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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz unü Wissen". Ständige Wockenbeilagen: Bad Sckanüsu, Zreitsg. den 2S. November 142? 71. ^akryang Nr. 275 Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Kleinhenners dorf, Krippen, Lichtenhain, Mittclndorf, Ostrau, Porschdorf, Postclwih, Prosson, Rathmannsdorf, Reinhardlsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischfähre, sowie für das Gesamtgebiet der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Malter Hieke Verantwortlich: K. Nohrlappcr Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gespallene 38 nun breite Petitzeile 20 Pfg., für aus wärtigc Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamezeilc 80 Vfg. Tabellarischer Sah nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gclvährt. Anzeigenannahme für alle in- und ausländischen Zeitungen - „ „Unterfmltungsbellage", Da« Leben im Vtlü Welt der Zrau", Illustrierte Sonntagsbeilage r-LULll tllt Ottv Tageblatt für die das Haup'rollamt Bad Schandau MUvcnZwcignieder- Stadt^ans-Stadtgnoka^^^^ - SSot.to: Dresden -13 327 Fernsprecher: Bad Sclfandau Nr. L2 - Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau Erscheint täglich nachm. 5 Uhr m" Au°nahn^ preis (in NM.) halbmonatlich ins '^/Niönoverte^ Erbohungen der Lhne "E fmr uns das Rech, der Nachforderung vor AS Scs lmmiWa MislmMSeliteii Bratianu plötzlich gestorben. Einer Halsentzündung erlegen. Daü durch die Streitigkeiten um die Thronfolge inner, lich so aufgewühlte Rumänien ist in eine neue Krise gc stürzt worden. Ganz unerwartet ist der an der Spitze der Regierung stehende Ministerpräsident I- E. Bratiann ans diesem Leben abberufcn worden. Er ist den Folgen einer Halsentzündung erlegen. In den letzten Tagen waren bereits in Bukarest Gerüchte verbreitet, die von einer ernsten Erkrankung dcSKabincttöchcfö wissen wollten, ^cne amtliche Mitteilung trat diesen Nachrichten entgegen und versicherte, dast Bratianu infolge Erkaltung unpäßlich gewesen sei, sich aber schon auf dem Wege der Bessern«« befinde. Bei der Halsentzündung, die zum Tode Vratiauuö führte, stellte sich die Notwendigkeit einer Operation her aus, die auch einen günstigen Verlauf nahm. Wenige Stunden später traten jedoch starke Hustcnanfälle mit Blut- I. I. C. Bratianu -j-. Vintilic Bratianu. answnrf ein, die dein Kranken schwere Atemnot bereiteten. Es muhte zu einer zweiten Operation geschritten werden, um durch Einsetzung einer Kanüle einen künstlichen Atmungswcg zu schaffen. Eine Blutuntersuchnng ergab das Vorhandensein einer allgemeinen Blutvergiftung. Bratianu, der von seiner Familie umgeben war, tat Don nerstag morgen früh gegen 7 Uhr den letzten Atemzug. Er stand im 61. Lebensjahre. Die Beisetzung soll auf seiner Besitzung in Florica stattfindcn. -ü Oie vorläufige Nachfolge. Sofort nach dem Hinschcidcn Bratianuö trat der Ministcrrat zusammen und fasste Beschlüsse zur Aufrecht erhaltung der öffentlichen Ordnung, da die Erregung in der Hauptstadt natürlich stark a,»stieg bei der Todesnach richt. Vintilic Bratianu, der Bruder des Ver storbenen, hat vorläufig die Ministcrpräsidcntschaft über nommen. Im Laufe des Donnerstagvormittags wurde in Birkarest wieder die Depeschcnzensnr verhängt. Sämtliche Regierungs- und öffentlichen Gebäude wurden militärisch besetzt. Bei den Garnisonen in der Provinz wurde der Alarmzustand