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Allgemeiner Anzeiger : 04.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-04
- Sprache
- Deutsch
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- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189709042
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-04
-
Monat
1897-09
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.09.1897
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4 Politische Rundschau. Deutschland. * Die Reise des Kaisers nach Jeru salem zu Ostern nächsten Jahres steht, mehreren Blättern zufolge, fest. Das Kommando der „Hohenzollern" wurde von der Absicht des Kaisers bereits unterrichtet. Der Kreuzer „Gefion" wird die Kaiserjacht begleiten. Die Reise wird zwei Monate dauern. *Zu der Nachricht, daß Fürst Bismarck zu dem Stapellauf eines auf seinen Namen zu taufenden Schiffes eingeladen sei, schreibt ein Berliner Blatt: „Soviel uns bekannt, hat der Kaiser bereits im März 1895 bei der Taufe des „Aegir" in Kiel ausgesprochen, daß der Name Bismarck für den ersten großen, zum Auslandsdienst bestimmten Panzerkreuzer ausgehoben werden solle, und diese Bestimmung scheint neuerdings ihre Bestätigung gefunden zu haben. Leider ist kaum anzunehmen, daß dem Fürsten Bismarck sein Gesundheitszustand die Beiwohnung des Taufaktes ermög ichen wird. Der Stapellauf des Schiffes wird voraussichtlich Ende September stattfinden." * lieber Art und Grad der staatlichen Fürsorge für dieUeberschwemmten sind nach einer Berliner Zuschrift der.Schles.Ztg/, soweit bekannt, die Erwägungen noch nicht ab geschlossen. Abgesehen davon, daß die amtliche Aufnahme des Schadens zeitraubende Er- mitteilungen erfordere, sei gegenwärtig das Staatsministerium nicht vollzählig versammelt. Anzunehmen sei, daß man nicht wieder, wie im Jahre 1889 Beihilfen an die Geschädigten — von Ausnahmen abgesehen — unmittelbar ohne jede Auflage in Ansehung der Verbesserung der Vorflutverhältnisse austeilen werde. Es dürfte vielmehr ein Teil des bereit zu stellenden Be trages zur Durchführung planmäßiger Fluß aufregelungen zurückbehalten werden. Als deren Unternehmerin werde möglicherweise die Provinz eintreten. * Von den 26 d euts ch en StLd ten mit über 80 000 Einwohnern haben 24 der Anre gung des Stuttgarter Oberbürgermeisters zur Kollektivbeteiligung an der Pariser Welt- Ausstellung im Jahre 1900 definitiv zuge stimmt. Unter dem Vorfitz des Stuttgarter Oberbürgermeisters findet am 12. September in Karlsruhe die erste Konferenz der Stadtvorstände in dieser Angelegenheit statt. Auch der Reichs kommissar für die Welt-Ausstellung, Geheimrat Richter - Berlin, wird an dieser Konferenz teil- nebmen. * Die Errichtung der thüringisch-an- haitischen Staatslotterie hat die Direktion der sächsischen Staatslotterie veranlaßt, von den in Thüringen bestehenden sächsischen Kollekteuren genaue Spielerverzeichnisse cinzu- fordern, damit der Kundenkreis bei dem ferneren Betriebe sächsischer Lose den künftigen Kollekteuren erhalten bleibt. Dieses Vorgehen hat unter den in Thüringen wohnenden bisherigen sächsischen Lotteriekollekteuren Verstimmung hcrvorgerufen. Um nun die Veräußerung sächsischer Lose in den Thüringer Ländern thunlichst zu verhindern, find von den vereinigten tbüringischen Staaten strenge Maßregeln beschlossen worden; u. a. kann im gegebenen Falle selbst auf Gefängnis strafe erkannt werden. Die Behörden find an gewiesen, auf jede Uebertretung der vereinbarten Bestimmungen ein scharfes Auge zu haben. * Wie cs