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Allgemeiner Anzeiger : 03.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189703030
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-03
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Monat
1897-03
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Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.03.1897
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Politische Rundschau. Deutschland. *Dcr Kaiser, der gänzlich wiedcrher- gestellt ist, traf am Freitag wieder in Berlin ein und nahm an dem Festessen des branden burgischen Provinzial-Landtages teil. * Unter den Mächten ist abermals Einigkeit erzielt worden und zwar darüber, daß die Botschafter in Konstantinopel der Pforte offiziell anzcigen werden, die Biächte seien ent schlossen, namens der Pforte die Insel Kreta zu pacifizieren (in Friedens zustand zurückversetzen). Das gleiche soll in Athen bekannt gegeben werden mit der zusätz lichen Forderung, sofort die Insel zu räumen. Alle Mächte find entschlossen, diese Forderung nötigenfalls durch die kräftigsten Zwangsmaßrcgeln zu unterstützen. Der König von Griechenland soll beschlossen haben, die „Note der Mächte anzunehmcn". — Im Falle einer Ablehnung des Ultimatums will England den Mächten Vorschlägen, den Oberst Bassos durch die Drohung, die griechischen Schiffe vor Kreta in den Grund zu bohren, zur Räumung der Insel zu zwingen. * Staatssekretär v. Stephan hat sich einer Operation unterziehen müssen. Ende Januar stellte sich eine Entzündung am rechten Fuße ein. Die Entzündung wurde so bedenk lich, daß am Montag zu einer Amputation der vierten Zehe geschritten werden mußte. Dem Patienten ist nach der ,Nordd. Allg. Ztg/ noch längere Schonung auferlegt. *Die Geschäfte des Reichsge richts haben im letzten Jahre, soweit Zivil suchen in Betracht kommen, eine Zunahme er fahren, während die Strafsachen abgenommen haben. Es find 2496 Zivilsachen anhängig ge worden gegen 2419 im Vorjahr. Die Zahl der Revisionen in Strafsachen ist von 5955 auf 5704 zurückgcgangen. Beschwerden find im ganzen 1184 anhängig gemacht worden gegen 1123 im Vorjahr. Wichtig ist, daß die Zahl der Zivilsachen, in denen das angefochtene Urteil aufgehoben ist, erheblich zurückgegangen ist, und zwar von 489 auf 438. Für den Erfolg der Revisionen in Strafsachen liegen keine Zahlenangaben vor. Von den Beschwerden find 220 für begründet und 858 für unbegründet erklärt. * Der R ei ch sta g hat sich bis zum 8. März vertagt, um seinen Kommissionen Zeit zu lassen, ihre Arbeiten zu fördern. *Am Mittwoch fand ün Reichsamt des Innern die schon angckündigte Konferenz über dasWcgerecht derFischdampfer statt, zu der die berufensten Vertreter der deutschen Seefischerei geladen und erschienen waren. Die Verhandlungen ergaben zur großen Genugthuung der anwesenden Fischereiinteressenten die That- sachc, daß die Rcichsrcgierung bereit ist, die Interessen namentlich der für die Ernährung des Volkes so hochwichtigen Dampfseefischerei kräftig zu schützen und zu fördern. * Zum Zentrumsantrag auf Aufhebung des Jesuiten-Gesetzes wird ein Ab- Sndenmgsantrag eingebracht werden, für den sich bei einer früheren Verhandlung bereits die Abgg. v. Bennigsen, Rickert und Graf Limburg- Ssirum erklärt haben: Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder der ihm ver wandten Orden oder ordensähnlichen Kongre gationen können, wenn sie Ausländer find, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden; wenn fie Inländer find, kann ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. *Die preußische Vereinsgesetz- Novelle wird, so glauben die,Berl. Polit. Nachr.' als sicher bezeichnen zu können, sich