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Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189707281
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970728
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-07
- Tag 1897-07-28
-
Monat
1897-07
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1897
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die Unachtsamkeit des Lokomotivführers schuld trägt an dem Unglücke. Der tief gebeugte Mann war nach Bernstorff befohlen worden, wo das Königspaar aus seinem Munde über den Verlauf das Unglücks Bericht zu erhalten wünschte. Madrid. Eine aufregende Szene spielte sich dieser Tage in dem Zirkus des Engländers Parish ab. Der Tierbändiger Speffardy machte in dem einen Käfig, in welchem sich zwei bengalische Tiger befanden, lebensgefährliche Kunststücke. Er hatte soeben ein Zweirad be stiegen, als einer der beiden Tiger auf ihn zu sprang und ihm einen heftigen Schlag versetzte, so daß Speffardy blutüberströmt von der Maschine fiel; der Tiger hätte sich sicher auf den am Boden liegenden Bändiger gestürzt, wenn nicht Fräulein Speffardy die Bestie so lange mit der Spitze einer eisernen Stange bearbeitet hätte, bis der Bändiger aufsprang und mit einem Revolver das Tier zurückschcuchte. Das Publikum, das den Zirkus füllte, war in der größten Aufregung und zahlreiche Damen er griffen die Flucht. Die Wunde, die Herr Speffardy davongetragen, erwies fich glücklicher weise als nicht lebensgefährlich. New York. Die Aufregung über die Gold- entdcckungen an der Westküste von Britisch- Kolumbien steigert fich noch fortwährend. Alle Plätze auf den Ende Juli von Seattle ab fahrenden Dampfern sind schon besetzt. Der Vize-Gouverneur der kanadischen Nordwest- Provinzen bestätigt den ungeheuren Goldreichtum des Distrikts Klondyke. Im letzten Winter ist Gold im Werte von 3 Millionen Dollar ge funden worden. Davon find 2 Millionen nach den Vcr. Staaten gegangen. Die New Iorkcr ,Evening-Post' erklärt, die Ausbeute der Klon- dykc-Goldfclder übertreffe alle Funde, die seit Jahren gemacht worden seien. Unterschrieben war das Testament von zwei Zeugen. Das Papier entglitt ihren Händen und fiel zur Erde. Leonie sank in einen Sessel, ein Bild der Verzweiflung. Sie war also doch keine Gräfin, nichts als die arme Leonie Rayner; das stolze Gebäude ihres Reichtums und ihrer Stellung sank in Nichts zusammen. Sie, die Tausende zur Erfüllung ihrer persönlichen Wünsche vcr'chwcndet hatte, besaß jetzt keinen Groschen mehr. Im Fluge zogen die Jahre, die nun vor ihr lagen, vorüber: Jahre voll Arnmt und Entbehrungen, und das, nachdem sie die Königin der Gesellschaft war! Es war ein Schicksalsschlag, so schwer wie er nur ein Mädchen von Leonies Charakter treffen konnte. Vor wenigen Minuten hatte sie noch auf der Höhe ihres Lebens gestanden und war eine der reichsten Erben Englands gewesen. Und jetzt? Nichts weiter als ein Eindringling. Weder Lighton Hall gehörte ihr, noch die Juwelen, die sie trug, nicht einmal der Name, dessen Klang ihr Herz mit Freude erfüllt hatte. Tiefste hoff nungsloseste Verzweiflung ergriff sie. „Ich muß ein Ende machen mit mir/ rief sie; „ein Leben wie ich es früher geführt habe, kann ich nie wieder ertragen." Wie lange sie so in stumpfer Betäubung da lag, wußte sie nicht. Ein Geräusch auf der Treppe erweckte sie, und sie sprang auf. Ihr erster Impuls war, Paul Barlow in der Gesellschaft aufzusuchen und ihm das Testament zu übergeben, dann das Schloß zu verlassen und in den Tod zu gehen. Sie hatte an der > vollen Tafel des Lebens obenan gesessen, sie Fl: en zu schleudern. Um den Plan durch zuführen, weihte er den Polizisten Bogdan