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Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189712048
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18971204
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-12
- Tag 1897-12-04
-
Monat
1897-12
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1897
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politische Rundschau. Deutschland. *Der Kaiser eröffnete am Dienstag den Reichstag in Person, nachdem er tags zuvor im Neuen Palais noch Unterredungen mit den Spitzen der Marinebehörden gehabt hatte. * Unmittelbar nach Verlesung der Thronrede hielt der Kaiser an die Versammelten noch folgende kurze Ansprache: „Meine Herren! Ich knüpfe hieran noch folgende Worte: Vor fast zwei Jahren habe Ich an dieser Stelle mif das ruhmreiche Feldzeichen Meines ersten Garde- Regiments zu Fuß den Eid geleistet: das, was der in Gott ruhende Kaiser Wilhelm der Große geschaffen, zu erhalten und das Ansehen und die Ehre des Reiches überall zu schirmen. Sie haben bewegten Herzens und feuchten Auges diesen Eid cntgegengenommen und find dadurch Meine Eideshelfer geworden. Im Angesichte Gottes des Allmächtigen und im Andenken an den großen Kaiser bitte Ich Sie, Mich durch Ihre Mithilfe auch fernerhin in den Stand zu setzen, diesen Meinen Eid zu halten und Mir beizustehen, des Reiches Ehre nach außen, für deren Erhaltung Ich nicht gezögert habe, Meinen einzigen Bruder einzusetzen, kräftig zu wahren." "Herzog Ernst Günther wird noch mehrere Tage völliger Ruhe bedürfen. Die Krankheit nimmt, nach dem ärztlichen Bericht, einen normalen Verlauf. *DaS Flottengesetz nimmt für die Wahrnehmung der Seeinterefsen des Reiches im Auslande im ganzen drei große und zehn kleine .Kreuzer in Aussicht, die sich auf die wichtigsten Stationen in Ostafien, Ost- und Westafrika und Südamerika verteilen. Ihre Anzahl erscheint notwendig, um ähnlichen Fällen wie in Haiti in Zukunft vorbeugen zu können, wo Deutschlands Ehre und Ansehen herausgefordert werden. Für den heimischen Küstenschutz werden 17 Schlachtschiffe ge fordert, was angesichts der notorischen lieber- legenheit der französischen und englischen Flotte gewiß nicht als zu hoch gespannt erachtet werden kann. Für Aufklärungszwecke zur See werden 6 große und 16 kleine Kreuzer gefordert. * Im Monat Oktober d. haben 2130 Schiffe (gegen 2329 Schiffe im Oktober 1896) mit einem Netto-Raumgehalt von 265 085 Registertons (1896: 248 949 Registertons) den Kaiser Wilhelm-Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblootsgeldes, an Gebühren 147 053 Mark (1896: 131 227 Mk.) entrichtet. *Die Kommission für Arbeiter statistik ist am Montag vormittag im Reichsamt des Jnnem unter dem Vorsitz des Ministerialdirektors Fleck zusammengetreten. Auf der Tagesordnung stehen die Vernehmungen der Angestellten im M ü l l e r g e w e r be. Den Mit gliedern ist ein sehr cingehenderFragebogenbehufs Erledigung der Tagesordnung zugegangen. * Der Gesetzentwurf zum SchutzderBau - Handwerker ist nach der ,Schles. Ztg/ nun mehr fertig gestellt. Er wird, ehe er an den Bundesrat kommt, veröffentlicht werden, um den beteiligten Interessentenkreisen Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu geben. In Kraft treten soll er erst gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Zivilprozeßordnung wird nächste Woche vom Bundesrat zu Ende beraten werden. Die bisher vorgenommenen Abänderunge! find unerheblich. Der Entwurf soll nach der Annahme durch den Bundesrat gleich an den