Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 02.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189710020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18971002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18971002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-10
- Tag 1897-10-02
-
Monat
1897-10
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.10.1897
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. TeutsMaud. *Der Kaiser hat an den Fürsten Bismarck folgendes Telegramm gerichtet: „Sr. Durchlaucht dem Fürsten v. Bismarck, Friedrichsruh. Von Herzen wünsche ich Eurer Durchlaucht Glück zum Stapcllauf meines Panzerkreuzers „Fürst Bismarck" und freue mich, dadurch für alle Zeiten Eurer Durch laucht Namen mit meiner Flotte in engster Be ziehung zu wissen. Sie wird um so stolzer sein, als es der erste große Panzerkreuzer ist, welcher bei uns gebaut ist. Ein Modell des selben wird Admiral Tirpitz Eurer Durchlaucht in meinem Auftrage überreichen. Wilhelm I. L." — Fürst Bismarck antwortete darauf telegra phisch nach Rominten: „Eure Majestät bitte ich allerunterthänigst, für die Auszeichnung, die mir durch die heutige Taufe des Kreuzers Eurer Majestät zu teil geworden ist, meinen ehrfurchtsvollen Dan! in Gnaden entgegen zunehmen. Gleichzeitig danke ich in Ehrfurcht für das soeben eingehende Allerhöchste Tele gramm, durch dessen Inhalt die Ehre, die Euer Majestät meinem Namen in Allerhöchstderen Flotte gewährt haben, wesentlich erhöht wird, v. Bismarck." *Zu der projektierten Reise des Kaisers nach Jerusalem verlautet, daß der Kaiser dieselbe mit der Kaiserin und den ältesten Prinzen in Begleitung des Hofprcdigers Dry ander gegen Ende April k. I. antreteu wird, um der Einweihung der auf dem ehemaligen Johanniterplatz gebauten Kirche beizuwohncn. Ob das Kaiserpaar dem Sultan einen Besuch abstattcn wird, ist noch unbestimmt. *Der amerikanische Botschafter in Berlin, White, erhielt aus New Jork den Auf trag, Verhandlungen, die aus den Abschluß eines Gegenseitigkeits - Vertrages mit Deutschland abzielen, eiuzuleitcn. *Die .Köln. Ztg/ kommt nochmals auf die Marinevorlage zurück und versichert, die jetzige Leitung der Marineverwaltung würde sich nicht über die Hollmannsche Denkschrift hinaus begeben, auch dürsten die verbündeten Regierun gen keine Marinevorlage an den Reichstag bringen, die nicht eine stattliche Mehr heit im Reichstag finden würde. Was auch heute verlangt werden müsse, sei, den vor handenen Bestand der deutschen Kriegsflotte zu erhalten und die durch Alter und Invalidität jährlich ausscheidenden Kriegsschiffe sofort durch brauchbare Schiffe derselben Güte zu ersetzen. Man werde zwar jetzt eine Anzahl Schiffe er setzen müssen, die schon früher ausschieden, deren Ersatz aber bisher unterblieben war. Auch würde jeder Ersatzbau erheblich mehr kosten, als das zu ersetzende Schiff gekostet habe. *Auf Anordnung des Staatssekretärs des Reichspostamts v. Podbielski ist die Annahme von Posteleven bis auf weiteres ein gestellt worden. Es sollen erst die Ergeb nisse der im nächsten Monat stattfindenden Kon ferenz abgewartet werden, die sich auch mit den Dienstverhältnissen beschäftigen wird. Es ist in Aussicht genommen, daß die jungen Kandidaten bei ihrem Eintritt in die postalische Laufbahn sich zu entscheiden haben werden, ob sie dem Verwaltungsfach oder dem praktischen Dienst- bctricb sich widmen wollen. In letzterem Falle wäre dann weiter die Frage zu erledigen, ob sie zur Post