Wasiliew in sein Geheimnis ein. Bogdan Wasiliew war einer der beiden Polizeimänncr, welche, so lange der Fürst und die Fürstin in Philippopel weilten, den Dienst im Palais versahen. Boitschew schickte daraufhin den Fiaker Peter Alexow, der seinen Standplatz vor dem Palais hat und den Schloßbeamten zur Verfügung steht, mit einem Brief an Anna Simon. Er habe ihr, so schrieb er, eine Pelerine und einen Hut gekauft; sie solle sich bereit halten; am nächsten Tage werde er sie mit einem Wagen abholen lassen; sie werde bis zur Maritza-Brücke fahren, dort werde er sie erwarten, um mit ihr aus sein Gut zu fahren, wo sie dann beide eine Woche lang bleiben würden. Anna war von dem Briefe freudig überrascht und sie las ihn ihrenKolleginnen, den Sängerinnen vom Cafö Luxemburg, vor. Tags darauf wartete sie bis Mitternacht. Kein Wagen kam. Am darauffolgenden Tage ging sie deshalb wieder vor das Palais und machte neuerdings Lärm, da sie durchaus zum Ritt meister Boitschew gelangen wollte. Der Beamte Peter Avradaliew, welchem von dem Lärm Meldung^ erstattet wurde, kam heraus und forderte sie auf, keinen Skandal zu machen, da gegen versprach er ihr, ihre Angelegenheit mit Boitschew zu ordnen. Anna Simon ging nun in ihr Hotel zurück. Bald darauf bekam sie einen zweiten Brief von Boitschew. Er werde am Mittwoch, 9. April, 8V- Uhr abends zu ihr kommen, oder er werde den Fiaker schicken, der sie zur Maritza-Brücke führen werde, wo er selbst sie erwarten werde, um mit ihr auf sein Gut zu fahren. Auch diesen Brief las Anna den Sängerinnen vor, welche sie warnten, sie solle nicht nachts zur Maritza - Brücke fahren, sie aber antwortete, vor ihrem „Papuschka" — so nannte sie den Boitschew — fürchte sie fich nicht. Sie werde wenigstens, da er ihr das Rendezvous gegeben habe, mit ihm über ihr Kind sprechen können. Am 9. April um 4 Uhr nachmittags ritten Novelitsch und Bogdan Wasiliew zur Maritza- Brücke und inspizierten die Stelle, welche für das nasse Grab der Anna Simon bestimmt war. Daun befahl Novelitsch im Einverständnisse mit Boitschew dem Wachtmaun, er solle am Abend Zivilkleider anlegen. Dem Fiaker befahl Novelitsch, er habe um 8 Uhr vor sein Haus zu kommen. Ferner gab der Stadthauptmann dem Gendarm den Auftrag, zu Boitschew zu gehen und Geld von ihm zu holen, damit die Rechnung im „Hotel Rhodope" für Anna Simon bezahlt werde. Als der Fiaker um 8 Uhr vor dem Hause des Stadthauptmanns erschien, kam Novelitsch und Wasiliew heraus und Novelitsch sagte: „Laß' deinen Wagen und geh' heim; ich werde dir den Wagen schon zuschicken; ich brauche keinen Kutscher; wir haben da eine polizeiliche Affäre zu erledigen." Der Kutscher ging fort, Wasiliew bestieg den Bock und nun holte man das Mädchen. Novelitsch und Boitschew hegaben fich vor die Stadt wo sie beim katholischen Friedhöfe den Wagen er warteten. Boitschew war in Uniform mit einem Zivilmantel und Novelitsch ebenfalls in Uniform, aber ohne Mantel. Beide stiegen in den Wagen. Boitschew saß zur Rechten Annas, Novelitsch ihnen gegenüber. Bei dem Denkmal der Gattin des Generals Skobelew sprang Anna aus dem Wagen und fiel zur Erde. Boitschew hatte ihr im Wagen ein Fläschchen mit irgend einer betäubenden Flüssigkeit, wahrscheinlich mit Chloroform, unter die Nase gehalten. Schon halb betäubt, merkte sie, was vorgehe, und wollte die Flucht ergreifen. Wasiliew hielt den Wagen an. Sie wurde nochmals von den dreien gepackt und bald völlig betäubt und höchst wahrscheinlich dann mit einem Stricke erwürgt, welchen sie aus Philippopel mit genommen hatten. Dann schoben die drei den Leichnam empor, Wasiliew schob ihr einen Strick nntcr den Körper und Boitschew befestigte