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Allgemeiner Anzeiger : 04.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189709042
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970904
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-04
-
Monat
1897-09
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.09.1897
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dem^bei Enrw?ü ruchloser An chlag rst in Tunnel 5V'm Birkenfeldischen gelegenen d" R^"-Nahebahn in einer der letzten entdeckt worden. Der Strecken - Bahn- an einer Stelle eine Anzahl Eichen- A?. en und Zementsäcke schräg über die schienen gelegt, so daß dem bald darauf zu ^?"^enden Personenzuge ein furchtbares Un- 6^uck drohte. Von dem Thäter hat man keine Spur. Dsterode. Ein Schäfer aus Pöhlde, dessen Herde unweit des Auekruges zwischen Herzberg und Hattorf auf das Bahngleis geraten war, wurde bei dem Bemühen, die Tiere zu ent fernen, von einem heranbrausenden Zuge über fahren und so schwer verletzt, daß er bald darauf verstarb. Auch mehrere Schafe wurden dabei in Stücke zerrissen. Hameln. Zwei „schweren Jungen" ist es gelungen, während sie im Gefängnishofe mit mehreren anderen Strafgefangenen spazieren ge führt wurden, über die Mauer hinweg ins Freie zu gelangen. Anfangs blieben sie bei sammen und rannten gemeinsam durch mehrere Straßen, gefolgt von Aufsehern und Zivilper sonen. Der eine hatte ein gezücktes Messer in der Hand und drohte, jeden der Miene machte, sie anzuhalten, niederzustechen. Schließlich schlugen sie verschiedene Richtungen ein. Leider ist es ihnen gelungen, das nahe Gehölz zu er reichen und vorläufig ihren Verfolgern zu ent rinnen. Altona. Die Witwe Thiedemann wurde durch ihren Bräutigam, den Schlosser Littfeld, auf offener Siraße aus Eifersucht durch Hals abschneiden ermordet. Der Mörder ließ sich ruhig festnehmen. Stettin. In der Nacht zum Montag über raschte der Schlächtermeister N. einen Einbrecher, als dieser gerade im Begriff war, bei N. einzu- brechen. Es entspann sich zwischen beiden ein Kampf, bei welchem N. durch einen Beilhieb auf den Kopf und durch einen tiefen Messerstich in die Brust tödlich verletzt wurde. Barmen. Beim Bau der elektrischen Turm bahn auf dem Sport- und Spielplatz stürzte der 25 Jahre alte Monteur Hugo Windmüller aus einer Höhe von 38 Meter herunter und blieb sofort tot. Ein Schlossergeselle, der mit ab stürzte, fiel auf den 4 Meter tiefer angebrachten Balken und trug nur leichte Verletzungen davon. Das Unglück ist dadurch herbeigeführt worden, daß ein Gcrüstbalken durchbrach. Der verun glückte junge Mann stammt aus Berlin. Pleschen. Nachdem erst dieser Tage in Kuczkow bei Pleschen eine ganze Familie in folge Pilzvergiftung gestorben, sind jetzt m Pleschen selbst die 13 jährige Tochter und der 7 jährige Sohn des Schlossers Kobylansn nach Genuß giftiger Pilze gestorben. Frau Koby- lanski liegt hoffnungslos danieder. Königsberg i. Pr. Auf dem Ostbahnhof wurde der Maschinenputzer Bley, als er sich zwischen einer Mauer und dem Tender einer Lokomotive befand, totgequetscht. Heidelberg. Das hiesige Bismarck-Denkmal wurde durch Begießen der Marmorbüste mit Tinte beschädigt. Der Thäter ist noch nicht ermittelt. Baireuth. Am 28. v. früh wurde hier an dem Vatermörder Bauriedl das Todesurteil vollzogen. Straßburg. Viel besprochen wird in den elsässischen Blättern der seltsame Tod eines Colmarer Wirtes. Der Wirt hatte sich einen Bierdruckapparat mit flüssiger Kohlensäure liefern lassen. Er bemerkte bereits am folgenden Tage, daß der Apparat schlecht funktionierte, und als er versuchte, ihn selbst zu regulieren, zersprang der Apparat unter heftigem Knall. Klan