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Sächsische Elbzeitmg 71. ^skrgsng Bsü Scksnüsu, Sonnsbenü. den 29. Oktober 1927 Nr. 254 Sächsische Schweiz eszetrung für die Landgemelnoe» Altendorf, Kleingießhübel, Klelnhenner». , Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postelwiß, Prallen, hmannsdorf, Reinhardtsdorf, Schmilka. Schöna, Waltersdorf, Wendischfähre, sowie für das Gcsamtgebiet der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: K. Rohrlapper Anzeigenpreis (in RM.): Die 7gcspaltene »5 mm breite Pctitzeile 20 Pfg., für aus wärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklainezeile 80 Pfg. Tabellarischor Sah nach besonderem Tari,. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. 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Betriebsstörung usw, berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Für eilige Leser. * Der Gedenktag für die Opfer des Weltkrieges wird in Bai-eru in diesem Jahre am l.T November begangen werden. Er gipfelt in kirchlichen Veranstaltungen. Die öffentlichen Ge bäude werden mit Trauerfloren behangen, und in. den Schulen wird aus die Bedeutung des Gedenktages hingcwicscn werden. * Der polnische Gesandte Olschowski hat gestern nachmittag Dr. Stresemann ausgesucht, um nähere Informationen über die Stellung des Ncichskabinelts zur Wiederaufnahme der Wirt- fchaftsvcrhandlungcn zu erhalten. Bekanntlich hängt diese nur noch von der Rückkehr des Reichskanzlers ab. * In mehreren galizischen Kreisen wurden in letzter Zeit zahlreiche Wölfe beobachtet, die am Hellen Tage die Viehherden überfielen. In der Gegend von Morszyn wurden mehrere Pferde in unmittelbarer Nähe der Bauernhöfe von den Wölfe» zerrissen. Menschenverlufte find bisher noch nicht bekannt geworden. * Der bulgarische Ministerpräsident Liaptschcsf eröffnete gestern die Tagung der Sobranjc. Er verlas an Stelle des Zaren die Thronrede. Als wesentliche Punkte der Rede sind hcrvor- zuhcben die Betonung guter Beziehungen Bulgariens zu allen Staaten und der Ausdruck der Hoffnung, vag der Völkerbund neue Anlcihcwünsche Bulgariens berücksichtigen werde. Auswanderung nach Südwest? Von vr. W a i t e r H a g e m a n ». Südwcst ist in den letzten Jcihren durch eine schwere wirtschaftliche Krise hindurchgcgangen. Nach der Besetzung durch die südafrikanischen Truppen druckte die mangelnde Ab satzmöglichkeit für Vieh die Flcischprcisc auf einen Bruchteil des Vorkricgs'tandcs herunter. Hunderte von Farmern mußten ihr Besitztum verlassen und m die Minen gehen, an dere hielten sich nur durch rechtzeitige Umstellung aus die Milchwirtschaft. Verloren gingen auch icnc Besitzungen, welche die 1919 ausgewiesenen Deutschen zurücklicßcn und meist unter ihrem Wert an den Höchstdietcnden verkaufen mußten. Diesem bedauerlichen Wirtschaftsrückgang wurde endlich ein Riegel vorgeschoben, als die Neucinwandcrung von Deutschen wieder srcigegeben und im vergangenen Jahre den Südwcstafrikanern in Gestalt des LandesratcS ein Aufsichtsorgan und Sprachrohr für ihre Wünsche gewährt wurde. Der Etat des Rechnungsjahres 1929/27 weist eilten Ucber- schuß von 67 000 Pfund Sterling auf, und trotz der scharfen Kritik, die Won deutscher Seite an dem Jahresbericht des Administrators geübt wurde, ist doch ein Fortschritt gegen über früheren Jahren unverkennbar. Die Ausfuhr von farm wirtschaftlichen Erzeugnissen ist wesentlich gestiegen, ebenso hat sich die Zahl der Rinder gegenüber 1914 