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Allgemeiner Anzeiger : 18.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189712184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18971218
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18971218
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-12
- Tag 1897-12-18
-
Monat
1897-12
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.12.1897
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Im Weich der Töne. 3) Novelle von A. v. d. Osten. „Ah, Herr Klemens! Was verschafft mir die Ehre?" begrüßte Herbert den Ingenieur. „Nun," erwiderte der Ingenieur, „zunächst die Pflicht der Höflichkeit, Ihnen meine Auf wartung zu machen." „Nett von Ihnen!" rief Herbert, schleppte den Wein und die Zigarrenkiste herbei und fuhr fort: „Lassen Sie uns auf gute Bekannt schaft anftoßen." „Und dann," ergriff KlemenS wieder das Wort, nachdem sie angestoßen und die Gläser geleert hatten, „ein Auftrag von Frau von Xaver. Sie läßt Ihnen sagen, Sie möchten heute abend—" „Meine Noten nicht vergessen," fiel Herbert lachend ein. „Ja, das passiert mir zuweilen." „Eigentlich geht mein Auftrag noch weiter," erwiderte Klemens lächelnd. „Frau von Xaver läßt Ihnen sagen, Sie möchten sich selbst nicht vergessen — gerade berausgekagt, ich habe die bestimmte Weisung, Sie zu holen." Herbert zeigte anfangs ein etwas verblüfftes Gesicht, dann aber lachte er wieder. „Sie hat recht, einmal habe tch auch das vergessen. Nun, dann lassen Sie uns gehen, gleich." „Und die Noten?" fragte Klemens, als sie schon draußen waren. „Wetter ja, doch vergessen!" Klemens schüttelte den Kopi, als könne er das nicht begreifen, und Herbert stürmte zurück. Als er mit den Noten zurückkam, hatte er einen großen weichen Filz hut ausgesetzt und war sehr vergnügt. „Haben Sie denn ein so kurzes Gedächtnis?" fragte Klemens, als sie, ein paar auffallende Gegensätze in der Erscheinung, zusammen die Straße hinabgingen. „Gott bewahre, ich bin nur zerstreut." „Trotzdem Sie wie ein Einsiedler zu leben scheinen." „Einsiedler? Gott segne Sie für den Ein fall. Vor einer Stunde ist die letzte Klavier schülerin fortgegangen, den ganzen Tag gepaukt!" „Den ganzen Tag Klavierstunden? Wie halten Sie das aus?" Herbert zuckte die Achseln. „Vielleicht einzig durch den Willen zum Leben! Ohne die Stunden würde ich vielleicht bald nur ein Schatten der Unterwelt sein." „Und mit ihnen wohl auch," dachte Klemens, mitleidig die schmale Brust und die bleichen, ein gesunkenen Schläfen des Musikers betrachtend. „Und abends," sagte er laut, „spielen Sie dann noch mit Frau von Xaver?" „Das ist meine Erholung, reiner Genuß, keine Anstrengung." „Sie ist alw eine sehr begabte Dilettantin?" „Sie ist gar keine Dilettantin, sondern eine hochbegabte Künstlerin, mein Bester. Glauben Sie, daß ich sonst mit ihr musizieren würde?" fragte Herbert, und Klemens meinte, einen starken Künftlerhochmnt aus seinen Worten und Ton herauszuhören. „Sie wird sich also ganz der Kunst widmen ?" „Ohne Zweifel. Sie wird und mutz dem Gesetz der inneren Notwendigkeit folgen, das jedem Menschen stineu Lebenslauf im voraus bestimmt." Volttische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser ist am Mittwoch früh nach Kiel gereist, um seinen Bruder Prinzen Heinrich, die nach Ostaficn bestimmten Offiziere und Mannschaften nochmals zu begrüßen. *Die Reise des Kaisers nach Kiel hatte sich um einen Tag verschoben, weil die Reparatur des einen der beschädigten Schiffe nicht zeitig genug beendet worden, um die Aus reise des Geschwaders nach China bereits am Mittwoch zu ermöglichen. * Prinz Heinrich hat sich verschiedenen Deputationen gegenüber, die er in Kiel em pfangen, dahin ausgesprochen, die schwebenden wichtigen Fragen mit China ließen eine den friedlichen Interessen des Deutschen