fand den Wirt mit zertrümmertem Kopse am Boden liegen. Ob der Apparat auf den zulässigen Druck nicht geprüft worden war oder ob ein unglücklicher Zufall waltete, muß die Unter suchung ergeben. Paris. Im Schlafsaale des Irrenhauses in dem Vororte Villejuif erdrosselte em Pfleg ling, namens Benin, seinen Bettnachbar Pingeux. Kein Wächter ahnte den Vorgang. Benin sagte am nächsten Morgen, er mußte sein Opfer erdrosseln, weil es ihm seinen Schlaf gestohlen habe. „Nach Mitternacht," so sagte er, „als ich ihn erdrosselt hatte, schlief ich ausgezeichnet! Basel. Ein Zionisten-Kongreß tagt seit Sonntag in Basel. Der Kongreß hat nach langer Debatte in seiner Vormittags-Sitzung am Montag das Programm der Bewegung folgender maßen formuliert: Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina. Zur Er reichung dieses Zieles nimmt der Kongreß folgende Mittel in Aussicht: 1) zweckdienliche Förderung der Besiedelung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern und Gewerbetreibenden. 2) Gliederung und Zusammenfassung der ge samten Judenschaft durch geeignete örtliche und allgemeine Veranstaltungen aus der Grundlage der Landesgesetze. 3) Stärkung des jüdischen Nationalgefühls und Volksbewußtseins. 4) Vor bereitende Schritte zur Erlangung der für die Erreichung des zionistischen Zieles notwendigen Zustimmung der Behörden. New Hork. Der amerikanische Millionär Ogden Coelet, dem halb New York gehört, ist am 29. v. an Bord seiner Dampfjacht „May- flower" auf der Reede von Cowes plötzlich ge storben. Gerichtslsalle. „ Berlin. Eine umfangreiche Diebstahlsan- klage beschäftigte die 2. Fenen-Strafkammer des Berliner Landgerichts bis zum späten Abend. Der Genchtssaal glich einer Abteilung eines modernen großen Warenhauses. Rings auf Tischen und Stühlen lagen große Kartons mit Seidenstoffen Spitzen, Shawls, Straußenfedern und anderen Zuthaten für Damengarderobe und über den Wert und Unwert dieser Gegenstände wurde mit einem Eifer disputiert, als handle es sich um das Getriebe einer Warenbörse. Auf der Anklagebank saßen die schon vielfach vorbestrafte unverehelichte Auguste Achilles und deren Busenfreundin, die unverehelichte Anna Engel, die gleichfalls vorbestraft ist, aber von der Natur so wohlwollend bedacht ist, daß es nicht unglaubwürdig erschien, wenn einige Zeugen behaupteten, daß die Angeklagte, wenn sie sich „in Gala" zeige, einer sehr vornehmen Dame gleiche. Beide Angeklagte, die wiederholt ihre innige Freundschaft hervorhoben, sollen, wie die Anklage behauptete, die gefährlichsten Ladendiebinnen Berlins sein; die im Gerichts- saal ausgebreiteten Waren sollten eine kleine Illustration zu ihrer verbrecherischen Thätigkeit darstellen. Beide gehören zu der Gesellschaft, die in den Nachtcafüs einen ständigen Aufenthalt zu nehmen pflegt. Sie scheinen unzertrennlich zu sein und bewohnen schon seit langer Zeit gemeinschaftliche Wohnungen in den besten Stadt gegenden Berlins. Die Angeklagte Achilles hat eine höchst bewegte Vergangenheit hinter sich, hat viele Jahre in London ein der Lebe welt zur Verfügung gestelltes Haus unterhalten und scheint auch in Berlin ein höchst abenteuer liches Dasein geführt zu haben. So kam in der Verhandlung zur Sprache, daß beide An geklagte in ihren Behausungen sehr intime Maskenbälle zu veranstalten pflegten, bei denen die Achilles mü Vorliebe in Männerkleidung die Honneurs machte. Letztere scheint eine sehr talentvolle Dame zu sein, denn sic behauptete, daß die Geschicklichkeit ihrer Hände ihr zahl reiche Kunden und großen Verdienst zugeführt habe: bald habe sie ihnen hochelegante Spitzen- Jupons, deren jedes Exemplar 60 bis 70 Mk. koste, angefertigt, bald