oder zur Telegraphie übergehen wollen, und je nachdem würde dann die Aus bildung erfolgen. *Der Bedarf der Artillerie an neuem H il fs m a teri al ist zur Zeit sehr bedeutend, so daß die staatlichen Werkstätten bei weitem nicht ausreichcn, um die Bestellungen des Kriegsministeruims auszuführen. Es find daher zahlreiche Privatbetriebe in verschiedenen Gegen den des Reiches mit Lieferungen von Artillerie material beauftragt. In Eisenach wird eine große Fabrik zur Herstellung von Artilleriefahr- zeugcn errichtet. *Die Bromberger Handelskam mer beschloß, wie von dort gemeldet wird, mit Unterstützung anderer Handelskammern bei dem Reichskanzler die Au f h e b u n g des B ö r s e n. gesetz es zu beantragen. * Um die Einnahmen in den deutschen ! Schutzgebieten, namentlich in Ostafrika, zu" erhöhen, soll von der Kolonialverwaltung die Einführung einer Hüttensteuer auf dem Verordnungswcge geplant werden. Man hält fie für leichter durchführbar als eine Kopfsteuer. *Der Reichskommissar a. D. Dr. Karl Peters ist in der Disziplinaruntersuchungs- sache wider ihn zum 15. November vor den Disziplinarhof für die Schutzgebiete im Kammer gerichtsgebäude geladen worden. Oesterreich-Ungar«. *Der in Oesterreich noch nicht dagewesene Fall, daß der M i n i sterpr ä s i d e n t einen Abgeordnete it zum Duell fordert, hat doch große Verblüffung hervorgcrufen. Graf Badeni, dessen Verwundung am Arm nur gering fügig ist, halte vom Kaiser die Erlaubnis zum Duell telegraphisch nachgesucht. Der Kaiser hat die Untersuchung wegen der Duellgeschichte niedergeschlagen. *Jn acht Bezirken Kroatiens wurde unter Trommelwirbeln und Hornfignalen das Standrecht publiziert. Frankreich. * Präsident Faure und Minister Hano - taux haben durch die deutsche Botschaft in Paris dem Regenten Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg ihr Beileid über den Tod des Herzogs Friedrich Wilhelm aussprechen! lassen. * Die französisch-englischen Ver- handlungen über die Abgrenzung des Nigerwinkel-Gebietes werden voraus sichtlich in einigen Tagen wieder ausgenommen werden. England. *Das englische Landwirtschaftsministerium hat ein Verbot der Einfuhr von Hunden erlassen. In besonderen Fällen kann das Ministerium Ausnahmen von dem Verbot gestatten und den Erlaubnisschein zur Einfuhr eines Hundes ausstellen. Spanien. * Spanien denkt den Forderungen Amerikas gegenüber an kein Nachgeben. In einer Unter redung, welche ein Berichterstatter mü einer hochgestellten Persönlichkeit in Madrid hatte, er klärte letztere, Spanien werde eher alles auf bieten, als den Anforderungen der Ver. Staaten bezüglich Cubas nachgeben. Als Antwort auf die Meldung, daß die Ver.! Staaten am 1. k. eine größere Flotte von > Florida abgehend nach Cuba senden, werde Spanien gleichfalls eine Flotte dorthin abgehen lassen. Daß Spanien den guten Willen dazu hat, daran ist wohl nicht zu zweife n, ob es aber in der Lage dazu ist, dürfte eine andere Frage sein. Rußland. *Dic .Gazeta Warszawska' berichtet über ein neues Zugeständnis der russischen ! Regierung an die Polen. Bisher bildete auf den Warschauer Gymnasien der Unterricht in der polnischen Sprache keinen obligatorischen Lehrgcgcnstand und er wurde ctweder sehr früh am Morgen oder nach dem Schluß des Unter richts erteilt. Gegenwärtig ist nun Unterricht! ! in der polnischen Sprache in das Programm der obligatorischen Unterrichtsfächer eingeschlossen worden und muß während der Unterrichtszeit, das heißt während der Stunden von