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Allgemeiner Anzeiger : 02.06.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189706021
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-06
- Tag 1897-06-02
-
Monat
1897-06
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.06.1897
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, Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser ist am 29. Mai von Prökcl- witz, nachdem er noch in Danzig die kaiserl. Werft und das Leibhusarcn-Regiment besichtigt hatte, nach Berlin zurückgekehrt. *Der Bundesrat hat in seiner am Mittwoch stattgehabten Sitzung die Mitteilung des Präsidenten des Reichstags über den Reichstagsbeschluß zu dem von den Abgg. Rickert und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes betr. das Vereinswesen, dem zuständigen Ausschüsse zur Beratung über wiesen. *Herr von Miquel, so deutet der ,Hamb. Korresp.' an, ist allerdings amts- müde, aber nur als Finanzminister. Nach den in der Finauzverwaltung durch geführten Abänderungen sei derselben fortan auch, ein Mann von gringerer Bedeutung und Thatkraft gewachsen, „während sie für die schöpferische Kraft eines Staatsmannes ersten Ranges kein ausreichendes Feld der Bethätignng bietet. Wenn von Amtsmüdigkcit des Finanz ministers die Rede ist, so mögen dabei derartige Aeußerungen zu Grunde liegen. Möglich auch, daß es sich dabei um Reflexe von Kombinationen aus der politischen Lage handelt. Aber wie gesagt, hieraus einen Schluß auf Rücktritts abfichten des Ministers zu ziehen, ist falsch." * Der diesjährige allgemeine Vereinstag der deutschen landwirtschaftlichen Ge nossenschaften wird für die letzte August woche nach Dresden einberufen. Der Allgemeine Verband der deutschen landwirtschaftlichen Ge nossenschaften zählte nach seiner letzten Liste 4230 Genossenschaften. Außer diesen werden vorausfichtlich der bayrische Landesverband mit 1300 Darlehnskassen, sowie die deutschen land wirtschaftlichen Genossenschaften Böhmens und anderer österreichischer Kronländer in Dresden vertreten sein. * Der gothaische Landtag nahm ein stimmig den Antrag an, den Etat nur für zwei Jahre zu genehmigen. Da das Ministerium sich dagegen ablehnend verhielt, steht ein Kon - flikt in Aussicht. Frankreich. * In P an a m a s a ch e n hat es allerhand Neues gegeben. Die radikalen Zeitungen be haupten, das Ministerium des Innern, oder wenigstens die ihm unterstellte Polizei habe ver sucht, durch Ankauf von Akten dem Untersuchungs richter eine Anzahl Schuldbeweise vor der Nase wegzuschnappen. Man muß dergleichen Nach richten natürlich mit Vorbehalt aufnehmcn. Wenn aber die Radikalen so überzeugt sind von der Schuld der Obrigkeit, weshalb schweigen sie denn in der Kammer, oder nutzen ihre Ent hüllungen wenigstens nicht gleich aus, so lange sie frisch und sensationell sind? Es fehlt ihnen eben das Herz zur Frontattacke. Ihre Pläne gehen nur auf Stellung einer Falle. Alles in allem läßt sich nur wünschen, daß das jetzige Kabinett noch eine gute Welle bleibe; denn für Frankreichs Ruhe und Europas Bequemlichkeit hat noch keins so gut gesorgt, wie dieses, und wird wohl auch keins sich wieder so verdient machen. *Die von der französischen Regierung für sehr ernst angesehenen Unruhen in Algerien, denen unzweifelhaft der Plan Zeiner mohammedanischen Erhebung gegen Frank reich zu Grunde liegt, dauern fort. In der Stadt Oran ist zwar alles durchaus ruhig, dagegen sind in Fortassa erneute Unruhen vor gekommen; dort plünderten 300 Araber die jüdischen Magazine. Es wurden mehrere Ver haftungen vorgenommen. Belgien. * Der Congostaat erklärt die Nachricht für unbegründet, daß bei einer neuen Metzelei 20 weiße Unteroffiziere, die zu