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Sächsische Elbzeitung : 10.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-192706105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19270610
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19270610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-10
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 10.06.1927
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sprimgiiches Gcswndnls, das; er das Attentat ans ideellen Gründen begangen habe, aufrecht; doch will er keine näheren Angaben über seine ideellen Gründe machen. * Russische Feststellungen zu oem Gespräch Stresemann—Tschitscherin. Zu den in mehreren Blättern anfgetnuchten Mittei lungen, der Volkskommissar für Äusseres, Tschitsche- rin, habe in seiner Unterredung mit dem Aussenminister Stresemann sich dahin geänssert, der Warschnncr Mord werde keinesfalls zn einer Trübung der Verhältnisse zwischen Polen und der Sowjetunion beitragen, wurde von massgebender russischer Seite in Berlin bekannt- gegeben, dast der Volkskommissar Tschitscherin keinerlei Äusserungen bezüglich der möglichen Ergebnisse der Unter suchung und der Folgen des Warschauer Mordes getan hat. * Nervosität in Ruhland. Riga. !>. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist über den Bezirk Minsk der Kriegszustand verhängt, worden. Der Grenzschutz im Gouvernement ist verstärkt worden. Die Sowjct- rcgicrnng hat angcordnct, daß die in Zcntral-Rußlaiid stationier ten Truppenteile durch sibirische Truppen erseht werden. Die Kontrolle über die entlaufenden ausländischen Schisse in Kron stadt ist verschärft worden. Das Komitee der Leningrader kommunistischen Partei hat die Untersuchung des Leningrader Attentats übernommen. Zum Gouverneur von Leningrad ist mit ausserordentlichen Vollmachten Messing ernannt morden. * Neue Nussenverhastungen in Polen. Warschau, !>. Juni. Die Verhaftungen in Polen im Zu sammenhang mit der Ermordung des Sowjet-Gesandten Woskow dauern an. So wnrden Henle in Warschau mehrere neue Verhaf tungen vorgenommen, darunter die des Fürsten Meschlschcrski, des russischen Rechtsanwaltes Nikolajilw, des Präsidenten des russischen Nolen Kreuzes in Warschau, Ugrjumoff, und verschiede ner anderer Persönlichkeiten. In Wilna wnrde der Verleger der monarchistischen Zeitschrift „Dao neue Russland", Iakoblcsf, ver haftet. Auch in Erodnow, Brest-Litowsk wurden zahlreiche Ver haftungen vorgenommen. Das Berfahrcu gegen den Mörder Mojkows. W a r s ch a n , !>. Juni. Wie verlautet, hat die polnische Re gierung beschlossen, den Mörder Woskows durch die ordentlichen Gerichte nnd nicht durch ein Standgericht abnneilen zu lassen. Bei einer Verhandlung vor dem ordentlichen Gericht kann sich die Wilwc des Ermordeten als Zivilllägcrin bei der Vorunter suchung durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, während vor einem Standgericht Zivilintcressen nicht vertreten werden dürfen. Lemery über die Nhcinlandräumung. Senator Lcmery gab dem Pariser Vertreter einer Dresdner Zeitung eine Erklärung über den Standpunkt Frankreichs in der Räumungsfragc ab. Lemery sagte u. a., seiner kleberzugung nach sei es nicht möglich, die breiten Schichten des französischen Volkes jür die vorzeitige Zurückziehung der Okkupationsarmee verständ lich zu machen, wenn vorher nicht in Osteuropa dieselbe Stabili tät der Verhältnisse erreicht worden sei, wie sie der Locnruovcr- trag im Westen geschaffen habe. Ausserdem sei cs den Franzosen als den Freunden Polens nicht möglich, d»n Näumungsall ohne vorheriges Einverständnis mit Warschau zu vollziehen. Die Bereitwilligkeit des französischen Volkes, sich mit der beschleu nigten oder sofortigen Räumung des beschien Gebietes einver standen zu erklären, könne nur durch Schaffung eines für Deutsch land und Polen tragbares Modus gewonnen werden. Der Korridor in seiner heutigen Gestalt sei ein Fricdenshindernis, die