nicht nur auf die Aufhebung des Verbots der Verbindung politischer Vereine untereinander erstrecken, sondern auch noch andere „veraltete ^Bestimmungen" durch zeitgemäße ersetzen. *Dcr Preuß. Versicherungsbeirat ist jetzt zum 29. März zu seiner ersten Sitzung einberufen worden. Der Versicherungsbeirat ist eine neue Einrichtung; erst kürzlich sind diel Ernennungen dazu erfolgt. Er ist aus zahl reichen hervorragenden Vertretern von Ver sicherungs - Anstalten aller Art zusammengesetzt und steht mit dem Ministerium des Innern sowie mit dem Landwirtschafts - Ministerium in Verbindung. Oesterreich-Ungar«. *Das ungarische Abgeordnetenhaus nahm das Budget des AckerbauministcriumS im ganzen an. In der Schlußrede erklärte der Ackerbauminister Dr. Daranyi, daß er die Frage der Kanalverbindung Donau-Oder nicht aus dem Auge verlieren werde und daß er die Frage der Waag-Oder-Verbindung studieren lasse. Frankreich. *Der bekannte Alton, der wegen der Panama-Bestechungs-Affäre am Donnerstag vor den Geschworenen stand, ist freigesprochen worden. Er will nun 104 hervorragende Persönlichkeiten namhaft machen, die Bcstcchungsgelder angenommen haben. Italien. *Die zur Wahrung der gesundheitlichen Interessen Europas in Venedig versammelte Pestkonferenz wird vielleicht durch das aus Kalkutta gemeldete Auftreten der Cholera in einem der indischen Notstands distrikte zur. Beschleunigung ihrer Arbeiten veranlaßt werden. Die von der Pestkonferenz gefaßten Beschlüsse hinsichtlich der Uniersagung der Pilgerfahrten nach Mekka erhalten angesichts des Choleraaus bruches in Indien den Charakter verstärkter Dringlichkeit, zumal bei der wachsenden Un sicherheit der politischen Verhältnisse im Orient eine Kontrolle der ottomanischen Reichs-Grenzen unter Umständen kaum durchführbahr ist. Belgien. *Der belgische Senat beriet am Donnerstag den Gesetzentwurf, betreffend die H a z ard s Pi el e, und nahm den ersten Artikel an, welcher besagt: An öffentlichen Orten find untersagt: 1) Hazardspielc und Spiele, bei denen eine Bank gehalten wird. 2) Alle übrigen Spiele, wenn dieselben die Veranlassung bilden zur Aufwendung eines Ein satzes in Gold oder zur Aussetzung eines Preises seitens Dritter. Ausgenommen hiervon find diejenigen Spiele, bei welchen es auf körperliche Geschicklichkeit und Uebung ankommt. Rußland. * InFinnland wurde von dem Bürger stande auf dem Landtage ein Vorschlag zur Gewährung despolitischenWahlrechts an unverehelichte Frauen eingereicht. Allem Anschein nach wird der Vorschlag Er-olg haben, da er im Einklang mit der Volksan- schauung im Lande steht. Bei den finnländischen Landgemeinden haben die Frauen schon lange die gleichen Rechte mit den Männern, es blieb also zur allgemeinen Gleichberechtigung der Ge schlechter nur ein weiterer Schritt zu thun übrig. Bakkanstaate«. * Daß bei übergroßer Halsstarrigkeit Griechen lands mit einem Einmarsch der Türken in Thessalien gedroht oder sogar gerechnet werden könnte, erscheint nicht ausgeschlossen. Keinenfalls aber wird die Pforte darauf hin es wagen dürfen, den Bogen zu straff zu spannen und an eine Etärische Uebcrschwemmung von Hellas zu denken. Französische offiziöse Stimmen fordern die Türkei bereits auf, dieRüstungen e i n z u st e l l e n. * Auf eine Anfrage in der rumänischen Kammer, ob es wahr sei, daß die Ausrüstung der Armee sich in schlechtem Zustande befinden solle, erklärte der Kriegsminifter, daß die vier rumänischen Armeekorps vollständig ausgerüstet seien, die Befestigungen sich in ausgezeichnetem Zustande befänden und der Verteidigungsstand binnen kurzem vollständig sein werde. Der Ministerpräsident fügte hinzu, er sehe keine Gefahr ernster Verwickelungen, Rumänien verbleibe in