Reichstag gelangen. *Zur lippischenThronfolgefrage wird gemeldet: Der Einspruch der Weißen- felder Linie geht nicht von dem Grafen Ferdi nand aus, sondern von einem andern Mitglieds der Linie. Einen besondern Protest hat auch Prinz Wilhelm von Schaumburg-Lippe, ein Oheim des regierenden Fürsten, der Vater der Königin von Würtemberg und der Fürstin von Waldeck eingereicht. "Da in der Disziplinarsache gegen den Kriminalkommissar v. Tausch das Hauptverfahren eröffnet ist, hat das Berliner Polizeipräsidium nunmehr seine Suspension vom Amte verfügt, v. Tausch, der bisher ns be urlaubt geführt wurde, bezieht vom Tage seiner Suspension an nur das halbe Gehalt. Die Suspension ist nicht ungewöhnlich ; sie entspricht nur dem bisherigen Brauch. lOesterreich-Ungar«. * Das neue Ministerium Gautsch ist gebildet. Gautsch selbst übernimmt das Prä sidium und die Leitung des Innern, v. Welsers- heimb ist Minister für Landesverteidigung ge blieben. Sonst ist es ein reines Beamten ministerium. *Jn vielen Ortschaften Deutschböh mens dauert die Erregung fort, da die Tschechen Gegendemonstrationen gegen die Entlassung Badenis ins Werk zu setzen suchen. Eine solche fand auch in Prag statt, verlief aber ziemlich unbedeutend. All mählich wird auch in Böhmen völlige Ruhe eintreten. Frankreich. "Der Matin' will wissen, Oberstleutnant Picquart habe in der Untersuchung darge legt, daß der Major Esterhazy den Spionen- dienst des Kriegsministeriums Hintergaugen und gleichzeitig vom französischen, vom deutschen und vom italienischen Kriegsministerium Geld ge nommen habe, daß es zwei Schuldige gebe, Esterhazy und einen Mann, der ihm im Genera- stab als Vermittler diente. * Eine Note der halbamtlichen .Agence Havas' besagt: Die dem General Pellienx in der Affäre Esterhazy-Dreyfus anvertraute Unter suchung näherte sich bereits ihrem Abschlusse, als der Briefwechsel Esterhazys mit dritten Per sonen in einem Morgenblatt veröffentlicht wurde. General Pellieux prüft jetzt diese Schriftstücke auf ihre Echtheit. Sobald er diese Arbeit, der er alle Sorgfalt zuwendet, beendet haben wird, wird er selbst mit vollständiger Unabhängigkeit und Unparteilichkeit alle Maßnahmen treffen, die die Lage erheischt, oder er wird den Gouverneur von Paris darum angehen, dies zu thun. Der Ehre der Armee, der Gerechtigkeit und Wahr heit wird Genüge geschehen. * Die Meldung von einem französisch- englischen Zusammenstoß in Nikki (im Nigergebiet) bestätigt sich nicht. Nach einerDepcsche des LondonerReuterschen Büreaus aus Lagos entbehrt das Gerücht von einem Zusammenstoß zwischen Engländern und Fran zosen in Nikki jeglicher Begründung. Fran- zösi cherseits wird folgendes Dementi verbreitet: „Die letzten vom 26. o. datierten Meldungen aus Dahomey, welche dem Ministerium für die Kolonien zugegangen sind, lauten dahin, daß das Gerücht von einem Zusammenstoß zwischen Franzosen und Engländern der Begründung ent behre. Die Franzosen hätten Nikki ohne Stampf besetzt, während die Engländer in ihren Quartieren blieben." England. * Die englische Besetzung von Kass ala wird bereits ins Werk gesetzt. Nach einem Telegramm aus Massauah ist dortsclbst Kitchener Pascha mit 25Offizieren und 825 Mann eingetroffen. Während Kitchener Pascha wieder nach Suez abreiste, gehen die Truppen nach Saati weiter. Spanien. "Die Autonomie auf Cuba stößt in Spanien auf zahlreichen Widerspruch. Die Karlisten haben beschlossen, gegen die Auto nomie Eubas zu protestieren. "Nach offiziellen Berechnungen find von den Landbewohnern auf Cuba, die