mit j diesem Stricke zwei Steine um den Leib des j Mädchens. Hierauf hob Wasiliew den Körper beim Kopfe und bei den Händen, Boitschew und Novelitsch erfaßten die Füße. So trug man die bereits Entseelte auf die Brücke und schleu- derte sie von dort in den Fluß hinab. Die! Mörder kehrten nach vollbrachter That mit dem schw^^H^w-^ Oberschwaben gingen Schaden nicker, die beträchtlichen Bodens?,- 3n St. Georgen am dem mikn°I"^eistc Donnerstag nachmittag au Die Untergründe ein Paffagierzug nur Hautabschürfungen gew°N°^ Bier Wagen wurden um- . Posen. Ein Unwetter hat am Mittwoch u! großen Teilen der Provinz Posen ungeheuren Schaden angerichtet. Besonders stark wurde der Kreis Neutomischel betroffen. In Breite von etwa 1 Kilometer und Länge von 4 Kilo metern ist in den Ortschaften Paprotsch, Alto- Mischel und Kozielesk alles vernichtet. In vielen anderen Gegenden schlug der Blitz ein. Eine Der Prozeß Soitschrw. Vor dem Kreisgcrichtshofe in Philippopel begann am Mittwoch der Prozeß gegen die Mörder der Budapester Sängerin Anna Simon. Vor kurzem wurden schon die wesentlichsten Angaben aus der Anklageschrift angeführt, jedoch, bei dem außer ordentlichen Interesse, das die Angelegenheit bietet, wollen wir im Nachstehenden noch einer zusammenhängenden Darstellung Raum geben, die wir dem , Pester Lloyd' entnehmen. Die Anklage richtet sich gegen 1) Detschko Petrow Boitschew, gewesenen Rittmeister im Generalftabe, wohnhaft zu Sofia, 2) Karlo Novelitsch, gewesenen Stadthauptmann von Philippopel, 3) Bogdan Wasiliew, gewesenen berittenen Wachmann in Philippopel, wegen vor sätzlichen Mordes, begangen an der genannten Sängerin» 4) Nikola Boitschew, Buchhalter bei der landwirtschaftlichen Vorschußkasse inHermanli, wegen Beihilfe zu dem Morde. Der Thatbestand, der der Anklage zu Grunde liegt, ist geeignet, einen Kriminalroman ärgster Sorte abzugcben; auf die polizeilichen Verhält nisse Bulgariens und seinen ganzen Kultur zustand werfen diese Dinge überraschend grelle Schlaglichter. Es handelt sich um folgendes: Der Rittmeister Boitschew, Adjutant des Fürsten Ferdinand, war der Anna Simon, die ihm als seine Geliebte von Budapest nach Bulgarien gefolgt war und ihm ein Kind geboren hatte, überdrüssig geworden, und da ihm außerdem Ohren gekommen war, daß fie ihn während einer Abwesenheit vor seiner damaligen Wohnung im Schlosse zu Philippopel durch eine wüste Szene arg kompromittiert hatte, faßte er den Entschluß, sich ihrer zu entledigen bezw. sie zu jöten. Am 6. April berief er den Stadthaupt mann Novelitsch in das Gebäude der fürst lichen Adjutantur und forderte ihn auf, das Mädchen fortzuschaffen, oder, wenn fie nicht frei willig gehen wolle, fie zu beseitigen. Novelitsch erklärte fich damit einverstanden. Beide arbeiteten nün den Mordplan aus. Boitschew hatte früher mit dem Fürsten und der Fürstin die Insel Rogosch besucht, die elf Kilo meter von Philippopel entfernt, im Maritza- Flüssc liegt. In dem Flußarme, der die „Kleine Maritza" heißt, hatte er unter einer kleinen Holzbrückc, die zur Insel hinübcrführt, eine. besonders tiefe Stelle entdeckt. Er bc- schloß, an dieser Stelle die Anna Simon in die — 's " ' ' - Mann, den sie von Herzen liebte, wartete voll Ungedpld auf fie, und der Spiegel vor ihr sagte ihr, dtß ihre Schönheit nicht so leicht übertroffen werdet könnte. Im Gefühl eines unerschütterlichen Glücks wandte, fie fich jetzt dem großen, alten Schranke zu. Er schien so viele interessante Schätze zu enthalten, daß Leome sich vornahm, den ersten ruhigen Tag zu benutzen, um ihn einer genauen Besichtigung zu unterziehen. Die Schnallen waren auch bald gefunden, und als fie die hübschefLn ausgesucht