ihre Titusköpfe mit Feder hüten geschmückt, bald die kostbarsten Spitzen- schlcier kunstvoll zu Umhängen geformt. Ihre Haupteinnahmequellc scheint jedoch aus Laden« diebstählen geflossen zu sein. In elegantester Straßentoilette zog sie mü ihrer Freundin von Geschäft zu Geschäft uud benutzte die sich bietende Gelegenheit, um alles, dessen sie habhaft werden konnte, in ihre Diebestaschen verschwinden zu lassen. Im Mai erschienen sie wieder in einem großen Bazar am Oranienplatz, welchen sie häufiger besuchten, ließen sich allerlei Sachen vorlegen und kauften eine Kleinigkeit. Als sie das Geschäftslokal verlaffen wollten, wurden sie festgehalten, in ein abseits gelegenes Zimmer geladen uud gezwungen, sich einer Leibesdurch suchung zu unterwerfen. Da zeigte sich denn, die Klügsten, es könne ihnen nicht fehlen, bis es zuletzt ans Tageslicht kommt." ^Ereifere dich nur nicht," suchte Friedel sie zu beschwichtigen, „sage mir lieber, was du im Berghaus gemacht hast; solltest deinen Füßen nicht mehr so viel znmuten, die Kletterei die Berge hinauf ist nichts für dich." Mutter Lenz stöhnte, obgleich sie keines wegs von dem Wege sehr mitgenommen war, und entgegnete dann mit schwacher Stimme: „Was bleibt einer armen, alten Frau übrig, als ihr Brot mühsam zu verdienen; führ' auch lieber wie die Schwanwirtin und ihr Bärbel im schmucken Wagen. Ich habe übrigens den Julius vorhin beim Vorbeigehen schon wieder tm Krug fitzen sehen. Glaube wohl, daß die kleme Hexe die Barbara, ihn gem sieht." -Schmied errötete und wandte sich zur Sette, seine Blicke flogen hinaus über die siuuwn, bcwaldctcn Berge mit ihrem Vogelsang, ihrem blumendurchwcbten Moostcppich; aber sein Herz empfand nichts von der Herrlichkeit rings« UM das that ihm weh. Ja, die Berge waren schön, sehr schön sogar und am meisten im Frühling, und Ellerborn lag wie eingebettet in Grun und Pracht da zwischen rauschenden Wäl dern und schimmernden Wiesen. Selbst über Friedels ruhiges Haus breitete eine Linde ihre ichattcnspendenden Zweige, das kletternde Gais- em Fenster, am Rande des KVic-blühten Vergißmeinnicht und weiße Gänwblnmchcn und vom nahen Walde herüber der Wildtaube. Weiter hinauf durch den herrlichsten Eichwald führte der Weg zu dem Gute Ellerborn mit der Ruine eines ehemaligen Schlosses, welches Fräulein Ulrike Strandow, der Besitzerin, und ihren Nichten zum Wohnsitz diente. Eng war die Behausung etwas, aber dafür desto romantischer. Nichts war mehr von dem eingestürzten Gemäuer zu sehen, Jahrhunderte alter Epheu hatte es mit kräftigen Ranken um sponnen und in leuchtendes Grün gekleidet, und unzählige junge, noch nicht festgewurzelte Triebe schaukelten von der Höhe herab und wehten gleich Fahnen in der Luft. Wo aber die Zimmer begannen, die Fräulein Ulrike be wohnte, da hatte alles freie Wachstum, alle Schrankenlosigkeit und Ungebundenheit ein Ende, da war alles nach bestimmten Grenzen geregelt, Die Wände glänzten in untadelhaftem Weiß, nicht einmal ein Weinspalier wurde geduldet, und Narzissen, Tazetten und Ranunkeln faßten in soldatischer Gleichmäßigkeit Beete und Wege ein. Fräulein Ulrike selbst saß Tag für Tag im Frühling und Sommer im Schatten eines Zeltdaches vor der Hausthür in ihrem Lehn stuhl und neben ihr ihre Nichten, Frau Bornow, die älteste, wenigstens stets mit einem Buch oder einer Handarbeit, während die jüngere, Gundula, durch die Berge streifte. Frau Bornow war eine hübsche, blasse Frau, immer still und apathisch, sie trug schwer an dem Leid einer kurzen, unglücklichen Ehe, die mit dem Ver schwinden ihres Gatten geendet hatte; selbst für ihre reizenden Zwillingsknaben hatte sie selten einen Blick. Auch heute