obcrschlesische Frage müsse geregelt werden? Auch die Plänke leien wegen des Danziger Freistaates mähten ein Ende finden. Die Untersuchung der osteuropäischen Fragen sei die logische Fort- schung Der Locarno- nnd Thoiry-Politik. Er hoffe, dass Briand an diese Aufgabe herautreten werde, denn er erstrebe die voll kommene Versöhnung zwischen Dcntschland und Frankreich. Die Kulturschandc im besetzten Gebiet. Koblenz, 9. Juni. Vom hiesigen französischen Kriegs gericht wurden zwei französische Soldaten wegen Ueberfalles und versuchter Vergewaltigung eines jungen Mädchens zn sünf Jahren Zuchthaus, Ausschluss aus dem Heere und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren ver urteilt. Die Tat der beiden Soldaten war vor drei Wochen ver übt worden. WOM Mb Lelm Wer ihren NM. Nachdem der ungeheure Sturm der Begriiszungsfeierlichkeiten für die Ozeanflieger Chamberlin und Levine in Cottbus und Berlin etwas abgecbbt ist, habe» die Flieger Zeit gefunden, einen ersten Bericht über den Vcrlqus ihres kühnen Fluges ilbev den Ozcan nach Amerika gelangen zu lassen. Sie schildern ihre einzig artigen Erlebnisse u. n. wie folgt: Bald schon kreuzte» wir über dem offene» Meere, hatte» Malheur mit unsere», Kompah, er fu»klio»ierlc auf einmal nicht mehr, was tun? Die Situation war für uns fürchterlich, sollte» wir oh»c Kompass Das Weltmeer Durchkreuze»? Das ist unmög lich. Das ist ein wahnwitziges Unterfangen. Sollten wir um- kchrcn? Geradezu teuflisch erwachte diese Stimme in uns und lies; uns keine Ruhe. Nein, nie nnd nimmer, lieber nnlergchen, lieber im Meere krepieren, als jeht einen Rückzug antretcn. Lachend erinnern wir uns des kleinen Kompasses an unserer Taschenuhr und befestigen diese feierlich über dem nicht mehr funktionierenden Flugzeugkompah. Ferner gab es ja Da unten Eisberge in Fülle, und Eisberge sind'immer auch ganz gnte Weg weiser auf dem Ozcan, soweit man eben fliegt und nicht per Dampfer fährt. Wir flogen durch das Ncbelmecr, ohne zunächst recht zu wissen, wo -wir waren, obgleich Der Tajchen- uhr-Kompaß auf dem Posten war und es auch nicht an Eis bergen fehlte. Aber dann kamen immer wieder unerhörte Nebelschwaden, Die uns zeitweise keine Eisberge erblicken liehen. Wir flogen Dahin, nicht wie über einem Wellenmeer, sondern wie über einem Meer von schmutzig-grauer Watte. Es ging ranf und runter, zeitweise stiegen wir in eine Höhe bis zu 20 900 Fus; hinauf — wir flogen Stunden hindurch — der Abend kam. Es wurde Nacht. Wir flogen immer noch — bald leuchteten uns die Gestirne auf dem Weg durchs Ungewisse, bald verschwanden sie hinter iiachtschwarzen Wolken — es graute der Morgen. Mit neuem Nebel brach der Tag an. Wir flogen — flogen — flogen und wühlen eigentlich noch immer nicht: Wohin, wussten immer noch nicht, wo wir waren. Wohl muhte unserer Berechnung nach endlich Land kommen, aber welches Land? Wird es Irland sein oder England, Spanien oder Frankreich? Auch kein Schiff? Und wenn es der bescheidenste Segler wäre, dort unten auf dem dunklen Meer, irgend ein Lebenszeichen. Wir waren allein mit unserer Maschine, wir drei: Chamberlin, Levine und die treue „Columbia", wir waren nur auf uns angewiesen. Wir waren auf die Maschine angewiesen nnd die Maschine auf uns nnd alle drei auf unser Glück. Jetzt kam das Glück in Gestalt des grossen Dampscrs „Mau retania". Wir wollten unsern Angen kanm trauen, als wir das kraftvolle Schiff, vollbclade» mit fröhlichen Menschen, die uns zujubeltcn, nor uns wie eine» kleinen Flying Dutchman ans dem Meeresspiegel auftauchcn sahen. Mehrmals umkreisten wir das Schiff, aber eine Verständigung mit den uns feiernde» Passagiere» war leider »»möglich. Zufällig hatte» wir eine Ncwyorker Zeitung bei, nnd da kamen wir in unserer Not und unserem Zweifel auf die Idee, darin unter dem Shipping News nachzuforschen, wo die „Manrctania" um diese Stunde gewesen sein könnte. Da aber war unsere Freude groh, als wir feststcü.'n