vom General Weyler zur Erleichterung seiner Ver wüstungstaktik in den Städten zusammengepfercht wurden, 176 000 gestorben — das ist etwa ein Zehntel der gesamten cubanischen Bevölkerung. In der besonders schwer heimgesuchten Provinz Pinar del Rio beträgt die Zahl der Bevölkerung jetzt weniger als ein Drittel der vor dem Be ginn des Krieges vorhandenen! Diese Daten werfen ein schauerliches Licht auf die Kriegs führung Weylers. Balkanstaatcn. * Die griechische Militär-Kom mission zur Untersuchung der Vorgänge im Kriege, die unter dem Vorfitz des Generals Jatsches Geld. Ss Kriminal-Novelle von E. v. Lippe. lFortsctzung.) Ich hatte meinen Kollegen bald über den Herrn und die Dame, deren ich vorhin Er wähnung gethan, verständigt und ihm gleichzeitig gesagt, daß die über beide, wenn auch nur auf privatem Wege erhaltene Personenbeschreibung durchaus zutreffend sei, so daß kaum ein Irr tum denkbar wäre. Der alte Herr hatte sehr aufmerksam zugehört. „Ja schaun's, es ist das alles sehr gut, aber immerhin ein Mißgriff möglich, und ich muß mich vor einem solchen ganz gewaltig hüten. — Vor etwa zehn Tagen nämlich hatte ein Kollege von mir eine Person zur Haft gebracht, die durch ihr auffälliges Benehmen sich ver dächtig gemacht hatte und auf die ein aus Paris erhaltenes Signalement genau paßte; als dann der Mann sich etwa fünf Tage in Haft befun den hatte, da stellte sich heraus, daß der Teufel sein Spiel gehabt und mein Kollege einen ganz harmlosen Engländer aufgcgriffen hatte, während der Gesuchte schon acht Tage vorher in Leipzig abgefaßt worden war. Mn, ich sag Ihnen, lieber Kollege, der Spektakel unter den hier an wesenden Engländern, das Geschrei von Konsul und Gesandtschaft, welches da entstand, davon haben Sie keinen Begriff. Nun haben wir so strenge Ordre, daß uns die Hände förmlich ge- Mell sind.—Daß jene beiden Burschen da drinnen Lie uns aus Petersburg avisierten Falschmünzer sind, darüber bin ich jetzt 'einen Augenblick mehr im Zweifel; aber ob jener Herr und jene Dame dazu gehören — das ist eine Frage. Fort sollen die Leute nicht, observieren werd' ich sie schon lassen, daß sie sich nicht rücken und rühren sollen; aber verhaften werde ich dieselben nicht können." Es war dies alles nicht ganz unrichtig, und ich konnte keine Einwendung machen. Ich suchte nach einem Ausweg, der zum Ziele führen könne, — und ich glaubte einen solchen ge funden zu haben. „Würden Sie, Herr Kollege, die Leute hier ins Zimmer schaffen und einige Minuten aufhalten können^ bis ich eintrete? Ich meine aber, daß Sie dieselben nicht als Kriminalbeamter auf fordern, zu folgen." „Ja, das will ich schon machen, wenn Sie nichts Wester verlangen." „Und auf welche Weise glauben Sie, es zu machen?" „Kommen Sie eilig," sagte mein Kollege, — Bravoruf erscholl im Theater — „wir haben keine Minute zu verlieren." Wir traten auf ben Korridor hinaus; mein Kollege ging zu dem Logenschließer, mit dem er einige Augenblicke sprach, dann kehrte er zu mir zurück. „Die Loge sechzehn wird der Logendiener nicht gleich öffnen können. Der Schlüssel ist ihm un- begrciflicherweise fortgekommen, er wird den Inspektor rufen lassen, um aufzuschließen, in dessen find die anderen Logen leer geworden, ich werd' dem Logendiener einen harten Ver weis geben und die Herrschaften bitten, auf einen Augenblick mit mir in dies Zimmer zu kommen, wo ich über die Sache einige Zellen aufs hreiben wolle, die der Herr unterzeichnen Mauromichalis tagt, hat einem Artilleriemajor, der zum Generalstabe des Kronprinzen