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Allgemeiner Anzeiger : 10.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189703106
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970310
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-10
-
Monat
1897-03
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.03.1897
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Politische Rundscha«. Deutschland. * Auf der Rückreise von Wilhelmshaven stattete der Kaiser am Freitag dem Ratskeller in Bremen einen zweistündigen Besuch ab; nachts traf der Monarch wieder in Berlin ein. *Die jüngste Rede des Kaisers wird vielfach dahin gedeutet, daß ein neues Sozialistengesetz in Aussicht genommen sei. Ein thatsächlicher Anhalt für diese An nahme liegt nicht vor; ähnliche Aeußerungen find, wie erinnerlich, im Jahre 1895 wiederholt gefallen, ohne daß ihnen eine gesetzgeberische Aktion folgte. Damals, Mitte September 1895, wurde vielmehr in einer als offiziös ange sehenen Verlautbarung ausdrücklich erklärt, daß die Aufforderung des Kaisers zur Bekämpfung der Sozialdemokratie sich an die Gesamt heit desVolkes, nicht an die Faktoren der Gesetzgebung gerichtet habe. * Die weiteren Verhandlungen der Mächte über etwa zu unternehmende Zwangsmatzregeln gegen Griechen land werden voraussichtlich noch einige Tage dauern. Wegen der technischen Durchfnbrbar- keit einer strengen Blockade gegen Griechenland wird zunächst das Gutachten der Admirale der vor Kreta liegenden Schiffe der Großmächte ein geholt werden. Es scheint, als ob die d euts ch e Regierung sich jetzt Zurückhaltung auferlegt. Die .Köln. Ztg.' erklärt es als gleichgültig für Deutschland, wie ferner die Dinge in Kreta sich gestalten. Daraus habe das Berliner! Kabinett den anderen Regierungen gegenüber kein Hehl gemacht. Deutschland stehe bei dem schließlichen Ausgang der Dinge nicht in erster Linie, sei vielmehr nur soweit beteiligt, als es sich um Vollstreckung des einheitlichen Willens der Großmächte für den Schutz des europäischen Friedens handle. * Der Bundesrat beschloß, den Entwurf des Gesetzes betr. die Kündigung und Umwand lung der vierprozc n Ligen Reichs- an leihe dem Kaiser zur Unterschrift vorzu legen, und erteilte der Vorlage betr. die Ver legung der Zollgrenze in Bremer haven sowie dem Vertrag zwischen dem Reiche und der Schweiz betr. die Errichtung schweizeri scher Nebenzollämter aus badischem Ge biete seine Zustimmung. * Auf Veranlassung des Reichspostamts finden gegenwärtig zwecks Abgabe gutachtlicher Aeußerungen in den Handelskammern und anderen wirtschaftlichenKorporationen Erhebungen und Erörterungen über die durch eine Resolution des Abg. Lingens im Reichstage beantragte E i n- schränkung des Postpaketdienstes an Sonn- und Feiertagen statt. *Der ,RH.-Westf. Ztg.' zufolge hat das Neichsjuftizamt auf eine Anfrage aus Handels- krcisen erwidert, daß es noch nicht bestimmt an geben könne, wann der bereits seit längerer Zeit vorbereitete Entwurf eines Gesetzes betr. Acndc- rungen der Konkursordnung fertiggcftellt sein wird. * DaS Börsenregister hat im Laufe des Februar nur wenig Zuwachs erhalten. In das Register fürWertpapiere find in ganz Deutschland 206 Firmen eingetragen worden, darunter 142 in Hamburg und 34 in Berlin. Ohne die Hamburger Eintragungen würde das Register überhaupt kaum eine Bedeutung haben. Auch unter den 213 Firmen im Waren- register find 151 aus Hamburg und 20 aus Leipzig. In Berlin haben nur 2 Firmen sich eingezeichnel, welche Termingeschäfte in Kamm garn betreiben. Bekanntlich hatte die Börsen- enquetekommisfion das Register überhaupt nur für Waren in Vorschlag gebracht. * Mit dem Gesundheitszustand des Majors v. Wißmann scheint es schlecht zu stehen, die »Reuest. Nachr.' testen folgendes mit: Herr v. Wißmann hatte die Absicht, von Wiesbaden schon Ende Januar hierher zurückzukehren: da aber keine Besserung eintrat, ist er ge blieben. Auch jetzt noch finden in seinem Zu stande fortwährend Schwankungen statt, ein Ende der Fiebererscheinungen läßt sich noch nicht absehen. Jetzt hat sich nun Major v. Wißmann dem Vernehmen nach cntsch offen, noch im Laufe dieses Monats nach Baden-Baden überzusiedeln. Vielleicht Hilst die Luftveränderung. Oesterreich-Ungarn. *Nach dem bisherigen Verlauf der Wiener Wahlbewegung glaubt man annehmcn zu sollen, daß von den fünf Wiener Rcichsrats- maudatcn der neuen, fünften Kurie des allge meinen Wahlrechts, die Sozialdemokraten drei, die Christlich-Sozialen zwei erhalten werden. Italien. *Das Dekret, durch