verdreifacht. Die Zucht des hochwertigen Karakulschafes macht ebenfalls große Fortschritte. Die Viehzucht ist ja das Rückgrat der Land wirtschaft in Südwest. Der Bergbau befindet sich gegenwärtig in einer schweren Krisis. Zehn Jahre lang sind die Ausgaben von Südwcst fast ausschließlich von den Einnahmen aus der Diamantenindustrie bestritten worden, und diese bildet mit ihren 7000 Arbeitern ven volkswirtschaftlich wichtigsten Teil des Landes. Diese Jn- austric, die mit ocn Diamantennntcrnchmungen Südafrikas in Prodnktionsgcmcinschast steht, ist von den unkontrollierten Lichtenbnrger Diamantcnfunden auf das schwerste getroffen worden. Unzweifelhaft liegt im Bergban die Zukunft von Südwest, scheinen doch die Kupfer- und Diamantenvvrräte unerschöpflich zn sein. Aber beherzigenswert sind die Worte des Administrators im Windhuker Landesrat: „Der Bergbail ist großen Wechselfällen ausgesetzt. Bleiben wir auf ihn allein angewiesen, so geht es uns wie einem Manne, der einmal zn viel und einmal gar nichts zu essen hat. Wir haben also die Pflicht, die Blüte eines neuen Wirtschaftszweiges vorzu bereiten, der Farmwirlschaft." ' In Südwest herrscht ein bedenkliches Uebcrangebot an Weißen Arbeitskräften. In den Dianiantenminen sind mehrere hundert Weiße Arbeiter entlassen worden, deren Unterbrin gung in dem dünnbesiedelten Lande bereits Schwierigkeiten mamt. „Arme Weiße" sind in großer Zahl aus Südafrika ins Land gekommen und haben die meisten Stellungen besetzt, die früher von unbemittelten Deutschen ausgcfüllt wurden. Nun .beginnt in letzter Zeit die deutsche Einwanderung zuzunehmen, allein im letzten Jahre sind 750 Reichsdeutsche ins Laud ge kommen. ES wäre gewiß politisch wünschenswert, der buri- schen Masseneinwanderung eine deutsche entgegenzusetzen — wenn sie nur möglich wäre. Zunächst ist der Bur mit seinen primitiven Ansprüchen dort lebensfähig, wo der Reichsdeutsche verhungern muß, ferner hat er die Orts- und Sprachkenutnis voraus. Die großen Firmen beziehen ihre Angestellten unmit telbar ans Deutschland oder stellen landeskundige Einheimische an. Der Farmer macht die Arbeit mit seinen schwarzen Knechten meist allein, und die Einstellung weißer Farinknechte ist bei den Landesverhältnissen vorläufig kaum denkbar. Die Großfarmen, welche Volontäre einstcllen, sind an den Fingern zu zählen, beträgt doch die Gesamtzahl aller deutschen Farmen kanm 750! „Einwanderer, die nur ihre gesunden Arme mit bringen, können wir nicht brauchen", das ist die übereinstim mende Ansicht aller Südwester. Der Machtkampf in Rumänien Rumänien in Belagerungszustand. Vertraucnserklärung für die Negierung. Da der direkte Verkehr mit Rumänien gesperrt ist, herrscht eigentlich Unklarheit darüber, wie die Verhält nisse nun liegen. Trotz mehrfacher amtlicher Bernhigungsvcrsuche über die ausländischen Gesandtschaften kann cs keinem Zweifel unterliegen, daß schwere, vorläufig anscheinend noch nicht in offene Unruhen ausgelaufene Machtkämpfe das Land durchtobcu. Aus dem zunächstlicgcnden Belgrad hört man, das? über ganz Numänicu der Belagerungszustand verhängt worden ist. In Belgrad zweifelt man nicht daran, das? die Bewegung zugunsten des Prinzen Carol sich anöbreUc. Ministerpräsident Bratianu hat zahlreiche Truppen ans der Provinz rund um die Hauptstadt ver sammelt. Mau befürchtet, das? Bratianu dcu Präsidenten der nationalen Bauernpartei, Maniu, der iu so scharfer Weise im Parlament gegen den Ministerpräsidenten aus getreten