Reiches entsprechende Lösung erhoffen. Das ist jedenfalls zu wünschen: entschlossenes Auftreten und Beharren können den Erfolg sichern, ohne daß eine ausgedehnte militärische Aktion Deutsch land ins Ungewisse hinein zu engagieren braucht. Von Befürchtungen, mit europäischen Mächten wegen unserer chinesischen Politik zu kollidieren, scheint keine Rede zu sein. Bezeichnend ist, daß Prinz Heinrich seinen eintägigen Aufenthalt in Plymouth zu benutzen gedenkt, sich von der Königin von England und dem eng lischen Hofe zu verabschieden. * Wie verlautet, hat der japanische Gesandte in Berlin den Auftrag erhalten, der deutschen Regierung die politische Haltung Japans in der chinesischen Angelegenheit bekannt zu geben. Er erklärte, daß Japan keinerlei Einwendungen gegen eine endgültige Besetzung der Kiao - Tschau - Bucht oder eine Pachtung erheben würde, wenn sie auf eine Zone von 100 englischen Meilen beschränkt werde. * Der Konflikt zwischen Deutschland und Haiti hat nunmehr auch dadurch einen formellen Abschluß gefunden, daß am 11. d. der deutsche Schiffskommandant Kapitän Tiele dem Präsidenten von Haiti, General Sam, einen Besuch abstattete. Die inneren Schwierigkeiten, die der Neger-Negierung durch die Angelegenheit erwachsen find, werden in landesüblicher Wiie behandelt; mehrere Redakteure, die das Ver halten der Regierung einer Kritik unterzogen hatten, wurden verhaftet. *Der Abg. Liebermann v. Sonnenberg hat den Antrag eingebracht, den Reichskanzler um Vorlegung eines Gesetzes zu ersuchen, wonach das Rcichstagswahlrecht zu einer Reichstags wahlpflicht erweitert wird. *Die preußisch-hessische Eisen bahngemeinschaft hat augenscheinlich zu Reibereien zwischen den beteiligten Beamten geführt. Wenigstens veröffentlicht die .Mainzer Volksztg.' einen geheimen Erlaß der Mainzer Direktion, in dem die hessischen Beamten auf- gefordcrt werden, ihren preuß. Kollegen ein größeres Maß von Entgegenkommen zu zeigen. Oesterreich-Ungarn. * Das Manife st der „Freien deut schen Vereinigung" betont die Einheit und Machtstellung des österreichischen Staates, sowie das Festhalten am deutschen Volks tum und beklagt aufs tiefste den Erlaß der Sprachenverordnungen, sowie die Schädigung des Parlamentarismus durch das Verhalten der Majorität und die lex Falkenhayn (die neue Geschäftsordnung). Das Manifest beklagt leb haft, daß die vom Ministerpräsidenten Frhrn. v. Gautsch in bester Absicht unternommenen Aktionen zur Wiederaufnahme geordneter parla mentarischer Verhältnisse bisher resultatlos blieben, und spricht die Hoffnung aus, daß auch gegnerischcrscits die Erkenntnis der Notwendig keit der Beilegung des nationalen Streites zu neuerlichen Verhandlungen führen und die endliche Verständigung ermög lichen werde. * Die Ku nd g c b u n g e n für den Grafen Badeni sollen, wie aus Lemberg gemeldet wird, so lange und in steigendem Maße in ganz Galizien fortgesetzt werden, bis ihr Zweck, die Wiedereinsetzung Badems zum Statt halter von Galizien, erreicht sein wird. Wenn Badeni, so sagt ein Mitg'ied des Parla ments aus Osi-Gauzten, wieder unser Statt halter ist, dann kann Baron Gautsch das Haus auflösen, so ost er will, wir fürchten keine Neu wahlen. Frankreich. *Die neuesten Narrheiten der Pariser so wohl in der Dreyfus-Angelegenheit, anläßlich welcher mit vorgeblichen Briefen des Kaisers gegen, Deutschland geschürt worden ist, wie die Zumutung des,Matin', Deutschland möge den Grafen Münster jetzt abberufen, nachdem und weil er Doyen (Aeltester) des diplomatischen Korps in Paris geworden, haben in Berlin den Becher beinahe zum Ueberlaufen gebracht. Die Münchener Neuesten Nachr/ erklären, daß eine „so uner hörte Anmaßung" das Auswärtige Amt veran lassen könnte, zu erwägen, ob man nicht lieber auf eine diplomatische Vertretung durch einen Botschafter in Paris