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Sächsische Elbzeitung // Nr. 100 Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt. StreiH-sperrung, Betriebsstörung usw, berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Vsü Scksnüau, Sonnabend, den 30. ttpril 1027 71. ^abrgang MA M S-LL L »7K LNU» Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: K. Nohrlappcr Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gcspaltcne .18 mm breite Detitzeile 20 Pfg,, für aus wärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Reklamezeile 80 Pfg. Tabellarischer Sah nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für alle in- und ausländischen Zeitungen Tageblatt für die Fernsprecher: Bad Schandöu Nr. 22 - Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau Sächsische Schweiz Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Kleinhenners dorf, Krippen, Lichtenhain, Mittclndorf, Ostrau, Porschdorf, Postelwih, Prossen, Rathmannsdorf, Reinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischfäyrr, sowie für das Gesamtgcbiet der Sächsischen Schweiz Slim«,,, W,-L-LS Im »»« Mineritantslyer AvrüstungüavpM Hughes über die Mmfliingsfrage. Für Einberufung einer Konferenz. In einer Rede auf der Jahresversammlung der ame rikanischen Gesellschaft für internationales Recht führte der frühere Staatssekretär Hughes aus, daß kaum eine günstigere Zeit für die Beschränkung der Rüstungen zn er warten sei als die gegenwärtige. Obwohl bei dem Ver- such praktischer Durchführung so starke Hlnder- uisse aufgetaucht seien, das, eine Verwirklichung im Augenblick kaum zu erwarten sei, habe die Friedens- bewcgung seit Kriegsende zweifellos Fortschritte gemacht. Jedoch seien die Nichtkämpscr heute mehr als je zuvor durch die Anwendung allgemein wirkender Vcnnchtungs- mittcl bedroht. Der Mangel an klaren Abkommen sei an sich eine Versuchung zu Ausschreitungen. Daher mttsitcn soweit als möglich klare, bindende Vereinbarungen erreicht werden. Sollte beispielsweise ein Verbot des Gaskrieges unmöglich sein, so müßte wenigstens die Nichtanwendung von Gas gegenüber der Zivilbevölkerung erreicht werden. Die Genfer Diskussionen ließen daran verzweifeln, eine weltumfassende Nttstungseinschrünlung für alle Völker und Waffengattungen zu erreiche«. Die enorme Zunahme der Rüstungen Europas und die da durch erzeugten Gefühle der Unsicherheit, der Furcht und des Mißtrauens hätten den Krieg unvermeidlich gemacht. Wie könnten mit dieser Erfahrung vor Angen Staatsmänner die gegenwärtige Gelegenheit zur Ab rüstung vorübcrgchcn lassen? Die Beschränk» na Italienische Rüstungen? Eine jugoslawische Darstellung. Die Agramcr Zeitung „Obzor" veröffentlicht einen Artikel ihres Sonderberichterstatters, der aufsehenerregende Nachrichten über die Vorbercitnngen enthält, die Italien feit zwei Monaten in Vcnetia-Jnlia trifft. ES heißt in dem Artikel u. a.: Der ganze Bezirk an der Grenze zwischen TarbicS nnd Fiume befindet sich tatsächlich im Bclagernngöznstand. Sämtliche Dörfer sind von Ab teilungen der faschistischen Miliz beseht, die eine äußerst scharfe Überwachung der slowenische.! Bevölkerung und ganz besonders der Fremden anSüben. Der ganze Bezirk zwischen TarbicS nnd Fiume ist be- festigt. Im Verlauf der lchteu Zeit sind zahlreiche be- tonicrte Gcschühständc für Artillerie erbaut worden. Außerdem befindet sich in dieser Gegend ein vollständiges Nch von Schützengräben, Bcrbindnngswcgen und Slachcldrahthindernisscn. ES wird eifrig an der Er bauung strategischer Straßen gearbeitet. Bahnhöfe, die für den normalen Eisenbahnverkehr nur nntcrgeordnetc Vr^ nlnng haben, sind vergrößert und mit Verladerampen ansgestattet worden. Höhere Offiziere bereisen die ganze Gegend im Anto, nm das Gclünd" zu studieren. Die italienische Flotte iu Ouarncro ist in Alarm bereitschaft. Im Hafen von Pola, wo bisher nur einige Torpcdojäger ihre c -- l-attcn, liegt ein Kreiizcr- gcschwadcr, das vier .