neun Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags erteilt werden. Balkanstaaten. * Immer mehr beginnt die kretische Frage wieder in den Vordergrund zu steten. Anläßlich der jüngsten Empfänge der Botschafter bezeichnete der Sultan die Zurückziehung der türkischen Truppen von Kreta als unmöglich, da die Mohammedaner alsdann schutzlos sein wür den, und wies auf die Unhaltbarkeit der jetzigen ! Lage auf Kreta, sowie auf die täglichen Gewalt- ' thaten hin und sprach den Wunsch auf baldige Regelung der kretischen Frage aus. Die Bot schafter erhielten Depeschen kretischer Mohamme daner, die sich über die Lage beschweren und gegen die Auswanderung, wozu sie die Auf ständischen zwingen wollen, protestieren. Asien. i *Wie das .Reuterschc Büreau' aus dem n NA kindischen Aufstandsgebiete model, ist ein Waffenstillstand von zwei Tagen mit den Stämmen im Thale von Pandschkora vereinbart worden, um über die Friedensbedingungen zu verhandeln. Das Thal von Jarobi sei umzingelt und das Dorf Jarobi, der Geburtsort des Mullah von Hadda, zerstört. Die englische Avantgarde habe ein schweres Ge fecht im Engpaß jenseits von Jarobi gehabt und sich nach einer Rekognoszierung unter ermüden dem Feuer zurückgezogen. Der Feind verlor 16 Tote und Verwundete. Gin neues Heilmittel gegen Krebs. Für die meisten Krebskranken ist ein neuer Hoffnungsftern aufgegangen; scheint doch endlich ein Mittel gefunden zu sein, dem Krebs ohne i Messer beizukommen. Zahllos sind allerdings die bisher zum gleichen Zweck empfohlenen Mittel, die sich jedoch nicht bewährt haben; dem gleichzeitigen Zusammenwirken zweier derselben aber scheint es beschieden zu sein, eine bessere Wirkung hervorbringcn. Diese beiden find, wie wir in der .Köln. Volksztg/ lesen, Alkohol und Arsenik. Sie werden, mit Wasser verdünnt, auf die Oberfläche des Geschwürs aufgestagen. Wie die Entdecker des neuen Heilverfahrens, die Prager Aerzte Trunecek und Cerny, ver- i sichern, ist die Wirkung der täglichen Auf- vinselung dieser Lösung auf die Fläche des Geschwüres die, daß das nur sehr schwer lös liche Arsenik ausfällt und die ganze Oberfläche des Geschwüres bedeckt, wo es einen Aetzschorf hervorruft, welcher bei der täglich neuen Auf- tragnng des Arseniks immer weiter in die Tiefe greift und schließlich eine große, schwarze Kruste darstellt. Diese löst sich allmählich an den Rändern und läßt sich bald leicht entfernen. Liegt noch krankes Gewebe darunter, so wird das Mittel von neuem angewendct, wodurch ein neuer Aetzschorf sich bildet. Diese Wiederholung des Verfahrens kann jedoch unterbleiben, wenn ein weißliches zartes Häutchen und das Fehlen jeder Verhärtung erkennen lassen, daß alles kranke Gewebe abgestoßen ist. Die Entdecker dieses Verfahrens find der Ansicht, daß die Zellen der Krebsgeschwulst, welche besondere chemische Eigenschaften haben müßten, von der Lösung durch Austrocknung vernichtet würden, wogegen diese Lösung auf die Zellen des ge sunden Gewebes lediglich reizend oder ent- i zündend einwirke; so komme es, daß durch den i Aetzschorf nur krankes Gewebe losgestennt werde. Daß es bei den von den Prager Aerzten geschilderten, von ihnen behandelten Fällen in der That um krcbfige Neubildungen sich handelte, haben sie durch die mikroskopische Untersuchung eines Stückes der Geschwulst nach gewiesen; die Erfolge der geschilderten Behand lung aber erläutern fie durch Photographien der behandelten Stellen. Natürlich kann es bei diesem Verfahren zunächst nur um Krebsgeschwüre der Haut sich handeln; dasselbe