verzichten sollte, als sich vorschreiben lassen, welche Stellung der deutsche Botschafter nach den Wünschen französischer Revanchepolitiker einzuuehmen hätte. Italien. *Das neue Ministerium Rudini ist bis Dienstag doch noch nicht fertig geworden. In letzter Stunde ist Zanardelli wieder zurückgetreten, weil der frühere Minister Giolitti erklärt hatte, dem neuen Kabinett entgegentreten zu wollen. Holland. *DieKrönungderjungenKönigin von Holland ist jetzt offiziell auf den 6. September 1898 festgesetzt worden. Die Feier wird, gemäß dem Artikel 51 der Verfassung, in Amsterdam in der neben dem Palast belegenen „Neuen Kirche" stattfinden. Die Vereidigung der jungen Königin Wilhelmine findet vor ver sammelten Generalstaaten statt. Die Königin wird zuerst folgenden Eid leisten: „Ich schwöre dem niederländischen Volke, immer die bestehende Verfassung zu beobachten und aufrecht zu er halten. Ich schwöre, zu verteidigen und zu be wahren mit meiner ganzen Macht die Unab hängigkeit und das Gebiet des Königreiches. Ich schwöre, die öffentliche wie die persönliche Freiheit und die Rechte meiner Unterthanen zu schützen und für die Bewahrung und die Zu nahme des allgemeinen und des besonderen Ge deihens alle Mittel aufzuwenden, welche die Ge setze mir zur Verfügung stellen — so wie es eine gute Königin zu thun schuldig ist. So wahr mir Gott helfe!" Hieraus leistet der Präsident der Generalstaaten nebst allen Abgeordneten den feierlichen Huldigungseid, und damit erfolgt die Einsetzung der Königin als Herrscherin. Spanien. *General Weyler versucht, sich auf den spanischen Boulanger hinauszuspielen. Bei seiner Ankunft in Madrid verlangte Weyler von der Regierung, daß sie gegendieBot schäft Mac Kinleys Einspruch erhebe, Spanien und der Armee gegenüber den Angriffen der Ver. Staaten Genugthuung verschaffe und die Androhung einer Einmischung zurück weise. — Nunmehr wird die Regierung ihrer seits nicht umhin können, mit großer Entschieden heit zu dem Auftreten Weylers Stellung zu nehmen. Ruhland. *Der heilige Synod hat angeordnet, daß zur Wiederherstellung geplündeter und ge schändeter Kirchen der Griechen in Thessalien und Epirus einen Monat lang Geldspenden gesammelt werden sollen. Baikanstaatrn. * Die Lage auf Kreta verschlechtert sich. Ein großer Teil der Aufständischen besteht auf dem Anschluß an Griechenland und lcbnt die Kandidatur eines ausländischen, insbesondere eines montenegrinischen Gouverneur-Kandidaten entschieden ab. Die Stimmung ist äußerst erregt, und man befürchtet neuerliche Unruhen. Die Admirale treffen Vorsichtsmaßregeln. *Jm rumänischen Senat wurde an geregt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch ! den das Duell als M ord bestraft werde. Asien. *Der Feld zug gegen die indischen > Grenzstämme hat nach englischen Angaben bis jetzt die folgenden Verluste zur Folge gehabt. Von britischen Truppen wurden getötet 32 Offiziere und 74 Mann, verwundet 68 Offi ziere und 272 Mann. Die Zahl der getöteten eingeborenen Offiziere und Mannschaften beträgt 232, die Verwundeten 633. Der Troß hatte 30 Tote und 24 Verwundete. Aus dem Reichstage. In der am Montag fortgesetzten ersten Etats beratung kam Staatssekretär Graf Posadowsky auf die Angriffe Bebels gegen die Staatsregierung zurück. Kein Staat der.Welt habe so viel für die Arbeiter gcthan, wie Deutschland. Abg. v. Dzicmbowski (Pole) beklagte sich über die Behandlung der Polen in den Preuß. Landesteilen. Abg. Richter (fr. Vp.) unterzog alle gegenwärtig auf der Tagesordnung stehenden politischen Fragen einer kritischen Betrach tung. Fürst Hohenlohe erwiderte dem Abg. Richter, daß er hoffe, noch vor 1900 wegen des Vereins- gesctzes zu einer Verständigung mit den gesetzgeben den Körperschaften zu gelangen. Abg. v. Kardorff (frcikons.) führte aus, er sei der Flottenfrage ge neigt, obwohl