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Sächsische Elbzeitung Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung usw. berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung 71. ^akrgang Bad Sckandsu, Donnerstag, den 31. März 1927 i Nr. 76 Sächsische Schweiz Tagcszcilung für die Landgemeinden Altendorf, Klcingichhübel, Kleinhenners dorf, Krippen, Lichtenhain, Mittclndorf, Ostrau, Porschdorf, Postclwitf, Prossen, Rathmannsdorf, Neinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischfähre, sowie für das Gesamtgcbict der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hreke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: K. Nohrlapper Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gespaltene 35 mm breite Pctitzcile 1b Pfg., für aus wärtige Auftraggeber 20 Pfg., 85 mm breite Neklamczcile 80 Pfg. Tabellarischer Sah nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für alle in- und ausländischen Zeitungen Tageblatt für die Enthält die amtlichen Bekanntmachungen für den Siadtrat, das Amtsgericht, das Hauptzollamt Bad Schandau und das Finanzamt Sebnitz. — Bankkonten: Stadtbank — Stadlgirokasse Nr. 12 — Ostsächsische Genossenschaftsbank Zweignieder lassung Bad Schandau — Postscheckkonto: Dresden 23 327 Fernsprecher: Bad Schandau Nr. 22 — Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau Erscheint täglich nachm. 5 Uhr mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. — Bezugs preis (in NM.) halbmonatlich ins Haus gebracht 00 Pfg., für Selbstabholer 80 Pfg. Einzelnummer 10 bzw. 15 Pfg. — Bei Produklionsvcrtcuerungcn, Erhöhungen der Löhne und Matcrialienpreise behalten wir uns das Recht der Nachforderung vor Ständige Wockenbeilsaen: und Wi^n" „Das Leben im Bild" 2 2 „Kus der Welt der Frau", Illustrierte Sonntagsbeilage ' Der «attanwnflM »MW«« WW-MM Für die Unabhängigkeit Albaniens. Londoner Mcldnngcn berichten davon, das, Süd- slawicn die Grossmächte benachrichtigt habe, das, es sich durch die mit italienischer Hilfe ansgcsnhrtc allgemeine Mobilmachung in Albanien bedroht fühle. In Berlin ist eine solche Note allerdings noch nicht cingctrosfcn. Uber den Stand der Verhandlungen zur Beilegung des italienisch-serbischen Konfliktes berichtet der Londoner Vertreter der HavaS-Agcntnr, in England sei man der Ansicht, das? die ursprünglich geplante militärische Unter suchung heute ciu günstiges Ergebnis nicht mehr zeitigen würde. Mau habe deshalb die Bildung eines ans Zivilpersonen bestehenden UntersnchungSnilsschnsicS ins Ange gefasst. Ebenso wie bei dem Streitfall au der griechisch-bulgarischen Grenze kämen hierfür zwei Beob achter, nämlich ein Schwede und ei» Dane, in Frage. Es sei wenig wahrscheinlich, dast dieser Vorschlag von den beiden unmittelbar bctciligtcnNcgierungcn alsgccignct au- gcschcn werde, die Angelegenheit bcizulegcn. Die englische Negierung sei der Ansicht, dast cs vor allem darauf ankommc, alles zu tuu, damit eine Wiederholung der artiger Zwischenfälle verhindert werde. Hierzu wäre daS beste Mittel: direkte Verhandlnugen zwischcu Nom und Belgrad. In diesem Sinne soll Ehnmberlain im Lanfe seiner Unterredung mit dem italie nischen Botschafter sich gcänstcrt haben. In italienischen und serbischen Kreisen von London vertrete man die gleiche Ansicht. Die Negierung in Nom, so erkläre man, würde damit einverstanden sein, Verhandlungen mit der Belgrader Negierung nnfzunchmen. Jedenfalls würde sie eine Revision des Vertrages von Tirana an streben, die von der Ratifizierung der Abkommen durch das serbische Parlament abhängig sei, die sich ans dem von den beiden Negierungen im Jahre 1924 abge schlossenen Frcnndschaftsvcrtrag ergeben. Die südsla wische Negierung würde cinwilligen, dast der Völker- bnnd eine ständige Kontrolle ausübe, durch die die N u v c r l e st S a rk c i t Albaniens gewährleistet würde. Sic würde cö auch nicht ablchncn, dast sich die Mächte zu Garanten der Unabhängigkeit