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Allgemeiner Anzeiger : 30.06.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189706308
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970630
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-06
- Tag 1897-06-30
-
Monat
1897-06
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.06.1897
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Politische Rundschau. Deutschland. *Der Kaiser empfing am Freitag auf Helgoland den Besuch des Königs der Belgier. Empfang und Abschied waren sehr herzlich. * Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar vollendet am 24. d. sein 75. Lebensjahr. Geboren am 24. Juni 1818 ist er der älteste unter den deutschen Bundes fürsten. Der Großherzog feiert seinen Geburts tag in Schwerin in Mecklenburg, wohin er sich Dienstag abend mit dem Erbgroßherzoge, der Erbgroßhcrzogin-Witwe und dem Prinzen Bern hard von Sachsen-Weimar, seinem jüngsten Enkel, zum Besuche des Herzogs Johann Albrecht, Re genten von Mecklenburg-Schwerin und dessen Gemahlin, jüngsten Tochter deS Großherzogs, begeben hat. *Der deutsche Gesandte in Kopenhagen v. Kiderlen ist in Berlin eingetroffen, er begibt sich dieser Tage nach Kiel, um dort den Dienst als Vertreter des Auswärtigen Amtes während des Kieler Aufenthaltes und derReise des Kaisers nach Norwegen zu über nehmen. *Die in einzelnen Blättern aufgetauchte Meldung, das die allgemeine Einführung eines neuen Infanterie-Gewehres beschlossen und eine größere Bestellung bereits erfolgt sei, wird vom Leipz. Tagebl.' bestätigt. Im königlich sächsischen Armeekorps sei wie in anderen ein Bataillon bereits zum Massenversuch mit einem Gewehr neuesten Modells bewaffnet, dessen Hauptvorzüge in noch kleinerem Kaliber als dem bisherigen und in einem Mechanismus bestehen sollen, der alle Ladevorrichtungen außer der Füllung des Magazins selbstthätig besorgt. Allem Anscheine nach stehe uns wieder eine völlige Neubewaffnung der Infanterie bevor. Oesterreich-Ungarn. *Dr. Ladislaus Rieger, der einstige Führer der in vollkommenen Verfall geratenen alttschechischen Partei, hat den Freiherrn- titel erhalten. Frankreich. *Zur weiteren Befestigung der Häfen von Brest und Cherbourg ist ein Kredit von zwölf Millionen Frank beantragt worden. Schweiz. *Zum künftigen Gouverneur von Kreta war von französischer Seite der ehe malige schweizerische Bundespräsi dent Droz vorgeschlagen worden. Es heißt, daß dieser Vorschlag auch die Zustimmung der anderen Mächte gefunden hat. Droz hat jedoch abgelehnt. Nunmehr ist ihm der Antrag gestellt worden, daß er vorübergehend sich nach Kreta begeben möchte, um die Pazifikation der Insel durchzuführen und die autonome Ver waltung cinzurichten, und zwar nach durchaus freiheitlichen Grundsätzen. Kreta würde ein autonomer Staat, der nur formell unter der Oberhoheit der Türkei stände, und würde neutra lisiert, gleichwie es die Schweiz ist. Droz bat sich Bedenkzeit aus. England. *Der Königin Viktoria überreichte im Buckingham-Palast das Oberhaus am Mittwoch eine Glückwunschadresse. Im Unter hause teilte der Sprecher ein Schreiben des italienischen Botschafters mit, das die Teilnahme des italienischen Parlaments an den Kund gebungen der großen englischen Nation darlcge und von der Annahme einer Resolution berichte, welche die Sympathie des italienischen Volkes für den Jubel der großen englischen Gemein schaft, der Lehrmeisterin der Freiheit, über die lange Herrschaft der Königin Viktoria und warm gefühlte Wünsche über deren lange und blühende Fortdauer zum Ausdruck bringe. Oberhaus und Unterhaus schloffen sich nunmehr zu einer