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Allgemeiner Anzeiger : 20.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189703203
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970320
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-20
-
Monat
1897-03
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.03.1897
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Politische Rundschau. TeutjcülanS. * Der Kaiser wohnte am Dienstag der feierlichen Ucbergabe der dem 2. Garde-Dra goner-Regiment von der Zarin geschenkten silbernen Kesselpauken bei. (Die Zarin ist Chef des Regiments.) * Ueber das Entlassungsgesuch, das der Marine-Staatssekretär Hollmann wegen der Streichungen der Budgctkommission ein gereicht haben soll, war bis Dienstag noch nichts entschieden, wenigstens war die Entschei dung des Kaisers nicht bekannt geworden. * Auch Graf Caprivi hat die Einladung zur Hundertjahrfeier mit Rücksicht auf sein Befinden ablehnen müssen. * Ein Auslieferung? - Vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und den Nieder landen ist dem Reichstage zugegangen. Bis her waren solche Auslieferungsverträge nur ab geschlossen zwischen den Niederlanden und einzelnen deutschen Staaten. Der preußische Vertrag datierte von 1850 nebst Zusätzen von 1867. Der neue Vertrag zählt die gemeinen Strafthaten auf, derentwegen die Auslieferung stattfinden soll. Ausdrücklich ist die Verfolgung wegen politischer Strafthaten und die Auslieferung wegen anderer als der angeführten gemeinen strafbaren Handlungen ausgeschlossen. * Es hat den Anschein, als wenn man, trotz aller möglichen Zwischenfälle, doch mit einem längeren Zusammensein des Reichstags rechnet, und der Schluß der Session nicht vor Pfingsten zu erwarten steht. Die Handwerkervorlage wird nicht uner ledigt bleiben können und jedenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen, obwohl es mehr als fraglich bleibt, ob der Entwurf auch Gesetz wird. Außer dem wird in offiziöser Form ausdrücklich be tont, daß die Reichsregierung auf die baldige Durchberatung der Vorlage über Erhöhung von Beamtenbesoldungen besonderen Wert lege, die Verabschiedung noch in dieser Session zu stände gebracht zu sehen wünsche und daß „an maß gebender Stelle von einer Rückstellung der Be ratung bis zum Herbst" nichts bekannt sei. *Die .Nordd. Allg. Ztg.' hat die Hoffnung, daß der Reichstag bezüglich derMarine - forder ungen günstiger als die Budgetkom- misfion sümmen wird, noch nicht aufgegeben. Das Blatt schreibt: „Die Finanzlage ist doch gerade jetzt so günstig, daß erwartet werden darf, der Reichstag werde die finanziellen Be denken der Kommisfionsmehrheit nicht teilen, wozu ihn schon der Umstand bewegen sollte, daß während der ganzen Amtsdauer des jetzigen Reichskanzlers von Steuererhöhungen irgend Welcker Art nickt die Rede gewesen ist und auch die für die Marine geforderten Beträge ohne be sondere finanzielle Maßnahmen bereitgestellt werden können." * Die Handwerkervorlage ist dem Reickstag nunmehr zugcgangcn. Danach ist durch die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag Beteiligter anzuordnen, daß innerhalb eines be stimmten Bezirks sämtliche Gewerbetreibende, welche das gleiche Handwerk oder verwandte .Handwerke ausüben, einer neu zu errichtenden Innung (Zwangsinnung) als Mitglieder anzu- gchören haben, wenn: 1) die Mehrheit der be teiligten Gewerbetreibenden der Einführung des Beitrittszwanges znstimmt, 2) der Bezirk der Innung so abgegrenzt ist, daß kein Mitglied durch die Entfernung seines Wohnorts vom Sitze der Innung behindert wird, am Genossenschafts leben teilzunchmen und die Jnnungseinrichtungen zu benutzen, und 3) die