heißt, soll die bisherige Polizei- truppe im Togolande in eine kaiserliche Schutztruppe umgcwandelt und verstärkt werden. Oesterreich-Ungarn. * Graf Badeni unterhandelt mit der Rechten über Mittel zur Beseitigung der Obstruktion der Deutschen. Nament liche Abstimmungen sollen künftighin nur in ent scheidenden Fällen vorgenommen werden können; die Zehnminutcnpausen sollen fortfallen, und die Disziplinargewalt des Präsidiums soll dahin erweitert werden, daß widerspenstige Abge- j ordnete von den Sitzungen ausgeschlossen werden können. Frankreich. * Me ein sieg gekrönter Feldherr kehrt Faure nach Frankreich heim. Die Empfangsfeierlichkeiten wurden in großartigster Weise vorbereitet. Der Marineminister und der Kriegsminister hatten auf telegraphischem Wege den Kommandanten der Marine und Feldarmee den Befehl erteilt, anläßlich der Rückkehr des Präsidenten die Kasernen zu beflaggen und zu illuminieren. — Nur die Chauvinisten waren mit dem Programm für den Einzug des Präsi denten Faure unzufrieden und verlangten, Faure solle, wenn er auf dem Konkordienplatz anlange, den Wagen verlasfcn und vor der Straßburg- Statue den Hut ziehen. *Ueber den russisch-französischen Bündnis-Vertrag liegt jetzt eine halb amtliche Mitteilung vor. Der ,Soir', das Organ des Ministerpräsidenten Meline, ist er mächtigt, mitzuteilen, daß dieser am 25. August, am Vorabend der Toaste, worin die Allianz ausgesprochen wurde, aus Petersburg eine Depesche mit der Meldung vom Abschluß einer Offensiv- und Defenfiv-Allianz erhielt. Ferner ist der,Soir' autorisiert zu erklären, daß bis zur Reise des Präsidenten Faure nur eine pro visorische Militärkonvention bestand. Allerdings hatte in letzter Zeit der Minister des Aus wärtigen Hanotaux von einer autorisierten Per sönlichkeit die mündliche Zusage erhalten, daß in Kronstadt der ordentliche Allianzvertrag zum Ab schluß gelangen werde. Belgien. *Von Brüssel aus wird die Meldung, daß Kaiser Wilhelm dort nächstens zum Besuch des belgischen Hofes eintreffen wird, als unbegründet erklärt. Rußland. * Das Zarenpaar ist mit den kaiser lichen Kindern und den Großfürsten Wladimir und Paul Alexandrowitsch am Montag von Petersburg nach Warschau abgereist. Im kaiserlichen Gefolge befindet sich u. a. der Kriegs minister General Wannowski. Balkanstaaten. *Die Pforte hat neuerdings um Be schleunigung der Friedensver handlungen ersucht unter Hinweis auf die außerordentliche Höhe der täglichen Kosten für die Okkupationsarmee. * Da die Mächte hinsichtlich der Kriegs entschädigung nunmehr eine bestimmte Forderung aufgestellt haben, hat die grie chische Regierung sich entschlossen, darauf zu antworten, sobald sie von der Kammer ein Vertrauensvotum erhalten haben wird. Wie verlautet, werde die Regierung als Garantie für die Kriegsentschädigungs-Anleihe die Einnahmen aus der Tabaks- und der Stempelsteuer an weisen und erklären, daß sie es annehme, daß die Vertreter der Mächte in Athen eine Ueber- wachung ausüben, welche den Zweck hat, die genaue Erfüllung der Bedingungen des Anleihe- Vertrages zu sichern. *Eine von der Polizei in Konstan tinopel vorgenommene Zählung, durch welche festgestellt werden sollte, wie viele Armenier sich in jedem Hause befänden, rief unter den Armeniern lebhafte Beunruhigung hervor. Die Polizei erklärte ihr Vorgehen damit, daß sie die zwei noch nicht zur Haft gebrachten Teil nehmer an den kürzlich verübten Attentaten suche. Die übrigen neun Attentäter find ver haftet, der Prozeß gegen dieselben beginnt in der nächsten Woche. * Nach