einige seiner politischen Freunde da gegen seien. Schließlich kam er auf die Währungs frage zu sprechen. Am 14. d. wird in dritter Beratung das Ab kommen vom 14. Noveniber v. betr. die gemeinsame Regelung einiger Fragen des internationalen Priva trechts, debattelos angenommen. — Hierauf wird die erste Etatsb er atung fortgesetzt. Abg. Rickert (fr. Vgg.) wendet sich gegen die Aeußerung des Grafen Limburg, der den Nieder gang des deutschen Ansehens unter dem Grafen Caprivi im Auslande beklagt hatte. Redner hofft, daß das weltgeschichtliche Werk (die Handelsverträge) im Sinne des Grafen Caprivi weitergesührt werde. Zum Etat übergehend, bemerkt Redner, seine Partei und das Zentrum werde an der olun-mw Franken stein so lange festhalten, bis ein konstitutioneller Ersatz vorhanden sei. Fraglich sei es, ob die Finanz lage günstig oder ungünstig sei. Die Nichterfüllung des feierlichen Versprechens der Aufhebung des Koalitionsverbotes für politische Vereine sei sehr be dauerlich. Bloß der Schreck vor dem Herrenhaus sei maßgebend für diese sonderbare Reichspolitik ge wesen. Man habe längere Zeit mit dem Bau von Schlachtschiffen pausiert, und als Küstenbcwohncr werde ihm eigentümlich zu Mute, wenn er höre, nur mit Befestigungen müßten die Seeküsten geschützt werden. Dazu seien Schlachtschiffe nötig. Zur Rede des Abg. v. Leipziger übergehend, bemerkt der Redner, die Konservativen befänden sich vor dem Bauernverein Nordost auf der Retirade. Der Bauer erfahre nicht, wie der Reichskanzler denke. Es wäre wünschenswert, wenn er einmal Einsicht nähme von der Arroganz, womit amtliche Organe die Zwecke der Rechten verträten, namentlich in Pommern. Es müsse mit Rücksicht auf die Zustände in der Beamten welt in Berlin und Frankfurt a. M. endlich wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt eingeschritten werden. Der Beamte müsse Rechenschaft ablegen über seine Thätigkeit. Die Unzufriedenheit im Lande werde auch vom Bunde der Landwirte geschürt, gegen dessen Agitation die Herren Sozialdemokraten wahre Waisenknaben seien. Kriegsminister v. Goßler erklärt, es liege nicht in der Absicht, die zweijährige Dienstpflicht aufzu- hcben. Es lägen keine Erscheinungen vor, die dies uötig machten. Die Zahl der Feldbataillone der Infanterie solle nicht vermehrt werden, aber es wäre möglich, daß man zur Vermehrung der Artillerie schreite. Abg. Paasche (nat.-lib.) bestreitet mit dem Abg. Rickert, daß die Zustände so schlimm seien, wie es Abg. Bebel dargestellt habe. Dies hätten auch die Agrarier nicht gethan. Auch die Armee sei ein Kulturinstitut, das die Heranwachsende Jugend erziehe. Die Ausgaben dafür seien also nicht für Spielereien ausgegeben. Nicht allein der Arbeiter trage die Lasten der Wehrpflicht. Die Hälfte der Bevölkerung mindestens bestehe aus Arbeitgebern. Wenn durch die Flottenvermehrnng neues Leben in die Industrie komme, so gereiche dies auch und in erster Linie den arbeitenden Klassen zum Vorteil. Gegen den Abg. Richter gewendet, führt Redner aus, er wolle von dem Zuckersteuersatz lieber nicht reden. Von einem Fiasko in der Börsen- und Margarinegesetzgebung könne nicht die Rede sein. Der Landwirt könne mit dem Steigen der Getreide preise zufrieden sein. Es sei freilich traurig, daß in Berlin kein solider Getreidemarkt mehr vorhanden sei, aber daran seien nur die Großhändler schuld. Eine gesunde Weitcrentwickelung der Sozialreform wollten auch die Nationalliberalen. Redner erklärt sich im Gegensatz zum Abg. v. Kardorff für die Goldwährung: die Goldproduktion habe stetig zu- genommen. Unsere Finanzlage sei im ganzen^ eine recht gesunde, doch bedürfe es einer reinlichen Schei dung zwischen Reich und Eiuzelstaaten. > Staatssekretär Graf Pojadowsky: Der l „Sie scheinen Philosoph zu sein," antwortete Klemens, „darin kann ich Ihnen nicht