ist Wochen-, ja monatelang täglich auzuwendcn. Dafür aber find bei den Geheilten seit 6—12 Monaten Rückfälle nicht zu beobachten gewesen. Der Vorzug dieses Verfahrens vor dem chirurgischen i Eingriff, der bisher allein Heilung bringen konnte, liegt auf der Hand. Diese Heilung war aber dauernd nur möglich, wenn die bösartige Geschwulst frühzeitig und völlig entfernt wurde; je später aber das Messer des Chirurgen an setzte, desto größer war auch die Verstümme lung, welche notwendig wurde, wenn die Ge- ! sch wulst ihrem ganzen Umfange nach entfernt werden sollte, was hinwiederum eine unerläßliche Vorbedingung nachhaltigen Erfolges war. Kon Nah und Fern. Baden-Baden. Am Sonntag wurden hier wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Sonntagsruhe zwei Kurgäste, die in einem Blumenladen Blumen kauften, von einem Schutzmann fcstgestellt. Einer der Kaufenden legitimierte sich, nach der.Volkszeitung', als der Oberbürgermeister von Stuttgart, Rümelin, der andere als der Reichskanzler Fürst Hohenlohe. Elberfeld. Die Eiscnbahnverwaltung hat der Mutter des am 19. Juni bei dem Eisen bahnunglück bei Gerolstein ums Leben gekommenen Reservisten Krause eine jährliche Pension von 2000 Mk. ausgesetzt. Koburg. Das Defizit der hiesigen Ge werbebank ist auf 60 000 Mk. augewachscn. Gegen den flüchtigen Poppe und Frau ist wegen betrügerischen Bankrotts ein Steckbrief erlassen worden. Leipzig. Die erste Pleite auf dem Aus stellungsplatze hat das „Nürnberger Bratwurst- glöckle" betroffen — ein Etablissement, das sich durch die Eigenart seiner „Würstchen" bekannt machte, welche darin bestand, daß dieselben mikroskopisch kaum zu erkennen waren. Sonst hört man die Ausstellungswirte nicht klagen. Halle. Wie bekannt, wurde vor kurzem in Halle der Postasfistent Richter verhaftet, dem eine größere Anzahl von Bahnpostdiebstählen zur Last gelegt worden. Da R. vor einiger Zeit auf dem Postamte Delitzsch dienstlich be schäftigt gewesen ist, stellte die Polizei auch dort Recherchen über R. an. Hierbei stellte sich her aus, daß der Verhaftete einer dortigen Dame, bei welcher er früher gewohnt, vor einiger Zeit eine verschlossene Ädermappe zur Aufbewahrung übergeben hatte. Nachdem man dieselbe geöffnet, ergab sich, daß die Mappe 6000 Mark, die jeden falls von den Spitzbübereien des N. herstammcn, enthielt. Nach Aussage der Dame hatte fie von dem Inhalte der Mappe keine Kenntnis. Die Untersuchung ist eingcleitet. Cleve. Der Hotelier Heinrich Hauk in der Schloßbergstraße steckte am Montag früh sein Hotel in Brand und erhängte sich alsdann. Der Feuerwehr gelang es, den Brand zu löschen. Als Hauk aufgefunden wurde, war er bereits tot. Der Brandstifter, der durch seine ver brecherische That eine Anzahl Menschenleben in Gefahr brachte, war bereits mehrmals vor bestraft, darunter zuletzt wegen Sittlichkeits verbrechens. Gießen. Der im Duell schwer verwundete Einjährig-Freiwillige Schmitz befindet sich nach ärztlichem Gutachten außer Lebensgefahr und wird voraussichtlich wieder hergestellt. Bei der Operation fanden sich 14 Löcher im Darm, und es mußten fünf teils größere und kleinere Stücke des Darms herausgeschnitten werden. Kassel. Ein erschütternder Todesfall hat sich am 25. d. ereignet. Der erste Staats anwalt Schumann aus Hanau, der zum 50 jährigen Dienstjubiläum des Oberstaats anwalts Bartels hierher gekommen war, stockte inmitten seiner vor einer großen Festversamm lung gehaltenen Ansprache an den Jubilar plötz lich, sank in die Kniee und