ist, verhaften lassen wolle. In der Kammer nahm in einer ausführlichen Rede Ministerpräsident Bratianu zu der Verhaftung des frühe ren Staatssekretärs Manoilcscu und zu der Lage in Rumänien Stellung. Bratianu führte u. a. aus: Die nationale Einheit, die territoriale Unantastbarkeit nnd die Krone sind ein Erbgut, das den Generationen zugute kommt, aber über das sic nicht verfügen können. Wer versucht, dieses Erbgut zu vernichten, ist ein Feind des Staates. Wer durch irgendwelche Mittel versucht, dem, gesetzmäßigen Herrscher die Krone vom Haupt zu nehmen, ist daher ebenfalls ein Feind des Staates. Diejcnigeit, die versuchen, durch eine Volksabstimmung oder Partei- bildung oder auf andere Weise eine gesetzmäßige und endgültig sestgelegtc Negierung umzustoßen, begehen eine Handlung, die an den gesetzlichen Autoritäten zerschellen wird. Carol Hai keine Ansprüche. Der Verzicht des früheren Prinzen Carol, fuhr Bra tianu fort, war orduungömäs?ig und die Thronbesteigung König Michaels unter einer Regentschaft gesetzmäßig pro klamiert. Es gibt also keine gesetzmäßige Möglichkeit, aus diesen Verzicht zurückzukommcn. Man kann auch feststcllen, das? die Kundgebungeu Carols in der öffentlichen Mei nung Rumäniens keinen Widerhall gesunden haben. Man bringt dem Zwischenfall lediglich ein auf Neugierde be ruhendes Interesse entgegen. Der Abgeordnete M intn protestierte gegen die Ver haftung Manoilcscus und verlangte Regelung des Falles vor einem Zivilgericht anstatt einem Militärgerichtshof. Er fordere den Ministerpräsidenten auf, zurückzutret.'n, damit die dynastische Frage auf gesetzlichem Wege gelöst werden könne. Im Senat wurde von General Avarescu, dem früheren Ministerpräsidenten, eine Erklärung verlesen, wonach die Volkspartei gegen die ungesetzliche Verhaftung des Staatssekretärs Manoilcscu Protest erhebt, da die Negierung keinen Haftbefehl hatte und Manoilcscu auch nicht ans frischer Tat betroffen wurde. (Manoilcscu war bekanntlich der Agent des Prinzen Carol.) In der Kammer wurde nach der Erklärung des Mi nisterpräsidenten Bratianu eine VertrauettSerklÜruug für die Negicung angenommen. * Wie ein Budapester Mittagsblati ans Maria-Therc- siopcl meldet, haben drei Flugzeuge mit rumänischen Abzeichen die Stadt überflogen und etwa fünf Kilometer von der Stadt entfernt eine Landung vorgcnommcu. Nack- kurzer Zeit setzten die Flugzeuge ihren Fing in westlicher Richtung fort. In der Stadt glaubt man, daß es sich um rumänische oppositionelle Politiker handelt, die aus Nu- mänien geflüchtet sind. Nach cincr Havasmeldung aus Bukarest, werden die Oppo sitionsparteien in der Affäre Manoilcscu keinen gemeinsamen Protestschritt unternehmen. Die Anklage in dem in nächster Zeit beginnenden Prozeß gegen Manoilcscu wird der königliche Kom missar Oberst Carapancca führen Wie die Chicago Tribune aus Bukarest meldet, haben sämtliche Garnisonen in Transilvanicn Mobilisicrungsordcr für den 1. November erhallen. An diesem Tage wollen bekanntlich die Anhänger Carols ihre National versammlung abhalten. Die Vorgänge in Rumänien werden von der französischen Presse mit einem Eifer und einer Leidenschaftlichkeit verfolgt, als ob cs sich um innerfranzösische Vorgänge handele. Troß der Sympathien für Carol, ist jedoch die führende französische Presse der Auffassung, daß ein Hcrvortrelen Carols die bedenklichsten Folgen haben könnte. Man glaubt nicht daran, daß ihm Erfolge beschicden sein würden, da die starke