konnten, dass wir schon wider Erwarten weit vorgcdrungen waren und Europa vor uns lag. Wieder wurde es Nacht, und die Nacht brachte abermals undurchdringlichen Nebel. Jetzt muhten wir, dah wir schon über Europa waren, dah wir Englands Siidspitz« übcrslogcn hatten. Wege» des dichte» "Nebels gingen wir höher bis zu ungefähr 20 000 Fuß. In dieser Höhe trafen wir über Deutschland ein und hielten uns eine ganze Zeit lang so hoch, denn wir fürchteten in Deutsch land Gcbirgsstiirmc und Fabritschornsteine. Wir kannte» die deutsche» Städte nicht nnd anch unsere AUaskartc war ein wür diges Gegenstück zn unserem Taschenuhrkompah. Einmal waren wir über einer Stadt, deren zahllose Fabriktürme zu uns hinanf- sahe». Wir dachte» bestimmt, es sei Breme». Wir güige» ganz tief herunter nnd fragten ein halbes Dutzend Leute, wo wir waren, und sie versicherte» uns laut und deutlich: Dortmund. Mir stiege» wieder sehr hoch, als plötzlich sich Bc»zinma»gcl empfi»dlich bemerkbar machte. Wir gi»gc» wieder herab u»d kontttc» u»s bei Helsta bei Eisleben gerade noch einen geeigneten Landungsplatz suchen. Dorfbewohner brachten uns genügend Benzin. Rach 1 Stunden starteten wir wieder und wollten nun direkt nach Berlin, halten aber das Mihgcfchick, nns zu verfliegen. Dazu kam nun wieder Mangel an Benzin. Wir muhten wieder »arterre gehen. Bei der Notlandung gab es noch den Propeller- bruch. Das war Klinge bei Cottbus. Die letzte Etappe der grohen Reise. "Nun sind wir endlich in Berlin. Wer weih, ob wir „ohne Klinge" hicrhergekommen wären. * Ehrung der Ozcansliegcr durch die Stadt Berlin. Berlin. Der Magistrat hat beschlossen, den Ozeanflicgcrn zu Ehren eine Slrahc der Reichshauplstad, „Columbiastrahe" zn benennen und dieses heute Freitag beim Empfang der Flieger in, Berliner Nathans öffentlich bckannizugebcn. Anhcrdem wird dem Botschafter der Vereinigten Staaten, Chamberlin nnd Levine die grohe EhrenplakcNc der Stadt Berlin überreicht werden. Die Ozeanflieger werden zn dem Empfang im Fcftsaal des Rathauses im Namen des Magistrats durch den Siadtbaurat Dr. ing. Adler von der amerikanischen Botschaft im besonderen Wagen abgeholi werden. Dank der Amerikaner an Deutschland. Im Auftrage der beiden Amerikaner wird folgendes veröffentlicht: „Die Herren Chamberlin und Levine wünschen auf diesem Wege ihre aufrichtigste Erkenntlichkeit für die zahlreichen freundlichen Telegramme und sonstigen Gaben, welche sie seit ihrer Ankunft in Deutschland er halten haben, zum Ausdruck zu bringen. Sie bedauern, das? cS ihnen unmöglich ist, für die Hunderte von Briefen, die Blnmcn und anderen Gaben, die ihnen zugegangen sind, ihren Dank einzeln abzustattcn, und sie bedienen sich daher dieses Weges, nm ihrer von Herzen kommenden Dankbarkeit Ansdrnck zu geben." Der Stadt Kottbus gingen Danktelegramme durch den amerikanischen Botschafter und den Bürgermeister Walker von Newyork zu, ferner dankte noch besonders Botschafter Sch urman dem Reichsauhenminister in einem herzlichen Schreiben. Ernennung ChmmberliUs zum BrigaDegcneral. Newyork, 9. Juni. Wie verlautet, ist die Ernemnuig Chamberlins zum BrigaDegcneral beabsichtigt. Beschwerde -er presse gegen Polizeiwillkür. Im Preußischen Landtag hat der vollsparteile Abge ordnete Buchhorn eine kleine Anfrage cingebracht, in der fcstgcftcllt wird, daß die deutsche Presse ohne Unter schied der Partei sich dnrch die Art der Behandlung und durch die polizeiliche Behinderung bei Ausübung ihrer Pflicht bei Empfang der Flieger sich auf das schwerste ge kränkt fühlt. Die Anfrage fordert Verantwortung der Schuldigen und Verhinderung solcher Vorkommnisse für die Zukunft. Die Nachsvrschungcn nach Nungesser und Coli. Paris. Havas berichtet aus Ottawa, die Negierung der Provinz Quebec habe die Nachforschungen nach dem Verbleib der beiden vermißten französischen Flieger Nungesser und Coli aufgcgeben. Trotzdem zwei Wasserflugzeuge sorgfältig die Nordküste des Golfs von St. Lorenz und die Küste von Labrador abgesucht hätten, hätten sic keine Anzeichen feststcllen können, die die Annahme erlaubten, daß die beiden französi schen Flieger diese Gegend erreicht hätten. Die Mutter Nungessers hat übrigens an die Mutter Colis einen Brief ge richtet, in dem sie erklärt, daß ihr Glaube, daß Nungesse'' und Coli zurückkchrcn, noch immer so stark ist wie bisher, denn, so schreibt sie, mein Herz würde aufgchört haben, zu schlagen, wenn das meines Sohnes für immer aufgchört hätte, zn schlagen. 