Zahl der im Bezirke vorhandenen beteiligten Handwerker zur Bildung einer leistungsfähigen Innung ausreicht. * Zu der Errichtung einer thüringischen Lotterie hat der sachsen-weimarische Landtag in einer geheimen Sitzung seine Zustimmung mü allen gegen 3 Stimmen ge geben. Wie verlautet, find jedoch nicht alle thüringischen Staaten bei der neuen Staats lotterie beteiligt, doch dürften sie im Laufe der Zeit sich sämtlich anschließen, auch Anhalt sich vielleicht beteiligen. Oesterreich-Ungarn. *Für den österreichischen Reichs- r a t haben die Wahlen auf Grund des all - gemeinenStimm rechtes bisher ergeben die Wahl von 12 Sozialdemokraten, 11 Jung- tschechcn, 9 Christlich-Sozialen, 9 Deutsch-Kleri kalen, 9 Polen, 3 Slowenen, 3 Ruthencn, zwei Deutsch-Liberalen, 2 Italienisch-Liberalen, zwei Kroaten, 2 Polnisch-Radikalen und je einem Deutsch - Volklichen, Schönerianer, polnischen VolkSparteiler, Anhänger Stojalowskis, Jung- Rumänen und Italienisch-Klerikalen. Frankreich. * Die P a t r i o t e n l i g a soll laut Beschluß von Ausschuß und Direktion unter dem alten Namen („Ligue des Patriotes") wieder zu neuem Leben erstehen. Holland. *Die Transvaal-Republik hat einen schmerzlichen Verlust erlitten. Der auch in Berlin beglaubigte Gesandte in den Nieder landen, Beelaerts van Blockland, wurde am Sonntag im Haag während des Gottesdienstes von einem Schlaganfalle betroffen, dem er noch im Laufe des Tages erlegen ist. Spanien. * Die Königin - Regentin weigerte sich, die Abberufung des Generals Polavieja von den Philippinen zu unterzeichnen. Es gehen Gerüchte über eine Krisis. Die Re gierung telegraphierte dem General Polavieja, er dürfe angesichts seines Gesundheitszustandes zurücktreten. Der General antwortete soeben, er werde unverzüglich über seinen Gesundheits zustand berichten. Man glaubt, daß die Lage des Kabinetts CanovaS del Castillo gefährdet sei. Balkanstaaten. *Die Proklamierung der Autonomie für Kreta, eine gemeinsame Okku pation der Insel durch verstärkte Truppen detachements der Mächte, die strenge Blockade aller kretischen Häfen steht unmittelbar bevor, falls die griechischen Streit kräfte aus der Insel nicht sofort zurück gezogen werden. Eine effektive Blockade gegen Häfen des Königreichs würde, falls nötig, von den Admiralen verhängt wer den: das find die Beschlüsse Europas, wie sie am Montag in der französischen Deputierten kammer mitgeteilt wurden, und die Deputierten kammer hat das Kabinett ermächtigt, diese Be schlüsse mit durchführen zu helfen. Es scheint, daß die vorläufige Aufschiebung der Blockade des Piräus ein Zugeständnis an englische Wünsche gewesen ist. * Ein schrecklicherUnglücksfall be gleitete den Anfang der ernsten Maßregeln gegen Griechenland. Auf dem russischen Panzer schiff „Sessoj Weliki" erfolgte Montag nach mittag 2 Uhr, zwischen Retimo und der Suda bai, bei einer Schießübung eine furchtbare Explosion. Der letzte Schuß sollte abge geben werden; das Geschoß wurde in das Ge schütz des Panzerturms eingesetzt; in demselben Augenblick erfolgte die Explosion und die Be dachung des Panzerturms im Gewicht von 6000 Kilogramm flog in die Lust. Die eine Hälste fiel ins Meer, die andere flog über die Laufbrücke hinweg auf die Kommandobrücke. Es wurden von der Besatzung 1 Offizier und 13 Mann getötet sowie 1 Offizier und 16 Mann verwundet. *Die Lage auf Kreta ist allerdings schlimm und wirr: sie schreit nach Abhilfe. Im Westen und im Osten wird gekämpft; gemordet und geplündert wird fast unter den Augen der europäischen Streitkräfte. ES liegen zahlreiche kleine Einzelberichte vor, die — je nach ihrer Quelle — bald die Türken, bald die Christen als die Bedrängten hinstellen. * An