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Allgemeiner Anzeiger : 15.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189709150
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970915
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-15
-
Monat
1897-09
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.09.1897
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Politische Rundschau. Deutschland. *Die großen Manöver sind vorüber. Das italienische Königspaar ist am Freitag nachmittag nach herzlichster Verabschiedung nach Monza zurückgereist. Das Kaiserpaar hat, bevor der Kaiser nach den Manövern bei Totis (Ungarn) fuhr, noch dem groß herzoglich hessischen Paare in Darmstadt einen Besuch gemacht. Auch hat der Kaiser dem italienischen Minister des Auswärtigen Visconti- Venosta sein Bild geschenkt. *Die Köln. Ztg.' erfährt aus Darm stadt, daß der Kaiser und dieKaiserin von Rußland Anfang Oktober zum Besuch am Darmstädter Hof erwartet werden. Der Besuch sei ein reiner Familienbesuch. "Den kommandierenden Generalen Graf Haeseler und v. Wittich und dem Ge neralstabschef Graf Schliessen ist der SchwarzeAdlerorden verliehen worden. * Nach der ,Nordd. Allg. Ztg.' wird sich der Reichskanzler Fürst Hohenlohe nach der Abreise des Königs von Italien von Homburg, wie all jährlich, zu einem kurzen Aufenthalte nach Süd deutschland und zwar nach Baden-Baden be geben und von dort nach Berlin zurückkehren, „sobald die Geschäftslage seine persönliche An wesenheit hierselbst erfordert." — Von anderer Seite wird gemeldet, daß in Homburg zwischen Kaiser und Kanzler über die Militärstraf prozeß-Reform keinerlei Verhandlungen stattgefunden haben und daß die Entscheidungen erst im Oktober fallen dürften. * Unter den einmaligen Ausgaben des Etats des Reichsamts des Innern für 1898/99 wird sich auch eine beträchtlichere Summe zur Be streitung der Kosten der Beteiligung Deutschlands an der nächsten Pariser Weltausstellung befinden. Für das laufende Jahr brauchte nur ein geringfügiger Betrag in den Etat eingestellt zu werden, weil vorläufig nur mit den Kosten weniger Geld er fordernder Vorarbeiten, wie Sammlung und Sichtung der Anmeldungen, Verteilung des Raumes, Gruppierung und Ausgestaltung der einzelnen Kunst- und Industriezweige, sowie mit den Ausgaben für das Ausstellungsbüreau zu rechnen war. Für das nächste Etatsjahr werden sich jedoch schon Vorarbeiten nötig machen, die größere Kosten verursachen werden. * Die lange strittig gewesene Frage, wer für die Feuerversicherung solcher Waren zu sorgen hat, die auf den Zoll stellen lagern, um der zollamtlichen Revision zugefuhrt zu werden, ist jetzt amtlich entschieden worden. Danach muß diese Verficherungspflicht den Absendern bezw. Empfängern der be züglichen Waren zugeschoben werden. Eine Haftung gegen Verlust oder Beschädigung solcher Waren durch Feuer findet weder seitens der Zoll- noch der Postverwaltung statt. Die Haft pflicht der Postverwaltung ist mit dem Augen blick der Uebergabe der Pakete an die Zollstelle erloschen. Oesterreich-Ungarn. * Dem Wiener ,Fremdenblatt' zufolge ist die Einberufung des ö sterrei ch i s ch en R e i ch s- rates nunmehr für den 23. d. in Aussicht genommen. Frankreich. * Nicht bloß einige fünfzig, sondern neunzig Mann von der Besatzung der französi schen Kriegsschiffe, die den Präsidenten der Republik Faure nach Rußland begleitet hatten, find bei der Abfahrt auf russischem Boden zurückgeblieben