dem ,N. W. Tagbl/ traf maßgebenden Ortes die sichere Nachricht aus Kreta ein, daß die Insurgenten nunmehr den Widerstand gegen die Autonomie aufgeben und daß die christliche Bevölkerung von einer Annexion durch Griechenland nichts mehr wissen will. Amerika. *Jn Uruguay wurde an Stelle des er mordeten Präsidenten Borda der Kammerpräsi dent Cuestas zum Präsidenten der Republik gewählt. Afrika. * In Tanger (Marokko) beabsichtigt Rußland eine Gesandtschaft zu er richten und wird schon in nächster Zett einen Vertreter dahin entsenden. A *Zum Aufstand in Nord-Indien wird gemeldet: Schinwari, ein Polizeiposten in den Samuna-Bergen, ist von der Garnison aufgegeben und vom Feinde niedergebrannt worden. Im gleichen Distritt überfielen die Orakzais Kahi, einen anderen Polizeiposten, den sie gleichfalls niederbrannten. In Nariab- Samano plünderten sie den Bazar und äscherten die Schule ein. Sowohl der Kohat - Paß wie auch der Khaibar-Paß find jetzt von einer starken Macht der Afridis besetzt; die englischen Truppen find daher bei Matanni konzentriert, denn der Befehl zum Vormarsch ist widerrufen worden. Aufwendungen für de« Kolonial besitz. Von einer der deutschen Kolonialverwaltung nahestehenden Seite wird geschrieben: Der Etat des Auswärtigen Amtes enthielt im vorigen Jahre eine Zusammenstellung der gesamten Kosten der Kolonialverwaltung, sowie der Aus gaben für Zuschüsse an die einzelnen Schutz gebiete, die sich für das Rechnungsjahr 1896 97 auf 7 899 290 Mk. beliefen. Dazu war der Budgetkommisfion des Reichstages eine Ueber- ficht der Ausgaben mitgeteilt worden, die in an deren Reichsbehörden für die Kolonien ent standen waren. Diese beliefen fich bei dem Reichsmarineamt einschließlich der Jndiensthal- tungskosten der Stationsschiffe in den Ge wässern der Schutzgebiete auf 1236104 Mk.; in dieser Summe sind nur die besonderen Kosten der Jndiensthaltung einbegriffen, nicht also die sämtlichen Kosten der Besoldung und Verpflegung der Schiffsmannschaften. Weiter kommen noch in Betracht die Ausgaben des Reichspostamts für die Post- und Telcgraphenverwaltung in den Schutzgebieten mit 236 586 Mk. Miete für das ostafrikanischc Kabel und für das Kamerunkabel 239 100 Mk; endlich Kosten beim Reicheffchatz- amt 54 149 und beim Rechnungshöfe 1245 Mk. Danach bezifferten sich die Aufwendungen für alle Schutzgebiete auf 10 797 174 Nik. Diese erste Zusammenstellung auf Grund amtlichen Materials gibt Anlaß zu interessanten Ver gleichen, welche ergeben, daß Deutschland seine Kolonien mit den geringsten Kosten verwaltet. Die italienische Kolonie Erythräa erfordert nach den Aufstellungen von 1895 einen Kostenauf wand von nahezu acht Mill. Frank oder mehr als sechs Mill. Mk. Dabei ist die Kolonie Erythräa kaum so groß wie das Schutzgebiet Kamerun, während Deutschland fünf meist viel größere Kolonien besitzt. Für das britische Betschuanaland, welches England 1885 in Besitz nahm, hat das britische Reich jedes Jahr 2 bis 27r Mill. Mk. aufgewendet, während der Etat für Deutsch-Südwestafrika lange Zeit hindurch noch nicht die Summe von 300 000 Mk. er reichte. Diese Sparsamkeit hatte natürlich auch ihre Nachteile; denn wir blieben in bezug au; Verkehr und wirtschaftliche Einrichtungen hinter den Kolonien anderer Mächte bedeutend zurück. Es mag nur in bezug auf Ostafrika daran er innert werden, daß sowohl der Gouverneur von Wißmann, wie der Gouverneur Liebert darüber geklagt haben, sie könnten den wirtschaftlichen notwendigen Aufgaben wegen Mangel an Mitteln nicht nachkommen. Was