hatte, packte sie die her- ausgcnommenen Kleidungsstücke wieder ober flächlich Sn. Plötzlich rutschte aus denselben ein dickes K«vert und fiel geräuschvoll zu Boden. Leonie bückte fich, um es anfzuheben, ahnunglos ließ fie dabei ihre Blicke über die Adresse gleiten. Sie wurde leichenblaß, als fie die Worte las: „Mein letzter Wille — Ulrich Graf Charnleigh." Am ganzen Körper zitternd riß fie das Kouvcrt auf; dies war das Testament, nach dem das Haus vergeblich durchsucht worden war! Mit fliegen dem Atem las fie folgendes: „Ich Ulrich, Graf von Charnleigh, berufe und ernenne den Hauptmann Paul Barlow, Sohn des Charles und der Alida Barlow, zum Erben meines Nachlasses. Ich vermache dem selben alles, was ich besitze, das Schloß und die Ländereien, Vermögen an barem Gecke, das ganze lcbende-und tote Inventar ohne icke Beein trächtigung. Ich verpflichte meinen Erben, oben genannten Paul Barlow, meiner Dienerschaft an gemessene Summen für ihre geleisteten Dienste zu überweisen, »erbiete aber auf das entschiedenste jede Teilung des Vermögens oder Grundbesitzes." I große Anzahl Wohngebäude, Ställe und Scheunen find niedergebrannt. Viel Vieh und Getreide wurde ein Raub der Flammen. Wien. Eine peinliche Szene spielte sich in Wien am Mittwoch vormittag in der Gonzaga gasse ab. Der Advokat Dr. Gelber trat vor Zeugen auf den ihm entgegenkommenden Advo katen Dr. Elbogen zu, schlug mit der Peitsche auf ihn los, spie ihm ins Gesicht und rief: Ehrabschneider, Verleumder, für dein geheimes Verbrechertum diese offene Hukdspeitsche! Ich werde dir deine Verleumdungen austreiben. Da hast du auch für deine zukünftigen Ver leumdungen!" Dr. Elbogen wollte fich des Anareifcrs erwehren, doch trennten Passanten die Streitenden. Wie verlautet, soll der pein- lichc Vorfall in einer zwischen den beiden Advo katen schwebenden Ehrenangelegenheit seinen Grund haben. Budapest. Dienstag abend gab es auf dem Staatsbahnhofe eine Aufsehen erregende Szene. Nist dem aus Wien cintreffenden Zuge wurde auch ein Wolf in einem Käfige befördert, dem es jedoch während der Fahrt gelang, die Stäbe des Käfigs zu durchbrechen. Als sich die Kunde hiervon unter den Passagieren verbreitete, entstand eine große Panik und kaum auf dem Bahnhöfe angekommen, drängte alles in fieber hafter Eile den Ausgängen zu, in dej Befürch tung, der Wolf könnte auch aus dem. Waggon entkommen. Die Polizei gab Auftrag das Tier zu erlegen, was denn auch geschah, Jedoch erst der sechste Schuß tötete das Tier. Paris. Der englische Botschafter Manson erkrankte jüngst mit seiner Familie und, Herren der Botschaft unter Vergiftungserscheinungen; .der Botschafter konnte nicht nach London "fahren, wohin er vom Prinzen von Wales geladen war; auch die Botschafterin und deren Schwester waren schwer erkrankt, einige Diener sogar dem Tode nahe. Die Erkrankung wird auf« den Genuß von Seekrabben zurückgeführt. «Der Fischhändler behauptet, die Aabben seien wahr scheinlich in einem schlecht verzinnten Kupfer kessel gekocht worden. Paris. Das Seminar Saint Cölestin, in Bourges, für dessen Errichtung Kardinal Dupont Millionen geopfert hat, brannte in der Donners tag-Nacht vollständig aus. Die schlafenden Seminaristen murden alle rechtzeitig gerettet. Kopenhagen. Wie aus Stavanger tele graphisch gemeldet wird, wurde am Mittwoch daselbst eine Brieftaube, am Donnerstag bei Tromsö eine zweite gefangen; auf die Flügel der letzteren war gedruckt: „Nordpol pasfiert 15." Man glaubt, Andree passierte den Nordpol am 15. Juli. Auf eine Anfrage de- Blattes .Dagens Nyheter' erklärte der Begleiter Andrees vom vorigen Jahre, Dr. Eckholm, er glaube nicht, daß die bei Stavanger gefangene