saß sie zu Füßen ihrer Tante auf einem niedrigen Settel., bereits Ende! öie"fl ihren Knieen. Reiche, daß die Angeklagte Achilles einen vom Laden tisch gestohlenen, mehrere Meter langen Seiden stoff unter ihrem Mantel sich um die Taille ge wunden hatte und die Angeklagte Engel in ihrer Tasche mehrere andere dem Wertheimschen Geschäft gehörige Gegenstände hinausbugsieren wollte. Als man in der gemeinschaftlichen Wohnung der Angeklagten Haussuchung abhielt, fand man daselbst eine Unzahl von Pfandscheinen über Gegenstände aller Art vor und es konnte bald festgestellt werden, daß alle diese unzähligen Sachen aus Diebstählen in hiesigen großen Geschäftshäusern herrührten. Auch ein der Achilles gehöriger Trauring wurde mit Beschlag belegt; sie hatte sich, wie sie zugab, diesen goldenen Reifen unfertigen lassen, um den Hausbesitzern, von denen sie Wohnungen mietete, ein größeres Vertrauen einzuflößen. Im übrigen behauptete sie, daß alle bei ihr vorgefundenen Waren von ihr teils in großen Geschäften ehrlich gekauft, teils aus England hierher gebracht worden seien. Sie verriet dem Gerichtshöfe, daß sie seit ihrer, längere Zeit zurückliegenden letzten Strafe wieder holt in London gewesen sei und von dort häufig Seidenstoffe nach Deutschland eingeschmuggett habe. Sie erzählte in dieser Beziehung höchst abenteuerliche Geschichten und ging in der Un verfrorenheit so weit, den Namen einer Miß Thompson als denjenigen einer Kundin zu nennen, die aus England herüber gekommen sei, um einen Teil der beschlagnahmten Seidenstoffe zur Anfertigung von Kostümen zuzustellen. Die vernommenen Vertreter der bestohlenen Waren häuser ließen keinen Zweifel darüber, das die Schmugglergeschichte nichts als ein Märchen war und die beschlagnahmten Waren aus den hiesigen Geschäften herstammten. Bei der großen Gemeingefährlichkeit des bandenmäßigen Han delns der beiden Angeklagten beantragte der Staatsanwalt gegen die Achilles 7 Jahr Zucht haus, gegen die Engel 5 Jahr Zuchthaus. Der Gerichtshof glaubte, beide Angeklagte ganz gleich beurteilen zu müssen und erkannte deshalb auf je 4 Jahr Zuchthaus, 5 Jahr Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Unter jämmer lichem Geheul wanderten beide ins Unter suchungsgefängnis. — Daß cs Leute gibt, die den Aufenthalt im Gefängnis der Freiheit vorziehen, zeigte eine Verhandlung vor der 1. Ferienftrafkammer des Landgerichts. Der Arbeiter Dudda wurde in diesem Frühjahr wegen verschiedener Dieb stähle zu anderthalb Jahr Gefängnis verurteilt. Er richtete sodann vom Gefängnisse aus eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft, worin er sich selbst noch eines Diebstahls beschuldigte. Er habe im Herbst 1896 einem in der Chaussee straße wohnenden Kleiderhändler ein Beinkleid gestohlen, welches in der Ladenthür ausge hängt war. Er erreichte, daß ein neues Ver fahren dieserhalb gegen ihn eröffnet wurde, und wiederholte im Termin sein Geständnis. Der Angeklagte machte aber ein etwas langes Ge sicht, als der Staatsanwalt wegen dieses Dieb stahls eine einjährige Zuchthausstrafe und Um wandlung der noch zu verbüßenden Gefängnis strafe in Zuchthaus beantragte. Jetzt bat er um Zubilligung von mildernden Umständen. Der Gerichtshof erwies ihm nicht den Gefallen, ihn überhaupt zu verurteilen, da angenommen wurde, daß der Angeklagte den Diebstahl erheuchelt habe. Brackel. Als groben Unfug hatte ein Gendarm einen häuslichen Zwist zur Anzeige gebracht, der sich zwischen einer Mutter und ihrem Sohn abgespielt hatte. Der letztere er hielt ein Strafmandat von 3 Mk. wegen Ver übung groben Unfugs. Der Bestrafte beantragte gerichtliche Entscheidung. Der Amtsanwalt be antragte im