den besten Beziehungen zu allen Mächten. Akrik«. *Die Niedermetzelu ng der italieni schen Expedition im Somalilande hat ihre Sühne gefunden. Der Kommandant des „Sorrentino" hat, nachdem festgestellt war, welcher Volksstamm in der Nähe von Mogadischu die Hauptschuld an der Niedermetzelung der Ex pedition Ceechi trage, die Dörfer desselben zer stört und die Bewohner zerstreut oder zu Ge fangenen gemacht. Asien. *Ras Alula, einer der bekanntesten Unterkönige in Abessinien, ist gestorben. Aus dem Reichstage. Der Reichstag beschäftigte sich am Donnerstag mit dem Antrag Colbus (Els.) betr. Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts für die Wahlen zum Landesausschuß der ReichSlaude. Der Antrag wurde durch die elsässischen Abgeordneten befürwortet. Geheimrat Halley bestritt, daß der Landesausschuß im Lande unpopulär sei und in der Mehrheit aus Beamten bestehe. Die vorgebrachten Klagen wären in keiner Weise gerechtfertigt. Der Antrag Colbus wurde sofort im Plenum in erster und zweiter Lesung gegen die Stimmen der ge samten Rechten und Nationalliberalen angenommen. Am 26. d. wird zunächst die Beratung des Etats der Verwaltung der Reichs- Eisenbahnen fortgesetzt bei den Einnahmen. Abg. Bueb (soz.) behauptet, bei den reichs ländischen Eisenbahnen würde unter der preußischen Verwaltung der fiskalische Gesichtspunkt immer mehr hervorgekchrt. In Baden sehe man die Kilometer- Hefte allgemein als eine große Verkehrserleichterung an. Die preußische Verwaltung frage aber in erster Linie nicht nach solchen, sondern nach möglichst hohen Überschüssen. Ss blieben die elsaß-lothringischen Bahnen hinter den benachbarten badischen Bahnen zurück, und die Bevölkerung fühle sich geschädigt. Die Einnahmen werden bewilligt. — Bei den Ausgaben fordert Abg. Bueb die Verlegung des Sitzes der Zentralverwaltnng von Berlin nach Straßburg. Ehe diese nicht erfolge, könne man aus eine Er füllung der Wünsche nicht rechnen, die die reichs ländische Bevölkerung in bezug auf Verkehrs- und Betriebsvcrbcsserungen hege. Das Personal sei un genügend und auf den Bahnhöfen herrschten gräu liche Zustände. Bei stärkerem Andrang würden nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilpersonen, die für die dritte Klasse bezahlt hätten, in Güter- oder sogar Viehwagen befördert. Der Firma Stumm habe man weiter die Anlegung einer Anschlußbahn gestattet, obwohl die Geleise über Terrain gingen, das ihm garnicht gehörte. Auf Anfrage des Abg. Förster (Antis.) er widert Gebcimrat Wackcrzapp, es sei für die reichsländischen Eisenbahnbeamten in den letzten Jahren sehr viel geschehen, insbesondere auch für die Militäranwärter, von denen besondere Petitionen vorlägen. Es scheine keine Notwendigkeit zu weiteren Aufbesserungen in den nächsten Jahren vorzuliegcn. Abg. Frhr. v. Stumm lfreikons., persönlich^: Die Behauptung, daß seine Verwaltung ein Geleise über ihm nicht gehöriges Gelände gelegt habe, sei vollkommen unwahr. Auf eine weitere Anfrage des Abg. Bueb er klärt Minister Thielen, er würde sich nicht ver anlaßt fühlen, dem Redner zu antworten, nachdem derselbe einmal geäußert, die ziffcrnmäßigigcn An gaben der Reichseisenbalmverwaltung seien nichts als Redensarten. Er müsse aber hier darauf Hin weisen, daß die Prüfung, die früher für die Maschinentcchniker bestand, abgeschafft sei. Die Abgg. Hammacher (nat.