Taube von Andree abgeschickt sei. Andrees rauben trügen keine silbernen Fußringe. Dagegen hält es dec Baron C. v. Alten m Linden bei Hannover, der Vorsitzende des Verbandes deut scher Vereine zur Brieftaubcnzucht für möglich, daß die ausgefangenc Brieftaube von Andree ge worfen ist. — Das Eisenbahnunglück bei Kopenhagen hat zwei neue Opfer gefordert und damit durfte die Reihe derer, die bei der Katastrophe ums Leben kamen, noch nicht erschöpft sein, da sich das Befinden einzelner anderer Patienten m den letzten Tagen sehr verschlechtert hat. Der König und die Königin senden zu jedem einzelnen Sarge besondere Kränze. ES scheint nun erwiesen, daß hinauf. Oben wandte fie sich noch einmal um und nickte ihm zu, dann verschwand fie. Er sah ihr liebevoll nach, und ihr Bild, wie sie sich in dem königlichen Gewände, das funkelnde Brillant diadem im Haar, über das Treppengeländer beugte, blieb ihm unvergeßlich. So sah er fie nie im Leben wieder, denn als sie zurückkehrte, war Freude und Frohsinn aus ihrem Antlitz ver schwunden — für immer. 12. Leonie sah fich erstaunt um, als fie das ge räumige Zimmer betrat, welches früher das Schlafgemach der Herrinnen von Lighton Hall gewesen war. Es zeugte von Pracht und Reich- tum, die Möbel waren alle aus altem Eichenholz nnt sehr wertvollen Beschlägen, die vier breiten mit schweren, dnnkclroten, Samtvorhängcn versehen. ^ie Mutter des letzten Besitzers war hier ge- tänE ,daß ihr Geist keine Ruhe im Grabe fände und sie hier nachts weinend mit gerungenen Händen auf und ab ginge. Keins der Dienstmädchen traute sich abends in die Nähe des Zimmers. » Leonie hatte das Licht auf den Toilettentisch gestellt und stand einige Minuten vor dem großen Spiegel, der ihr Bild in voller Größe zurück^ Der Lichtschein fiel auf fie, während das flimmer rm Finstern lag. Es war wie eine Visiom Jeder Zoll eine Königin! Ein befriedigendes Lächeln spielte um Leonies Lippen,.als sie sich betrach- tM- Dieser Augenblick war wohl der wolkenlos glücklichste m ihrem ganzen Leben. Von ferne schlugen die Klänge der Musik an ihr Ohr, der Wagen in die Stadt zurück. Boitschew stieg auf dem Kirchplatz aus und begab sich in das Haus, wo seine Frau wohnte. Den Stadt hauptmann brachte Wasiliew heim. Der Koffer mit den Kleidern der Ermordeten wurde in den Salon des Stadthauptmanns gestellt. Die Schmuckgegcnstände der Simon versteckte Wasiliew bei sich zu Hause im Hofe. Daß endlich nach langer Verzögerung die Untersuchung gegen die Mörder eingeleitet wurde, geschah auf speziellen Befehl des Ministers des Innern. Aus dem Gefängnis hat Boitschew versucht, Briefe an die Fürstin von Bulgarien zu richten. Diese Briefe wurden aufgefangen. Boitschew fleht darin die Fürstin an, fie möge ihn doch retten; fie könne es ja mit einem einzigen Worte thun, wenn fie nämlich sage, daß Boitschew an dem Abende, da der Mord geschehen, bei Hof gewesen sei. . . . Kuntes Allerlei. Ein allerliebster Druckfehler hat sich in einer Notiz eines Berliner Blattes über einen Unfall des Ministers v. Miquel in Elberfeld, dem beim Zuschlägen einer Wagenthür ein Finger gequetscht wurde, eingcschlichen. Es heißt dort: „Der Unfall geschah bereits am 14. Juli. Herr Dr. v. Miquel, der zärtliche Hilfe in Anspruch nahm, trug bisher einen Verband." — Es sollte natürlich heißen: „ärztliche Hilfe." Die New Yorker Jndependent-Schützen- gesellschaft traf am Donnerstag von Basel kommend, in Straßburg ein. Vogel v. Falcken- stein, der Vorstand des Straßburger Schützen vereins und eine Abordnung desselben empfin gen die Gäste am Bahnhof. Der Ballonfahrt Andrees widmet Julius Stettcnheim im ,Kl. Journ.' einige launige Verse, in der er die