und mußten dann an Bord des französischen Touristendampfers „Versailles" nachgeschickt werden. Nach der Sprache der französischen Blätter zu schließen, wird der Mangel an Disziplin den französischen Seeleuten nicht schlimm bekommen. Nach dem ,Figaro' berichtet ein Seemann, wie er seine Uniform verstümmeln mußte, um den Russen Andenken zurückzulassen, die gegen alle mög lichen Gegenstände, auch Damenhüte (I), von russischer Seüe ausgetauscht wurden. So wurden auch die später an Bord der französischen Kriegs schiffe fehlenden Mannschaften überall hin zer- sprengt. Italien. "Die Berichte der italienischen Blätter aus Homburg betonen die außer ordentliche Herzlichkeit der Aufnahme, die dem italienischen Königspaar von den deutschen Fürsten und der Bevölkerung be reitet wurde. Auch der glänzende Verlauf der Parade des elften Armeekorps hat auf die italienischen Zuschauer tiefen Eindruck gemacht. * Für die italienische Kolonialpolitik sollen nach dex -Rückkehr des Königs Humbert aus Deutschland wichtige Entscheidungen bevor stehen. Die Ernennung des Senators Bon- fadini zum Zivil-Gouverneur in Massauah, die früher für sicher gehalten wurde, ist plötzlich wieder in Frage gestellt, da Bonfadini infolge der Angriffe der oppositionellen Presse die ihm angetragene Stellung nun ablehnt. England. "Die Räumung von Berber durch die Mahdisten unter Osman Digma hat in England lebhafte Befriedigung hervorgerufen. Einmal ist dadurch die alte Handelsstraße von Suakin nach Berber wieder gangbar geworden, und ferner wird die Ablösung der Italiener in Kaffala dadurch erleichtert. Svanien. "Die internationale Verein barung gegen die Anarchisten gilt, wie dem ,B. T/ auS Madrid gemeldet wird, als gescheitert, da England grundsätzlich seinen Beitritt verweigert. Die spanische Regierung sucht nunmehr Sonderverträge mit anderen Staaten über die Anarchistenfrage ab zuschließen. "Die Witwe Canovas' hat den Titel einer Herzogin erhalten. * Die cubanischen Aufständischen haben die Stadt Victoria de las Tunas ge nommen. Die Stadt ist ein strategisch Wichtiger Punkt, so daß die Bestürzung in Madrid über diesen Erfolg der Insurgenten begreiflich erscheint. Ruhland. *Jn Petersburg mehren sich die Stimmen, welche versichern, daß keinerlei schrift liches Uebereinkommen zwischen Ruß land und Frankreich in Peterhof abge schlossen worden ist. Man glaubt, daß die französische Regierung in große Verlegenheit kommen würde, wenn die Opposition sie zwingen sollte, sich darüber zu äußern. So meldet der ,Graschdanin', daß an kompetenter Stelle ein gezogene Erkundigungen über das angeblich in Peterhof abgeschlossene Bündnis ein negatives Resultat ergeben hätten. *Das russische Finanzministerium hat dem französischen Handelsministerium seine Bereit willigkeit erklärt, sich im Jahre 1900 offiziell an der Weltausstellung zu beteiligen. Der russische Finanzminister hat zu diesem Zwecke zwei Millionen Rubel ausgeworfen, und soll der russischen Abteilung, unter welcher die Montan industrie eine hervorragende Stellung einnehmen wird, ein bevorzugter Platz in der Aus stellung eingeräumt werden. Balkanstaaten. * Der Sultan soll beunruhigt sein durch die rege Thätigkeit im Eisenbahnbau, die von Rußland in Zentral-Asien entwickelt wird, und habe seinerseits Jrades erlassen, in welchen die Behörden angewiesen werden, die anatolische Eisenbahn bis Siwas und Erzingian schleunigst auszubauen. — Den Eng ländern ist die russische Thätigkeit