türkischen Streitkräften find bisher 72 Bataillone Infanterie, 6 Regimenter Kavallerie und 20 Batterien an der g r i e ch i s ch- türkischen Grenze zusammengezogen. Eine große Menge von Pferden wird täglich von Salonichi an die Grenze gesandt. * In den slawischen Tellen der Balkanhalb insel soll die Aufregung im Wachsen begriffen sein. Nach Berichten, die der serbischen Regie ¬ rung aus Altserbien zugcgangcn sind, plünderten Arnautenbanden fünf Dörfer, ein Kloster und äscherten zwei Dörfer ein. Afrika. * Der Zusammenschluß derTrans - vaalrepnblik mit dem Oranje-Frei staat komm: der englischen Politik wenig ge legen. Das-zeigt sich in einer Meldung des offiziösen ,Reut. Bür.'. Danach wäre in den Verhandlungen wegen eines engeren Zusammen schlusses zwischen der südafrikanischen Republik und dem Oranje-Freistaat vollständige Stockung eiugctreten, weil die Delegierten des letzteren die Forderungen der südafrikanischen Republik für übertrieben halten. (Der Wunsch scheint hier der Vater des Gedankens zu sein.) Aus dem Reichstage. Der Reichstag hielt am Montag eine nur halb stündige Sitzung ab. Debaltclos wurde in dritter Lesung die Vorlage betr. die Verwendung über schüssiger Einnahmen des Jahres 1897/98 ange nommen und dann ohne jede Erörterung eine An zahl Petitionen erledigt. Am 16. d. steht zunächst zur Beratung die erste Lesung des Auslieferungs-Vertrages z w i s ch en d em D euts ch en R e i ch und den Niederlanden. Abg. Spahn (Zentr.) erklärt, daß seine Partei eine Kommissionsberatung für überflüssig hält, und bittet um Genehmigung des Vertrages sofort im Plenum. Abg. v. Marquardsen (nat.-lib.) begrüßt cs mit Freuden, daß der Vertrag in deutscher und holländischer Sprache abgefaßt ist, während sonst die französische Sprache bei solchen Verträgen üblich sei. Dies sei ein erfreuliches Zeichen der Stammes- gemeinschast. Auch er empfehle von Kommissions beratung abzusehen. Abg. v. Buchka (kons.) schließt sich den Aus führungen des Abg. Spahn an. Hiermit ist die erste Beratung beendet. — Die zweite Lesung findet sofort im Plenum statt. Der Vertrag wird ohne Debatte auch in zweiter Lesung angenommen. Es folgt die erste Beratung deS AuS- wanderungsgesctzes. Direktor im Auswärtigen Amte Geheimrat Reichardt verweist auf die ausführliche Be gründung, welche der Vorlage beigegeben, und bittet um Annahme derselben. Sie richte sich nicht gegen die Auswanderung als solche, sondern gegen die Mißbräuche, die für den Slaat und seine Ange hörigen aus der Verleitung zur Auswanderung ent stehen könnten. Sie lehne sich also an die sozial politische Gesetzgebung an. Eine Richtung gegen jene Mißbräuche solle dadurch geboten werden, daß die Betreibung der Auswanderung von einer Kon zession abhängig gemacht wird, deren Erteilung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird. Es wird ferner eine Zentralstelle für das Äuswcmdcrungs- wesen geschaffen, durch welche die Handhabung des Gesetzes wesentlich gefördert werden solle. Es solle staat liche Fürsorge für verläßliche Anskunstserteilung an Auswanderüngslustigc getroffen werden. Tic Wünsche auf Hinlcnkung der Auswanderung nach den Schutz gebieten hätten eine eingehende Prüfung erfahren, aber es sei nicht anzunehmen, daß die Schutzgebiete in naher Zukunst ein geeignetes Terrain für eine Auswanderung in größerem Maßstabe werden ° Abg. Hasse (nat.