machten oder dast mittels direkter Verhandlungen die Kabinette von Nom und Belgrad die Revision des Vertrages vor nehmen. In dieser Richtung also orientiere sich der Meinungsaustausch. Zu gleicher Zeit hat auch, wie bereits gestern gemeldet, in Paris eine Unterredung des englischen Botschafters Lord Crewe mit dem Generalsekretär des Auswärtigen Amtes stattgefunden. Mobilmachung in Albanien? Die Pariser Presse berichtet von einer attgrnicine» Mobil machung in Albanien, ohne jedoch in der Lage zu sein, Einzel heiten geben zii können. Nach einer Meldung ans Graz wer den längs des Bojnnoslnsscs ans dem Höhenrücken um den Skutarisee Geschähe in Stellung gebracht. Tnborosch wird befestigt und in Skntnrj wurden zehn neue Gcbirgsbattcricn nntcrgcbrncht. * Keine SNovttifierung cuivnnienü. Paris, 30. März. An zuständiger französischer Stelle liegt bisher leine Bestätigung der Nachricht von cmcr allgemeinen Mobilisierung in Albanien vor. * «rn die Beilegung des Mivanien Konflikts. London, 30. März. Chamberlain hat einen neue» Vor schlag an die beteiligten Mächte gerichtet, nach dem Jugoslawien zunächst den Nettuno-Vcrtrag ratifizieren und Italien eine Er- klärung abgcbcn soll, dast der Vertrag von Tirana Italien nicht verpflichte, unter allen Uinständen die festige albanische Negie rung militärisch zu untcrstiisten. Diese beiden Aktionen sollen die Basis zu neuen unmittelbaren Verhandlungen zwischen Italien und Jugoslawien abgcbcn. Beide Länder sollen sich dabei ans eine gegenseitige Festlegung des Status von Albanien einigen. * Eine antifaschistische Note an den Völkerbund. Paris, 30. März. Die Exekutive der „italienischen Demo kratischen Union" in Paris hat den Vorsitzenden des Völkcr- bundsratcs in einer Note um Intervention des Völkerbundes im albanischen Konflikt ersucht. * Eine jugoslawische Protestnote nicht in Berlin eingegmigcn. Berlin, 30. März. Wie von zuständiger Berliner Stelle mitgetcilt wird, ist eine jugoslawische Note über militärische Vor bereitungen an der albanischen Grenze bisher nicht cingcgangen. Es ist auch keinerlei Mitteilung cingcgangen, dast eine solche Nöte zu erwarten ist. Gefährdete Lage der Ausländer in Mma. Die Lage der Ausländer, namentlich der Briten in Hankan, ist infolge kommnnistischcn Terrors unhaltbar ge worden. Einige Engländer, die sich noch in Hankan' anf- halten, bleiben in der Nähe des Ufers, um die Stadt im Falle einer Gefahr schneller verlassen zu können. Selbst der amerikanische Konsul ist genötigt, am Nfcr zu wohucu. Auch aus audcreu Städten, die bisher ruhig waren, kom men Nachrichten, die von der gefährdeten Lage der Ans- ländcr zn berichten wissen.' _ . _ ... Zum Schilpe der englischen Interessen sind msher neun britische Bataillone in Schanghai eingetroffen. Ein weiteres Bataillon wird demnächst hinzutreten. MmMA Wer dieMWiM MeMM Der Oberbefehlshaber der Kantontruppen Tschangkaischek er klärte dem Vertreter der Vossischcn Zeitung gegenüber, dast die Beziehungen Chinas zu Deutschland die gerade Fortsetzung der herzlichen Frenndschast Sunyatsens seien, von der China für die Zukunft besonders wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit erhoffe. Angesichts der augenblicklichen revolutionären Umstände bitte er aber um Geduld und Hosse weiter ans Deutschlands Ge rechtigkeit. Weiter erklärte der General, die öffentliche Meinung der englisch sprechenden Länder sei vollkommen irregesührt wor den durch die von Schanghai ausgehende Propaganda.. Er wünsche deshalb das Aushöre» der fremden Nachrichtenbüros in Chika und werde national-chinesische Agenturen einrichten. Gin Vroöeft «Heyens GSNSN ensiifrhe GxeneSsneidnnsen. Nach einer Meldung der chinesischen Nachrichtenagentur hat der KantonMustenminister Tschcn eine Protesterklärung gegen die kriegerischen Mastnahmen Englands in China und gegen die lügenhaften Greuelmeldungen der englischen Presse veröffent licht. Weiter heisst es, die Siidregicrung