-»^.^er, mehrere Torpedojäger und Torpedoboote zählt Diese Schisse haben den Auftrag er halten, den nördlichen Teil der Adria g« überwachen, während die Häfen der mittleren Adria von den in Ankona liegenden Einheiten überwacht werden. Der Stab des dritten Armeekorps, das in Triest liegt, hat den Auftrag erhalten, sofort dem Oberkommando eine Aufstellung der Gegenstände zuzuleitcn, die noch nötig sind, um die Aus rüstung und Bewaffnung auf den Kriegsfuß zu bringen. Gorz, das bis jetzt Standort einer Division war, wird nunmehr der Sitz des Hauptquartiers eines neuen Armee korps, so daß ans einem Gebiet von nur 10 000 Ouabrat- kllomctcrn zwei Armeekorps untergebracht sind. Zu diesen Truppen muß noch die faschistische Miliz lunzngeznhlt werden, die in der Stärke von fünf Legionen rn Venetia-Julia dauernd mobilisiert ist. LmiW »Mutiert das MM-WeMe Momma. Loudon, 29. April. Die in einem Teil der kontinentalen Presse verbreiteten Gerüchte von einem schriftlichen oder münd lichen Abkommen Mischen England nnd Italien werden dem Vertreter der TU. gegenüber an amtlicher Londoner Stelle als jeder Begründung entbehrend bezeichnet. Hinsichtlich Albaniens ,ei die Lage, wie bekannt, so, daß die Votschnsteckonferenz vor geraume Zeit Italien aus rein geographischen Gründen als handelndes Organ der Botschafterkonferenz bestimmt habe. Ans ocr oculjlhcu Lvehr macht durch dcu Versailler Vertrag sollte «ach Erklärung der Mächte der Beginn einer allgemeinen Nttstnngöbeschränkttng sein. Die Satzung des Völkerbundes habe diesen Gedanken ausgenommen nnd der Vertrag von Locarno habe die Grundlagen der Sicher- heit geliefert. Wenn man diese jetzt nicht als ausreichend anschc, so sei kanm einznschcn, ans welchem anderen Wege eine solche Sicherheit geliefert werden sollte. Weder Ehina noch Rustland könnten als znrcichendcr Borwand für Nüstnngcn angesehen werden. Was immer der Anlaß zu den amerikanischen Flottcnrüstungcn seit 1910 gewesen sein möge, nach der Zerstörung der deutschen Seemacht seien mir noch zwei große Flotten Vor hand-!,. Ein Krieg mit England bedeute den Zusammen- bruch der Zivilisation. Der Gedanke eines Krieges mit Japan sei dem Alpdrnck des Mißtrauens entsprungen. Die erhoffte Verständigung der drei Mächte über die See- abrttstung sollte andern Mächten als Beispiel dienen. Hughes befürwortete schließlich die Einberufung c i n e r n e u c n A b r ü st u u g s k o n f e r c n z. Die Welt werde, so sagte cr, von den sie erdrückenden finanziellen Lasten nicht eher befreit werden, als bis die Völker vom Alpdruck des Krieges erlöst scicu. >i- Auch die „Times" beklagt das Ergebnis der Genfer Abrüstungskonferenz und bedauert, daß Frankreich und Italien den von Amerika veranlaßten Verhandlungen über die Beschränkung der F l o t t c n r ü st n n - gen, die im Juni stattfindcn sollen, fcrnblcibcn wollen. Grund dieser Entscheidung seien die italienischen Befugnisse in Albanien definiert worden. Wenn in Albanien ein Konflkt entstehen sollte, so würde die Votschafterkonfcrcnz auf Grund dieses Beschlusses auf Italien als den unmittelbaren Nachbarn von Albanien und die aus naheliegenden Gründen am meisten interessierten Großmächte zurückgrcifen. Die Behauptung, daß England Italien in einem schriftlichen Abkommen freie Hand in Albanien oder in einem weiteren Gebiete des Mittclmecrcs ge geben habe, sei völlig aus der Luft gegriffen. Nicht uninteressant ist der Hinweis, daß eine Pariser Stelle an der Verbreitung von Nachrichten wie den oben wieder- gegebenen interessiert sei. So sei gelegentlich des Amtsantrittes des neuen italienischen Botschafters in London vom Quai d'Orsay das Gerücht verbreitet worden, daß Großbritannien durch den englischen Botschafter in Nom bei Mussolini energische Vorstellungen in der albanischen Frage erhoben habe. Der Sinn dieser durchaus falschen Behauptungen könne nur darin liegen, daß man in Paris offenbar ein Interesse