folgen. Ich bin Techniker geworden aus der vernünftigen Erwägung, daß meine Anlagen darauf hinzu weisen schienen, die äußeren Umstände waren mir günstig " „Nun, was ist denn das anders?" rief Herbert triumphierend, „Anlage, Trieb, innere Notwendigkeit, äußere Schicksalsgunst. Mir ist's so gut nicht geworden. Der Kampf ums Leben — hm —" er brach ab und pfiff eine Meledie. Sie kamen an einem Restaurant zweiter oder dritter Klasse vorüber, und Herbert schlug vor, ein Glas Bier zu trinken, die Kehle sei ihm von dem vielen Sprechen wie ausgetrocknet. „Wir werden ja erwanet," antwortete Kle mens befremdet. „Ist ja rasch geschehen, kommen Sie nur," damit trat Herbert schon ein. Das Löwenbräu war vorzüglich und auch appetitrcizend, denn kaum hatte er sein Glas halb geleert, so winkte er den Kellner heran und bestellte sich ein Beefsteak, das er mit der vergnüglichsten Miene verzehrte. Er wurde lebhafter und witzig, aß, sprach, lachte und erzählte Anekdoten und Schnurren. Klemens, obwohl er über den drolligen Kauz lachen mußte, saß zuletzt wie auf Kohlen. „So sind nun die Künstler," dachte er, „sie musizieren und philosophieren mit und ohne Noten, aber von Selbstbeherrschung besitzen sie keine Spur. Und diese glitzernden Augen, diese Aufgeregtheit find mir beinahe unheimlich. — Kommen Sie, ^Herbert," sagte er laut, „wir müssen jetzt wirklich fort!" wirtschaftliche Ausschuß, den gestern Abg. Richter schon einer Kritik unterzogen, soll die Aufgabe haben, uns sachverständigen Rat über Spezialfragen zu sichern. Es sollen nicht etwa lediglich die Mitglieder des Ausschusses von uns gehört werden, sondern wir haben uns Vorbehalten, Sachverständige aus allen Erwerbszweigen anzuhören. Ist diese Arbeit abgeschlossen, so folgt die Aufstellung eines neuen Zolltarifs, der die unerläßliche Vorbedingung für neue Handelsverträge bildet. Unser Zolltarif ist veraltet, er ist vor allem nicht spezialisiert genug. Die Lage der Landwirtschaft wird im Ausschuß ein gehend zu prüfen sein, und stellt sich bei dieser Prüfung heraus, daß die Landwirtschaft einen höheren Schutz braucht, dann müssen wir auch dafür eintrcten, daß er ihr zu teil wird. Abg. Zimmermann (Antis.) hofft, daß beim Abschluß neuer Handelsverträge mit mehr Sachver ständnis als früher gehandelt werde. Zu bedauern sei die Aufrechterhaltung der Bäckerei-Verordnung, die den Bäckern schon auf die Nerven wegen des Uebermaßes polizeilicher Eingriffe gefallen sei. Rück sichtslos hatten sich auch die Garnisonschlächtereien über die Interessen der Privatschlächter hinweg gesetzt. Um dem zersetzenden Einfluß des Juden tums vorzubeugen, müsse den Juden die offizielle Lchrthätigkeit untersagt werden. Die Zahl der jüdi schen Rechtsanwälte müsse in das richtige Verhältnis zur jüdischen Bevölkerungsziffer gebracht werden. Wünschenswert sei ein Reichspetroleum-Monovol. Wie stehe es mit der neuen Spiritusglühlicht-Lampe? Sie würde dazu beitragen, der einheimischen Pro duktion zu nützen gegenüber dem amerikanischen Millionär Rockefeller. Redner berührt die öster reichischen Sprachverordnungcn und führt Beschwerde, das; die Regierung Kundgebungen für die Voks- genosseu verhindere. Die sächsische Regierung habe die Grenze beim Volkstag in Eger durch Gendarmen abgesperrt. Abg. Frhr. v. Hodenbcrg (Welfes geht gleich falls aus das Verhältnis Deutschlands zu Oesterreich ein, das in letzter Zeit enger geworden sei. Italien wolle aus dem Dreibünde ausscheiden, das sei auch kein Unglück. Der Glaube, daß die Völker ehrlich zusammcnhielten, hätte durch die Budapester Tage einen Stoß erlitten. Ungarn spiele in Oesterreich dieselbe Rolle wie Preußen. Diese Tage hätten den Deutschen in Ungarn das Leben noch mehr erschwert. In Ungarn benutze man Toaste zu Geschichts fälschungen. Redner führt Beschwerde über die Maß regelung