Termin die geringste zulässige Strafe von 1 Mk., da es sich um einen häuslichen Zwist handle. Der Angeklagte erklärte sich mit dieser Strafe einverstanden. Das Gericht sprach ihn frei. Hierbei bemerkte der Vorsitzende, daß der Justizminister eine sparsamere Anwendung des groben Unfugsparagraphen empfohlen habe. Grober Unfug liege nur vor, wenn die Oeffent- lichkeit durch eine Handlung belästigt werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Bromberg. Die hiesige Strafkammer ver urteilte den Restaurateur Seiser aus Schleusenau ihr tief im Nacken, ihre blauen Augen waren gesenkt, über der ganzen Erscheinung lag eine statuenhafte Ruhe. Fräulein Ulrike hingegen machte einen ganz entgegengesetzten Eindruck. Hochaufgerichtet und kerzengerade saß sie in ihrem Lehnsessel, in ihrem feinen, klugen Gesicht noch immer Spuren großer Schönheit zeigend. Nur ganz feine Fältchen sah man auf ihrer Stirn, die lange, weiße Locken umgaben, die Augen blitzten noch in jugendlichem Feuer. Ein einfaches, dunkles Kleid umschloß ihre hohe Ge stalt, die sich rasch und sicher bewegte, ein großer, dunkler Strohhut lag ihr zur Seite. Fräulein Ulrike leitete seit Jahren mit der Kraft und Umsicht eines Mannes die Bewirtschaftung ihres Gutes. Da gab es nichts, was ihrem Hellen, scharfen Blick entging, da gab es nicht einen unter den Leuten, der widersprochen hätte, wenn sie befahl. Sie war nicht ungerecht und unbillig, aber von eiserner Strenge und nahm nie zurück, was sie einmal gesagt hatte. Sie hielt die Hande im Schoß gefaltet und blickte mit umwölkter Stirn auf ihre älteste Nichte herab. Ihrer starken, siolzen Seele widerstrebte ein solches Versinken in Schmerz und Gram. Kämpfen, ja, aber nicht untergehen, das war ihre Losung. Und dieser Frau hatte Gott außerdem zwei junge Menschenkinder ans Herz gelegt, die sie pflegen und hegen sollte, und für die sic kein zärtliches Gefühl zu empsinden schien. Fräulein Ulrike erhob sich plötzlich. Am liebste hätte sie den Mund aufgethan zu einer .r-Deulschenhap^svredigt; aber beim Anschauen 'ank ihr der Mut, und sie wegen Majcftätsbeleidigung zu sechsmonatigem Gefängnis. Der Verurteilte wurde sofort ver haftet. Seine eigene Ehefrau hatte ihn denunziert. Gemeinnütziges. Zwei Methoden, das Nasenbluten schnell zu stillen, find noch immer nicht all- gemein genug bekannt. Die erste besteht darin, daß man den kleinen Finger des Patienten, an dem unteren Teil des Nagels — und zwar muß man die Operation an derselben Hand vornehmen, an deren Seite das Blut aus der Nase fließt, also rechts, die rechte, links die linke Hand nehmen — mehrmals sehr fest mit einem starken Faden Zwirn unwickelt. Noch einfacher ist eS, den Arm derselben Seite, wo das Blut fließt, hoch in die Höhe gehoben zu halten, bis die Blutung aufhört. Dies ist besonders im Freien, wo sonstige Hilfsmittel fehlen, sehr an wendbar. Zur Erleichterung der unbequemen Haltung kann man dem Arm eine Stütze geben, indem man mit der Hand einen hohen Gegen stand : Baumast oder dergleichen erfaßt. Braunkohlenasche zu verwerten. Be kanntlich zeichnet sich die Braunkohlenasche durch ihren durchschnittlich hohen Gehalt an Calcium- sulphat (bis zu 50 Prozent) aus. Dies ist die Ursache, weshalb sie dort, wo sie in größeren Mengen abfällt, nicht nur unmittelbar als Düngmittel, sowie zur Kompostierung verwettet wird, sondern auch mit Vorteil als Zusatz zum Mörtel bei Bauten in vorgeschrittener Jahres zeit Verwendung findet, zu welchem Zwecke sie zur Beseitigung schlackiger und steiniger Bestand teile zuvor durch ein Sieb geworfen werden muß. Infolge des Gehaltes an Calciumsulphat bindet der Mörtel rascher ab und erhärtet und