daran habe, Mussolini in seiner Stellung zu beirren. Paris, 29. April. Die von einem Berliner Blatt ge brachte Meldung über einen Gchcimvertrag zwischen London und Nom findet in der Pariser Presse große Beachtung. Be sondere Bedeutung mißt man der angeblich vereinbarten englisch- italienischen Zusammenarbeit im mittelländischen Meere bei, die, wie „La Presse" erklärt, ausschließlich eine Spitze gegen Frankreich habe. Die der italienischen Botschaft in Paris nahe stehende Nachrichtenagentur Transalpina dementiert ebenso wie heute mittag der Quai d'Orsay formell das Bestehen eines Gc- heimvertragcs zwischen London und Nom und verweist auf die Abneigung Englands, Verpflichtungen cinzugehcn, die seine Be- wcgungs- und Entschließungsfrciheit eineiigen könnten. Nach Informationen des Vertreters der Til. in Paris besteht augenblicklich zwischen England und Italien keine Militär konvention. Eine solche wurde vor Beilegung des Mossul- konfliktes zwischen den beiden Staaten abgeschlossen, zu einer Zeit, als England eine Kriegserklärung der Türkei befürchtete. Nach dieser Konvention verpflichtete sich Italien, in Kleinasien zwischen Mersina und Adalia mit 250 000 Mann cinzufallen. Diese Militärkonvention ist aber nach der friedlichen Regelung der Mossulaffäre hinfällig und nicht wieder erneuert. Dagegen kam, wie die Til. früher mehrfach meldete, zwischen Italien und England eine Entente, zustande, die später in Nom bestätigt wurde, die sich auf das östliche Mittelmeerbecken und den Balkan bezieht. In diesem Vertrag verzichtete Italien auf alle An sprüche im westlichen Mittelmcerbecken einschließlich Marokkos und sicherte sich eine Unterstützung Englands auf dem Balkan und seine Expansionspolitik im östlichen Mittelmeerbecken lind im Noten Meer, d. h. Abessinien. Auf Grund dieses Abkommens d" Tiranavertrag vor seiner Unterzeichnung von Mussolini dem Foreign Office zur Kenntnis gebracht, das den Vertrag billigte. Darauf ist auch die englische Weigerung zuriick- zu,uhren, die Vermittlerrolle zwischen Italien und Jugoslawien zu übernehmen. Unser Gewährsmann stellt das Bestehen eines Secablommeus zwischen England und Italien in Abrede. Für eilige Leser. * In dem Befinden des deutschen Botschafters v. Hoesch, der an einer Halsentzündung erkrankte, ist eine Besserung zu ver zeichnen. Zwecks vollständiger Genesung wird Botschafter v. Hoesch wahrscheinlich Ende nächster Woche einen längeren Urlaub anlrclen. * Am Bahnhof Winden wurden wieder 0 junge Leute im Alter von 18 bis 21 Jahren angchaltcn, die sich auf der Reise in die Fremdenlegion befanden. Nach Sichtung der Papiere er folgte die Rückbeförderung nach Kandel in das dortige Amts- gcfängnis. * Trotz wiederholter Dichtungsversuchc sind bei Laumühlc auf beiden Ufern der Oste die alten Deichbruchstcllen erneut vom Hochwasser durchbrochen worden. Die Laumühlcr Feldmark und das Gebiet von Crancnburg stehen unter Wasser. * Das Ncichsarbeitsministerium hat den Schiedsspruch für den Nuhrbergbau auf Antrag der Arbcilnehmcrverbäude für ver bindlich erklärt. Bekanntlich hat der Zechenverband den Schieds spruch abgelchnt. GeSrrniken zum i. 2Nai. Die soziale Frage und die Ursachen der Klasscnbildung. Von I)r. ror. pol. Georg B r ü n d l - München. Die soziale Frage hat mit Flammcnschrisl ihre Spuren In die Geschichte der Menschheit cingegrabcn. Berauscht von den Ideen eines internationalen Sozialismus Hal die Arbeiterklasse fast aller Kulturstaaten die gewaltigsten Anstrengungen gemacht, ihre revolutionären Ziele zu verwirklichen. Wir wissen aber, daß alle diese Bewegungen zu keiner endgültigen Lösung geführt haben. Klassenkämpfe an sich sind nichts Neues. Diese hat es schon im alten Nom und Athen gegeben, so daß z. B. die innere ljlolitik der Römer mehrere Jahrhunderte durch den Stände kampf zwischen Patriziern und Plebejern ausgesüllt war, der schließlich 171 v. Ehr. mit der Einsetzung des Volkstribunatcs und