verstarb. Ein Herz schlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Essen. Es hat sich herausgestellt, daß das „erzherzogliche Ehcpärchen" über Vlissingen nach London gefahren ist, dort die beabsichtigte Trauung aber lieber aufgegeben hat, als cs erfuhr, daß der Trauakt 30 Pfund, auf Helgo land 10 Pfund koste. Freilich waren auch Behrends Papiere nicht in Ordnung. Er war deshalb — Maria blieb unterdes allein in London — nach Essen zurückgekehrt und hat am 18. September seine Papiere in Ordnung gebracht, was ihm gelang, weil die Behörden damals auf einen gewissen Ahrends, nicht aber Behrend fahndete. Maria steht noch immer unter dem Einfluß Behrends und ist sehr be leidigt über die Einmischung der Polizei und ihrer Verwandten. Behrend soll, wie fie zugab, oft hypnotische Experimente mit ihr vorge- nommcn haben. Sie befindet sich auf der Reise in ein auswärtiges Kloster. Sie entschloß sich nur sehr schwer, ihren Bruder zu begleiten und erklärte weinend dem Polizeichef, daß Behrend nie beabsichtigt habe, sich des Erzherzogtitels zu bedienen. Er habe sich ihr nur zum Scherz als solcher vorgestellt. Odenkirchen. Schon oft ist am Nieder rhein über die Zunahme der Spatzen geklagt worden. Einen bezeichnenden diesbezüglichen Beschluß faßte die hiesige Stadtoerordneten- Versammlung: Sie erhöhte auf Antrag eines landwirtschaftlichen Vereins vorläufig für ein Jahr die Prämie für einen Spatzenkopf von zwei auf fünf Pfennig. Einen kleinen Nickä für einen Sperling ist wirklich eine ganz an nehmbare Bezahlung, die manchen zur Spatzen jagd verleiten wird. Der Schmied von Hllerborn. 9j Roman von E- v. Borgstedt. Momeyung.) Nach Barbaras Entfernung trat die Wirtin in die Schankstube und an des Burschen Seite. „Ich habe gedacht," begann fie, sich auf seine Schulter stützend, „daß am Sonntag unser Lerwruch ist, Julius; wozu noch länger warten, und bist du mein Mann, hängst du die Büchse an den Nagel und wirst der Wirt hier im „Schwan." „Recht, so soll's sein," jube'te Julius; „aber was wird mit dem Bärbel? Hier im Hause mö^t' ich sie nicht behalten, des Geredes wegen, und nach Berghaus will sie nicht." „Ach was, fie muß wollen." „Na, mit der fängst auch du nichts an," hetzte der Bursche, „die hat doch ihren eigenen Kopf." „Das werden wir sehen," rief die Wirtin zornig, „hier bin ich die Herrin und befehle. Will fie nicht nach Berghaus, ziehe ich meine Hand von ihr ab, und fie kann sehen, wo fie bleibt." * * * Seit jener Ohnmacht in der Kirche lag es wie ein'Druck über den Bewohnern der Ruine. Gleich nach ihrer Rückkehr war Fräulein Ulrike in ihr Zimmer gegangen und hatte den alten Mitbieö zu sich rufen lassen. Sie saß, als der Alte cintrat, auf dem Sofa mit blassem Gcücht, aber hoch aufgerichtet, und winkte ihn zu -ich heran. „Zu Tante Ulrike, Mathies, ich ängstige mich um fie. Erst die Ohnmacht in der Kirche, „Mathies, die Vergangenheit ist wieder lebendig geworden," sagte sie mit müder Stimme, „ich habe seinen Sohn gesehen." Seinen Sohn! Weiter sprach fie nichts, keinen Namen, keine nähere Erklärung; aber der treue Diener verstand seine Herrin. In seinem faltenreichen Gesicht zuckte es merkwürdig, dann strich er mit der zitternden Hand über seine Augen. „Und gnädiges Fräulein haben sich nicht getäuscht?" „Nein, Mathies, nein, es war sein Nach komme! Ganz das Gesicht, die Gestalt, die Haltung — es war Heinrich." Fräulein Ulrike lehnte ihre Stirn in die feine Hand, die alte Frau dachte dec seligen Jugend zeit, und Mathies kam