im Eisen bahnbau in Zentral-Asien mindestens ebenso un bequem. * Auf Kreta haben nun auch die Spha- kioten den Admiralen die Annahme des An gebots einer Selbstverwaltung ange zeigt, vorausgesetzt, daß die türkischen Tmppen Kreta verließen. Die Pforte hat die Botschafter von ihrer Bereitwilligkeit verständigt, die volle Selbstverwaltung Kretas anzunehmen unter der Bedingung eines jährlichen festen Tributs, der! Besetzung einiger befestigter Orte durch türkische Truppen und der Ernennung eines christlichen Gouverneurs, der ottomanischcr Unterthan sein und von den Großmächten seine Bestätigung erhalten soll. ' * Die ,Times' find beunruhigt über das Verschwinden des begnadigten und nach Konstantinopel zurückgekehrten Führers der Jungtürken Murad Bei. Afrika. * Vor Tanger (Marokko) ist nun auch ein italienisches Kriegsschiff einge troffen. Asien. * Die schon mehrfach aufgetauchte und jedes mal als unzutreffend erklärte Mitteilung» Deutschland hätte den chinesischen Hafen Tung-Pung-Kow gekauft, um dort eine Flotten st ation cinzurichten, ist wieder einmal aus New Dork der,Frkf. Ztg.' übermittelt, aber dadurch nicht richtiger geworden. In Kreisen, die davon wissen müßten, ist von diesem Erwerbe Deutschlands nichts bekannt. Handmerkskammern. Wie bekannt ist, werden gegenwärtig in fast allen Einzelstaaten die Vorbereitungen für die Errichtung der Handwerkskammern in die Wege geleitet. Dazu schreiben die,B. P. N.': Im Gesetz ist die Errichtung, sowie die Be stimmung über die Abgrenzung der Handwerks kammerbezirke den Landeszentralbehördcn über tragen und diese suchen nun zunächst über die Anschauungen der Handwerkskreife, namentlich bezüglich der letzteren Frage Informationen zu erhalten. Sobald hierüber Klarheit geschaffen ist, wird von den Zentralbehörden die Einteilung in die verschiedenen Handwerkskammerbezirkc er folgen. Es ist vorauszusehen, daß hier nicht nach einem Schema verfahren werden kann. Die regionalen Handwerks-Verhältnisse werden auf die Größe der einzelnen Bezirke einwirkcn. In Preußen werden Provinzen und Regierungs bezirke in Frage kommen, während andere Einzelstaaten ungeteilt bleiben dürsten. So liegt es beispielsweise in der Absicht, für Elsaß- Lothringen eine Handwerkskammer zu errichten, welche sich auf das ganze Land erstreckt. In diesen Fällen wird man wohl, was nach dem Gefetze zulässig ist, die Bildung von Abteilungen für einzelne Teile des Landes in Aussicht nehmen. Für die kleineren Staaten wird außer dem die Zusammenlegung zu einer Kammer in Erwägung gezogen werden. Wenn aber die Abgrenzung feststeht, wird an die Wahl der Kammermitglieder herangegangen werden. Es ist kaum wahrscheinlich, daß dies schon in einer ganz nahen Zeit geschehen wird. Wahlberechtigt find zur Handwerkskammer die Innungen, Ge werbevereine und sonstige, die Förderung der gewerblichen Interessen des Handwerks ver folgende Vereinigungen. Nun ist aber bisher die Mehrzahl der Handwerker in diesen Kor porationen nicht vereinigt. Es würde sich also darum handeln, ob man gut thut, von ihnen allein die erste Wahl zu den Handwerkskammern vornehmen zu lassen. In Elsaß-Lothringen bei spielsweise ist die Zentralbehörde darauf bedacht, erst den Kreis der Wahlberechtigten zu er weitern, ehe diese Wahl vorgenommcn wird. Dort liegen die Verhältnisse, da im ganzen nur 12 Innungen mit etwa 400 Mitgliedern be stehen, allerdings ziemlich anormal, indessen wird sich wohl keine Regierung ähnlichen Er