baren Nähe der Ballonhalle. Um 6 Uhr war der Ballon wieder geborgen. Das Luftschiff hatte sich erst bis zu etwa 250 Meter erhoben, dann stieg es bis zu 400 Meter Höhe empor. Leckert - Larhen. In Altona ist der „Journalist" Leckert, der es verstanden hatte, unter dem Namen Larßen sich eine Stellung als Redakteur bei einem dortigen Blatte zu verschaffen, verhaftet worden. Der aus dem Leckert-Lützow-Tausch-Prozesse bekannte junge Mann ist des Betruges, der Hochstapelei, Vor spiegelung falscher Thatsachen, Urkundenfälschung und noch einiger anderer strafbarer Handlungen beschuldigt. Ein Kongreh deutscher Mietervereine hat in Leipzig stattgcfunden. Der Kongreß, welcher die Bildung eines allgemeinen Ver bandes deutscher Mietcrvereine beschloß, war von Delegierten aus ganz Deutschland besucht. Wußte es sein? Roman von C. v. Berlepsch. M orNe»«»,) Eine Blutvelle übergoß das blasse Gesicht, »m eS nach wenigen Augenblicken bleicher als zuvor werden zu lassen. „Mein süßes Kind," rief Frau Polst auS, „was ist dir? Ich wollte dir ja nicht wehe thun." „Das weiß ich," entgegnete Edith, sich zm Ruhe zwingend. „Die Gräfin kommt nicht zu mir, weil sie sehr schlecht und grausam an mir gehandelt hat. Mr stehen in gar keinem Berkehr mehr." Frau Pohl schwieg eine Welle, dann sagte sie, Mut faßend: „Edith, ich bin nur eine ein fache Frau, aber niemand kann das Verhältnis zwischen Mann und Weib höher und heiliger auffassen als ich. In früheren Jahren sprach ich nie über die Fehler deines armen Vaters und litt es nicht, daß mich jemand darauf an redete, oder bedauerte. Auch weißt du ja, wie ich dich liebe, wie mir dein Wohl am Herzen liegt. Halte es daher nicht für müßige Neu- gierde, wenn ich über deine Ehe mit dir rede. Ich glaubte, du wärst glücklich verheiratet, und eS ist mir eine große Enttäuschung, sehen zu müssen, daß dem nicht so ist." Edith antwortete nicht, sie vergrub ihr Ge sicht in den Händen. „Es wird mir schwer, die Frage zu stellen, Edith, aber meine innige Liebe zu dir gibt mir wohl ein Recht dazu: warum lebst du nicht mit deinem Mann zusammen?" „Ich kann eS dir nicht sagen, Mutter," war die kurze Antwort. „Liegt es an dir? Hast du irgend etwas gethan, was ihm mißfällt?" „Nein, wenn du ihn selbst fragtest, würde er das nie behaupten/ „Und umgekehrt, hast du über ihn zu klagen?" „Nein, o nein," rief die junge Frau lebhaft, „ich habe ihn ja so lieb!" „Dann verstehe ich nicht, weshalb ihr ge trennt lebt. Es scheint mir, Edith, als ob du nur dem Namen nach die Frau deines Mannes bist." „Mehr bin ich allerdings nicht, Mutter," sagte Edith, „und werde ihm nie mehr sein. Frage mich aber nicht weiter, ich kann den Grund nicht sagen. Dies Geheimnis muß ich mit ins Grab nehmen." „Bist du dir aber auch klar darüber, daß dieser Kummer deine Gesundheit, dein ganzes Leben aufreibt?" „Ja, ich fühle es, aber das kann nichts ändern. Es ist mir ja ein großer Trost, daß du bei mir bist," fuhr Edith fort, „aber ich bitte dich um deiner Liebe willen, berühre dies Thema nie wieder." „Ich verspreche es dir," entgegnete Frau Pohl traurig und drückte einen Kuß auf Ediths Stirn. Daß es aber so nicht Wetter gehen konnte, darüber war sie sich klar. Mochte Herr von