feierlichen Prozession zusammen und zogen gemeinsam nach dem Buckingham- Palast. Die Mitglieder des Unterhauses folgten größtenteils zu Fuß der alten Staatskarosse des Sprechers, welche die offiziellen Insignien trug. Die Führer der beiden Parteien des Unterhauses, Balfour und Harcourt, küßten der Königin die Hand. Nach Ueberreichung der Adressen kehrten die Mitglieder des Unterhauses nach dem Parlamentsgebäude zurück. Der Sprecher verlas nunmehr die Antwort der Königin auf die Adresse, in der dieselbe ihren Dank aussprach. Sie sei tief bewegt von den zahlreichen loyalen und liebevollen Kundgebungen, die ihr bereitet seien, und aufrichtig erfreut über die Wärme, mit der sich das Unterhaus ihnen anschließe. Später empfing die Königin, von ihrem Hofstaat umgeben, die Vorsitzenden und Abgeordneten der Grafschaftsräte, sowie die eng lischen und schottischen Bürgermeister. Der Empfang nahm längere Zeit in Anspruch. * Es mangelt der englischen Armee bedenklich an Rekruten. Die Garden allein brauchen mehrere hundert Mann, um ihre nor male Stärke zu erhalten. Es melden sich fast gar keine jungen Leute zum Eintritt in die Armee. Alte Gardisten, deren dreijährige Dienst zett abgelaufen ist, wollen nicht weiter dienen, weil sie Aussicht haben, nach Gibraltar zu kommen. Diese Garnison ist im ganzen britischen Heere verpönt. Der Dienst dort ist stramm und der Aufenthalt ungesund. — Wenn der Rekruten-Mangel so fortgeht, so wird die eng lische Armee in einer Anzahl von Jahren nur halb so stark sein, wie sie jetzt ist. Belgien. *Jn der Repräsentantenkammer wurde die jüngste Demonstration der Generale in der Militärfrage zur Sprache gebracht. Delbecke erklärte, die Antwort des Königs habe die konservative Mehrheit in Verwirrung ge bracht; einige erblickten darin einen Staats streich. Der Redner bestritt dem Könige das Recht, sich frei über politische Fragen auszu sprechen, welche eine Spaltung im Lande her vorriefen. Er wünsche von der Regierung zu wissen, ob die Rede des Königs genau wieder- gegeben sei, ob die Regierung bei der Fest stellung derselben beteiligt gewesen sei und ob sie die in der Rede enthaltenen Erklärungen be züglich der Militärfrage zu den ihrigen mache. Der Ministerpräsident erklärte, dem Könige sei keine Adresse überreicht worden, dagegen sei eine solche bei dem Kastellan des Palais hinterlegt worden; die Generale, welche von dem Könige empfangen wurden, hätten nicht an der Kund gebung teilgenommen. Schließlich wurde die einfache Tagesordnung mit den Stimmen der Rechten gegen die Stimmen der Linken angenommen. * Aus dem Congo st aat kommt eine neue Hiobspost. Der Brüsseler.Reforme' wird ge meldet, daß sämtliche Mitglieder der Expedition Dhanis, einschließlich Baron Dhanis, niederge metzelt worden wären. Dagegen stellt der Congo staat diese Meldung in Abrede. Er will bisher keine Nachricht über diese Angelegenheit erhalten haben. Der Congostaat hat aber schon manche Nachricht dementiert, die sich später als richtig herausgestellt hat. Rustland. *Zur russischen Reise des Präsi denten Faure meldet man: Während der Anwesenheit Faures in Petersburg wird ein ganzes Geschwader aus der Baltischen Flotte vor Kronstadt zusammengezogen werden. Der linke Flügel des Petershofer Schlosses wird glänzend restauriert zur Aufnahme des Präsi denten. Im Lager von Krasnoje-Sselo wird eine großartige Parade stattfinden. In Peters burg werden zon der französischen Kolonie Bankette gegeben werden. * Der König von Siam trifft am 3. Juli in Petersburg ein. Balkanstaate». * Die Friedensverhandlungen in Konstantinopel find allem Anschein nach ihrem Abschluß nahe. Nach einer