100 000 - Dollar - Angebot an Chamberlin für den Rückflug. Ncwyvrk. Der ZeiNmgsvcrlcgcr Hearst hat Chamberlin für dc» Fall, daß er die Rückreise über den Atlantik mit dem Flugzeug vorn-hmei- will, 100 000 Dollar angebolcn. Es ist unwahrscheinlich, daß er das Angebot akzeptieren wird. Überfall auf einen Kassenboten. Frankfurt n. M. Bei einem Gang von der Neichsbank zur Deutschen Bank wurde ein bei einer hiesigen Firma beschäftigter junger Mann von einem Unbekannten, der sich als Kriminal beamter ausgab, am Roßmarkt angehalten und zum Polizei- Präsidium gebracht. Dort nahm der angebliche Kriminal- beamte den» jungen Mann die Aktentasche, in der sich 2900 Marl Bargeld nnd zwei Schecks über 3886 Mark befanden, ab und ließ ihn im erstell Stock warten. Als der angebliche Kriminal beamte nicht wiederkam, schöpfte der junge Mann Verdacht. Er mußte aber erfahren, daß er einem Räuber, der ihn bei der Abhebung des Geldes beobachtet batte, nun Opfer gefallen war. 36 Punkte. Nm Montag tritt der V ö l ke r b u u d r a t wieder einmal zu einer Tagung in Genf zusammen und er wird sich nicht darüber beklagen können, allzu wenig Be- ratungsstoff zu habe». Zweifellos wird aber auch jetzt wieder das Schwergewicht der Besprechungen gar nicht im Völkcrbundrat liegen, sondern in den Zusammen- künsten der drei Außenminister Chamberlain, Briand und Stresemann. Allerdings haben wir Deutsche auch au mehreren Punkten von den sechsund- dreißig, die zur Beratung stehen,, ein besonderes Inter- esse, vor allem natürlich daran, was aus der Frage der deutschen Ostentscstignng werden soll. Paris drängt darauf, daß nach dem Muster von früher her die Kontrolle durch eine Kommission von Entcnteoffizieren erfolgen soll, und droht damit, Polen zu veranlassen, daß dieses an der deutschen Ostentfestigung ganz besonders interessierte Land in Genf den Antrag stellt, die be rüchtigte Investigationskommission des Völkerbundes, an deren Spitze ein französischer General steht, für die Kontrolle in Bewegung zu setzen. Ob der deutsche Vor schlag, eine neutrale Macht mit der Prüfung zn beauftragen, durchgehen wird, ist sehr fraglich; außerdem macht Paris die ganze Angelegenheit zu einem Handelsgeschäft, indem man ein deutsches Nach- geben iil dieser Frage durch eine Verminderung der Be- satznngsstärkc im Rheinland beantworten will. Davon kann natürlich keine Rede sein, weil anläßlich des Abschlusses des Vertrages von Locarno die Besatzungs- Mächte ausdrücklich zugcsagt haben, die BesatzungStruppen auf die Stärke znrückzufiihren, die der Stärke der deutschen Garnisonen vor dem Kriege entspricht. Diese einzige Konzession aus dem Jahre 1925 ist aber nicht erfüllt worden, soll jedoch zum zweitenmal von Deutschland erkauft werden. Wir haben das Zu- tränen verloren, daß auf der Gegenseite Versprechungen, die man gegeben hat, auch eingelöst werden. In Berlin rechnet man schon damit, daß auch eine zweite Frage, an der wir Deutsche besouders iutercssiicrt sind, nicht zur Verhandlung kommen wird. Das ist die große Denkschrift, die deutscherseits dem Völkerbund über die zahllosen Verletzungen des Mein ei st atnts dnrch Litauen überreicht worden ist. Bekannt lich hat dieses Ländchen gegen eine Verhandlung über diese Denkschrift protestiert, weil cs angeblich nicht in der Lage sei, das notwendige Gcgcnmaterial seinerseits zusammenzubringcn. Nach den Erfahrungen, die Deutschland bisher in Genf gemacht