vorsichtig näher. Er war mit der Dame durch jahrelange Dienste gleichsam verwachsen, er trauerte und jubelte mit ihr, nun sprach er sie an: „Das Trauern kann nichts helfen, gnädiges Fräulein, und wird Sie krank machen, und das darf ich nicht leiden; denn hier in Ellerborn gebrauchen wir Sie alle gar zu nötig. Sehen Sie, gnädiges Fräulein, da sind all' unsere Leute, da sind Hans und Berti, Frau Bornow und Gundula, was sollte wohl aus denen werden, wenn gnädiges Fräulein trauern und klagen, an statt schaffen und befehlen wollten." Ueber Fräulein Ulrikes Antlitz glitt ein flüchtiges Lächeln, dann entgegnete fie ernst: Du hast recht, Mathies, ganz recht, und das will ich auch nicht; — im Gegenteil, ganz und mich um fie. Erst die Ohnmacht in der Kirche, voll will ich meine Pflicht thun, bis zu Ende, und daun war fie so sonderbar, ich fürchte, fie Nur fragen wollte ich dich, ob du dich seiner, wird krank." „Bleiben Sie nur, und lassen Sie daß gnädige Fräulein gewähren, morgen ist alles wieder im Geleise, Gundula, und nicht frage», weshalb Fräulein Ulrike traurig ist." „Ach, Mathies, die Tante thut mir so leid, und da möchte ich so gern wissen, was Äf beide miteinander für ein Geheimnis habt, gestand Gundula. „Du könntest es mir wohl ett zählen." „Darf ich nicht, Kindchen, darf ich nicht! Der alte Mann ging auf das vertraulichste M dem jungen Mädchen um, welches er auf dck Armen gewiegt hatte. „Es ist wahrhaftig cE keine gute Geschichte für ein junges, glücklich^ Blut, wie Sie eines find." „Ach, Mathies!". „Nein, es bleibt dabei, ich erzähle nichts Gundula!" , „Du bist ein abscheulicher Brummbär, lachte das Mädchen übermütig, „dafür besu^i ich dich acht ganze Tage nicht." U „Schade, ich wollte Ihnen gerade mc^ kleinen Hühnchen zeigen, Fräuleinchen!" Da^l stampfte er davon. „ Gundula blieb auf derselben Stelle, stcm' das Lächeln noch auf dem rosigen Antlitz, Gedanken flogen zu dem, der sic im Gow' Hause nur mit den Augen hatte grüßen könwz Hin zu ihm wollte sic, an seine treue das Haupt lehnen und fühlen, daß es M j ling sei. , , . Die kleinen Knaben hingen sich jubelnd fie, und Gundula zog sanft Susannas Arm , den ihren. . „Wohin?" fragte die junge Frau in l Heinrichs, noch erinnerst, ob du noch weißt, wie freundlich und ritterlich er war, wie stolz und männlich, ob du noch weißt," — auf den Wangen der Mattone erblühten die Rosen der Jugend, ihre Augen flammten, — „wie er mich geliebt und verwöhnt hat!" „Ich weiß es," die Stimme des Alten klang ernst und feierlich, seine Blicke hingen an den weißen Locken Ulrikes, die er dunkel gekannt hatte, „ich habe nichts vergessen, gnädiges Fräu lein! Als wäre es heute, sehe ich noch des Herrn Lächeln, wenn er ins Haus trat, und nicht wollte, daß ich ihn meldete, weil er Sie zu überraschen gedachte mit seinem Besuch. Wie manchen Strauß habe ich Ihnen damals ge bracht." „Ja, ja, Mathies, du hast nichts ver gessen, nichts, ich sehe es wohl, treu im Glück und treu im Leid bist du gewesen, das lohne dir Gott!" Sie reichte ihm die schöne zarte Hand, um die einst viele gekämpft hatten und die beiden rauhen Fäuste des Diannes schlossen sich über ihr zusammen mit festem Druck, dann ging er langsam hinaus. „Und sehen muß ich ihn," sagte der Alte leise, „weil die Vergangenheit gar zu schön war. Ach, Gundula, beinahe hätte ich Sie nicht ge sehen," wandte er sich dann an das junge Mädchen, das ihm im Korridor entgcgenkam, „wohin wollen Sie denn?"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)