übernehme den Schutz der in ihrem Gebiete sich aufhaltenden Ausländer. Nach einer Havasmeldung aus Schanghai sind zwischen Tschangtsolin und Tschangkaischek Verhandlungen im Gange, um eine Verständigung zwischen der Nord- und der Slldpartei herbei zuführen. Crneuie Llnrnyen in Veyansyai? Paris, -30. März. Hier liegen Nachrichten vor, die den Ausbruch neuerlicher Anruhen in Schanghai, und zwar in der 'internationalen Zone melden. In der französischen Konzession soll Ruhe herrschen. Der Kommandant von Nanking, General Dschangtschentschung, übernahm gegenüber den europäischen Militärbehörden die Garantie, dast sich in Nanking keine weiteren Ausschreitungen gegen die Fremden ereignen würden. Cyina-«revntte irn Linieryaufe. London, 30. März. Chamberlain erklärte heute nach mittag im Unterhause, dast zurzeit Mastnahmen erwogen werden, nm eine ähnliche Situation wie sie jetzt in Hankau bestehe, in Tientsin zu verhindern. In der Nachbarschaft von Tientsin stünden augenblicklich etwa -1700 Mann britische und andere aus ländische Truppen. Der Austenminister ging dann »och einmal ausführlich auf die Ereignisse in Nanking ein und erklärte u. a., es habe den Anschein, als seien die Plünderungen doch schwererer Natur, als anfänglich berichtet wurde. Sic seien von uniformier ten Soldaten begangen worden, die sich erst im Feuer der aus ländischen Kriegsschiffe zurückgezogen Hütten. Chamberlain er klirrte weiter, dast über dieFrage der Zukunft der internationalen Niederlassungen mit der chinesischen Zentralrcgierung noch nicht verhandelt worden sei. Der gegenwürtige Zeitpunkt sei für solche Verhandlungen nicht geeignet. Der Kriegsminister teilte dann auf eine Anfrage mit, das; sich setzt 9 Infanteriebatnillone und Hilfstruppen der englischen Armee in Schanghai befände». Ein weiteres Bataillon sei auf dem Wege von Hongkong nach Schanghai. Der Abgeordnete Oberstleutnant Kenworthy von der Ar beiterpartei fragte den Austenminister, welche Schritte die eng lische Regierung in China zu unternehnicn gedenke. Chamber lain erwiderte, das; die Müchte, deren Untertanen bedroht und ge- schüdigt morden seien, und deren Flagge man mistachtet habe, zur zeit über die zu treffenden Mastnahmen verhandelten. Nach hier eingetroffeneu Nachrichten hat der Gouverneur von Hongkong auf Anweisung der britischen Negierung den Aus- lündern in Hongkong mitgeteilt, dast England nicht beabsichtige, Hongkong an China abzutreten oder seine Bodenrechte auf chine sischem Festlande aufzugeben. Für eilige Leser. * Auf dem Flugfcldc von Neuhof bei Strassburg stürzte ein französischjcs Militärflugzeug ab. Der Führer wurde getötet. * Nach Meldungen von der Halbinsel Kamtschatka wurden dort durch einen Taifun etwa 130 Häuser stark beschädigt. -13 Fischer wurden vermisst. Mau nimmt an, dast sic umgckom- mcn sind. * Der Fischdampfcr Muira aus Cardiff ist nm Dienstag bei Stnnbury-Mouth auf ciu Felsenriff ausgelaufen. Bon der 12 Mann starten Besatzung konnten sich nur 5 in Sicherheit bringen. * Ncwyork Hcrald meldet aus Singaporc den Ausbruch neuer Unruhen. Britische Truppen mussten nm 29. März erneut ein- schrcilen, nm die Bolksnnsnmmlnngeu, derer die Polizei nicht mehr Herr werden konnte, zu zerstreuen. Die Chinesen bewarseu die Truppen mit Steinen. KonttnentallpoltttfOe 2IlnfiHa»ungen des alte» Cismar«. (Zu seinem Geburtstag 1. April 1815.) Von vc. Werner Freytag. Je mehr sich der Zeitraum vcrgröstcrt, der uns von den Erdeningen des Altreichsünnzlcrs trennt, desto stürber erwacht in uns angesichts der verworrenen politischen Verhältnisse der Gegenwart das Verlangen, Bismarck, den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht, aus seiner zeitlichen Bedingtheit her aus zu begreifen. Es genügt uns nicht mehr, ihn lediglich durch das Okular des kühl abwügenden Historikers zu betrachten, nein, wir wollen und müssen ihn uns verlebendigen als das, was er seiner Generation bedeutete: den