Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 08.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190201082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19020108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19020108
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-01
- Tag 1902-01-08
-
Monat
1902-01
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.01.1902
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Eine neue Tropfsteinhöhle. In der Nähe des Kloschwitzer Rittergutes ist eine Trovssteinböble entdeckt worden. Die jetzt vor handene Oeffnung ist nur 60 Zentimeter hoch und macht die Höhle schwer runänglich, innen aber wird der Raum allmählich höher, und da sich über ihm ein Spalt im Gestein aufthut, so steigt die Höhe bis zu 5 Meter an. Die Länge beträgt ungefähr 15 Meter, während die Breite abwechselt. Die Färbung der Trovisteinbil- dungen ist gelblich grün. Da das von ob-n nieder tröpfelnde Wasser durch Kallsteinlager gedrungen ist und deshalb seine Kalkteilchen mit sich rührt, Hw sich der Boden der Höhle im Laufe der Jahrhunderte mit Kalkfinter überragen, der sich windeniörmig über denselben breitet. Aber auch an der Decke haben sich eine Menge Trop'steine, sog. Stalaktiten, gebildet, die teils in Gestalt von Zapfen, teils von breiten Bändern her- niederhängen. Die Luit in der Höhle ist sehr sauerstoffarm, denn Licht brennt darin nur mangelhaft und erlischt bald. Eine Verlobung in Oberammergau. Wie man aus Oberammergau meldet, hat sich dort am Weihnachtstage der bekannte Christus- Darsteller Anion Lang mit Fräulein Mathilde Rutz, der Tochter des Schmiedemeisters Jakob Rutz, Chorführers bei den Oberammergauer Pasfionsspielen, verlobt. Fräulein Rutz wirkte als Sopran-Solistin des Chors. Ein bedeutendes Aeuer entstand in Toulon an Bord des als Kaserne für Kolonialtruvpen dienenden Damvfers „Sonverain". Das Schiff wurde aus die hohe See gebracht, um dort ver senkt zu werden; Militär und Löschgeräte der Marine wurden aufgeboten. Ueber Marconis Erfolge hat sein Gehilfe Cuthbert Hall, der von Neufundland in London angelangt ist, einem Berichterstatter der ,St. James' Gazette' erklärt, daß kein Zweifel darüber bestehe, daß die in Neufundland er- Haltenen Zeichen von der Station in Cornwallis stammten. Die getroffenen Vereinbarungen schlossen jeden Irrtum aus. Die Versuche, dre Zeichen mit an Luftballons angebrachten Geräten aufzufangen, hätten sich nicht bewährt, und Marconi habe sich für Maste entschieden, die für die Vermittelung de? Verkehr? vom Ufer nicht höher als 200 bis 210 Fuß zu sein brauchten. Längstens in sechs Monaten werde es möglich sein, einen regelmäßigen Depeschen verkehr zwischen der Alien und Neuen Welt einzurichten. Die Gebühren für Lufttelegramme wmden selbstverständlich niedriger sein, da im Vergleich mit unterseeischen Kabeln die Anlage- kosten und auch die Erhaltungsmittel ver schwindend seien. Marconi selber hatte letzten Dienstag, wie aus Ottawa gekabelt wird, eine Besprechung mit den kanadischen Ministern, die ihm ihre Unterstützung zusagten. Marconi er klärte, daß er nach seiner Rückkehr in England mit Telegraphie-Versuchen nach der Kapkolonie und Südamerika beginnen werde. Ungeheure Schnsemasseu, die seit Weih nachtsheiligabend im südlichen Norwegen nieder gegangen find, haben selbst für dieses Schnee land ungewöhnliche Verhältnisse geschaffen. Seit Menschengedenken hat es