Südwestafrika anlangt, so erklärte Frhr. v. Richthofen, als er die Leitung des Kolonialamts übernahm, in der ganzen Welt käme ein solcher Fall nicht mehr vor, daß eine so große Kolonie nach 12 Jahren noch nicht telegraphisch mit dem Mutterlande verbunden sei. Die Sparsamkeit in den Aus gaben schädigt uns nach allen Richtungen hin sehr. Wäre z. B. in den ersten Jahren unseres Besitzes nach Südwestafrika eine Schutztruppe von höchstens 200 Mann gesandt worden, die den Eingeborenen deutlich zeigte, daß wir nicht nur die Macht, sondern auch den ernstlichen Willen hatten, unsere Herrschaft dort fest zu er richten, so brauchten wir nicht zehn Jahre später die Schutztruppe auf 1000 Mann zu bringen und allein dafür jährlich mehrere Millionen aus zugeben. Ein solcher Rückblick und Vergleich zeigt am besten, wie wir unsere Kolonialetats gestalten sollten. Kon Nasi und Fern. Frankfurt a. O. Am Montag fand hier unter starker Beteiligung aus allen von dem Wasserschaden betroffenenKreisen des Regierungs bezirkes eine Versammlung statt, die über Maß nahmen zur Linderung der Not beraten wollte. Me aus dem Bericht der Deputierten, sowie aus den Mitteilungen des Dezernenten der Regierung hervorging, erweist fich der Schaden als ein ganz ungeheurer und übersteigt die schlimmsten Befürchtungen, er darf mit zehn Millionen eher zu niedrig als zu hoch veran schlagt sein. Herr v. Levetzow teilte mit, daß der Provinzialausschuß zur Herstellung der Deiche — es haben gegen 150 Deichbrüche stattgefunden — sowie der Brücken 500 000 Mk. bereit gestellt habe. Zur besseren Verbindung des Bezirkes mit dem Berliner Zentralkomitee wurde em geschäftsführender Ausschuß gewählt. Elberfeld. Auf dem Bahnhofe Vohwinkel stießen in der Nacht zum Montag um 12 Uhr zwei Personenzüge zusammen. Zwei Personen wurden getötet, zwölf schwer verwundet. Leichte Verletzungen kamen in großer Anzahl vor. Auch der Materialschaden ist bedeutend. Drei Loko motiven und fünf Wagen sind erheblich beschädigt. Magdeburg. Dem Scharfrichter Reindl, der am 28. v. das seltene Fest der goldenen Hochzeit feierte, ist vom Kaiser die silberne Ehe- Jubiläumsmedaille verliehen worden. Leipzig. Die Feier des 400jährigen Jubi läums der Leipziger Messen nahm am Dienstag mittag mit der Enthüllung des Kaiser-Stand bildes im städtischen Kaufhause ihren Anfang. Nachmittags von 3 Uhr ab setzt sich die Feier in der Ausstellung fort und begann hier mit großen Festkonzerten, welche von mehreren Musik-Korps ausgeführt wurden. Um 5 Uhr wurde im Altleipziger Meßviertel der Aus stellung das Festspiel „Vor vierhundert Jahren" von 120 Mitwirkenden dargest-llt. Um 6 Uhr war großer Aufzug durch die Hauptwege deS Ausstellungsplatzes, abends 8 Uhr in der Haupt gastwirtschaft der Ausstellung großes Jubiläums- Festbankett. Chemnitz. Ueber die Ausführung deS Raubmord-Attentats auf den Geldbriefträger Lieber liegen jetzt nähere Einzelheiten vor. Bei seinem Eintreten in das Zimmer Mauersbergers fragte Lieber ersteren, ob er der Adressat des Wertbriefes sei. Auf die bejahende Antwort des Mauersberger legte der Beamte den Brief auf den Tisch, worauf der Adressat um ihn herumging, anscheinend um eine Feder zu holen. In diesem Augenblick erhielt Lieber den Dolch stoß zwischen die Schultern, worauf er sich, ohne irgend welchen Schmerz zu spüren, sofort umdrehte, um den Buben zu fassen. Als aber dieser sah, daß der Beamte nicht stürzte, ergriff er die Flucht und wurde nun von seinem Opfer verfolgt. Das Befinden des Briefträgers, der erst Schmerz