wägungen verschließen können. Wenn aber erst einige Zeit hindurch die Wirkung der übrigen Bestimmungen der neuesten Gewerbeordnungs novelle abgewartet wird, dann werden die Hand werkskammern nicht sobald zusammengesetzt werden können. Jedenfalls darf man als ziem lich sicher annehmen, daß im laufenden Jahre auch dieser Zweig der Handwerksorganisation noch nicht zur Thätigkeit gelangen wird. Kon Uah und Fern. Metz. In dem königlichen Schlosse Urville werden zur Zeit wieder umfassende Wieder herstellungs-Arbeiten ausgeführt. Die Kosten sind zusammen mit dem neuen für die kaiser lichen Prinzen bestimmten kleinen Schlosse, dessen Pläne vom Kaiser genehmigt find, auf rund 700 000 Mk. veranschlagt. Die gesamte kaiserliche Besitzung in Lothringen kostet ein schließlich der wiederholten Um- und Anbauten etwa 2 Mill. Mark. Köln. Ein größeres Eisenbahn - Unglück wurde am Freitag früh, wie man aus Köln meldet, bei Kalk dadurch herbeigeführt, daß ein Gütcrzug vor der Blockstation Urbach halten mußte und bei seiner späteren Durchfahrt sechs Wagen durch Zerreißen der Kuppelung zurück ließ. Der 6 Uhr 18 Min. aus Köln abfahrende oberrheinische Personenzug stieß bei vorherrschen dem dichten Nebel mit voller Kraft auf den Gütertrain, wodurch die Wagen des Güterzuges vollständig sowie zahlreiche Wagen des Per sonenzuges zertrümmert wurden. Zwei Per sonen, ein Packmeister und ein Bremser, wurden unter den Trümmern begraben und blieben so fort tot. Zwei andere Personen erlitten schwere, zahlreiche Passagiere leichte Verletzungen. An der Unfallstätte herrschte großes Chaos. Worms. Der deutsche Fischercirat, der hier jüngst tagte, beschäftigte sich auch mit der Frage, warum der Aalfang zurückgehe. Oberst leutnant v. Derschau sprach sich dahin aus, daß dies zum größten Teil an den Fischern liege, die nicht die richtige Fangart anwendeten; die Fischer scheuten auch die damit verbundene Mühe. Ueber die Verbreitung schnellwüchsiger edler Karpfenrassen durch Einrichtung von Zucht stationen im Gebiet eines jeden der angeschlossenen Vereine sprach Prof. Dr. Weigelt-Berlin. Hier bei regte Herr Kraatz an, die Reichsregierung um die Anlage von Zuchtstätten in den eigenen Gewässern zu ersuchen. Der nächste Fischereirat findet in Schwerin statt. Kiel. Die Leiche des Leutnants v. Hahnke traf auf dem Aviso „Pfeil" am Freitag vor mittag 10 Uhr hier ein. Die Leiche wird nach Berlin übergeführt. Leipzig. Die Leipziger Ausstellung wartet Mitte des Monats den Verkauf der 2 000 000 Tageskarte. Am 15. d. find seit der Eröffnung der Ausstellung fünf Monat ver flossen, und rechnet man glatt 150 Tage, so kommt eine Durchschnittsziffer von 13 300 zahlenden Tagesbesuchern heraus. Daneben find noch etwa 40 000 Dauerkarten ausgegeben. Dem 2 000000sten Besucher ist eine wertvolle Gabe zugedacht. Dessau. Infolge des wachsenden Verkehrs wurde hier auch die Verbreiterung der „Böh mischen Straße" notwendig. Um diese zu er möglichen, mußte das Eckhaus der Böhmischen und Zerbsterstraße niedergcrissen werden. All gemein wird es bedauert, daß dieses Haus fallen mußte, denn dadurch ist Dessau um ein historisches Gebäude ärmer geworden. Das abgetragene Eckhaus war nämlich die alte be rühmte Apotheke, in der die „Anneliese", die Gemahlin des Fürsten Leopold von Anhalt- Dessau, des „alten Dessauers", geboren wurde. Zielenzig. Durch unzeitige Entladung eines Geschützes ist hier ein Unglück herbeigeführt worden. Von den auf dem Marktplatz