dort nicht so viel Schnee gegeben, als in diesem Jahre. Daß sich ein Brautpaar und die ganze Hochzeits gesellschaft auf Schneeschuhen zur Kirche begeben müssen und auch Geistliche und Kirchgänger nur mit HM von Schneeschuhen zum Gottesdienst kommen können, ist selbst für Norwegen etwas Neues. Der diesjährige Winter wird nament lich für diejenigen Einwohner Christianias ein denkwürdiges Erignis bleiben, die am Heilig, abend auf der in der Richtung nach Drammen führenden Westbahn in die Umgebung fuhren, um Besuche abzustatten. Auf dieser Bahn blieben drei, vier Züge, die in Zwischenräumen abgesandt wurden, im Schnee stecken, aber am schlimmsten war doch der Zug daran, der bis Röcken, 34 Kilometer von Christiania kam. Nach fast viertägiger Gefangenschaft im Schnee trafen die Fahrgäste in einem einzigen Wagen zu- sammengeftaut, der von drei Lokomotiven ge zogen wurde, wieder auf dem Westbahnhof Christianias em, wo sich eine Menge Menschen eingefunden hatten, um diese Sehenswürdigkeit von Zug zu bewundern. Eine sonderbare ErSschaftsgeschichte beschäftigt die Juristen in Minsk. Daselbst hat ein reicher Bürger, der sein Ende herannahen fühlte, ein Testament verfaßt. Seiner Frau, d's in gesegnetem Zustande fiK befand, ver schrieb er, falls sie einer Tochter das Leben gäbe, die Hälfte seines Vermögens, die andere Hälfte sollte der Tochter zufallen. Wenn aber ein Sohu dos Licht der Welt erblicke, dann sollte die Matter nur ein Drittel des Ver mögens erben, zwei Drittel aber der Sohn. für seine Einmischung in die Feindseligkeiten der Eltern erteilen wollen. Aber die dreizehn jährige Tochter Therese Uher bekundet, daß der Vater auf ihr und ihrer im Nebenzimmer schlafenden Schwester Geschrei hin Drohungen gegen sie aus gestoßen und unbeirrt weiter auf den Sohn ein- geschlagen habe. Der Vater sei fast immer betrunkm gewesen und habe dann die Mutter jedesmal bar barisch gemißhandelt. Die Frau verweigert gerade so wie der Sohn das Zeugnis gegen den Angeklagten. Andere Zeugen bekunden noch, daß der Angeklagte kurz vor der That einer Liter Branntwein zu sich Der Aaüore Sie-erm-ister Ebert. Zu den zahlreichen Neuiahrs- gratulanten, die dem Kaiser persönlich zum neuen Jahre ihre Glückwünsche - überbringen dürfen, gehört seit langenJahren die Kaiferdeputation der Hallo- ren. Einem uralten Brauck folgend, begeben sich alljährlich drei Vertreter der Salzwirker- Brüderschaft im Thal zu Halle a. S. zur Jahreswende in die Reichshauptstadt, um hier dem Kaiserpaar, den kaiserlichen Kindern, den Mitgliedern de? königlichen Hauses, sowie den aus Anlaß der Jahreswende am kaiserlichen Hoflager weilenden Prinzen aus regierenden Häusern zu gratulieren. Diesmal be stand die Abordnung aus den Stedermeistern Gottlieb Ebert, dessen Bild wir hier bringen, Max Puppe und Paul Moritz I V. Der Erstgenannte ist der Sprecher: er übermittelte die traditionellen Geschenke — Sool- eier und Kaiierschlackwurst — dem Kaiser persönlich und über wies dann ein Begrüßungs gedicht. Die Tracht der Halloren ist eine äußerst kleidsame: den langen, bis über die Kniee reichenden Rock und die samtne Weste zieren goldene Knöpfe; die Koptbedeckung ist eine Art Dreimaster aus schwarzkm Tuch. Als eine besondere Gunst sehen es die Halloren an, daß ihnen gestattet wurde, bei der diesmaligen Neujahrstasel im königlichen Schlöffe an der Servierung der für die kaiserlichen Gäste bestimmten Speisen sich