der Expedition des Barons Dhanis gehörten, ums Leben gekommen seien. Der Congostaat ver sichert, daß er die Namen aller Umgekommenen, die zu seiner Kenntnis gelangten, veröffentlicht habe. Dänemark. *Die dänische Krise scheint sich that- sächlich dem Ende zuzuneigen. Im Folkething brachte der Finanzminister die neue Budgetvor lage ein, welche die umstrittenen For derungen nicht enthält. Bezüglich einiger Forderungen für militärische Zwecke er klärte der Finanzminister, er werde auf diese Forderungen verzichten, falls sie Widerstand fänden. — Auf dieser Grundlage wird der vor läufige Friede wohl zu stände kommen. Jeden falls scheint der Streit zunächst vertagt. Svamen. *Die liberale Presse in Madrid erklärt formell, die Liberalen würden sich jeder Beteiligung an der Verwaltung des Staates enthalten, so lange die Königin denMinister des Aeußern nicht gezwungen habe, seine Entlassung zu nehmen. Canovas wird mit der Mehrheit der Konservativen regieren und die nötigen Kredite sür Cuba durchzubringen suchen. Der Konflikt mit der Krone und dem Parlament wird um so bedenklicher, da die karlistische Bewegung rastlos betrieben wird. Ruhland. *Der,Osservatore Romano' schreibt, wie er aus guter Quelle erfahre, zeige der Kaiser von Rußland in seiner Billigkeit gegenüber allen seinen Unterthanen auch den Uniaten gegenüber die besten und versöhnlichsten Ge sinnungen, indem er dafür eintrete, daß die Uniaten wegen ihres Glaubens bekenntnisses nicht belästigt werden, sondern ihren Glauben frei bekennen und die Gebräuche desselben ausüben können. Eine Drahtmeldung eines Berichterstatters aus Warschau meldet ferner: Nach amtlicher Nachricht aus Petersburg hat der Zar auf die Vorstellung des General- Gouverneurs, Fürsten Jmeretynski, die Wieder eröffnung des katholischen Priester- Seminars in der Gouvernementsstadt Kietce gestattet. Das Seminar war bekannt lich vor drei Jahren wegen politischer Umtriebe unter den Zöglingen von Gnrko geschlossen wor den. Es ist somit eine neue polenfreundliche Maßnahme getroffen worden. Balkanstaaten. *Eine griechische Note an die Mächte weist Punkt für Punkt die türkischen Forde rungen zurück. Das Verlangen nach einer Kriegsentschädigung sei nicht berechtigt, weil nicht Griechenland den .Krieg begonnen habe. Eine Grenzberichtigung sei durch nichts begründet, weil durch den Krieg bewiesen worden sei, daß die griechischen Stellungen strategisch nicht wertvoller seien als die türkischen Stellungen. Durch die Aufhebung der Kapitulationen würden die griechischen Unterthanen in der Türkei der Willkür der türkischen Behörden völlig ausgeliefert sein. Die Forderung eines Auslieferungsver trags sei angesichts der Handhabung der türkischen Justiz überhaupt undiskutierbar. * Die unaufhörlichen thörichten Streiche der griechischen Regierung sollen in den politischen Kreisen Rußlands lebhafte Ungeduld erregt haben. Namentlich sei die Erklärung des Ministeriums Ralli, keinerlei Grenzberichügung und keinerlei Kriegsentschädigung zuzustimmen, geeignet, Griechenland den letzten Rest der Sympathien zu entfremden. Falls Griechenland nicht innerhalb weniger Tage auf vernünftigere Gedanken komme, sei man in Rußland voll ständig entschlossen, es seinem Schicksal zu überlassen. * .lieber einen neuen Zwischenfall auf Kreta wird dem .Daily Telegraph' aus Athen berichtet. Danach hätten die Admirale dem Obersten Simkos sowie dessen Truppen so lange die Abfahrt verweigert, als nicht die im Besitz der Insurgenten in Akrotiri befindlichen Geschütze ausgeliefert seien. Ferner wird aus Lamia ge meldet, daß sich am Dienstag etwa 300 türkische Irreguläre in der neutralen Zone gezeigt haben. Die griechische Gendarmerie trieb fie zurück. Der