-lib.) beantragt die Verweisung des Entwurfs an eine Kommission von 21 Mit gliedern. Die Vorlage werde allerdings viele Ent täuschungen bereiten, aber sic trage doch den ge gebenen Verhältnissen Rechnung. Vor allem begrüße er cs, daß der Entwurs der alldeutschen Bewegung Rechnung trage, daß das Interesse des Reiches für den Reichsbürger nicht aufhören solle, wenn er die Grenzen des Reiches verlasse. Er sei aber auch er freu!, daß man die Kolonialbewegung ebenfalls be rücksichtigt habe. Zur Förderung dieser hätte cs sicher bcigetragcn, wenn wir bereits früher ein Aus- wandernngsgesetz gehabt hätten. Nach allen Er fahrungen, die man mit dem Auswandernngswesen gemacht habe, müsse er cs für durchaus berechtigt erklären, daß die Vermittelung der Auswanderung an eine Konzession geknüpft werde. Er hätte aber auch gewünscht, daß nach anderer Seite die Vorlage! weiter gegangen wäre, daß sie auch die Regelung! der Rechte und Pflichten derjenigen Personen um- j faßt hätte, welche ausgewandert sind, den Verlust! der Reichsanq-Höngkeit, die Erleichterung der Ab- ! leistuNg der Wehrpflicht. Nicht weit genug scheine! ihm auch die Fürsorge für die Auswanderer in den! Auswanderungsgebieten selbst zu gehen. Abg. Spahn (Zentr.) erklärt sich mit der Ver weisung an eine Kommission von 2t Mitgliedern einverstanden, weist aber darauf hin, daß im Aus lande vielfach Gesetze geschaffen worden find, welche der deutschen Auswanderung Hindernisse bereiten. Abg. v. Buchka (kons.) begrüßt die Vorlage als einen Fortschritt, da sie Verbesserungen gegen über den gesetzlichen Vorschriften der Einzelstaaten enthalte, schließe sich aber dem Antrag auf kom missarische Beratung an. Abg. Frese (fr. Vgg.) beinängelt vor allem die Bestimmungen über die KonzcssionScrteilung. Tie Bestimmung, daß die Konzession jeder Zeit wider rufen werden könne, sei zu hart. Vielfach lause der lßntwurf auf eine Erschwerung der Auswanderung hinaus, was zugleich eine Beschränkung der Frei zügigkeit bedeute. Abg. Barth sfr. Vgg.): Den größten Fehler des Entwurfs müsse er darin sehen, daß garnicht gesagt werde, wer als Auswanderer anzusehcn ist. Man könne als solchen doch nickt jeden betrachten, der eine Reise ins Ausland antritt. Es trete hier derselbe Mangel hervor, wie beim Börsengesetz, wo es auch an einer Definition für den Begriff Börse gefehlt habe. Abg. Förster-Neustettin (Antis.) begrüßt namens seiner Freunde die Einbringung des Ent wurfs und bedauert nur, daß er so spät vorgelcgt worden sei. Die Bedenken der Vorredner seien nicht schwerwiegend. Wer als Auswanderer anzuschen, könne die Kommission leicht fcstsetzen. Daß die Auswan derung nach bestimmten Gebieten von der Zentral stelle empfohlen würde, halte er für durchaus be rechtigt. Man müsse die deutsche Auswanderung gerade immer mehr von Nordamerika wcgleiten, denn dort gehe unseren Landsleuten das Deutschtum leider sehr bald verloren, während es in ^üdbrasilicn er halten bleibe, namentlich gerade dann, wenn ein größerer Strom von Deulschen dorthin geleikt würde. Mit der Verweisung der Vorlage an eine Kommission sei er einverstanden. Direktor im Auswärtigen Amt Geh. - Rat Reichardt behält iich näheres Eingehen aus die gegen den Entwurs gemachten Einwände sür die Kommiisionsberatung vor, stellt aber heute bereits fest, daß die ausländischen Gesellschaften durch den Entwurf garnicht ausgeschlossen und ebensowenig ein Monopol der deutschen Schiffsgesellschasten an- gestrcbt werden solle. Damit schließt die Diskussion. — Die Vorlage geht an eine Kommission von 21 Mitgliedern. pLeutzischrr Landtag. Am Montag erledigte das Abgeordnetenhaus dm Etat der Eisenbahnvcrwaltung in zweiter Lesung. Es wurden nur lokale Wünsche über neue Bahn- hofsanlagen, Anlage neuer Eisenbahnlinien w. vor getragen. Weitere Beschwerden betrafen die Heran ziehung der Interessenten zu Beiträgen für die An lage neuer Haltestellen. Minister Thielen erklärte, an der Praxis seines Amtsvorgängers festhalten zu müssen, die