beteiligen zu dürfen. Der Siedermeister Gottlieb Ebert übt bereits zum achten Male das Amt des Sprechers in der Kaiserdeputation der Halloren aus. Was geschah jedoch! Nach dem Tode des Testators wurden Zwillinge geboren, und zwar ein Knabe und ein Mädchen. Wie soll nun der letzte Wille des Verstorbenen ersüllt werden? Gerichtslzalle. Leipzig. Im Mordprozeß gegen Kneißl fand am Donnerstag vor dem Reichsgericht die Revisions verhandlung statt. Das Reichsgericht verwarf die Revision und bestätigte das Todesurteil des Münchner Schwurgerichts. Brünn. Der 51jährige Tagelöhner Andreas Uher aus Landshui in Niederbayern stand vor den Geschworenen unter der Anklage, seinen 19 jährigen Sohn Joseph Uher am 27. September v. ermordet zu haben. Der Angeklagte, ein arbeitsscheuer, dem Trunk ergebener Wkmsch, mißhandelte Frau und Sohn oft in der brutalsten Weise. Die Miß handlungen seiner Mutter hatten den Sohn schon wiederholt veranlaßt, den Vater zur Rede zu stellen und ihm mit einer gerichtlichen Anzeige zu drohen, weshalb der Andreas Uher beschloß, sich des un bequemen Zeugen seiner Gewaltthaten zu ent. ledigen. Als am 27. September die Mutter die Wohnung verlassen hatte, schlich sich der Angeklagte in das Zimmer seines Sohnes, der auf einer Bank im tiefsten Schlafe lag und fchlug ihm mit einer scharfen Hacke den Schädel ein. Der Unglückliche bat und flehte vergebens im Verein mit feiner kleinen hinzugeeilten Schwester um sein Leben; der Vater hielt nicht eher mit dem Schlagen ein, als bis alles Leben aus dem unglücklichen Sohne ent flohen zu sein schien. Dann begab er sich in eine Schnapskneipe, wo er bis zum Morgen verblieb. Inzwischen 'brachten Nachbarn die vermeintliche Leiche ins Spital. Den Aerzten gelang es, den Sterbenden noch auf wenige Minuten zum Bewußt sein zurückzubringen, welche Zeit zu seiner Ver nehmung benutzt werden sollte. Joseph Uher ver weigerte jedoch auf alle an ihn gerichteten Fragen die Antwort, um feinen Vater nicht an den Strang zu bringen, und verschied bald darauf. Der An geklagte bestreitet die Absicht, den Sohn zu töten; er habe demselben nur einen „Denkzettel" genommen und bei dieser Gelegenheit geäußert habe, er müsse sich „Kourage antrinken." Das Urteil gegen Uher lautete auf Tod durch den Strang. Dke NerhaltnUe in Monte Carlo- über die neuerdings sehr viel Falsches ge schrieben ist, schildert ein „alter Freund der »Franks. Ztg.' und ein großer Bewunderer dieses einzig schönen Fleckchens Erde" in folgender Weise: „Ich schicke voraus, daß ich kein prinzipieller Gegner der Spielbank von Monte- Carlo bin, denn die große Mehrzahl der Menschen ist nun einmal vom Spielteufel mehr oder weniger besessen und das Hazardspiel kann wohl nicht aus der Welt geschafft werden, auch nicht durch die allerstrengsten Gesetze. Ich kann nun infolge meiner langjährigen Erfahrung versichern, daß es bei der hiesigen Spielbank durchaus ehrlich zugeht und daß die Admini stration ernstlich bemüht ist und streng darauf achtet, daß von feiten der Beamten (Croupiers und Obsts äs portis) keine Unregelmäßigkeiten verübt werden. Daß es bei einer so großen Anzahl von Croupiers, unter denen sich sehr viele durchaus rechtschaffene Menschen befinden, an schwarzen Schafen nicht fehlt, wird man der Administration kaum zur Last legen können. Dieselbe geht, speziell in der Trinkgelderfrage, sehr scharf vor und jedes nach dieser Richtung hin entdeckte Vergehen