aus diplomatischen Kreisen von Konstantinopel in Athen eingegan genen Depesche gilt dort für sicher, daß der Präliminarfriedensvertrag in allernächster Zeit unterzeichnet werde. Dem französischen, wie auch dem russischen Botschafter sei die Instruktion zugegangen, die Verhandlungen zu beschleunigen. Die Kriegsentschädigung werde wohl auf 70 Millionen Frank festgesetzt werden, die innerhalb 4 Jahre in Teilzahlungen zu ent richten seien, doch sei die endgültige Summe noch Gegenstand der Beratung. Wie von anderer Seite verlautet, hat die Pforte den Botschaftern in Konstantinopel jetzt formell erklärt, daß der Sultan im Prinzip auf Thessalien verzichte und sich mtt der bekannten kleinen Grenzregulierung zu strate gischem Zweck begnüge. * Einen eigenartigen Ukas zur Förderung deS heimischen Gewerbes hat die bul garische Regierung erlassen. Alle Beamten und Diener der staatlichen, städtischen und Kreis behörden sowie die Sobranje - Abgeordneten dürfen fortan im Dienste nur solche Kleider und Schuhe tragen, die ebenso wie ihre Stoffe im Lande selber angefertigt find. Stoffe wie Sachen müssen bestimmte Schutzmarken tragen, außerdem haben die genannten Persönlichkeiten ihre neum Kleider von ihrem Vorgesetzten betreffs des Ursprungs der Sachen besichtigen zu lassen, auch über dieselben eine Rechnung als Nachweis von dem betreffenden Händler mitzubringen. Im Uebertretungsfalle drohen den Beamten Geld- und Disziplinarstrafen! Aegypten. * Der Vormarsch der englisch-ägypti schen Sudan-Expedition soll unter brochen worden sein. Die Rekrutierungen und Materialsendungen find eingestellt. Ueber di« Gründe der Einstellung des Vormarsches ist noch nichts bekannt. Amerika. *Der Vertrag mit Hawai ist im amerikanischen Senat an einen Unterausschuß verwiesen worden, welcher über vielleicht aus dem Vertrage entstandene Verwickelungen beraten soll. Wie es jetzt heißt, hatte der Ein spruch Japans gegen die Einverleibung von Hawai fast den Charakter eines Ultimatums; die Einverleibung wird in dem Einsprüche als ge eignet bezeichnet, den Handel im nördlichen stillen Ozean zu stören und Vertragsrechte auf zuheben. Die Antwort der amerikanischen Regie rung auf den Einspruch Japans ist fast fertig gestellt. Die Antwort läuft auf eine nachdrück liche, gesetzliche Verteidigung der Stellung der Vereinigten Staaten hinaus und führt zur Unterstützung der Ansprüche der Ver. Staaten viele Beispiele aus dem internationalen Rechte an. Au» dem Reichstage. Im Reichstag beantragten am Donnerstag, dem letzten Beratungstag der Handwerkervorlagc, die Abgg. Auer u. Gen. (soz.) als Artikel 10 dem Ge setz die Hauptbestimmungen des Entwurfs betr. den Schutz der Konfektionsarbeiter und Arbeiterinnen anzufügen, zugleich mit einigen Zusätzen zum Kraukenversicherungs - Gesetz. Die Anträge wurden sämmtlich abgelehnt. Nach Erledigung der Besoldungs vorlage und des Servistarifs in dritter Lesung wurde sodann in namentlicher Abstimmung die Hand werker-Vorlage im ganzen mit 183 gegen 114 Stim men angenommen. Am 25. d. erledigt das Haus in dritter Bera tung die drei Nachtragsetats, darunter den jenigen betr. die Neuanschaffungen für die Artillerie in Höhe von 44 372 000 Mk. ohne jegliche Debatte. Damit ist die Tagesordnung erledigt. Präsident v. Buol: Ich habe Grund zur An nahme, daß wir am Schluffe unserer Beratungen stehen. Der Reichstag hat vom 3. Dezember 1895 bis zum 2. Juli 1896 und vom 10. November 1896 bis 25. Juni 1897, zusammen 15 Monate und einen Tag, oder 441 Tage getagt. In dieser Zeit haben 237 Plenarsitzungen stattgefnndeu. — Der Präsident gibt darauf die übliche Geschäftsüb-rsicht. Abg. v. Levetzow: Ich bin Ihrer Zustimmung gewiß, wenn ich Sie bitte, unserem verehrten Herrn Präsidenten für die unermüdliche Ausdauer und für die Gerechtigkeit und Umsicht, mit welcher er unsere Geschäfte in einer langen und anstrengenden Session geleitet hat, herzlichen Dank und Anerkennung dar zubringen. Ich bitte Sie, sich zum Ausdruck dessen von Ihren Plätzen zu erheben. (Geschieht unter wiederholter Zustimmung.) Präsident Frhr. v. Buol: Ich danke Ihnen aus vollem Herzen für die freundlichen Worte und die Zustimmung zu denselben. Ich kann Sie ver sichern, daß Ihre Anerkennung mir ein reicher Ersatz ist für meine Mühe. Ich danke Ihnen auch allen für Ihre Unterstützung und für Ihre Nachsicht, bitte Sie aber einen wesentlichen Teil der Anerkennung übertragen zu dürfen auf meine Kollegen im Präsidium und auf die Schriftführer und Quästoren. Reichskanzler Für st Hohenlohe: Ich habe dem Reichstag eine kaiserliche Botschaft mitzuteilen. (Die Anwesenden erheben sich, die Sozialdemokraten verlassen den Saal.) Der Reichskanzler verliest die aus Helgoland vom 23. Juni datierte Botschaft, durch welche er zum Schluß der Session des Reichs tages ermächtigt wird, und erklärt im Namen der Verbündeten Regierungen auf Befehl des Kaisers den Reichstag für geschlossen. Präsident v. Buol: Es liegt uns jetzt noch Eins ob, nicht, weil es Sitte und Uebung ist, son dern weil es uns ein Bedürfnis ist. Bor, bei und nach der Arbeit sind unsere Augen immer dahin ge richtet, wohin wir jetzt das Bedürfnis haben, einen lauten, weithin schallenden Ausdruck unserer Liebe und Treue zu richten. Ich fordere Sie auf, auch diesem Gefühle Ausdruck zu geben, indem Sie sich mir anschließen in dem Rufe: „Se. Majestät, unser hochverehrter, lieber Kaiser und König Wilhelm II-, Er lebe hoch I" (Die Anwesenden stimmen dreimal begeistert in das Hoch ein.) DIrrnKi Aandtaa. Am Donnerstag beschäftigte sich daS Herrenhaus mtt dem Vereinsgesetz. Der frühere Minister des Innern v. Puttkamer, Frhr. v. Summ, Frhr. v. Manteuffel u. a. traten für die Wiederherstellung des Gesetzes in einer schärferen Form ein. Minister des Innern Frhr. v. d. Recke gab die Erklärung ab, daß, wenn das Herrenhaus den Torso im Sinne der Absichten der Regierung abändere, die Regierung das Gesetz abermals an das Abgeordnetenhaus bringen werde. Die Vorlage wurde schließlich an eine Kommission verwiesen. Das Abgeordnetenhaus erledigte am Donnerstag Petitionen. Ueber eine Petition bett. Freigebung der preuß. Universitäten für weibliche Abiturienten wurde auf Antrag der Unterrichtskommission zur Tagesordnung übergcgangen, weil die Staatsregie rung ihr Wohlwollen für die Frage des Frauen studiums ausdrücklich bekundet habe. Im Abgeordnctenhause stand am Freitag die Interpellation Arnim u. Gen. zur Beratung: „Ist die Regierung bereit, Mitteilungen darüber zu machen, aus welchen Gründen die Berliner Ge treidefrühbörse weder im Sinne des Gesetzes, noch als Markt behandelt wird?" Handclsminister Bre- feld erklärte, daß diese Frühbörsen weder Börsen im Sinne des Gesetzes, noch Märkte seien, daß er also vorläufig kein Recht habe, sie zu schließen. Die Auflösung der Feenpalast-Versammlung sollte nur den Zweck haben, die Interessenten auf den Klage weg. zu verweisen, damit durch daS Gericht fest gestellt werde, wie der 8 1 des Börsengesetzes auf zufassen sei. An der Debatte beteiligten sich die Abgg. v. Eynern, v. Plötz, Hahn, Richter und Gamp,, welch letzterer sein Urteil dahin abgab, daß der Frühmarkt in der That als eine Börse anzu sehen sei. Uon Uah and Fern. Mainz. Die Stadt Mainz beabsichtigt, einen Schwimmlehrer anzustellen, der die