Interessenten stets zu Beiträgen hcran- zuziehen. Im Abgeordnetenhausc begann am Dienstag die Beratung des Etats des Handelsministeriums. Beim Ausgabetitel „Ministergchalt" wiederholte Abg. Graf Schwerin-Löwitz seine Anklagen gegen die Stettiner Börse. Abg. Brömel entgegnete, daß die Eingabe der Pommerschen Landwirtschaftskammer eine direkte Beleidigung der Stettiner Kaufmannschaft enthalte. Gras Kanitz verlangte ein scharfes Vorgehen des Ministers gegen die „wilden Börsen". Minister Brefeld erklärte, die Berichte der Oberpräsidenten seien noch nicht eingegangcn. Im übrigen empfahl er den Weg der Verständigung. Usn Uah und Fern. Kiel. Im Kaiser Wilhelmkanal ereignete sich wieder ein Schiffsunfall. Das auf der Fahrt von Hamburg nach Faaborg in Däne mark befindliche Schiff „Anna", welches mit Mais beladen war, sprang im Kanal leck rind begann zu finken. Es gelang, das lecke Schiff aus dem Fahrwasser zu bringeu, worauf eS in dem anliegenden Mekelsee versank. Die Kanal passage erleidet demnach keine Störung. Breme«. Der „Norddeutsche Lloyd" er höhte die Zwischendecksfahrpreise nach New Dork sür Schnelldampfer auf 160 Mk., für Post dampfer auf 150 Mk. Die Preisfestsetzung tritt am 18. März in Kraft. Stettin. Den drei infolge des Unfalls auf der „Brandenburg" im vorigen Jahre verurteilten Beamten des „Vulkan" in Stettin, Schubert, Nicolai und Freyberg, ist auf dem Gnadenwege die Gefängnisstrafe in Festungshaft umgewan delt worden. Elberfeld. Gegen den des Meineids ver dächtigen Bürgermeister Hüsgen zu Radevorm wald ist ein Haftbefehl erlassen worden. Der Bürgermeister befindet sich gegenwärtig „auf Reisen". Leidenschaft und Liebe. Rowan von C- Belmar.*) 1. „Darf ich?" fragte eine Helle Mädchenstimme, und ein rosiges Gesichtchen schaute durch die halbgeöffnete Thür in ein mäßig großes Studier zimmer; an dem Schreibtische saß ein junger Mann, so eifrig mit seiner Arbeit beschäftigt, daß er die Frage gänzlich überhörte und halb laut vor sich hinsprechend, emsig weiter schrieb. „Dars ich, Konrad, oder darf ich nicht?" wiederholte das Mädchen lauter seine Frage. Der junge Mann wandte sich zur Thür. „Du bist's, kleine Hexe?" sagte er halb lachend, halb verdrießlich ob der Störung, „nun komm nur herein, ein halbes Stündchen hättest du mir wohl noch zum Studieren lassen können." „Ach was, studieren und immer studieren," lachte sie und stand im nächsten Augenblick hinter ihm, um eine Fülle duftender Veilchen über seinen dunkeln Krauskopf zu schütten. „Da hast du meinen Frühlingsgruß," lachte sie über mütig. „Aber Melitta, wer wird so ungezogen sein," rief er nun unwillig, die duftenden Blüten ab schüttelnd. „O du Barbar, meine süßen Veilchen! Jetzt liegen sie alle am Boden und dein ge lehrter Fuß wird die holden Frühlingskinder unbarmherzig zertreten," sagie Melitta entrüstet, ihm einen bitterbösen Blick zuwerfend. „In der *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. That, Konrad, du bist ein ganz abscheulicher Mensch." Sie kniete nieder und begann eifrig die ver streuten Veilchen zu sammeln. „Nun, nun, das Unglück wird nicht so groß sein," sagte er großmütig, „ich will dir helfen, du kleiner Wildfang. Wenn du mir deine Spende fein säuberlich in ein Sträußchen ge bunden auf den Schreibüsch gelegt hättest, statt mir die Blumen so »ans ka^ou an den Kops zu werfen, dann — dann —" „Dann, was hättest du gethan?" fragte sie in ihrer Beschäftigung nun inne haltend mit einer Miene, die deutlich zeigte, daß sie zur Ver söhnung geneigt war. „Nun, dann hätte ich dir einen väterlichen Kuß auf die Stirne gedrückt und dich ein braves kleines Mädchen genannt," entgegnete er sarkastisch lächelnd. Melitta