verkündet, doch herrscht zunächst überall Ruhe. * Die innenpolitisch«! Lage in Rumänien. Bukarest. Das Exekutivkomitee der Liberalen Partei ist zusammcngctreten. Wie man versichert, wird die Führung der Partei einem leitenden Komitee aus drei Mitgliedern übertragen werde«. Als voraussichtlicher Führer der Partei wird entweder Vinu.a Bratianu oder Duca genannt. Die ncugcbildcte Regierung soll, wie angenommen wird, nnr vor- läufigen Charakter Haven. Ein neugcbildctes Kabinett werde sich ans die Mitarbeit von Maniu stutzen. I. Z C Bratianu 186t als Sohn des 1891 verstorbenen rumänischen Staatsmannes Joan Bratianu geboren. Dem Vater Bra- bis 1888 mit kurzen Unterbrechungen Ministerpräsident war, verdankt Rumänien die Unabhaugig- ?t und. dce Kouigswürdc. Dem Sohn Bratianu verdankt das Land die Entwicklung zum Groh-Rumänien. Seit 1895 Ab geordneter, wurde Bratianu der Jüngere 1897 Minister des Ittnern. 1910 übernahm er die Leitung der Liberalen Partei Ministerpräsident. Als solcher erwarb Ls "U >)Wrc. 1913 von Bulgarien die Dobrudscha. Seine Politik führte am 27. August 1916 zum Eintritt Rumäniens Alliierten. Da Bratianu bei Knegsschluh nicht alle Forderungen durchsetzen konnte, trat er im Dezember 1919 mruck. Nachdem das Kabim-tt ^akc Ionescu tm Januar 1922 unterlegen war, bildete Bratianu ein neues Kabinett. Im März 1926 machte Bratianu einem Kabinett Averescu Platz. Avcrcscu, der sich nur als Platzhalter für Bratianu erwies, machte schon im Juni 1927 dem Prin zen Stirbch Platz. Der kranke König berief bald Bratianu erneut zur Kabinettsbildung. Deutsches Beileid. Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann hat an den rumäniscl)en Minister des Äußern Titnlcscu das folgende Beileidstelegramm gesandt: „Die Nachricht von dem Hinschcidcn des Herrn Ministerpräsidenten Bratiann hat mich tief bewegt. Ich bitte Euere Exzellenz, mein aufrichtigstes Beileid eutgcgenzunchmcn und dieses auch der Königlich Rnmänischcn Negierung übermitteln zu wollen." Vas Testament VratianuS. Bukarest. Das Testament Bratianuö wurde geöffnet. Es betrifft mir FamilicnnnnclcgcnhcUcn. Bratiann hat die Nntmicsmng seines Bcrmögcnü seiner Gattin vermacht, wäh rend sein Sohu Georges Bratiann das Besitzrccht an dem Vermögen erbt. * Eidesleistung des neuen rumänischen Kabinetts. Bukarcst, 21. November. Die neue Negierung mit Veutila Bratianu an der Spitze Hal vor dem Negemschaslsral den Eid abgelegt. Die neue Negierung Hai eine Kundgebung au das rumänische Volk gerichtet, üi der zur Ausrechterhalluug der Nuhc und zur Einigkeit aufgefordcrl wird. Der außerordentliche Ministcrrai, der heute mittag zuiammen- trat, hat beschlossen, im ganzen Laude Traucrscicrlichkciteu für Bratianu zu vcraustatten. Der Leichnam wird in einem Festsaal des Athenenms ausgebahn. Am Sonntag wird er nach Florica übersührt. (Larol nach Numänien abgereist? Paris, 21. November. Nach den hier in den späten Abend stunden vorliegenden Meldungen aus Rumänien sollen die Oppo sitionsparteien den srühcren Kronprinzen Carol nach dem Ab leben Bratianus verständigt haben, sofort nach Bukarest zurück- zukehrcn. Gerüchtweise verlautet hier, daß Carol Paris bereits verlassen habe. Eine Bestätigung dieses Gerüchtes war allerdings bisher nicht zu erhalte«. Andererseits verlautet nach weiteren Meldungen aus Bukarest, daß die rumänischen Truppen Bcrrit- schaftsbesehl erhallten haben und