gehörte, den Abschied erteilt und verschiedene andere Offiziere, die der Pflichtverletzung beschuldigt worden, Disziplinar-Gerichten zur Aburteilung überwiesen. * Seitens der Militärbehörde ist festgestellt worden, daß während des Krieges, namentlich in den letzten Wochen desselben, nahezu an 10 000 griechische Soldaten sich der Fahnenflucht schuldig gemacht haben. Es sei jedoch wahrscheinlich, daß gerade wegen der enormen Zahl der Fahnenflüchtigen von einem kriegsgerichtlichen Vorgehen gegen dieselben ab gesehen werden wird. * Die letzten Nachrichten aus Albanien lauten äußerst ernst. Vier Dörfer haben bereits zu den Waffen gegriffen. Die Bewegung dehnt sich auf ganz Albanien aus, und man befürchtet, daß in den nächsten Tagen etwa 250 000 Mann unter Waffen stehen werden. Amerika. * Die Unruhen in Uruguay dauern an; ein Telegramm aus Montevideo meldet: Ein zu Gunsten der Kandidatur Cuestas' ver anstaltetes großes Meeting von Eingeborenen und Fremden gab Anlaß zu Unruhen. Ver schiedene Personen wurden getötet, mehrere ver wundet. Deutscher Reichstag, Am 30. v. fand die erste Reichstagssitzung statt. Der Präsident der vorigen Session Frhr. v. Buol übernimmt auf Grund der Geschäftsordnung den Vorsitz und beruft zu provisorischen Schriftführern die Abgg. Braun (Zentr.), Kropatschek (kons.), Pieschel (nat.-lib.) und Hermes (fr. Vp.). An Vorlagen sind eingegangen die Marinevor lage, der Reichshaushaltsetat nebst Schuldentilgungs- gesctz pro 1898,99 und eine Reihe dazugehöriger Rcchnungssachen. Seit der letzten Tagung sind in das Haus neu eingetreten die Abgg. Wkntermeyer, Schulz (ft. Vp.), Heim (Zentr.), v. Thungeln (kons.). Der Namensaufruf ergibt die Anwesenheit von 174 Mitgliedern, das Haus ist also nicht beschluß fähig. Präsident Frhr. v. Buol beraumt hierauf die nächste Sitzung auf Mittwoch an und setzt auf die Tagesordnung die Wahl des Präsidiums. Aus Wien geht dem ,Berl. L.-Anz/ vom Sonntag folgen der Bericht zu: Gegen Abend sofort nach Rück kunft deS Kaisers wurde ein Ministerrat abge- haltcn, in welchem der Beschluß gefaßt wurde, den Reichsrat zu vertagen, was in dem kaiser lichen Handschreiben heute morgen durch eine Extra-Ausgabe der ,Wiener Zeitung' unter der Bevölkerung verbreitet wurde. Auf den Entschluß des Kaisers hat jedenfalls der vom verfassungs treuen Großgrundbesitz veröffentlichte Protest gegen die Abänderung der Hausordnung stark eingewirrt. Man hat aber in der Bevölkerung die Vertagung als einen neuen Beweis des Verstauens für den Grafen Badem angesehen, indenl diesem in die Hand gegeben wurde, alle Schwierigkeiten nach eigenem Gutdünken zu ordnen. Es lag also kein Grund zu einer Beruhigung vor, sondern die Aufregung erreichte den höchsten Grad, als namentlich bekannt wurde, welche ernste militärische Maßregeln man getroffen hatte, die alle früheren weit über ragten. Schon um 9 Uhr wogte eine mit Kornblumen, roten und weißen Nelken ge schmückte Männerschar vor dem Parlament auf und ab. Es gab keine Partei-Unterschiede, alle wollten dasselbe. Das Parlament und die umliegenden Straßen waren von der Polizei in großer Anzahl besetzt. Berittene Schutzmänner patrouillierten in den Alleen, auf der Ring straße und sogar auf den Trottoirs. Jede Ver stärkung derselben wurden mit Pfui - Rufen be grüßt. Von den demonstrierenden Studenten hatten viele verbundene Köpfe, die Arme in Schlingen — Anzeichen der Kämpfe deS vorher gehenden Tages. Sie wurden mit Heilrufen begrüßt. Nach 10 Uhr kamen die Arbeiter aus den Versammlungen und