mit dem Erlaß der Licinisch-scxlifchcn Gesetze endigte, wo durch das Konsulat, die höchste Würde im Staat, von nun an auch den Plebejern zugänglich wurde. Aber trotz aller staatlicher Gleichberechtigung Hal weder damals noch in der neueren und neuesten Zeit der Hauptgegcnsatz der Klassen, nämlich der Un terschied von „Arm und Reich" je überbrückt bezw. ausgeglichen werden können. Man hat wohl wie z. B. bei der französischen Revolution oder in Sowjetrußlaud den Adel und die Besitzen den ihres Eigentums berauben und entrechten können, aber die Lage des einzelnen Bauern oder Städters ist dadurch um kein Haar besser geworden. Es taucht daher die Frage aus, ob der soziale Klassengegensatz naturgesptzlich begründet oder ob bis zu gewissen Grenzen lind bis zu welck-en Grenzen dennoch ein Ausgleich möglich ist. lieber die Ursachen der Klasseubildung hat sich einmal in der Wissenschaft ein interessanter Streit erhoben. Gobineau und seine Schule führten alle Klassengegensätze auf die Rasse zurück. Alle 'Aristokratien seien indogermanisch, während alle unteren Klasseii Ncgerblut in sich hätten. Auch der heutige Antisemitis mus erblickt in der Rasse die primäre Ursache des Klassengegen satzes. Helleres Licht in dieses Dunkel hat nun der verdiente Gelehrte Gustav Schmöller gebracht, der von 1808—1917 lebte und als Vertreter der historischen Schule der Nationalökonomie gründliche Forschungen über die soziale Frage nnstelltc. 'Nach ihm ist nun die Lehre Gobineaus eine ebenso starke Uebertrei- bung ivie die Anschauung der Sozialisten, die an die Gleichheit der Menschen glauben und die Klassengegensätze ganz oder doch überwiegend auf die Ungleichheit des Besitzes 'zurückführen. Demgegenüber weist nun Schmöller ebenso wie die Natio- nalökvnomen A. Bauer, Goblot u. a. mit allem Nachdruck auf den Einfluß des Berufes und der Arbeitsteilung, also auf die psychologischen Ursachen hin, die für die Klassenbildung immer entscheidend waren und es noch sind. „Wie jeder Mensch", sagt Schmöller, „in seiner Familie, in seinem nächsten Kreis nach dem geschätzt wird, was er durch seine Persönlichkeit, seine Leistungen, seinen Besitz diesem Kreise ist, so hat zu allen Zeiten die öffentliche Meinung die einzelnen Massen des Volkes dar nach gewertet, was sie dem Ganzen der Gesellschaft waren oder sind, und zwar je nach den Zeitvorstcllnngen darüber, was in sittlicher, politischer oder wirtschaftlicher Beziehung das für die Gesellschaft Wertvollere ist." Das Urteil der Menschen über einander wurde vielfach bestimmt durch den sichtbaren Erfolg und die Leistungen einer Klasse oder Persönlichkeit sür das Ganze eines Volkes, wobei nicht selten auch der Schein eine große Rolle spielen konnte. So wurden von den Nachkommen tapferer Krieger deren erworbene Wappenschilder, Ehrenabzei chen und Titel noch lange weitergeführt und zur Grundlage ihrer bevorzugten gesellschaftlichen Stellung gemacht. Die oft erst im Laufe von Generationen erkämpfte und von den Nach kommen mit zäher Energie festgehaltene Rangordnung ent spricht nicht immer der Wirklichkeit, sondern ist vielfach nur mehr der übrig gebliebene sichtbare Erfolg der Arbeit und Lei stungen früherer Generationen. Infolge der verschiedenen geistigen und körperlichen Bekan- lagung der einzelnen Individuen herrschte bei den Menschen von jeher das Prinzip der ArbeitsteUnng, weshalb die menschliche Gesellschaft schon zu allen Zeiten in leitende und ausf ü h- rende Organe geschieden war. Leiten und befehlen können aber auf die Dauer nur diejenigen, die nach ihren geistigen und sittliche» Fähigkeiten dazu veranlagt und geeignet sind. Daraus folgt also, daß die primären Ursachen der Klassen bildung psychologische sind und dann weiter, daß die Ge sellschaft zu allen Zeiten eine obere oder aristökratische Klasse haben muß, welche die leitende Stellung einninnnt nnd endlich, daß jede emporgestiegene Klasse oder Generation, sobald sie