trocknet besser. Kuntes Allsulek. Die Versuche im Telegraphieren ohne Draht, welche am Freitag nachmittag Prof. Slaby vor dem Kaiserpaar und vor den kaiser lichen Prinzen auf der Matrosenstation bei Potsdam anstellte, ergaben bei Depeschen von der Aufgabestation bei der Sacrower Kirche eine gut leserliche Morseschrift. Der Kaiser fuhr später mit der „Alexandria" nach Sacrow, um dort einige Depeschen nach der Matrosenstation aufzugeben. Ein kräftiger Widerruf. Im,Amtlichen Niedcrunger Kreisblatt' fand sich kürzlich fol gender Widerruf: „Schon seit Jahren, wie auch in letzterer Zeit, haben wir die Besitzer George Schudtkus-, Karl Paltinat- und August Lcnke- witzschen Eheleute von hierselbst aufs greulichste unschuldig beleidigt, es thut uns dieses leid und thun wir hiermit öffentlich Abbitte, indem wir selbige als ordentliche Leute erklären. Auch warnen wir hiermit einen jeden, die von uns erdachten Lügen Wester zu Verbresten. Jodgallen, im August 1897. Wilhelm Sahmel, Johanne Sahmel." Menschenhandel. Eine anscheinend organi sierte Vereinigung von Menschenhändlern, welche ihre lebende Ware nach Holland verschicken, treibt gegenwärtig in Deutschland ihr Unwesen. Dieselben versuchen, junge Mädchen durch Ver sprechung glänzend bezahlter Stellungen zum Verlassen der Heimat und der Auswanderung nach Holland zu bewegen; die durch solche Ver sprechungen verlockten Mädchen werden an die in Holland ansässigen Agenten dieser Bande ge wiesen und sind für die öffentlichen Häuser der größeren Städte Hollands bestimmt. Die Polizei hat ein sehr wachsames Auge auf die Mitglieder dieses schmutzigen Gewerbes, wodurch es erst vor wenigen Tagen gelungen ist, an der preußisch - holländischen Grenze zwei dieser Mädchenhändler dingfest zu machen. Dieselben hatten bereits mehrere Mädchen unter Angeld und glänzenden Versprechungen nach Holland engagiert. In der Schule. Lehrer: „Das Schaf gibt uns die Wolle, aus der Wolle werden Stoffe gearbeitet, aus den Stoffen lassen wir uns Kleider anfertigen. Nun sag' Hans, woraus ist dein Rock gemacht worden?" — Hans: „Aus'n Vater seine Hosen." .^». wandelte den mit Taxis eingefaßten Mittelweg entlang und versank in Gedanken. Plötzlich erklangen jubelnde, lachende Stim men, und zwei reizende, achtjährige Knaben eilten auf Fräulein Ulrike zu, ihre Kniee umfan gend ; ihnen folgte auf dem Fuß in raschem Lauf ein Mädchen von achtzehn Jahren. Um ein süßes, rosiges Antlitz flatterten kurze, dunkel blonde Locken; schimmernde, nußbraune Augen, ein lächelnder roter Mund, feingeschwungene Brauen, eine zierliche, volle Gestalt vollendeten die liebreizende Erscheinung des Fräuleins. Das weiße, sommerliche Kleid ließ, hochaufgeschürzt, den kleinen Fuß sehen, der breitrandige, weiße Strohhut hing ihr am Arm. „Du hast uns nicht eingeholt," jauchzten die Kinder, noch immer an Ulrike geklammert, „wir sind zuerst hier gewesen, Tante!" Gundula Strandow beantwortete das Ge plauder der Knaben nicht, sie hing sich an der älteren Dame Arm und zog sie den Gang binab. „Es ist reizend," sagte sie mit ihrer Hellen Stimme, „daß du spazieren gehst, Tantchen; ich begleite dich, und du erzählst mir dann etwas aus der Vergangenheit, nicht wahr? Nichts höre ich so gern, als wenn du davon sprichst." „Laß das jetzt, Gundula," entgegnete Fräu lein Ulrike, „ich muß Ernstes mit dir besprechen. Susanne beginnt mich zu ängstigen, ihre Apathie ist entsetzlich. Jeder suche den Platz auszufüllen, auf den ihn das Schicksal gestellt hat, das ist meine Ansicht; aber Susanne regt keinen Finger, ihre Knaben zu Männern zu er ziehen." ST c (Fortsetzung folgt.)
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