-lib.) und Bueb (soz.) empfehlen allmählich dem Beispiel Preußens zu folgen und nur eine Klasse von Sekretären zu verwenden. Geheimrat Wackerzapp bemerkt, die Ver waltung der Reichseisenbahnen beabsichtige allerdings, hier dem Beispiele Preußens zu folgen und nur zwei Kategorien von Bürenubeamten zu schaffen, nämlich Säkretäre und Bürcau-Assislcnten. Abg. Förster empfiehlt die Gleichstellung der Kanzlisten erster und zweiter Klasse. Geheimrat Wackerzapp erwidert, die Kanz listen erster Klasse hätten die schwierigeren und ver antwortlicheren Arbeiten zu erledigen, daher recht- fertige sich ihre bessere Bezahlung; die Stellen erster Klasse seien übrigens in den letzten Jahren mehrfach vermehrt worden. Abg. Bueb rügt die zu lange Arbeitszeit und den Mangel an Sonntagsruhe für das Stations, Strecken- und Tclegraphen-Personal. Minister Thielen: Daß einzelne Beamten- kategoricn generell überbürdet oder in ihren Ein kommensverhältnissen schlechter gestellt seien als die anderer Bahnverwaltungen, müße er entschieden in Abrede stellen. Abg. Hammacher lnat.-lib.) kann bezüglich der Telegraphisten nicht anerkennen, daß die der Reichs lande ebenso gestellt seien, wie die in Baden und in Preußen. Abg. Werner (Antis.) empfiehlt die Berück ¬ sichtigung der Wünsche der Lokomotivführer auf Besserstellung in Rang, Gehalt, Kohlen- und Meilen- geldern. Minister Thielen weist darauf hin, daß die Preuß. Verwaltung den Beamten doch erhebliche Vorteile gebracht habe, die sie früher nicht gehabt. Die Wichtigkeit der Stellung der Lokomotivführer werde von der Verwaltung vollkommen gewürdigt, aber es liege doch kein Anlaß vor, sie aus den übrigen Beamtenkategorien herauSzugreifen und mit Gehalts erhöhungen zu bedenken. Die Abg. Frhr. v. Stumm und Frhr. Heyl zu Herrnsheim (nat.-lib.) erkennen die Vor züglichkeit der Preuß. Verwaltung durchaus an. Das Ordinarium wird darauf nach weiterer unwesentlicher Debatte bewilligt. — Im Extra- ordinarium beantragt die Budgetkommission die Streichung einer Forderung in Höhe von 1 Million Mark für eine erste Rate zum Bau der Bahn von Busendorf nach Dillingen. Minister Thielen teilt mit, daß die Inter essenten sich in letzter Zeit bereit erklärt hätten, ihre» Zuschuß zu erhöhen. Sowohl die reichs ländischen Interessen, wie die der preußischen Bahn- vcrwnltnng, und nicht zum mindesten das Jnterelie der Landesverteidigungskommission machten es daher erwünscht, Gelegenheit zu nochmaliger Darlegung der Gründe zu haben, aus denen der Verwaltung die baldige Inangriffnahme des Baues erwünscht er scheint. Er bitte die Forderung daher nochmals der Kommission zu überweisen. Die Forderung wird darauf an die Kommission zurückverwiescn. — Der Rest des ErtraordinariumS wird debattclos bewilligt. — Damit ist der Etat der Eiscnbahnverwaltung erledigt. Es folgt das aus dem Etat des Reichsamts des Innern noch rückständige Kapitel „Reichs- V e r s i ch e run g s a m t". Die Kommission, an welche dasselbe nachträglich verwiesen worden war, beantragt unveränderte Bewilligung und Annahme folgender Resolution: „Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in dem nächstjährigen Etat beim ReichS- Lersicherungsamt einen Teil der remunerierten richterlichen Beamten durch etatsmäßig angeftellte Richter zu ersetzen." Abg. Brüh ne (soz.) bringt Beschwerden Üb« die Ausführung der Verficherungsgesetzc vor. Abg. Gras Kanitz lkons.) bedauert, daß die Novelle zum Invaliditäts- und Aliers-BersicherungS- gesetz noch immer nicht eingcgangcn ist. Präsident Frhr. v. Buol teilt mit, daß die Novelle soeben während der Sitzung dem Hause zu- gegangcu ist und voraussichtlich morgen an die Mit glieder verteilt werden werde. Abg. Rösike (wildlib.) möchte für künftige Fälle das Neichsversicherungsamt bei dieser Bera tung vertreten sehen, um Kollisionen zwischen diesem und dem Rcichsamt des Innern zu vermeiden. Redner wünscht serner weiiergchende Förderung der auf Unfallverhütung gerichteten Bestrebungen der Berufs-Genossenschaften und die Einrichtung eines Museums für Unfallverhütungs-Vorkehrungen. Staatssekretär