Kronprinz hat gegen diese Ver letzung des Waffenstillstandes lebhaft protestiert. * Zum Gouverneur von Kreta ist laut dem .Standard' von den Mächten ein schließlich der Türkei der Prinz Franz Joseph von Battenberg ausersehen, der sich soeben mit einer Tochter des Fürsten von Montenegro vermählt hat. *Vom Kassationshof in Sofia ist Gheor- ghievs. der Hauptbeschuldigte unter den Mördern Stambulows, freige sprochen worden. Afrika. *Aus Kapstadt wird gemeldet, daß die Portugiesen in Gazaland mehrmals von den Eingeborenen besiegt worden find und dringend um Sendung von Kavallerie und Infanterie aus Lissabon ersucht haben. Deutscher Reichstag. Am 26. d. steht auf der Tagesordnung die zweite Beratung der Ergänzung zum Etat, ent haltend die Besoldungsverbefscrungen in Verbindung mit den drei Nachttagsetats, betreffend 1) Artillerie forderungen u. s. w. 2) die Nachfordcrung zur Be teiligung des Reiches an der Pariser Weltaus stellung und den Neubau des Reichstags-Präsidial- gebäudcs, sowie 3) die Erhöhung des Remunerations fonds im Etat des Auswärtigen Amtes. — Die Beratung beginnt mit den Besoldungsverbesserungen. — Im Anschluß an den Vortrag des Referenten Abg. Paasche tnatlib.l über die Verhandlungen und Beschlüsse der Kommission spricht Abg. Rickert (fr. Vg.) sein Bedauern darüber aus, daß nicht einmal die unwesentlichsten Wünsche der Beamten in der Vorlage Berücksichtigung ge funden hätten, wie sie seit Jahren hier zum Ausdruck gekommen seien. Redner wünscht nun jedenfalls eine baldige Beseitigung oder doch Reform des Kautionswescns. In Preußen sei eine solche zu gesagt. Er wünsche, daß das Reich hier hinter Preußen nicht zurückbleibe. Reichsschatzsckretär Graf Posadowsky erklärt sich bereit, eine erneute Prüfung der Frage vorzu nehmen und mit Preußen dieserhalb in Verbindung zu treten. Die Klassen 1 — 28 der Vorlage werden unver ändert angenommen. Als Klasse 28 hat die Kommission eine neu« Position ausgenommen, in welcher Beamte der Post- und Telcgraphcn-Verwaltung Platz gefunden haben, deren Maximalgehalt von 2700 — 3000 Mk. erhöht worden ist. Abg. Werner bedauert, daß nicht auch die Beamten der ReichSdruckerci hier ebenfalls Aufnahme gefunden haben. ' Abg. Lieber (Zentr.) erklärt, seine Freunde hätten der Vorlage nur unter der Bedingung zuge stimmt, daß die von der Kommission neu eingcfügten Beamtenklassen vom Hause und von den verbündeten Regierungen angenommen würden. Er wünsche des halb, daß sich die verbündeten Negierungen bis zur dritten Lesung darüber schlüssig machen. Reichsschatzsekretär Graf Posadowsky er widert, die Regierung stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß der Reichstag wohl das Recht habe, Aenderungen an den in die Vorlage einge stellten Gehaltssätzen vorzunehmen, dagegen nicht neue Klassen einzufügen. Dazu gehöre eine Ver ständigung beider gesetzgebender Faktoren. Er hoffe indessen, daß die Einfügungen der Kommission vom Bundesrat nachträglich sanktioniert werden würden. Klaffe 28 u wird darauf einstimmig ange nommen. Für den Rendanten beim Reichsinvalidenfonds, der jetzt ein Gehalt von 5400 bis 6000 Mk. bezieht, war in der Vorlage eine Erhöhung des Maximal- gchalts um 600 Mk. enthalten. Die Kommission hat diese Erhöhung gestrichen. Reichsschatzsckretär Graf Posadowsky bittet, hier die Vorlage wieder herzustcllen, da durch den Kommissionsbejchiutz dieser Rendant schlechter gestellt würde als die Rendanten anderer Verwaltungen. Darin würde aber eine große Unbilligkeit liegen, zumal diese Stellung gerade eine besondere Verant wortlichkeit erfordere. Der Kommissionsbeschluß wird angenommen. Für die Jntendantur-Bauräte und die Post- Bauräte (4200—6000 Mk.) sah die Vorlage eine Erhöhung