empfand, als ihm der Dolch aus dem Rücken gezogen wurde, ist ausgezeichnet, so daß er trotz seiner schweren Verwundung schon jetzt als gerettet bezeichnet werden kann. Saftnitz, Rügen. Die unter Stephan sprichwörtlich gewordene Gewissenhaftigkeit der deutschen Reichspost hat auch unter der neuen Leitung nichts eingebüßt. Im hiesigen Post- gebäude befindet sich gegenwärtig folgende „Be kanntmachung" angeschlagen: „Als unbestellbar zurückgckommen: Eine Postkarte, eingeschrieben, An den Nordpolfahrer Andree, Nordpol, z. Z. postlagernd. Der unbekannte Absender obiger Sendung wird hierdurch aufgefordert, fich inner- halb vier Wochen zu melden und nach ge hörigem Ausweis die Sendung in Empfang zu nehmen, widrigenfalls dieselbe nach Ablauf ge dachter Frist der Ober-Postdirektion Stettin zum weiteren Verfahren cingesendet werden muß. Saßnitz, 4. August 1897. Kaiserliche Post (unter zeichnet): Lehdl." Posen. In dem benachbarten Vorort Wilda ist der Kassierer der Spar- und Bau genossenschaft, Eisenbahnschlosser Schmidt, wegen Unterschlagung von etwa 5000 Mk. Genossen- schaftsgeldcrn verhaftet worden. Schmidt be hauptet, daß er einen Teil des Geldes an Vereinsmitglicder verliehen habe. Bartenstein. Nach Unterschlagung eine? Geldbricfes mit 5600 Mk. ist der 30 Jahre alte Postassistent Franz Karl Wagner flüchtig ge worden. Seine Spur ist bisher nicht gefunden. Auf seine Ergreifung ist eine Belohnung von 300 Mk. ausgesetzt. Aer Schmied von Merborn. 1) Roman von E. v. Borgsted e.*) Reich war er nicht, der Friedel Hellmann, und seine kleine, rußige Schmiede sah recht ärmlich und unansehnlich aus gegen die hüb schen, großen Häuser im Dorfe. Aber groß und geschmeidig war er und dabei so stark wie zwei andere Männer. Nur schade, daß böse Pocken narben sein frisches Gesicht verunstalteten, aus dem zwei Helle, blaue Augen hervorleuchteten; aber darum kümmerte der Friedel fich nicht, ein lustiges Lied saß stets bei der Arbeit auf seinen Lippen, und sein fröhliches Lachen war weithin zu hören. Es war Montag. Vor der Schmiede hielt ein Knecht die Pferde des einen Bauern in Ellerborn, und Friedel war beschäftigt, sie zu beschlagen. Wams und Gesicht waren ge schwärzt ; denn Hellmann hatte schon tüchtig ge- ichafst, bei ihm gab's eben keinen blauen Montag, er mußte fich ordentlich rühren, um sein Brot zu verdienen. „Mir liegt's noch in den Gliedern von gestern," sagte der Knecht, sich gähnend streckend, „hättest nicht so früh weggehen müssen, Friedel, nachher war's erst schön." Der Schmied ließ den Hammer sinken, ein Schatten flog über sein Gesicht, dann erwiderte er leise: „Nein, eS war Zeit, der wüste Lärm ist mir zuwider, und Rauferei entsteht doch jedes mal und " *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. Hellmann wandte fich lachend nach der Frau um, und ein halbbelustigter Zug legte fich bei dem Anblick der kleinen, dürren Gestalt, welche trotz der sommerlichen Wärme in einrotkariertes Umschlagetuch vom Kopf bis zu den Füße» eingehüllt war, um seine Lippen, dann erwiderte er ruhig: , „Na, Mutter Lenz, erst setz' dich und komB zu Atem und dann kram' deine Neuigkeit aus! denn ich weiß schon, runter von der Seele muß sie ja nun doch einmal." Dabei drückte er auf einen großen Stein nieder, der vor del Schmiede lag. Die Me lüftete das Tuch ein wenig E enthüllte ihr hochrotes mageres Gesicht n>u den listigen, grauen Augen, dann fuhr sie fort' „Wie gesagt, Friedel, es hat seine Nichtig^ damit, im Berghaus haben sie einen ncu^ Herrn bekommen, Thür und Fenster