zieht die sofortige Ent lassung des Sünders nach sich. In diesem Punkte trifft die Administration also kein Vor wurf, dagegen zeigt sie sich in jeder anderen Beziehung im höchsten Grade untüchtig, unprak tisch und unkaufmännisch. Der selige Blanc würde sich im Grabe hcrumdrehen, wenn er sehen könnte, was seine Nachfolger in der Administration aus Monte Carlo gemacht haben. Von feiten dieser Herren, die persönlich gewiß sehr ehrenwert find, geschieht in ihrer geradezu krassen Unkenntnis der tbatsächlichen Verbä'twffe alles, um Monte Carlo zu degradieren und diesen herrlichen Platz auf das Niveau einer gemeinen Spielhölle berabzudrücken! Wie ichön war es dock wüher in Homburg, in Wiesbaden und Baden-Baden. Dort geschah alles, um die Fremden zu unterhalten, um ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Ein reick ausgeftattetes Lesezimmer in luftigen, leicht zugänglichen Räumen, große Konversations- säle, wo die Fremden sich bei schlechtem Wetter treffen und unterhalten und wo sie Schach, Billard und Karten spielen konnten; wenigstens zwei Konzerte täglich u. s. w. u. s. w. Von alledem ist fast nichts hier zu finden. Selbst Konzerte finden höchst selten statt, da das sonst so vorzügliche Orchester fast immer Probe hat, teils für die sogenannten klassischen Donners tags-Konzerte, hauvtsächlich aber für die gegen Entree von 10 Frank stattfindenden Ooern- und Operetten-Vorstellungen, für deren geradezu verschwenderisch- Ausstattung große Summen vergeudet werden — nicht etwa zum Nutzen der Fremden, denn nur wenige geben für diese musikalischen, zumeist minderwertigen Leistungen lOFrank aus, sondern sür die Beamten des Kasinos und ihre Familien und für die mit denselben befreundeten Geschäftsleute von Monaco. Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ick be haupte, daß nicht zehn Prozent der Besucker dieser Vorstellungen ihre Plätze bezahlen. Hier ist überhaupt alles Reklame, dafür werden ganz enorme Summen weggeworfen, wenn aber der Fremde hierher kommt, so findet er nichts und reist möglichst bald an einen andern Ort der Riviera oder nach Italien, wo er viel billiger lebt und dabei größere Annehmlichkeiten hat. Das jetzige Lesezimmer befindet sich unter dem Dack des Kasino in so niedrigen und schlecht ventilierten Räumen, daß kein Mensch es längere Zeit darin aushalten kann. Der Zu gang zu diesem Dachgeschoß geschieht durch eine enge und steile Marmortreppe, die für ältere Leute geradezu ungangbar ist! Neben dieser Trepve befindet sich allerdings eine mechanische Rolltreppe, deren Anlage aber so unpraktisch und fehlerhaft ist, daß man, oben angekommen, sicher auf die Nase fallen würde, wenn ein dort postierter handfester Diener nicht die Freundlichkeit hätte, die Besucher auszu fangen. Ein Konversationssaal existiert über haupt nicht, ebenso wenig Räume zum Billard-, Schach- und Kartenspielen. Der Fremde ist hier also abends oder bei schlechtem Wetter ausschließlich auf die Roulette- und Trents st gvarants-Säle angewiesen. Daß die Fremden, die wohl spielen, aber nicht immer spielen wollen, sich diese Zustände aus die Dauer nicht gefallen lassen, davon hat die Administration in ihrer unglaublichen Kurzsichtigkeit keine Ahnung, trotzdem Monte Carlo von Jahr zu Jahr an Vornehmheit einbüßt und die Einnahmen der Spielbank immer schmäler werden! Der schlagendste Beweis dafür, daß Monte Carlo von den Fremden als dauernder Aufenthalt