ausge stellten Geschützen neuester Konstruktion entlud sich eines. Hierbei wurden der Schuhmacher meister Hellmund, der Schneidermeister Selle und ein Kind verwundet. Durch den Luftdruck wurden viele Fensterscheiben zertrümmert. Das Geschütz, in welchem aus Versehen eine Kar tusche zurückgeblieben war, gehörte der neunten Batterie des 2. Garde-Fußartillcrie-Rcgiments. Lübeck. Auf der Rothenhausencr Brücke einem mit vier Personen besetzten Segelboot zu schauend, welches auf der Einfahrt in den wild- bewegten Ratzcburger See sich befand, gewahrten drei Herren, daß das Boot plötzlich ihren Augen entschwand. Es war gekentert. Ihr eigenes Leben nicht achtend, rissen die jungen Leute ein Ruderboot los, welches sich am Stege befand, und fuhren bei dem furchtbaren Sturm auf den wildbewcgten See, dessen Wellen ihnen fortge setzt ins Boot schlugen, der, etwa 200 Meter von ihnen entfernten Unfallstelle zu. Fast über menschlicher Anstrengung bedurfte es, die vier Schiffbrüchigen, die am Kiel des Segelbootes sich festhieltcn, in ihr Boot zu ziehen. DaS Ncttungswcrk nahm eine halbe Stunde tu An spruch und gestaltete sich auch für die Retter ziemlich gefährlich. Der Schmied von Merborn. 4) Roman von E. v. Borgstede. lForttty»ng.) Mit schnellen Schritten stieg Fräulein Ulrike den Hang hinab und trat zu einem alten Mann, der als Aufseher bestellt war. „Nun, Mathies, wie geht es, find alle recht fleißig gewesen?" „Alle, gnädiges Fräulein!" und der runzel- volle Alte blieb an seiner Gebieterin Seite, die vorwärts eilte und mit scharfem Auge musterte, ob der Halm nicht zu lang stehen geblieben sei, und der Schnitt gleichmäßig ausgefallen. Dann trat sie zurück und begann mit Mathies eine Unterhaltung. Der alte Mann stand hoch in ihrer Gunst, er war der einzige, der eine Ent gegnung wagen durfte. Er hatte bei Fräulein Ulrikes Vater in Diensten gestanden, und diese selbst hatte ihn mitgebracht, als sie nach Eller- born kam. Es mußte etwas aus der Ver gangenheit sein, was diese beiden so ungleichen Menschen eng miteinander verband und sie treu zu einander halten ließ. Aber das Geheimnis, das darüber schwebte, wurde von Mathies wenigstens nie enthüllt; selbst Gundula, an der sein ganzes Herz hing, bekam stets sehr vor sichtige, abgcwägtc Antworten von ihm. Nur wenn sie ihn fragte: „Nicht wahr, Mathies, Tante Ulrike war in ihrer Jugend sehr schön?" dann leuchteten seine Augen auf in Stolz und Erinnerungsfreude, und aus vollster Brust erwiderte er: „Ein Bild war sie, ein reines Bild, Fräuleinchen, und die Mannsleute fanden das alle." „Kräuterlenz, Kräuterlenz," rief eine leise, vorsichtige Stimme, und kaum hörbar klopfte jemand an das Fenster der Schmiede. Die Alte, die spinnend am Ofen saß, — denn dort war ihr ständiger Platz, — horchte hoch auf und begab sich dann hinaus. „Herrjes, Schwanwirtin, Sie? Was führt Sie denn in der Dunkelheit her?" „Süll, nicht so laut! Braucht gerade nicht alle Welt zu hören, was wir zu verhandeln haben, Kräuterlenz l Ich möchte mir von Euch die Karten schlagen lassen." „Dann kommt! Aber nur leise, leise, daß der Friedel nichts hört." Die beiden Frauen huschten über den Flur in die mit Steinen ausgelegte Küche, und die Kräuterlenz verschloß vorsichtig die Thür. Der Helle Strahl des Mondes fiel voll und glänzend in den Raum und beleuchtete den weißen Tisch mit den bunten Kartenblättern darauf und den beiden Frauen davor. Eine offen brennende Oellampe verbreitete ein