v. Bötticher erwidert, er habe sich für das Zustandekommen eines solchen Museums lebhaft interessiert, der Neichsfchatzsekrctär habe aber nicht die nötigen Summen bewilligt. Von Kollisionen zwischen ihm und dem Präsidcmen des Rcichsver- sichcrungsamtcs könne gar keine Rede sein. lieber die Verwaltungsthätigkeil könne er ebenso gut Aus kunft geben. Mit der Resolution könne er sich ein verstanden erklären, und er hoffe das gleiche von den verbündeten Regierungen. Das Kapitel „Reichsversicherungsamt" wird darauf bewilligt, die von der Kommission beantragte Resolution angenommen. In dritter Lesung werden sodann noch dcbatte- loS angenommen das Gesetz betr. die Be schlagnahme vonDienst- undArbeits- lohn zu Gunsten unehelicher Kinder und die Kon- vcrtierungsvorlage. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nebst Einführungsgesetz. Abg. Bassermann (nat.-lib.) beantragt, diese Vorlage an bloo anzunehmen. Abg. Stadthagen (soz.) erklärt sich mit diesem Anträge einverstanden. Die Vorlage wird darauf einstimmig so bloo angenommen. Ebenso findet die neue Grundbuchordnung auf Antrag des Abg. Bassermann mit großer Mehrheit eu Moo - A n n a h m e. Nächste Sitzung: Montag, 8. März. PrrnpiMier Das Abgeordnetenhaus verwies am Freitag die Vorlage betr. Eingemeindung Breslauer Vororte an die Gcmemdekommission und begann hieraus die Be ratung des Landwirtschaftsetats, wo beim Titel „Miuistcrgehalt" von den Abgg. v. Mendel-Stcinsels und Gamp (kons.) die Absperrung der Grenzen gegen die Vieheinfuhr, Aufhebung der Getreidc- transitläger und Verschärfung der Margarinegesetz gebung befürwortet wurde. Gin Ehrenwort. 24) Roman von L. Haid heim, lgorilreung.» Die Tante Nonne und die Gräfin Rheustein hatten sehr intime Beziehungen in ihrer Unter haltung aufgefunden. Nun erfuhr er, daß Ullas Mutter zu ihrer Verheiratung mit dem viel älteren Truhn nur durch den Egoismus des Vaters gezwungen worden sei. Die Töchter waren dem wüsten Lebemann im Wege; Maria ließ sich, nach schwerer zkrankheit kaum genesen, willenlos verheiraten, du andere Schwester, energischer und gesund, widersetzte sich hartnäckig und trat lieber in ein Kloster. Und als beide Töchter das Opfer gebracht hatten, machten sie gemeinsam eine unerwartete, nicht unbedeutende Erbschaft; gewissennaßen zur Strafe für den Vater ging diesen: jeder Anteil daran verloren, denn die Hülste Marias bekam Truhn in die Hände und verspielte sie in wenig Jahren, die der Nonne fiel an ihr Kloster. „Und nun sind Ulla und Oskar arm wie Kirchenmäuse. Schwester Veronika hofft aber, daß Oskar sich um Fides von Burkard bewerben werde, und je eher fich für Ulla eine gute Ver sorgung findet, um so besser!" Wie ein glühendes Eisen traf ihn das gut gemeinte Wort. Er vermochte das Geplauder nicht länger zu ertragen, und verabschiedete sich. * * * Ulla und ihre Tante saßen in dem kleinen traulichen Salon, der nun nicht lange mehr die Heimat des jungen Mädchens bleiben sollte. Beide Damen hatten in alten Briefen ge kramt, und die geheime Liebesgeschichte ihrer Schwester Maria mit Janosch Z-, welche die Nonne zum größten Teile erfi jetzt erfuhr, fand anderseits Ergänzung durch die einzelnen Mit teilungen derselben über den schlanken, vor nehmen Studenten, der in ihres Vaters Hause nie verkehrt hatte, den aber Maria ost bei einer Freundin traf. Die Briefe vor fich, waren fie eben in leb hafter Unterhaltung über den Familiennamen dieses Janosch Z., der ein Graf war, und ver gebens besann fich die Nonne darauf, denn ihr, der vier Jahre Jüngeren, hatte Maria nichts an- vertraut; sie erfuhr auch nie Genaueres von ihm, denn er hatte die Stadt plötzlich verlassen und dann kam Marias schwere