daß starke Militärpatrouillen die rumänische Hauptstadt durchziehen. * London zum Tod Bratianus. London, 25. November. Der Tod des rumänischen Minister präsidenten Bratianu wirkt iu englische» politischen Kreisen ziemlich sensationell, da die letzten Krankhcitsbcrichtc nicht auf ein so schnelles Ende hingedcutet hatten. Die Bedeutung des Ereignisses für Rumänien wie für die internationale Politik wird iu de» politischen Kreisen eifrig erörtert, lieber die ent scheidende Rolle, die Bratiann in der rumänischen Politik spielte, besteht nur eine Meinung, während die möglichen Folgen seines Todes verschieden beurteilt werden. Im Augenblick betrachtet mau Lie Frage als entscheidend, ob cs der rumänischen Regierung gelingen wird, die Ordnung aufrecht zu erhallen. Die Presse enthält sich einstweilen aller Kommentare und weist nur darauf hm, das Vratiauu kaum in einem für Rumänien ungimstigcre» Augenblick sterben konnte. lieber Carols Absichten nach dem Tode Vraiiauus herrscht einige Ungewißheit, doch besagen die letzte» Nachrichte», daß er Paris nicht verlasse» hat. Ma» nimmt nicht an, daß Carol selbst m diesen» Augenblick auf eiucu Staatsstreich hmnrbcitc und »och weniger, daß solche Bestrebungen aus dem Lager der rumänische» Hofes irgendwelche Förderung erfahren. Der eiserne Mann. „Wehe dem Volke, dessen König ein Kind ist." Änf Rumäniens Königsthron, der erst vor sechsund- errichtet ist, sitzt solch ein Kind, sitzt ein sechsjähriger. Um ihn herum wirbeln die Intrigen, kämpfen skrupellose Machthaber, wird mit allen Mitteln, die eine politische Korruption zn erzeugen pflegt, um diese Macht gerungen. Und draußen — jetzt noch draußen — Kronprätendent, dessen Aussichten durchaus nicht schlechte sind. Eine eiserne Hand, die in der Wahl der Kampfmittel noch weniger bedenklich, noch skrupelloser war, meisterte bisher das Chaos, den — Bürgerkrieg. m>- ist jetzt erschlafft. Bratianu, Numäniens und wirklicher Beherrscher, ist ganz Plotzum acstorlum. Für eilige Leser. " Dcr Rcichsrat stimmic in seiner gestrige» Sitzung ». a. dem neue» Krafifahrzcug-Slcuergesetz zu, das die bisherige Regelung bis zum 31. März 1928 vcrläugeri. " Dcr Ncichsbcguadig»ugsausslhuß wurde durch den Vor sitzenden, den Abg. Dr. Moses (Soz), sür nächsten Diensiag ein- berusen, um von der Negierung darüber Erklärung eittgcgen zu nehmen, was zur wetteren Aufklärung des Falles Hölz bisher geschehen ist. Sodann wird der Ncichsbegnadigungsausschuß zu dem Fall selbst Stellung nehmen. * Nach einer Meldung aus Budapest Hal dcr Neichsverweser den Generalobersten Slojakovils zum Mililärallache bei dcr ungarischen Gcsandlschafl in Berlin crnannl. Der Negeutschastsral, vcu dcr unlängst verschiedene Nnmäncnkönig Ferdinand dem Sechsjährigen nach seinem Tode znr Seite stellen ließ — die Königinwitwe Maria halte keinen Anteil an der Macht, die sic so heiß erstrebte —, bestand ans dem Prinzen Nikolaus, einem Onkel des allzu jungen Carolsohucs Michael, dann ans dem obersten Kirchcnfürstcn Nnmäniens und ans dem Präsidenten des Kassationshofes, also dem höchsten richterlichen Beamten. Aber zn sagen hatten alle diese drei Männer so gut wie gar nichts, denn Bratiann herrschte, und inan weiß, daß er sich am wenigsten davor gescheut hätte, Rumäuicu zu einer Republik zu machen, wenn er cs zur Erhaltung seiner Macht für notwendig bcsnndcn hätte. Nichts zn sagen hatte auch die .Königinwitwe