Hohenstedt noch so vornehm sein, er hatte kein Recht, seine Frau so zu behandeln. Ernestine Pohl beschloß, ihn in Schloß Bergheim aufzu suchen und ihm zu sagen, daß Edith ihrem Ende entgegensetze. Selbst wenn er zornig wurde und sie aus Waldhaus und von ihrer Tochter fort wies, hatte sie wenigstens ihre Pflicht gethan und ihm mitgeteilt, was er wissen mußte. „Weshalb haben sie sich denn geheiratet, wenn sie gleich wieder auseinander gehen wollten?" fragte sie sich wieder und wieder, ohne eine Antwort zu finden. Er hatte EditHS Herkunft gekannt und — wie sie glaubte — gewußt, daß ihr Vater ein Verbrechen begangen hatte. Das konnte also der Grund nicht sein. Wo lag er sonst? Sollte irgend ein Miß verständnis zwischen die Eheleute getreten sein, welches vielleicht durch eine Aussprache beseitigt werden könnte? Ernestine Pohl fand keine Ruhe, bis sie ihren Plan ausgeführt hatte, und eines Tages ersann fie einen Vorwand, um sich ohne Auf sehen vom Waldhaus zu entfernen. Es traf sich günstig, daß fie einen großen Teil des Weges auf dem Leiterwagen eines Bauern, der in der Nähe von Schloß Bergheim zu thun hatte, mitfahren konnte; das letzte Stück des Weges wollte fie zu Fuß zurücklegen, damit niemand merkte, was ihr Ziel sei. Als fie lang sam durch den Wald schritt, kamen ihr so aller hand Gedanken. Zum ersten Mal ergriff fie die Furcht, ob fie nicht durch ihre Liebe Edith mehr geschadet als genützt habe. Da fie nur den einfachen Namen, aber nicht den Stand des Vaters kannte, hatte fie fich damit geschmeichelt, daß das Kind nirgends so gut aufgehoben sei, wie bei ihr. Sie wußte nichts von den Ver einbarungen zwischen dem Arzt und dem frem den Herrn; die Leute aus dem Ort hatten ihr geraten, als Doktor Reinhold starb, die Kleine ins Waisenhaus zu geben, aber nimmermehr hätte fie fich dazu verstanden. Jetzt, als fie sah, wie Ediths Leben verfehlt war, wurde fie doch von der Angst befallen, ob fie wohl recht gehandelt habe, sich heimlich mit dem Kinde zu entfernen. Mit diesem Gedanken trat die ganze Ver gangenheit vor ihre Seele. Sie gedachte des Lebens in dem kleinen Häuschen bei Ober- Draustedt, der glücklichen Zeit, wo ihr Mann, wenn auch schon arbeitsunlustig, so doch noch kein Verbrecher gewesen war. Sie sah das liebl che, blonde Kind vor fich und den freundlichen Arzt, der so jäh auS dem Leben abgerufen wurde. Welch eine sorgenlose Zeit war das noch für fie gewesen. Und dann gedachte fie des Fremden, der ihr damals sein Liebstes anvertraut hatte. Konnte fie es verantworten, daß fie ihm sein Kind vor- enthalten hatte? Wenn fie ihm je im Leben wieder begegnete, wie würde sie fich vor ihm rechtfertigen können? Er lebte noch so deutlich in ihrer Erinnerung mit seiner großen schlanken Figur und dem stolzen Gesicht. Wie traurig seine Augen blickten, als ob er all sein Glück mit seiner Frau begraben habe. Plötzlich sah Ernestine Pohl auf. Ihre Ge- statt fing an zu zittern, fie erblaßte jäh, und ein lauter Schrei entrang fich ihren Lippen. Sie streckte die Hände abwehrend von sicb, Leun vor ihr stand mit strafendem, vorwurfsvollen Blick — der Mann, an den fie soeben gedacht, dem fie seine Tochter genommen „ Ein paar Augenblicke standen fie fich sprach-