Vorgänge dieser Reise vor andern schildert: „Sie finden-auf ebenen Wegen Nie eine Brücke zerstört, Kein Zug rast ihnen entgegen, Der gräulich sie überfährt. Wie ruhig wird hingeschwommen! Keine Äarpenterbremse versagt, Kein Zollbeamter kann kommen, Der argusäugelnd sie plagt. Kein Fahrgast kann malträtieren Sie schrecklich mit ödem Geschwätz, Aufreißt kein Schaffner die Thüren Und schreit: „Meine Herr'n, die Billets!" Da wird nicht ge- zankt, nicht gestritten, Und zünden ihr Pfeichen sie an, Wird das keine Frau fich verbitten, Die den Rauch nicht vertragen kann. Und wenn sie auf Schneefeldern landen, So werden sie freuen sich, daß Dort keine Gedärmen standen, Jetzt fragend: „Wo ist Ihr Paß?" Der jüngst verstorbene Reichstagsabge ordnete Kämpffer, pflegte, wie die.Volks- Zeitung' mittcilt, im Kreise von Freunden und Gesinnungsgenossen eine Anekdote aus seinem Leben vom Jahre 1848 zu erzählen. Sein Vater war grcßherzoglich mecklenburgischer Be amter, der Sohn diente während des Sturm- jahres als Einjährig-Freiwilliger. In voller Uniform nahm der jugendliche Freiheitskämpe an einer Volksversammlung teil, in der über Absetzung und Pensionierung des Großherzogs debattiert wurde. Die Diskussion verlief ähnlich wie in Fritz Reuters unsterblicher Beschreibung (Ut mine Stromtid) in der „Reform" zu Rahn- städt. Kämpffer ergriff das Wort und schlug vor, dem Großherzog eine Pension von !200 Thaler und ein Reitpferd zn gewähren. Irgend welche Folgen hatte diese Rede nicht. Nur ließ sich der Großhcrzog, als er einige Zeit darauf den allen Kämpffer besuchte, den Sohn kommen und dankte ihm, daß er ihm eine reichliche Pension gewähren wollte. Er, der Großherzog, könne auch mit weniger auskommen. „Das Arbeitszimmer". Ein Ehepaar hat auf der Wohnungssuche ein Logis gefunden, das ungefähr stimmt. Der Mann: „Ganz gut' — aber wohin lege ich mein Arbeitszimmer?" — Die Frau: „Wozu brauchst du ein Arbeits zimmer — du rauchst ja nicht." Gegenseitigkeit.^ Alfred: „Als er ihr den Hof machte, schwur er ihr mit tausend Eiden zu, ihr alles zu Füßen zu legen." — Egbert: „Und ist sie darauf Angegangen?" — Alfred: „Ich sollte wohl meinen; aber seitdem fie ver heiratet sind, wirft fie ihm jedes Stück vor die - l würde fich nie wieder mit Abfällen begnügen können. War es Einbildung oder hörte fie wirklich eine Stimme, die ihr zuflüsterte: „Genieße deinen Triumph noch bis morgen. Sei heute noch Königin, geh hinunter und nimm die Huldi gungen deiner Gäste entgegen. Die Veröffent lichung deines Geheimnisses hat noch Zeit bis morgen. Leonie stand zögernd mit dem Dokument in der Hand. „Soll ich jetzt gleich zu Paul gehen oder noch warten?" dachte fie. „Laß es bis morgen!" sagte der Versucher. „Für ihn ist es gleich. Genieße den heutigen Abend." „Ich war so glücklich," schluchzte fie, „warum darf ich es nicht behalten, was ich so sicher mein Eigentum wähnte? Vielleicht wäre es doch besser, Paul das Testament gleich zu geben, es werden doch nur qualvolle Stunden sein bis morgen." Sie ging auf die Thür zu, blieb wieder stehen. „Ich kann es nicht, ich will bis morgen warten," sagte fie, „das ganze Fest würde durch die Aufregung gestört werden." In der Angst ihres Herzens vergaß fie so gar Sir Gordon und ihre Liebe. Sie nahm das Papier, steckte es wieder in das Kouvert und verbarg dieses unter den alten Gewändern. Dann verschloß sie den Schrank und das Zimmer und ging langsam die Treppe hinunter. „Leonie, wo find Sie nur so lange geblieben?" rief Sir Gordon ihr entgegen. „Was fehlt Ihnen ? Sie find blaß wie der Tod, hat irgend etwas Sie erschreckt?" JS i« (Fortsetzung folgt.)
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