Maria, so wenig, daß cs in den letzten Tagen noch hieß, sic wolle sich in ein Kloster zurückzichen. Das wird sie setzt Wohl blcibcnlasscn. Es ist eine riskante Sache, zu prophezeien, aber — vielleicht ist Ionel Bratiann gerade zn rechter Zeit ge storben. Der Widerstand gegen ihn wuchs. Nicht in der Armee, ans die er sich doch verlassen konnte trotz mancher Spmpathicn, derer sich in ihr der Kronprätcndant Carol immer noch erfreut. Diese Spmpathicn hielt Bratianu mit eiserner Hand nieder. Aber auch der Ncgeutschaftsrat machte ihm Schwierigkeiten, namentlich Prinz Nikolaus, der wohl an eine Gefährdung des Thrones durch Bra- liann glaubte. Und dann kam die schwere moralische Niederlage, die das Diktatorcntnm des Ministerpräsiden ten in dem Prozeß gegen den Vertrauensmann des Prin zen Carol, den Obersten Manoilcscn, erlitten hat. Aus dem Angeklagten wurde dcr Kläger, dcr gegcu die mit allen Mitteln arbeitende Herrschaft Bratianus schwerste Auklageu erhob. Und was diese Niederlage zn einer noch schwereren machte, war die Tatsache, daß das Gericht, vor dem jener Vertrauensmann Carols stand, ein Mili tärgericht gewesen ist. Das war ein überaus harter Schlag für deu Diktator. Mit der parlamen tarischen Opposition, die recht stark ist, obwohl bei ru mänischen Wahlen mit allen Mitteln der Bestechung, Ge walt nnd sonstiger Beeinflussung gearbeitet wird, war Bratianu ziemlich fertig geworden. Freilich hatte auch sie ihm schärfsten .Kampf angesagt. Die Gärung, dcr Widerstand unter der Decke der Gewalt stieg immer weiter. Und dabei war Bratianu eiu — Liberaler! Bekanntlich hat Prinz Carol am 31. Juli, zehn Tage nach dem Tode König Ferdinands, seinen Thronvcr - zieht wieder z » r ü ck g c n o m m e n. Daß die Ne- gicrnng Bratianus erst vor ein paar Tagen die sogar viermal erfolgte Vcrzichtlcistnng veröffentlichte, blieb im rumänischen Volke ohne Eindruck; denn dort uutcu, im Halborient, nimmt man es nicht so genau mit dem Halte» eines gegebenen Wortes, namentlich dann nicht, wenn — Bratianu deu moralisch Entrüstete« spielt. So wird den« der Kampf um die Erbschaft beginnen. Vor läufig hat des Verstorbene!! Bruder, der im bisherige» Kabinett Finanzminister war, das Portefeuille des Ministerpräsidenten übernommen. Was er .bisher leistete, hat bewiesen, daß er Wohl kann: die starke, brutale Persöulichkeit ist wie sein verstorbener Bruder. Gewiß hat er im Parlament noch die große Mehrheit hinter sich; aber derartige Machtkämpfe spielen sich außerhalb des Parlaments ab. Wird er also dcr Erbe seines Bruders auch bleiben? Wird cs die Königinwitwe werden oder Prinz Carol, der jetzt noch draußen steht, aber seine Stunde wohl sicherlich für gekommen hält? Prophezeien ist eine mißliche Sache, besonders aber dann, wenn cs sich um Entwicklungen ans dem Balkan handelt. Eröffnung der Konferenz zur Verhütung der Kriegsgefahr. London. Die Konferenz zur Verhütung der Kriegsgefahr, zu der Staatsmäuucr und Schriftsteller aus alle» Teilen der Welt iu London erschiene» sind, wurde iu Anwesenheit des Rcichslagsabgcordncien Brettscheid durch deu frühcrcu ilalic- uischeu Premicriuttttster Nitti eröffnet. Unterzeichnung des albanisch-italienischen Vertrags. Rom. Die „Agcnzia Stefani" teilt mit, daß am 22. No vember in Tirana das Nertcidignngsbünduis zwischen Italien nnd Albanien unterzeichnet worden ist. Dcr Vertrag wird beim Völkerbund registriert werden.