trübes, dämmerndes Licht, und ihr flackernder Schein malte selt'ame Schatten aus die gespannten Gesichter der beiden. In tiefem Schweigen saß die Kräuterlenz da, die kleinen, listigen Augen auf die Karten vor sich gerichtet, aus denen sie wahrsagen sollte. Aus einer langen Praxis hatte die Alte zur Genüge kennen gelernt, was ihre Klientinnen zu wissen begehrten, und außerdem steuerte sie auf Umwegen ihrem Ziel entgegen. So begann sie denn auch hier vorsichtig: „Herzdame find Sie, Müllern; denn Has find junge Wittwen, die noch immer hübsch und schmuck aussehen, und der Herzbube ist Ihre , Farbe und der, welcher Sie gern haben möchte. - Na, in Ellerborn gibt's — glaube ich — so ! manchen, der gern Schwanwirt wäre." Frau Müller errötete und glättete verlegen ihre Schürze. „Also Herzdame," fuhr sie dann fort, „da liegen Sie also, hm, hm, der Liebste ist ja schon dicht neben Ihnen. Muß ein netter Mensch sein und hat lauter gute Karten um sich. Wenn der kommt, greifen Sie zu, rate ich ihnen. Aber da, was ist da?" Hier machte die Kräuterlenz eine Kunstpause, um die Erwartung ihrer Zuhörerin aufs höchste zu spannen, und bückte sich, wie in tiefes Sinnen verloren, über den Tisch, bis diese ungeduldigt fragte: „Nun, was sagen die Karten, Lenzen, habe ich vielleicht eine Feindin?" „Ja," benutzte die Sybille geschickt diese Aeußerung, „dieselbe will Ihnen Ihren Schatz abwendig machen, sie gönnt den Burschen Ihnen nicht." „Weiter, weiter!" drängte die Wirtin. „Na, das scheint aber nichts zu werden, hier die Herzsieben verhindert es. Er hält Ihnen Treue, und die andere bleibt mit einer langen Nase zurück." Die Wangen der Frau hatten sich mit dunk lem Rot bedeckt, es stand bereits fest bei ihr, wer diese Feindin war, niemand anders als Bärbel nämlich. Schlich diese ihr und dem Julius nicht auf Schritt und Tritt nach, ver hinderte sie nicht auf jede Art und Weise mit dem geliebten Mann ein Alleinsein? Aber sie sollte sich hüten, die schlechte Dirne, und nicht vergessen, daß sie nur geduldet wurde im „Schwan". Der Julius gehörte ihr, der Wirtin, und sie würde ihn nimmer lassen. Die alternde Frau hatte eine heftige Leidenschaft z" dem jungen Mann gefaßt, der seinerseits die Gelegenheit ergriff, vorläufig zu freier Zeche und später zu Haus und Hof zu kommen. Wen» er die Schwanwirtin nahm, kam er so recht mitten hinein ins warme Nest, und das wat ihm eben recht. Bärbel gefiel ihm besser, das war sicher; aber ernst meinte er es nicht mit ihr- Während Frau Müller die Zukunft befragte, befand sich Julius bei Bärbel in der Gaststubc- „Himmel," begann er eben, „was machst d» denn für ein Gesicht, Bärbel, sieht ja aus w>r drei Tage Regenwetter! Hat es wieder mit der Alten einen Sturm gegeben?" „Nein," antwortete Bärbel kurz und sah a>j ihm vorüber; „weshalb fragst du überhaupt danach? Interessiert dich ja doch nicht, ob ich weine oder lache. . „Wetter, Mädel, was hast du?" Und Julm» sprang auf und näherte sich ihr. „So bist v» doch noch nie zu mir gewesen, so kurz äuge Kunden!" Bärbel antwortete nicht, mit ihrem lange Zopf spielend, stand sie da, und Nöte un Blässe wechselten auf ihrem Gesicht. „Habe im Walde neulich wenigstens mw davon bemerkt, daß ich dir ungelegen gekonnt wäre," fuhr der Bursche keck fort, „und " gestern auch nicht, als ich dir den Kuß ü geben habe." .. .„,m „Schweig'!" Das Mädchen war mit Sprunge an seiner Seite, ihr Antlitz war w
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