Kinder der Volksschule unentgeltlich das Schwimmen lehrt. Die Einrichtung würde sich auch ander wärts empfehlen. Brühl. Ms vor einigen Tagen die im hiesigen Schloßteich gezüchteten Fische alle tot auf der Oberfläche schwammen, glaubte man zu nächst an eine böswillige Vergiftung. Es hat sich aber herauSgestcllt, daß übereifrige Bedienten hastigkeit vor Ankunft des Kaiserpaares Chemi kalien in den Teich geworfen hat, um das Wasser geruchlos zu machen. Die Fische haben deshalb dran glauben müssen. Bielefeld. Kadnar, der Verfasser der gegen die Bodelschwinghschen Anstalten gerichteten Broschüre, wurde am Tage vor dem Besuche des Kaisers verhaftet. Wie die .Volksmacht' behauptet, erfolgte die Ueberführung Kadnars in das hiesige Polizeigefängnis deshalb, weil, wie ihm vom Richter mitgeteilt wurde, eine Denunziation eingelaufen war, wonach er ge äußert haben solle: „Wenn der Kaiser trotz der Broschüre nach der Anstalt Bethel kommt, wird etwas passieren." Boppard. In der Nähe von Boppard spielte am Rheinufer ein kleines Kind und fiel durch Unvorsichtigkeit in den ziemlich ange schwollenen Strom. Ein 70 jähriger Mann mtt vollständig ergrautem Kopf, der den Unfall be merkte, sprang dem Kinde sofort nach und rettete es mit eigener Lebensgefahr vom sicheren Tode des Ertrinkens. Kassel. In der Wohnung eines hiesigen Leutnants vergiftete sich die Tochter eines Unter beamten, indem sie Salzsäure trank. Das Mädchen wurde noch lebend nach dem Land krankenhaus gebracht, wo es unter den furcht barsten Schmerzen verschied. Ihr Geheimnis 6j Roman a. d. Englischen d. Lady G. Robertson. Irvortsetzung.) Lady Leonie Charnleigh lernte mitlerweile sich in ihre neue Stellung einleben. Sie war eine gelehrige Schülerin und unter Lady Fanshawes Anleitung nahm sie alle die kleinen Dinge schnell an, durch die eine vornehme Dame sich auszeichnet und von andern unter scheidet. Lady Fanshawe widmete sich ihrer Aufgabe mit großer Hingebung, sie achtete auf jede Kleinigkeit, und als der Frühling wieder kehrte, war Leonie eine vollendete Dame der großen Welt. Lighton Hall war früher seiner großen Gast freundschaft wegen bekannt gewesen und Leonie wünschte ihm diesen Ruhm zu erhalten. „Wie schön müßte ein Gartenfest hier sein l" rief sie eines Morgens aus. „Bunte Lampions an den Bäumen, die Springbrunnen bengalisch erleuchtet und Musik, die durch Gebüsch ertönt! O, Lady Fanshawe, können wir nicht ein Garten fest veranstalten?" „Nicht ehe Sie bei Hofe vorgestellt find, Lady Charnleigh," erwiderte die Dame, „ich weiß, was sich für Ihre Stellung schickt, Sie dürfen nicht vorher in größeren Gesellschaften erscheinen." Leonie seufzte. Sie sehnte sich nach Ab wechselung; die paar kleinen Gesellschaften, die sie mitgemacht hatte, genügten ihr nicht, die, jungen Mädchen, welche Lady Fanshawe nach Lighton Hall eingcladen hatte, langweilten sic, und sie konnte die Zett nicht abwarien, wo sie sich in ihrem vollen Glanz der Welt zeigen durfte. Das Leben, welches die jungen Damen in Lighthon Hall führten, war ein sehr stilles, ein förmiges, und Leonie verbrachte einen großen Teil des Tages damit, die Kunstschätze zu studieren und die. prächtige Umgebung des Hauses nach allen Richtungen zu durchforschen. „Sie werden im Laufe der Zeit einsehcn," sagte Lady Fanshawe eines Tages zu ihr, „daß diese ruhigen Monate eine wichtige Vorbereitung für Ihr künftiges Leben sind. Benutzen Sie dieselben, so werden Sic Ihren Platz im Leben würdig ausfüllen, im andern Fall dagegen wer den die Menschen immer fragen, woher Sie stammen, weil Ihnen die besonderen Manieren fehlen, die man sich nur im Verkehr der großen Welt