stehen und es wird rein gemacht; denn in zwei Tag^ kommt er an." , , „Nanu, Mutter Lenz, sollte das wahr se»!' Kann es mir beinahe nicht denken; denn lA einen, der ein rechter Mann ist, gibt es in Berß Haus nichts zu thun, da Felder und Liefen' Erbpacht gegeben sind, und ein Stadtherr E nicht zu uns hier ins Gebirge, wo es nichts g', als die schöne Natur, der bleibt unter scin^ gleichen, das kenne ich." , „Der Bauer sprach auch davon," fiel Am". ein, die Pferde zum Verlassen der Schmiede" treibend, „na, wir wcrdcn's ja sehen." „Ja, wir werden's sehen," triumphierte H Kräutcrlenz, „und dann wird die Alte doch behalten; freilich, die Jungen meinen, sie " - Er brach schnell ab, um seine Lippen zuckte es seltsam, eine schmerzliche Erinnerung schien über ihn zu kommen. „Ja, ja, bist ja immer ein Feiner gewesen," lachte der andere laut; das kommt, Friedel, weil du zu viel bei dem Fräulein in den Bergen steckst." „Ich lhue nur meine Pflicht, wenn mich das gnädige Fräulein rufen läßt, und ich ihre Arbeiten in Ordnung bringe, Anton; freilich, Manieren muß man haben da oben, da hast du schon recht!" „Na, aber, weißt du, ich möcht's nicht; ich hab' vor der Alten Furcht," sagte Anton mit gedämpfter Stimme, als könne ihn jemand hören; „hu, die kann einen ansehcn!" Nun lachte der Friedel sein Helles, herz liches Lachen, und schlug darauf los, daß die Funken stoben. Ja, freilich, ganz Ellerborn fürchtete das alte Fräulein Ulrike droben in der Ruine, sie hatte etwas so Eigenes, Stolzes in ihrem Wesen, nur Hellmann nicht. Besonders Anton wich ihr aus, wo er konnte, seitdem er einmal eine Bestellung bei ihr auszurichten hatte und in der Verwirrung mit der Mütze auf dem Kopf vor sie hintrat. Da hatte sich Fräulein Ulrike Strandow in dem Lehnstuhl aufgerichtet und mit ihrer Hellen, gebieterischen Stimme, ihre schmale, weiße Hand ausstreckend, gerufen: „Du hast noch deine Mütze auf, Bursche!" Das passierte Friedel aber auch nie! Wenn er zur Arbeit auf den Gutshof die Berge Hinan stieg, reinigte er vor allem dann So manches Schöne und Gute hatte er schon von da droben empfangen; der bunte, majestätische Hahn, der Herrscher seiner kleinen Hennenschar, das duftende Gaisblaü, welches sich um sein Fenster schlang, stammte auS der Ruine, und als fich vor kurzer Zeit die alte Kräuter lenz, welche ihm das Hauswesen besorgte, den Fuß verbrannt, hatte er ihr vom Gut heilende Salbe mitgebracht. Die Kräuterlenz war ein altes, gebücktes Weiblein, das seit langen Jahren verwitwet war und von ihrer Thätigkeit, offizinelle Gewächse zu sammeln, dieses Attribut vor ihrem Namen erhalten hatte. Aberglaube, Gespensterfurcht und ein gutes Teil Verschlagenheit kennzeichneten die Alte, welche so manches Mal — aber Friedel durfte es um keinen Preis erfahren — den jungen Mäd chen aus den Karten die Zukunft weissagte, wofür sic dann heimlich so manchen Lecker bissen erhielt. Das liebste aber war der Kräuterlenz, wenn sie von Haus zu Haus gehen konnte, um Neuigkeiten zu erfahren und mitzuteilen; freilich, mit der Wahrheit nahm das Weiblein es nicht allzu genau, es lief ihr da manches mit unter, das nicht zu der Geschichte gehörte; aber ohne dies war die Sache nicht halb so interessant. Soeben kam sie atemlos die Dorfstraße hinab geeilt — denn die Schmiede lag am Ende der selben, dicht am plätschernden Bach, der, aus den Bergen herabkommend, fich ins Thal wand — und rief schon von weitem: denk' nur, da drüben MiWMr 'einen Herrn bekommen,
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