funkensprühenden Hammer schmied des Deutschen Reiches, die Staaten bcwcgende Kraft einer überragenden politischen Persönlichkeit. Welch ein Leben unerhörter Spannringen umrahmen gleich sam zivei königliche Acustcrungen über ihn: „Rieckt nach Blut!" ivics Friedrich Wilhelm IV. anfangs das Ansinnen von sich, dem „Junker" Bismarck das Portefeuille eines preussischen Ministers anzulragen: aber Kaiser Wilhelm II., der manches gutzumachcn hatte am Recken im Sachscnwalde, bekannte in seinem 'Rachruf an den Verstorbenen: „Nicht ziemt cs in diesem Augenblick, alle Taten, die der graste Entschlafene vollbracht, alle Sorgen, die Er für Kaiser und Reich getragen, alle Erfolge, die Er errungen, aufzuzählcn. Sic sind zu gewaltig und mannigfaltig, und nur die Geschichte kann und wird sic alle in ihre ehernen Tafeln cingraben." Es ist kein Zufall, dast uns deralte Bismarck, der „E n t. lasse ne", menschlich am nächsten gerückt erscheint: ähnliche Empfindungen mögen wohl auch die Mehrzahl seiner zeitgenössi schen Landsleute beseelt haben, die von nah und fern in Hellen Schare» »ach Friedrichsruh gepilgert kamen, um „ihrem Bis marck" in seiner bedrückten Stimmung nun erst recht ihre gren zenlose Belehrung zu bekunden. Die „vox populi" erwies sich in diesem Falle als stärker denn Allerhöchste Kabinettserlassc. Will man sich im einzelnen aus jener Zeit, von der Entlassung bis zum Tode des Fürsten gerechnet (20. März 1890 bis 30. Juli 1898), über die Lebciiswcisc sowie die persönlichen Erlebnisse und Anschauungen Bismarcks eine klare Vorstellung verschaffen, so geben uns, teilweise noch eindringlicher als die doch immerhin literarisch stilisierten „Gedanken und Erinnerungen" die zwang losen „Gespräche")" des Entlassenen mit Gästen seines stets offenen Hauses eine Fülle wissenswerter Ausschlüsse. Dast diese Gespräche, soweit sie über den Nahmen rein persönlicher Be- zichmigeii hinausgrciscm, vorwiegend politischer Natur waren, ist selbstverständlich. „Wovon soll ich als Politiker, der ich diesen Beruf vierzig Jahre lang getrieben habe, den» anders reden als von Politik, die mich immer beschäftigt hat?" bekennt der Kanzler einmal einem Besucher gegenüber von sich selbst. „Ich lasse mir auch nicht das Recht eines emsachen Bürgers verküm mern, ... eine eigene 'Meinung zu äustern. lind ich lasse mir dieses Recht am allerwenigsten van jenen kleinlichen Professions- politikern verkümmern, welche Kanin die Höschen getragen ha ben, als ich schon europäische Politik getrieben habe." Wie meisterlich er sie getrieben, beweist Bismarcks Ansicht im Ver lauf eines Tischgespräches vom 31. Mai 1875, eine geeinte Macht von fünf 'Millionen Preussen habe zeitweilig ganz Europa in Schach gehalten, wobei er selbst bescheiden verschweigt, wer denn die einigende Macht gewesen, lind schon sind wir im Fahr wasser Bismnrck'scher Kontincntalpolitik angclangt, so wie der Aire im Sachscnwalde sie vertrat und allgemein verstanden wissen wollte. Wenn aus allen diesen Gesprächen die Sorge um den Fortbestand des jungen Reiches spricht und vielleicht auch schon die Vorahnung kommenden Unheils, so gewinnt man erst aus ihnen die rechte Einstellung zu dem fürstlichen Giganten, der gleichsam visionär die Bedrohung seines kontincnlalpolitischen 'Meisterwerkes schon bei Lebzeiten Voraussicht. Deshalb erhebt er, noch immer des Reiches treuester Vasall, seine mahnende, warnende Stimme gegenüber Freund und Feind. Bemerkens wert aus jener Zeil ist vor allem des Kanzlers Kritik am politi schen Gesichtskreis seiner eigenen Landsleute: „Die Deutschen können sich, weil sie kaum den politischen Kinderschuhen ent wachsen sind, nicht daran gewöhne», die Politik als eine Wissen schaft dos 'Möglichen zu betrachten. Die Politik ist keine Aritlr- y Bismarck, Die gciammcltcn Werke. Ableiinng: MePrilche. Hcransgcgeben und bearbeitet von Prof. t>r. WMn Andreas. OUo Stolberg, Verlag Mr Politik nnd Wirt. 'Hag. Veriin SW. M.