hat, werden wir damit rechnen müssen, daß diesem Proteste Litauens seitens des Völkerbundrates nachgegeben wird. Aber das Schwergewicht liegt doch wieder außerhalb der offiziellen Besprechungen, und da gibt es Fragen genug, die von den drei Außenministern erörtert werden können. Freilich fragt cs sich, ob diese Erörterungen überhaupt stattfiuden werden. Mit kaltem Hohn hat man es in Paris abgelchnt, die Frage der Nhcinlandränmnng oder auch uur die Frage einer Verminderung der Be satzungstruppen zum Gegenstand solcher Beratungen in Genf zu machen; die Zeit dazu sei noch nicht gekommen. Gewiß hat sich das Schwergelvicht der enropäischen Po litik jetzt vom Rhein nach der Weichsel ver - legt und Polen ist uur allzu gern bereit, das Spiel Frankreichs zn treiben. Unser deutscher Vertreter in Genf hat nicht das geringste Interesse daran, sich der Politik Frankreichs zn unterwerfen, die deutlich darauf abzielt, für eine Nheinlandräumuug uicht bloß Konzessionen in Form der Erhaltung einer irgendwie ge- arteten Kontrolle in jenem Gebiete zn erzielen, sondern die Frage der Räumung grundsätzlich zu verknüpfen mit einem Ostlocarno, also der Erhaltung des Zustandes, wie ihn der Versailler Vertrag an unserer Ostgrenze her- beigeführt hat. Der „Temps" hat vor einigen Tagen geschrieben, es müsse im Hinblick ans die Teilnahme der Deutschnatio- nalcn an der Neichsregierung verhindert werden, daß Dr. Stresemann mit einem Erfolg in der Tasche aus Genf zurückkehre. Die französische Zeitung ist im Irrtum; die Politik, die der deutsche Außenminister verfolgt, die For derungen, die er erhebt, sind nicht parteipolitisch einseitig, sondern sind Allgemeingut des ganzen Deutschland. * pariser Hetze. Auftakt für Geuf! Reden in der französischen Kammer. Paris, 9. Juni. Bei der Fortsetzung der Beratungen der französischen Kammer iibev die allgemein« Organisation der Armee bezeichnete der Deputierte der Rechten, Oberst Fabry, eine weitere Verminderung der rheinischen BesatzungStruppen als höchst ge fährlich l?j. Der Bericht des Generals Walch habe bezeichnende Einzelheiten über die militärische Organisation Deutschlands ge liefert (?)- Entgegen dem Versailler Vertrag sei der deutsche große Ecneralstab wieder geschasscn und die Grade der Armcc- kommandantcn und kommandierenden Generäle seien wieder ciu- gesiihrt worden. Am linken Nheinufer fänden sogar Hebungen organisierter Formationen statt l?). Fabry behauptet weiter, Frankreich habe sich einen Plan für Ostpreußen vcrschasscn können, nach dem innerhalb von drei Tagen eine Ncichswehrdivision alle Truppenteile in sich aufnchme, um sie asuf zwei bis drei Divisionen auszubauen. Was im Osten geschehe, könne sich natürlich auch im Westen ereignen. Die deutsche Armee bestehe also und sei in der Lage, zu einem gefährlichen Vorstoß auszuholcn (?). Kriegsminister Painlevü äußerle sich sodann cingchcnd über dic Organisation der französischen Armee. -10 Divisionen in Kriegsstärke von je 10 000 Mann seien erforderlich, dic innerhalb einiger Tage de» Kampf anfnehmc» könnten. Wen» man das Negierungsprosekt mit der Gegenvorlage vergleiche, so ergebe sich, daß das Projekt Renaudel zur Verteidigung von 1000 Kilometer Grenze 55 000 Mann und 30 000 Berufssoldaten beanspruche. Damit könne man einem Masseneinbruch nicht standhalten. Das Regicrnngsprojekt sehe für den ersten Schlag 600 000 Mann orga nisierter Truppen vor. Auf Zwischenrufe erklärte der Kriegs ministcr, daß für de» Fall eines neue» Angriffes gegen Frank reich dic französische Armee schon im Hinblick auf das Bestehe» des Völkerbundes sich von der Grenze zurückzichen werde. Bei einer Verletzung des Völkerbuudspaktcs würde die französische Regierung allerdings die nötige Entschlossenheit nusweisen. Für de» europäische» Frieden sei ein schwaches Frankreich die größte Gefahr. Oberst Fabry zog hierauf sei» Gegenprojekt zurück.
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