Son Jahr zu Jahr mehr gemieden wird, ist der Rückgang der hiesigen Hotels und die massen haft leerstehenden Wohnungen. Mit geringen Ausnahmen machen fast alle hiesigen Hotels schlechte Geschäfte, so daß einige schon dem Ruin nahe find." Simtes Allerlei. Ein außergewöhnlich großes Ei bat kürzlich zu Müllrose eine dem Apothekenbefitzer Walter Hensel gehörige zweijährige Minorca- Henne gelegt. Das stattliche Ei hat ein Gewicht von 115 Gramm, während gewöhnliche Hühnereier im Durchschnitt 75—80 Gramm wiegen. * * * Liebedürstig. Herr: „Mein Fräulein, ich liebe Sie." — Dame: „Das mag Ihnen eine andere glauben." — Herr: „Wollen Sie nicht die Freundlichkeit haben, mir die andere zu nennen?" Ein Zeitkind. Hänschen (als er von seiner Mama Schläge bekommen): „Wenn die Behandlung so weiter geht, so bleibt mir nichts anderes übrig wie die Flucht — in die Oeffent- lichkeit I" Leitriemeu aus den Händen zu geben, um diese Arbeit vornehmen zu können, denn seine Gäule wurden immer unruhiger und warfen schäumend die Köpfe empor. Als vollends zu dem Regen, der in Strömen herabflutete und gegen den sich die Damen mit ihren Schirmen notdürftig zu schützen versuchten, eine nun in nächster Nähe stattfindende elektrische Entladung der Atmo sphäre kam, gingen jene zu einem wilden Galopp über und verweigerten gänzlich den Gehorsam. Frau von Ahlburg stieß, abwechselnd mit Charlotten, ängstliche Rufe aus. Auch der Kutscher schien die Fassung ganz zu verlieren, denn er wendete die Peitsche an, wodurch er die Tiere nur noch rabiater machte, anstatt sie zu be-wingen. Nnr Gertrud, die nicht zum ersten M u der drohendsten Gefahr ins Auge blick e, gewahrte selbst in dieser Lage ihren kühnen Mut, und dock war sie von dem im Innern der Chaise Befindlichen am schlimmsten daran, weil sie den am wenigsten geschützten Rücksitz einnahm. Ihre Hände umspannten mit aller Anstrengung den günstigsten Stützpunkt, damit sie nicht bei einem der sich unausgesetzt wiederholenden Stöße hinEgesckicndcrt werde. Unterdessen war? in einiger Entfernung ein durch Wind und Wetter daherstürmender Reiter sichtbar, der die Gefahr, in der das Fuhrwerk schwebte, bereits wahrgenommen haben mußte. Als die beiden Rappen noch obendrein von der Straße abbogcn und übe: die angrenzenden Wiesen geradewegs auf einen sumpfigen Weiher losstürzten, verließ auch er die Chaussee und versuchte, dem eigenen Pferde die Sporen in die Flanken bohrend, dem dräuenden Verderben zuvorzukommen. Aber die Strecke, die er zurück zulegen hatte, war ungleich größer, als die jenige, welche die andern noch von dem Ge wässer trennte, und es bestand wenig Aussicht, daß er den tollen Rossen den Weg dorthin ab schneiden könne. Da hielten diese, plötzlich zusammen schreckend, einen Augenblick inne, bäumten sich und setzten dann über den schmalen Graben hinweg, der sie in ihrem Laufe aufgehalten hatte. Für einen so gewaltigen Anprall, wie er nun erfolgte, war der leichte Bau der Chaise nicht berechnet. Mit gebrochenem Vorder rade sank sie auf die Seite, und der Kutscher ward gleichzeitig ziemlich unsanft auf den durch näßten Rasen gebettet. Hierdurch gerieten die Damen in die bedenklichste Lage, denn während die Pferde immer noch vorwärts zogen uud dazwischen nach hinten ausschlugen, berührte die Gouvernante mit ihrem überhängenden Ober körper fast den Boden, und die Gefahr drohte Cdarlotten, über den aufgesprungenen Wagen- fchtag