Krankheit. Die Nonne wußte wohl, es hatte geheißen, der Student sei erschossen oder gehenkt, aber wer wagte damals überhaupt, in ihres Vaters Hause der Rebellen Erwähnung zu thun? Da fuhr ein Wagen vor das Haus und gleich darauf brachte Has Mädchen eine Karte herein. „Ich habe gesagt, der Herr Leutnant sei nicht zu Haus, da hat er mir die Karte gegeben, ich sollte sie den Damen bringen." „Max Winzcek, Rittergutsbesitzer auf Schloß Rheustein." Es standen nur wenige mit Tinte geschrie bene Worte auf der Rückseite: „Im Interesse Ihres Herrn Bruders bitte ich um ein kurzes Gehör." Ulla reichte der Tante die Karte und eilte, indem sie Herrn Winzcek bitten ließ, einzutreten, die Briefe wegzuräumen. „Laß diese hier," sagte die Nonne und legte achtlos Winzceks Karte auf dieselben. Dann wurde plötzlich ihr Blick aufmerksamer: „Sieh nur, Ulla! Welche Aehnlichkeit der Handschrift!" rief sie, ohne aber mehr als Zu fälligkeit darin zu sehen. Ulla blickte auf Karte und Brief, welche die Nonne ihr hinhielt. „Wirklich! Ganz dieselbe Schrift!" sagte fie zerstreut, denn ihre Gedanken beschäftigten fich minder Frage, was Winzcek wollen könne? Und im Interesse ihres Bruders? Es gab ihr doch eine Beruhigung, daß er nicht um ihret willen da war! Die Thür des anstoßenden Saales wurde geöffnet — man hörte Winzceks Stimme — seinen aufstoßenden Stock, seinen Schritt, dann einen Ausruf, der Ulla erschrecken ließ. Sie öffnete hastig die Thür, ihm entgegen- zutrcten. Aber da stand er und blickte wie außer sich auf das gerade jetzt von einem Sonnenstrahl beleuchtete Bild ihrer Mutter. Er hielt den Hut in der Hand, aus der an deren war sein Stock auf die Erde geglitten. „Ist dies das Bild Ihrer Mutter?" fragte er sie statt jeden Grußes, und ehe fie nur ant worten konnte, rief er wieder: „Maria von Bürell!" Dann ergriff er Ullas Hände und stammelte: „Sprechen Sie doch, ist sie es? Ist es Maria von Bürell, lebte fie hier, war sie je in Dresden?" „Ja, Herr Winzcek!" hauchte die Tochter, der plötzlich eine Ahnung aufging. „Maria! Und hier?" flüsterte er wie geistes abwesend, fich in dem Zimmer umsehend. „Und Sie sind . . . ?" rief Ulla von Trubu ebenso überrascht. „Sie haben meine Mutter gekannt?" Er wollte bejahen; dann trat plötz lich etwas Starres in sein Antlitz, seine Augen, ganz feucht, verdunkelten fich. Er sagte nicht ja, es war ihr, als presse er die Lippen fest zusammen und sei bestürzt. Und doch konnte er seine Blicke nicht von dem Bilde wenden. „Darum! Darum! Ich erkannte sie wieder in ihrem Kinde — ihre Seele sprach zu mir aus den Augen, diesen braunen Augen, Ihren Augen!" wandte er sich zu Ulla von Truhn u»d ergriff ihre beiden Hände. „Kind, Kind! Sehen Sie mich nicht so bange an. Die dort, Ihre schöne, holde, liebe Mutter war meine erste, meine reinste, glückseligste Liebe. Ich habe fie nie vergessen, ich erfuhr nichts mehr von ihr — seit — seit das Schicksal uns trennte." „Aber warum nicht, Herr Winzcek?" rief Ulla, die mehr erriet, als er ahnen konnte. „Warum nicht?" wiederholte cr und fuhr dann fort: „Ich war Student in jenen stürmischen Jahren der Revolution. Auch ich ließ mich vom glü hendsten Patriotismus fortreißcn, trat mit Gut und Blut für mein Volk ein wie viele meiner Kameraden. Wir siegten, wurden geschlagen, siegten wieder — und dann —kam der Verrat: gefangen, verurteilt zum Tode, rettete mich mein Vater und wurde damit zum Verräter an seinem Kaiser. Aber er wußte wohl, mein heißes Blut bändigte nur eine unzerreißbare Fessel, er ließ mich mein Ehrenwort geben, daß ich nich t zurück kommen wolle, als bis er selbst es mir zurück gegeben. Und ich gab es in der furchtbaren
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