des Maximalgehalts auf 7200 Mk. vor. Dieser Satz wird auf Antrag der Kommission aus 6900 Mk. ermäßigt. Die Divisionspfarrer beziehen jetzt 2100 bis 3600 Vik. Sie sollen nach der Vorlage 2400 bis 4200 Mk. erhalten. Die Kommission hat das Maxi malgehalt auf 3900 Mk. ermäßigt. Kricgsmintster v. Goßler befürwortet hier die Wiederherstellung der Vorlage mit Rücksicht auf die Wichtigkeit dieser Remter für die Armeeverwaltung, und auf das Alter, in dem die Pfarrer erst in die-' selben einrückcn. Unter Ablehnung des Kommissionsanttages wird darauf die Regierungs-Vorlage wicderherge- stellt. Im übrigen wird die Vorlage nach den Kom missionsbeschlüssen angenommen. Die Kommission beantragt außerdem drei Reso lutionen: 1) auf Erhöhung der Besoldungen der Staatssekretäre des Reichsmarinc-, des Neichs- justiz-, des Reichsschatz- und des Ncichspostamts auf je 30 000 Mk.; — 2) auf Bewilligung von Pferde- gcldcrn an die Regiments-Kommandeure und die ihnen gleichgestellten Offiziere; — 3) aus Neurege lung des Remunerationswesens. — Diese werden angenommen. Außerdem beantragt Abg. Singer (foz.) eine Resolution dahin, daß im nächsten Etat für die Unterbeamten der Reichspost- und Tclegraphen- verwaltung eine Besoldung von 900 bis 1500 Alk., für die Landbriesträger eine solche von 700 bis 1000 Mk. festgesetzt werde. Unterstaatssekrctär Fischer bemerkt, daß durch eine solche Gehaltserhöhung Ungleichheiten im Ver hältnis zu anderen Beamtenkatcgorien geschaffen werden würden, die im Interesse des Dienstes ver mieden werden müßten. Die Resolution würde außerdem einen Aufwand von 1ft, bis 1'/, Mill. Mark notwendig machen. Abg. Lieber: Ihm werde mitgeteilt, daß die Postboten in Bayern schon heute ein höheres Ge halt haben, als die Resolution Singer für unsere Landbricsträger fordere. Was Bayern thue, werde aber auch das Reich wohl thun können. Seine Freunde trügen daher kein Bedenken, der Resolution Singer beizuttetcn. Die Resolutton Singer wird darauf mit sehr großer Mehrheit angenommen. Darauf wendet sich das Haus zu den Nach- tragsetats, die von der Kommission zu einem vereinigt worden sind. Bei den Artilleriefordcrungen (44'/g Millionen) bemerkt Abg. Richter (frs. Vp.) seine Freunde, die beim Marineetat eine Reihe von Forderungen ge strichen hätten und darum noch heute in allen Kreis blättern gescholten würden, sie — die vatcrlandsloscn Gesellen—stimmten doch dieser dreimal höheren Forde rung zu, ja so vaterlandslos sie auch seien, sie würden sich auch den Konsequenzen im Interesse der Wehr kraft des Landes nicht entziehen, denn sie wüßten, was sie eventuell hier am Eisen sparen könnten, wür den sie später mit Blut heimzahlcn müssen. Die Forderung wird darauf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die Forderung für das Präsidialgebäude des Reichstags gelangt mit einer Resolutton des Abg. Schmidt-Elberfeld (ft. Vp.) zur Annahme ans Erwerb des ganzen noch freiliegenden Grund stücks gegenüber dem Reichstage in der Sommer straße, und auf gleichzeitige Errichtung einer elektri schen Beleuchtungsanstalt. Im übrigen werden die Nachtragsetats dcbattelos und — den Kommissionsanträgen ent sprechend — unverändert bewilligt. Die genaue Finanzierung derselben - wird jedoch bis zur dritten Lesung Vorbehalten. Es folgen Kommissionsberichte über Pcti - st i 0 ne n. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung: Dienstag, den 22. Juni. 4»,»»tag. Das Herrenhaus setzte am Mittwoch die Etats beratung fort. Die Verhandlungen boten nur wenig Interesse. Api Freitag beendete das Herrenhaus die Etats- beratting. Beim Kultusetat kam es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem Frhrn. v. Stumm und dem Minister Dr. Busse über die Frage der Besetzung der Lehrstühle der Nationalökonomie mit „Kathcdersozialisten". Das Abgeordnetenhaus genehmigte am Mittwoch in zweiter Lesung den'Gesetzentwurf betr. die Ver staatlichung der Aachen-Mastrichtcr Eisenbahn, den Nachtragsetat und den Rest der Novelle zum HandelS- kammergcsetz, welch letzteres noch einige Aenderungen erfuhr. Außerdem wurden noch einige kleinere Vor lagen erledigt. Nachdem das Abgeordnetenhaus am Freitag die dritten Lesungen der Vorlage bett, die Aachen- Mastrichter Eisenbahn und des Nachtragsetats er ledigt hatte, trat das Haus in die zweite Lesung der Vcreinsgesetznovelle ein. Die Art. I und l'I der Regierungsvorlage wurden mitsamt den von konservativer Seite gestellten Zusatzanträgen (Prä- vcntivverbot und „Kleines Sozialistengesetz") mit 246 gegen 140 Stimmen abgelehnt. Gegen die Stimmen des Zentrums und der Freisinnigen wurde die Kommissionsfassung des Art. . l angenommen, wonach an Versammlungen, in denen politische An gelegenheiten erörtert werden sollen (dies „sollen" fehlt in der Regierungsvorlage), Mndcrjährigc nicht teilnehmen dürfen. Art. l V wurde in einer vom Abg. Krause (nat.-lib.) beantragten Fassung angenommen, die die Teilnahme von Minderjährigen und weiblichen Personen in allen unpolitischen (nicht bloß geselligen Zusammenkünften volitischer Vereine zuläßt. Art. V wurde mit dem Antrag Zedlitz (kons.), wonach der Vorsitzende einer Versammlung in die Verhandlung nicht eintrcten soll, bevor er die Minderjährigen aufgefordert, sich zu entfernen, gegen die Stimmen des Zentrums, der Polen, Freisinnigen und einiger Nationallibcralcn angenommen. Damit war die zweite Lesung beendet. Leidenschaft und Liebe. 22j Roman von C. Bclmar. Worts-Yung.) Melitta atmete tief und schwer. „Was kann Ihnen daran liegen, mich öfter zu sehen?" fragte sie mit tonloser Stimme. „Sie können noch fragen. Denken Sie an jene Zeit zurück, da ich meine schönsten Melodien schuf, da Sie der Genius waren, der mich zu süßen Liedern begeisterte —" „Genug!" unterbrach ihn die junge Frau, blaß, aber mit blitzenden Augen. „Rufen Sie mir jene Zett nicht ins Gedächtnis zurück, denn ich kann dann nur an die erlittene Demütigung denken; für mich gibt es keine süße Erinnerun gen an Sie, merken Sie sich das. Verlassen Sie das Haus meiner Freundin und ich will ein Zusammentreffen an einem andern Orte mit Ihnen nicht vermeiden, herbeiführen werde ich ein solches nie. Was mein Benehmen anbe- trifst, so wird dasselbe stets in den Grenzen kühler Höflichkeit bleiben, indessen will ich mich bemühen, meine Abneigung gegen Sie nicht so wie bisher zur Schau zu tragen. Ich bringe dieses Opfer meiner Freundin, denn Gott weiß es, wie viel es mich kostet, Ihre Gegenwart, wenn auch nur für Stunden, zu ertragen, und nun gehen Sie, wir haben miteinander nichts mehr zu reden." Er fah fie bewundernd an. Mit der stolzen Haltung und den blitzenden Augen schien sie ihm tausendmal schöner und begehrenswerter denn je; die kleine bescheidene Melitta von ehedem war ein willensstarkes, selbstbewußtes Weib geworden. ! Einen Augenblick lang überkam ihn ein Gefühl der Reue, daß er einst in schnödem Uebermut diesen Schatz von sich gewiesen, aber diese edlere Regung dauerte nicht lange. Er bemächtigte sich hastig der Hand Melittas und sagte, dieselbe fest in der seinen pressend: „Sie find zum Anbeten, bezaubernd in Ihrem Stolze." Mit einem leichten Schreckensrufe riß sich die junge Frau von ihm los. In der ge öffneten Thür stand Konrad, mit finsteren Blicken auf die kleine Gruppe sehend. Cornaro machte ihm spöttisch lächelnd eine Verbeugung und ging; der Professor machte keinen Versuch, ihn zurückzuhalten. Kaum hatte sich die Thür hinter dem Künstler