hinaus mstürzen. Die Kräfte der beiden Mädchen würden kaum noch einige Sekunden ausgereicht haben, um sie vor einem unberechen baren Unglückssalle zu bewahren, wenn nicht jener Reiter eben jetzt zur Stelle gewesen und den unbändigen Tieren mit eisernem Griffe in die Zügel gefallen wäre. Olaf Lindström war der Retter in dieser Not. — Der Kampf, der sich zwischen ihm und den Rossen entspann, währte nur kurze Zeit; aber er sollte dessenungeachtet verhängnisvoll für ihn werden, denn sein Reitpferd, das er nicht verlassen hatte, wich zur Seite, ohne daß er es verhindern konnte, und hierdurch den Halt im Sattel verlierend, stürzte er rittlings herab. Da er die Zügel der Wagengäule nicht aus den Händen ließ, wurde er ein paar Schritte weit geschleift, und die Sache drohte, trotz seines besonnenen Einschreitens, noch einen sehrschlimmen Ausgang zu nehmen. Abermals war jedoch Hilfe nahe, die eine noch ernstlichere Katastrophe verhinderte, und zwar kam sie diesmal von zwei Seiten zugleich. Der zum Glück unverletzte Kutscher war aus seiner leichten Betäubung erwacht und konnte sich nun der Leitriemen bemächtigen, wobei ihn ein Bauernbursche unterstützte, der inzwischen ebenfalls herbeieilte. Das endlich ermüdende und sich allmählich beruhigende Gespann wurde ausgeschirrt und mit Olafs Pferd eng ver koppelt. Auch das Unwetter hatte ausgetobt. Die Damen verließen natürlich sofort den Wagen, sobald sich die erste Möglichkeit hierzu darbot, wobei es sich zeigte, daß sie unversehrt geolieben waren, wenn auch der ausgestandene Schrecken noch seine Nachwirkungen übte. Anders stand es mit Olaf. Er regle sich nicht, und obgleich keine äußerlichen Beschädi gungen zu erkennen waren, hatte er doch das Bewußtsein völlig verloren, so daß er, nachdem mehrere vom Landgut kommende Leute er- sch enen, dorthin getragen werden mußte. Es war nicht mehr als billig, daß man nach der Ankunft des traurigen Zuges, dem auch die drei Damen zu Fuß das Ge leite gaben, von der eigenen Ermattung absah und sich demjenigen, der die Rettung in so auf opfernder Weise bewerkstelligt hatte, ausschließ lich widmete. Einen Arzt aus der Stadt her beizuschaffen, gelang freilich erst nach einigen Stunden. Als dieser sich endlich einfand, hatte der Verunglückte zwar die Beweglichkeit seiner Gliedmaßen, aber noch nicht die klare Besinnung wiedererlangt. Ob dauernde Folgen zu be fürchten seien, ließ sich bis jetzt nicht Voraus sagen, sondern nur, daß das bereits eingetcetene Fieber wahrscheinlich einen höheren Grad er reichen werde. * Obschon Frau von Ahlburg den Schloß gärtner anwies, während der Nacht im Kranken zimmer zu verbleiben, daß somit eine männliche Pflege nicht fehlte, bestanden doch auch Charlotte uno Gertrud darauf, sich bis zum Tagesan bruch im Nebengemach aufhalten zu dürren. Von Zeit zu Zeit abwechselnd, besorgten sie, damit ja nichts versäumt werde, eigen händig die oftmalige Erneuerung der ver ordneten kalten Umschläge über die Stirn des Patienten. Nach einigen Stunden stellte sich heftiges Fieber ein. Olai stieß einen gellenden Schrei aus. Charlotte, blaß wie eine Leiche, zeigte auf Olaf Lindström, der sich aus seinem Lager halb emporgerichiet hatte. Mit gläsernen Augen starrte er au; seine Umgebung und wehne deren Annäherung mit den Armen auis heftigste ab. Er befand sich im stärksten Delirium. ««»» (Fortsetzung fol-t^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)