aneignet." Leonie mußte diesem Ausspruch recht geben und bemühte sich, ihre Bildung zu vervollständigen. Eines Morgens im April sagte Lady Fan shawe: „Nun sind es nur noch einige Wochen bis zum großen Empfang bei Hofe, Lady Charnleigh. Wir müssen über Ihre Toilette be raten. Natürlich müssen Sie die Charnleighschen Diamanten tragen." Als nun der ersehnte Augenblick in greif bare Nähe gerückt war, überkam es das junge, in Armut und Entsagung ausgewachsene Mäd chen wie ein Schwindel. Sie hätte lachen und weinen mögen. Lady Fanshawe sah in ihr er regtes, strahlendes Gesicht und sagte plötzlich: „Sie müssen sich bald glücklich verheiraten, Leonie. Ich bin überzeugt, daß Sie Glück geben und empfangen werden." Wohl für mich geben?" Lady Fanshawe schwieg. Sie sah wohl ein, daß jeder Mensch seine Erfahrungen selber waren nur Toilettenfragen gewidmet. Leonie wurde bei Madame Berton eingeführt, und diese versprach, zu der Vorstellung bei Hofe ein Kleid zu liefern, das die Schönheit der jungen Dame zur vollen Geltung bringen würde. „Wir werden gleich in den Strudel der Geselligkeit kommen," sagte Lady Fanshawe. „Sie werden sich vorsehen müssen, Leonie, daß Sie Ihre frischen Farben nicht cinbüßen." „Ach, find das nicht herrliche Aussichten?" rief das junge Mädchen aus. „Wenn es auch andere ermüden mag, mich sicherlich niemals. Ich habe das Gefühl, als ob ich immer ver gnügt und leichtlebig bleiben würde." „Wie viele haben dieselbe Auffassung gehabt und gaben doch nachher zu, daß die Freuden der Welt sie enttäuscht haben." „Das werde ich nie. Das Leben scheint mir so herrlich. Lassen Sie mich doch den Becher der Freude leeren, so lange er schäumt." „Leonie," sagte Lady Fanshawe freundlich, „Sie sind sanguinisch, Sie erwarten zu viel, und die Enttäuschung ist nachher um so bitterer." „O bitte, predigen Sie mir das nicht," bat das junge Mädchen. Sie ergriff eine Rose und fuhr fort: „Sie würden doch auch diese Blume nicht warnen, sich an Thau und Sonnen schein zu laben. Welche Enttäuschung sollte es lichen Himmel hatte große Anziehungskraft und alle, die von der romantischen Geschichte der jungen Lady Charnleigh gehört hatten, waren , gespannt, ihr Debüt zu sehen. Ihr ging nicht machen muß, und daß es vergeblich sein würde, nur der Ruf großer Schönheit voraus, sondern ein junges Mädchen vor den Gefahren der Welt sie sollte auch liebenswürdig und geistvoll sein, zu schützen. Die ersten Tage ihres Aufenthalts in London Die große Kour bei der Königin und das Diese lachte. „Heiraten, weshalb ?" sagte sie. „Ich habe ja alles, was ich mir wünsche; ich wüßte nicht, was man mehr braucht. Was könnte ich durch eine Heirat noch gewinnen?" „Vielleicht ändern Sie Ihre Ansicht noch, wenn Sie nicht etwa ganz anders veranlagt sind, als sonst die jungen Mädchen. Ich war in meiner Jugend gewiß nicht romantisch, aber in Ihrem Alter schien mir die Liebe das Höchste aus der Welt zu sein." „Vielleicht habe ich zu wenig davon gehört, bei Miß Templeton war das ein ganz ver botenes Thema. Wenn bei einem der jungen Mädchen ein Liebesbrief gefunden worden wäre, so würde sie schwer bestraft worden sein." „Miß Templeton hat ganz recht darin. So lange Mädchen zur Schule gehen, sollten sie sich nicht mit solchen Dingen beschäftigen." „Und deswegen verstehe ich nichts davon," sagte Leonie lachend, aber der Ausdruck ihrer Augen harmonierte nicht ganz mit ihren Worten. * * * Endlich hatte der Mai seinen Einzug gehal ten, und die Londoner „Saison" stand vor ihrer Eröffnung. Sie versprach eine sehr glänzende zu werden. Der neue Stern am gesellschaft-
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