eines Hamburger Lehrers, der, der Rechts partei angehörig, als welfischer Wahlkandidat aus getreten sei. Auch habe die Haltung Preußens in der lippischen Frage nicht dazu beigctragen, seine Bundcstreue in gutem Lichte erscheinen zu lassen. Schließlich beklagt Redner die Maßregelung der wclfisch gesinnten Offiziere in Braunschweig. Abg. Frhr. v. Stumm (frcikonsJ nimmt den Reichskanzler gegen den Vorwurf in Schutz, als wenn er sein Versprechen hinsichtlich der Aufhebung des Koalitionsverbots gebrochen habe. Kein Mensch habe geglaubt, daß diese Aufhebung ohne Kompen sationen vor sich gehen werde. Die Hülleschcn Schriften seien durchaus geeignet, als Gegenschriften gegen die Sozialdemokraten verwendet zu werden. Staatssekretär v. Bülow konstatiert gegenüber der Behauptung des Frhrn. v. Hodenberg, daß der Dreibund so fest stehe, wie je, die Pester Tage hätten zu dessen Festigung beigctragen. Was wir gegenüber den internen Vorgängen fremder Staaten innerlich fühlten, habe jeder mit sich selbst abzumachen — Gedanken und Gefühle seien zollfrei. Wenn aber solchen Gefühlen ein kräftiger Ausdruck gegeben werde, werde die Pflicht zur Mäßigung, Besonnen heit und Achtung frenider Rechte um so größer sein, je bedeutsamer die Stelle sei, von der die Bekauntgebung solcher Gefühle erfolge. Wir würden cS nicht wünschen, daß fremde Regierungen und Parlamente sich einmischen in unsere inneren Ver hältnisse und in die Parteikämpfe, au denen es auch bei uns nicht fehle. Aber gerade weil wir vom Auslande uns gegenüber ein ganz korrektes Verhalten verlangten, seien wir selbst zu einem solchen verpflichtet, und diese Verpflichtung bestehe besonders der uns so sehr eng befreundeten und verbündeten österreich-ungarischen Monarchie gegen über, an deren Spitze ein Herrscher stehe, zu dessen Weisheit alle seine Völker mit großem Verträum emporblicken könnten. Hierauf wird die weitere Beratung vertagt. Usn Uah und Fern. Neuruppin. Bei der Zuschüttung des Ruppiner Sees zwecks Herstellung eines Bahn dammes der Kremmen-Wittstocker Bahn wurden dadurch, daß der Kahn, auf den der Zug mit Sand auffährt, sich zur Seite neigte, vier mit Sand beladene Wagen umgekippt, wobei sieben Arbeiter mit in die Tiefe gerissen und verschüttet wurden. Sämtliche sieben Arbeiter ertranken. Eine Untersuchung ist eingeleitet. „Ja doch, seien Sie nur nicht so skrupulös!" Und Herbert schlug leicht auf den Tisch und fing mit unendlich komischer Vergnügtheit an zu fingen: „Fritz, bleibe hier! Du weißt ja nicht, wic's Wetter wird, 's kann regen — 's kann schneien — es — kann — die — Sonne -- sch—ei—nen! Fritz, bleibe hier!" „Ich heiße freilich zufällig Fritz» aber hier bleiben werde ich doch nicht mehr," antwortete Klemens, welcher es unmöglich fand, dem Aus gelassenen zu zürnen. „Wollen Sie mit?" „Ja, ja, komme schon. — Heißa Schopen hauer! Sehen Sie dort? Den Kerl kaufe ich mir in Gips!" An einem Stammtisch war ein Streit aus", gebrochen, und einer der Gäste hob sein schweres Deckelglas empor. Die Komik dieses Anblick? fesselte den Musiker, Klemens aber ergriff enk schloffen seinen Arm und zog den wie ein^ Kobold Lachenden zur Thür hinaus. Auf der Straße betrug sich Herbert sof^ wieder ganz gesetzt, aber bei Wanda angc' kommen, spielte er in drolligster Weise halb dck verlegenen Sünder, halb den liebenswürdig > Schwerenöter und versöhnte die nachsichL Hausfrau dadurch sogleich. , . Es waren heute noch mehr Gäste bei WaM Herr und Frau von Richthof mit ihrer sechzAz jährigen Tochter. Anna Richthof war SE". Schülerin, ein musikalisch sehr begabtes Mäd".^ wahrscheinlich aus diesem Grunde machte er geflissentlich den Hof. . „ft- Richthofs, Leute von Wandas Alt, sinnig, frohlcbig, waren auf den ihnen oc stehenden Genuß sehr begierig, allein au
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