geschlossen, so wandte sich Konrad rasch an seine Koufine, mit mühsam unterdrückter Heftigkeit fie fragend: „Was hattest du mit jenem Menschen?" „Bin ich dir Rechenschaft schuldig?" Frage und Antwort trafen rasch aufeinander; Melitta, noch erregt von der soeben stattgehabten Szene, war keineswegs in der Stimmung, sich maßregeln zu lassen und Konrad, der Andeu tungen der Baronin gedenkend, war empört über die Art und Weise, mit welcher Melitta jeder Erörterung auszuweichen suchte. Die junge Frau schickte sich an, den Garten salon zu verlassen, allein Konrad legte seine Hand schwer auf ihren Arm. „Du bleibst und stehst mir Rede." „Wer gibt dir das Recht, so mit mir zu sprechen?" rief fie zornig, indem fie einen Ver such machte, seine Hand abzuschütteln. „Wer mir das Recht dazu gibt? Die Freundschaft für Volkmann, die Sorge um dich, die ich stets als meine Schwester betrachtet habe. Melitta, sprich, was hattest du mit Cor naro zu verhandeln?" „Was glaubst du von mir? Wessen willst du mich beschuldigen?" „Laß mich offen mit dir reden. Die Baronin Königsegg hat mir gestern ganz deutlich zu verstehen gegeben, daß Cornaro dir einst näher gestanden, und dein sonderbares Benehmen gegen den Künstler rechtfertigt nur zu sehr die Worte; du wirst befangen in seiner Gegen wart ; du errötest, wenn er sich, dir nähert, ich habe diese Wahrnehmung schon in der Residenz gemacht — und er selbst schlägt gegen dich einen Ton der Vertraulichkeit an, der wohl geeignet ist, seltsame Vermutungen wachzurufen. Heute finde ich dich sogar mit ihm allein, so' daß es den Anschein hat, als wäre diese Zusammen kunft eine verabredete gewesen; Melitta, sei offen und ehrlich — sage mir alles — gib mir das Recht, diesen Menschen in die ihm ge bührenden Schranken zurückzuweisen; wenn du jemals für ihn ein wärmeres Gefühl gehegt, so muß dies längst erloschen Kin, denn dies wäre eine Sünde uffd Verrat an deinem edlen Gatten, der sein ganzes Glück nur in dir findet. Oder Melitta, hättest du ihn, uns alle getäuscht? Solltest du Hugo nicht lieben? Hängt dein Herz noch an diesem Menschen, dessen Untreue und Flatterhaftigkeit nur allzu bekannt sind? Sollte Volkmanns Gattin schon so tief gesunken sein, um nicht mehr der Rücksichten zu gedenken, welche sic gegen den Namen ihres Gatten zu beobachten hat — solltest du Cornaros Schmeiche leien auch jetzt wieder günstig ausgenommen haben —" Er kam nicht weiter, denn Melitta riß sich empört von ihm los. „Und das alles wagst du mir zu sagen!" rief sic mit glühenden Wangen und mit zorn bebender Siimme; „du nennst dich meinen Bruder, den Freund meiner Kindheit und denkst ärger von mir als ein böser Feind. Geh, geh, laß mich allein; sorge dich nicht um mich. Jcb werde schon für die Ehre des Namens, den ich trage, zu sorgen wissen." „Melitta", sagte eine sanfte Stimme in be gütigendem Tone. Frau Balbing war eingetreten und sah verwundert auf die erregte Freundin. Melitta warf sich stürmisch in Rosinas Arme. „Bring mich fort von hier," schluchzte fie krampfhaft, „ich habe mein Versprechen gehalten, er geht, um nie wieder zurückzukehren." 10. Acht Tage waren seit den letzten Ereignissen vergangen; Cornaro hatte das Herrenhaus ver lassen und war nach Königsegg zurückgckchrt. Herr Balbing befand fich auf dem Wege der Besserung, und Volkmanns waren wie gewöhn lich häufige Gäste. Scheinbar war alles wieder ins alte Geleise zurückgekehrt und doch war dem nicht so. Nach einer unliebsamen Szene im Herrenhause war Konrad nicht weiter in Melitta gedrungen, allein sein Mißtrauen war deshalb nicht von ihm ge wichen; im Gegenteil, es hatte neue Nahrung bekommen durch einige boshafte Anspielungen
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