wurde purpurrot vor Zorn. „Ich, ich brauche deine väterlichen Küsse nicht, und ich bin kein braves, kleines Mädchen, ich, ich bin —" „Eine erwachsene junge Dame von vierzehn Jahren," unterbrach sie der junge Mann lachend. „In zwei Jahren darf ich schon lange Kleider tragen und Bälle besuchen, ganz so wie Ver walters Minna, die ich heimlich um alle diese Vorzüge beneide." Melitta warf das zierliche Köpfchen hochmütig in den Nacken zurück. „Verwalters Minna!" sagte sie spöttisch; „die möchtest du wohl gern mir zum Vorbild aufstellen — die Leute be haupten ja ohnehin, sie sei schon halb und halb deine Braut." Konrad runzelte die Stirn. „Wer sagt das?" fragte er rauh. „Alle Leute! Und dann, schließlich ist man doch nicht so dumm, wenn man auch erst vier zehn Jahre zählt und noch kurze Kleider tragen muß. Ich habe euch gut beobachtet, Minna wird jcdesmal rot wie eine Fcuerlilie, wenn sie dich sieht, und du ziehst deinen Hut vor ihr so üef, als sei sie eine Prinzessin." Melitta hatte die verstreuten Veilchen in ihr Schürzchen gesammelt und wollte sich nun eiligst ans dem Staube machen, denn Konrads ernste Miene schien ihr nichts Gutes zu weissagen. Aber so leichten Kaufes kam sie nicht davon. Konrad nahm sie bei der Hand und sagte ruhig: „Dageblieben, meine Kleine, lege die Veilchen auf meinen Schreibüsch, so, und jetzt steh mir Rede. Was ist das für ein alberneS Gewäsch von mir und Minna, sprich!" „Nun, wenn du es durchaus wissen willst," versetzte Melitta etwas befangen, „so magst du denn alles hören. Du weißt doch, daß neulich bei Großmama große Kaffeegesellschaft war, ich mußte wie gewöhnlich servieren und da die Damen mich noch immer als Kind bettachten, so plauderten sie ganz ungeniert vor mir. Das Gespräch kam auch auf dich; man sprach von deiner Gelehrsamkeit und zählte die Vorzüge auf, die du, nach Angabe jener Dame, besitzen sollst. Da sagte plötzlich die Fran Doktorin: „Darf man bald gratulieren? In der Stadt heißt es allgemein, daß der Herr Professor mit Ver walters Minna verlobt sei." „Ja, ja riefen die andern Damen, „auch wir haben davon gehört." Großmama lächelte und entgegnete freundlich: „Nun, verlobt find die zwei noch nicht, aber" — sie hielt inne und fuhr nach einer kleinen Pause fort — „wenn zwei junge Leute ein ander fast täglich sehen und sprechen, so ist es nicht anders denkbar, als daß sie sich lieben lernen müssen — und Minna und Konrad find ja wie für einander geschaffen." Nun ging es an: Ein passenderes Paar als ihr beide gäbe es nicht sobald; es könne gar nicht anders sein, Ihr müßtet Mann und Frau werden, eine vor teilhaftere Verbindung fei gar nicht möglich, weder für dich noch für Minna; in diesem Tone ging es fort, daß ich glaubte, ich müsse um meine Ohren kommen — Großmama hörte - alles mit einer freundlichen, still vergnügten Miene an, man sah es ihr an, wie zufrieden sie sei, hat sie mich doch an diesem Nachmittage - nicht ein einziges Mal mehr gescholten." Tief aufatmend schloß Melitta ihren Bericht. ' Die Kleine hatte sich in Eifer gesprochen; eine dunkle Röte deckte ihre zarten Wangen und in den samtgrauen Augen blitzte es wie verhaltener Zorn. Mit verschränkten Armen und finsterer Sürn hatte Konrad der Rede des Mädchens gelauscht. AIS sie geendet, richtete er einen festen scharfen Blick auf das offene Kindergesicht vor sich und fragte fast barsch: „Ist es wirklich so, wie du gesagt hast?" „Konrad", sagte Melitta beleidigt, „habe ich jemals gelogen?" „Nein, das hast du nicht! Ich danke dir." Er bot dem Kinde die Hand, das nur zögernd > seine Fingerspitzen in die kräftig schöne Männer - Hand legtc. M
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