schlossen sich .an die Studenten an. Vor dem Burgtheater umjubclte eine tauscndköpfige Menge den Arbeiterführer Schumaier, der, auf die Schultern der Um stehenden gehoben, eine Rede hielt. Tausend fache Rufe ließen Wolf und Schönerer leben, dazwischen rief man: „Nieder Badeni!" „Nieder das Schurkenpräsidium, nieder mit der Polizei!" Um 11 Uhr erreicht die Erregung der Menge ihren Höhepunkt. Das Arbeiterlied wird gesungen und Tausende aus den Vor städten lassen die Menge immer mehr an schwellen. Die Polizei schritt eigentlich wenig ein; fie erhielt nur fortgesetzte Bewegung in den Massen, ließ sie aber ruhig schimpfen. Da trennte sich eine Riesenmaffe von etwa 3000 ab, alles Studenten und Sozialisten, und zog zum Landesgcricht, um dort für Wolf zu demon strieren. Vor dem Landesgcricht wird die Wacht am Rhein und das Arbeiterlied gesungen. Da sprengt berittene Polizei herbei und zerstreut die Menge mit rücksichtsloser Energie, haut mit dem blanken Säbel ein, so daß viele zu Boden stürzen und verwundet werden. Tie Verletzte meistens Studenten, werden in Cafes und Gast häuser gebracht, wohin die RcttungSgcsellschafl gerufen wird, die sie verbinden. Wer kann, kehrt auf den Ring zurück. Vor dem Landes gericht erscheinen plötzlich Husaren, welche die Demonstranten endgültig zerstreuen. Unterdessen haben die Studenten und Sozialisten vor dem Parlament den mit roten Fahnen vorübcrfahren- den sozialistischen Abgeordneten eine Ovation gebracht und es soll nun auch hier Ordnung geschaffen werden. Eine Abteilung achter Husaren sprengt heran und reitet unaufhaltsam über den Ring, alles vor sich in wildester Flucht hertreibend. Dabei stürzten Männer und Frauen zu Boden. Viele wurden verletzt und mußten ins Parlament getragen werden. Ein Ab- ! geordneter, der Zeuge dieser Szene war, sagte zu den Verwundeten, von denen zwei als schwer verletzt ins Spital gebracht wurden: „Ich bin zur Audienz beim Kaiser berufen; ich werde Sr. Majestät die Augen öffnen und ihm sagen, wer ihn angelogen hat." Nach zwei Uhr wurden das Militär und die berittene Polizei zurückge zogen, aber die Erregung nahm nicht ab, bis um 4 Uhr in einem Fiaker Bürgermeister Lueger erschien und an drei Stellen mit lauter Stimme verkündete, der Kaiser habe die Demission Badenis angenommen und Gautsch mit der Bil dung eines neuen Ministeriums betraut. Eine zweüe Extra-Ausgabe der .Wiener Zeitung' wurde bald darauf verteilt. Die Wachleute wurden beauftragt, dem Publikum mitzuteilen, wie sich die Ereignisse gestaltet hatten, und nun war der Anblick der Straßen plötzlich umge wandelt. Die erregte und empörte Menge ver wandelte sich sofort in eine freudig bewegte. Von Zett zu Zeit ertönte ein Hoch von Tausen den von Stimmen. Nach Hause ging auch jetzt noch niemand. So kam es, daß auch in der Dunkelheit alle Straßen noch vollgedrängt waren. Um 9 Uhr wurde Wolf aus der Haft entlassen. Er fuhr sofort mit seinem Verteidiger und einem Studenten zu seiner Frau nach Hause. Kon Uah und Fern. Berlin. Ein Mord ist in der Nacht zum Montag im Hause Möckernstraße 85 an dem 22jährigen Dienstmädchen Margarete Wiese verübt worden. Der Mörder ist ein früherer Verlobter des Mädchens, der Pferdehändler Wilhelm Kleemann aus Altona. Das Motiv des Verbrechens soll verschmähte Liebe sein. Die Unthat geschah, während sich die Herrschaft zu einem Ball begeben hatte. Mainz. Der Reichstagsabgeordnete Ahl- . Wardt hatte sich an den hiesigen Magistrat mit - dem Ersuchen gewandt, ihm zur Abhaltung einer großen Volksversammlung die