Persönlichkeit Bratianus in Paris nicht unterschätzt wird. Der Tcmps betont heute, daß Bratianu die Lage vollkommen beherrsche und daß, solange er am Ruder bleibe, das politische Gleichgewicht in Rumänien nicht ge stört werden würde. Der Tcmps steht in dem Vorgehen der Opposition in erster Linie ein politisches Manöver gegen die Innenpolitik Bratianus. * Einbruch in die Wohnung Carols in Paris. Paris, 28. Oktober. In der Pariser Wohnung des früheren Kronprinzen Carol wurde in dessen Abwesenheit ein Einbruch verübt, bei dem lediglich politische Schriftstücke entwendet wur den, darunter eine Liste mit Namen rumänischer Politiker, die in der letzten Zeit dem Prinzen Besuche abgcstattct hatten. Der Einbruch wird auf politische Beweggründe zu rückgeführt. Die Vorgeschichte der Dokumentenentwendung klingt mysteriös. Der Diener des Prinzen, ein Rumäne, erklärte, er sei vor etwa 8 Tagen von einer fremden Frau auf der Straße eingeladen worden, mit ihr den Abend zu verbringen. Er sei der Einladung gefolgt. Am nächsten Morgen sei er in seinem Bett erwacht, ohne zu wissen, wie er nach Hause gekommen fei und ohne sich an die Ereignisse des Vortages erinnern zu können. Die Polizei vermutet, daß der Diener betäubt worden ist. Man glaubt, daß die Verhaftung Manoilescus mit dem Dokumentendiebstahl in der Villa Carols im Zusammenhang steht. In dem Kampf zwischen dein bnrischcn und deutschen Be- völkerungselcment nm die Vorherrschaft in Südwcst wärc eine Verstärkung der deutschen Front hoch willkommen. Fast zehn tausend Deutsche haben bekanntlich nach der südafrikanischen Besetzung das Land verlassen müssen, und die neue Landes regierung fördert mit allen Mitteln die bnrischcn Siedlcr, welche mit zirka 10 000 hcutc dcn ansässigen Deutschen zahlen mäßig nahezu gleich siud. Nachdem im vergangenen Jahre auf demokratischer Grundlage ein Landesrat geschaffen worden ist, dessen Rechte allmählich weiter ausgebaut werden sollen, ist cs eine Lebensfrage für das Deutschtum, die bisherige Stimmenmehrheit zu behalten. Nun braucht zur Erwerbung des Bürgerrechtes heute ein Nichtbrite in Südafrika rind nun mehr auch in Südwest fünf Jahre, ein Engländer dagegen nach den geltenden Bestimmungen nur ein Jahr. Vorläufig kann also selbst eiue starke deutsche Zuwanderung an der Aenderuna des Zahlenverhältuisses zwischen Deutschen und Buren nichts ändern. Leider würde es auch der südafrikani schen Verwaltung nicht schwer fallen, zur Beeinflussung des Stimmenverhältnisses einige Tausend Buren mehr aus dem benachbarten Südafrika über die Grenze kommen zu lassen und dadurch die deutsche Position hoffnungslos zu gestalten. Das ist um so betrübender, als heute iu vielen inneren Ver- lvaltungsfragcn, so bezüglich der Häfen, Eisenbahnen und Vcrkehrsstraßen eine durchaus südafrikanische Politik verfolgt wird. Ein Anschluß Südwests au Südafrika, der von den Südafrikanern ebenso dringend verlangt wie von den Deutsch- Südwestern abgelehnt wird, würde zweifellos für Südwest die größten wirtschaftlichen Schäden nach sich ziehen, würde doch Südwest eine fünfte, kleinste Provinz werden, während cs hcutc seine Angelegenheiten noch in gewissem Sinne selbständig verwalten kann. Leider werden sich die dentschcn Südwester vorlänfig darauf beschränken müssen, den gegenwärtigen Zu stand unter allen Umständen aufrecht zu erhalten und den südafrikanischen Absichten jeden gesetzlich erlaubten Widerstand nltgegenzusetzcn. Mli! i7/>l.I.X0k1IK0l.l.k.