Stadthallc zur Verfügung zu stellen. Die Stadthallen - Kom mission hat jedoch den Antragsteller abschlägig beschieden. Torgau. Bürgermeister Girth ist am Sonntag früh auf Anordnung des Reichsgerichts zur Aburteilung seiner Strafthaten vor dem Schwurgericht in Göttingen nach dort überführt worden. Girth hat im hiesigen Untersuchungs gefängnis nicht ein einziges Mal seine Zelle ! verlassen; sein Gesundheitszustand soll zu wünschen übrig lassen. Nach Verbüßung seiner i Strafe gedenkt er ins Ausland zu gehen. möchte. — Wir werden sehen, ob die Herr schaften hierauf eingehen; für den Fall, daß dies nicht sein sollte, werde ich, dieselben als Polizeibeamter dazu auffordern, jedenfalls wer den dieselben dort mit hineingehen." Ich war zufrieden und ging zu den Be amten am Ende des Korridors; ich sagte den selben, um was es sich handle, und nahm dann meine Stellung in einem Nebenkorridor. Die Vorstellung hatte ihr Ende erreicht, — die Logen wurden geöffnet, das Publikum ver ließ das Haus, immer seltener kamen noch einige Personen bei mir vorüber. — Es währte nicht lange, da trat einer der Beamten zu mir. „Der Herr und die Dame find soeben mit dem Herrn Inspektor in sein Zimmer gegangen; dieselben waren sehr entrüstet, daß fie durch ein solches Versehen des Logendieners aufgehaltcn waren, namentlich wardieDame sehr aufgebracht." „Sie bleiben mit einem Ihrer Kollegen hier oben an der Thür der Treppe, die Dame passiert nicht die Thür, Sie halten dieselbe zurück. Die anderen Kollegen stellen sich unten außerhalb des Portals auf; sowie ich mit dem Herrn herauskomme, wird derselbe gefaßt." Ich eilte jetzt nach dem Zimmer. „Sie entschuldigen mich, wenn ich hier ein trete, ich bin aber hierher gewiesen, ich werde nicht lange stören, ich habe nur den Herrschaften einige Worte zu sagen." Ich hatte zu meinem Kollegen gesprochen, aber, als ich der Herrschaften Erwähnung that, mich diesen zugewandt; ich sah deren unge heucheltes Erstaunen, und mich traf von der Dame ein scharfer, forschender Blick. „Sic wünschen mich zu sprechen?" fragte der Herr, als hätte er nicht recht verstanden und müsse noch meine Bestätigung haben. Ich nickte und trat sehr nahe zu ihm. „Sie kennen mich nicht, mein Name thut auch augenblicklich nichts zur Sache," sagte ich lachend, „ich bin der Neberbringer einer Bot schaft. Der Herr Superintendent Jonas aus Berlin ist angekommen." „Der Superintendent Jonas?" sagte der Herr, „ich kenne den Herrn nicht, Sie find iS Irrtum," und wieder traf mich der lauernde, argwöhnische Blick der Dame, den ich schon vorhin wahrgenommen hatte. „Er ist mit dem Herrn Vikomte und deS Herrn van Habermcister seit etwa einer halbe» Stunde in einem hier gegenüberliegenden Cafe und läßt Sie ersuchen, gefälligst dorthin zu kommen- „Ich kenne die Herren nicht, keinen del Herren," erhielt ich barsch zur Antwort. „Lassen Sie doch," gab ich kordial zurü» „Sic waren doch vor so und soviel Tagen >§ Berlin im Konzertgarten von Kroll, da sprach^ Sie vor dem Vikomte, der dann mit dei» Superintendenten nach Potsdam fuhr. Es dort die Geschäfte etwas leichtsinnig gehaw' habt worden, zufällig traf ich bald darauf Herrn Jonas, der mir befreundet ist, konnte ihm eine sehr wichtige Mitteilung macheA infolgedessen find wir nach hier gereist E zufällig sahen wir die Herren im Theater ich glaube, die Sache eilt," setzte ich bedeutuE voll hinzu. . i Der Herr sah die Dame unentschlossen ! dann fand ein leises Gespräch zwischen beiden
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