welches die Session des italienischen Parlaments ge schlossen wird, ist am Donnerstag veröffentlicht worden. Durch ein weiteres Dekret wird die Deputierteukammer aufgelöst; gleichzeitig werden die Neuwahlen aus den 21. März und die Stichwahlen auf den 28. März festge setzt. Das neue Parlament wird aus den 5. April einberufen. Spanien. *Die Garnison in Manila ist verstärkt worden, da man einen erneuten Versuch der Aufständischen, die Siadt zu nehmen, befürchtet. Es wurden allerdings wieder Ver haftungen vorgenommen. (Wenn man schon die Hauptstadt in Gefahr glaubt, dann muß auch auf den Philippinen die Sache schlecht stehen.) Balkanstaaten. * Die Zustände in den türkischen Gebieten, welche von den Truppen verlassen worden sind, flößen, wegen der hierdurch zu Ausschrei tungen gegen die Christen ermutigten Mohammedaner, fortgesetzt große Besorgnis ein, weshalb die Botschafter nochmals ge mein s am e S ch ri tte beiderPforte unternommen haben, um sie für etwaige Un ruhen verantwortlich zu machen. "Griechenlands Antwort auf die Note der Mächte wird, wie der Adjutant des Königs, Thon, dem Berichterstatter des dänischen Blattes /Politiken' erklärt haben soll, folgendes enthalten: Griechenland ist bereit, binnen der Ablaufzcit der Räumungsfrist die griechische Flotte aus den Gewässern Kretas zurück- zu ziehen, Oberst Lassos Lkkupatiouskorps dagegen wird auf Kreta bleiben. Der Berichterstatter ist der Meinung, Griechenlands Antwort sei gleichbedeutend mit einer Blockade des Piräus und dem sofortigen Ausbruch des Krieges in Macedonien. * Die Lage gestaltet sich insofern verwickelter, als sich auch der Sultan weigert, seine Truppen von der Insel Kreta abzubcrufen. Diese Nachricht hat in diplomatischen Kreisen große Verstimmung hcrvorgcrufcn. *Jn einem Bericht an den Sultan heißt cs, daß bisher 72 000 Mann mobilisiert oder an die griechische Grenze befördert worden waren; es sei Befehl gegeben worden, die Zahl auf 120 000 Mann aller Waffen gattungen zu erhöhen. * In Altserbien kamen in den letzten Tagen an mehreren Orten blutige Exzesse gegen die christliche Bevölkerung vor. Auf der Straße in der Nähe von Prilep er mordeten . Türken einen Geistlichen und zwei Bauern. Bei Tetomo überfielen bewaffnete Arnauten einen serbischen Hochzeitszug, töteten sieben Personen und verwundeten einundzwanzig schwer. Amerika. "Das neueKabinettMacKinleys ist wie folgt zusammengesetzt: Sherman Staats sekretär, Gage Schatz, Alger Krieg, Bliß Inneres, John Long Marine, Wilson Ackerbau, M'Kenna Attorney - General, Gary General - Postmeister. — Das Repräsentantenhaus hat das Ein wanderungs-Gesetz mit 193 gegen 37 Stimmen angenommen. Dadurch ist dem Veto des Präsidenten entgegengearbeitet. * Was auf dem Gebiet der Temperenz- gesetzgebung alles geleistet werden kann, hat der StaatSsenat von Minnesota be wiesen. Dort reichte aus Ironie Senator Keller einen Gesetzentwurf ein, wonach jede Schank- wirtschaft im Staate in Zukunft ein großes rotes Transparent über der Eingangsthür haben muß, auf dem mit 8 Zoll großen Buchstaben die Worte angebracht werden sollen: Ausschank! Gefährlich-! Abends, soll das Warnungszcichcn elektrisch beleuchtet sein, und auf Zuwiderhand lung wird als Strafe Entziehung der Schank erlaubnis ge'etzt. Diese ulkige Vorlage wurde mit drei Stimmen Mehrheit angenommen. Afrika. * Aus der marokkanischen Europäerstadt Tanger wird berichtet, dort eingctroffene Ein wohner des Riffs meldeten, daß die Riff- Piraten drei Christen gefangen halten. Einer ist der Franzose Giraud von Tanger. Seit drei Monaten wurde er vermißt. Man glaubte, daß er ertrunken wäre. Die französischen Be hörden haben jetzt seine Sache in die Hand ge nommen. Australien. *Die lange mühsam aufrechtcrhaltene Ruhe auf Samoa scheint aufs neue gefährdet zu sein. Ein Telegramm aus Auckland (Neusee land) gibt an, daß nach einer Meldung aus Samoa vom 23. Februar Malietoa in Apia in Abwesenheit der fremden Kriegsschiffe von einer großen Anzahl Eingeborener unter Tamasese bedroht wurde. Es würden Feind seligkeiten befürchtet, falls die Kriegsschiffe nicht bald nach Samoa zurückkchren. Prrutzisiher Kandtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Freitag die Be ratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung fort. Ehe der Titel „Ministcrgehalt" bewilligt wurde, kam es noch zu einer Debatte über den Bauernverein ! „Nordost". Abg. Brömel brachte auch die Angriffe der pommcrschcn Landwirtschaftskammer und des Rcichstagsabgeordneten Grafen Schwerin-Löwitz gegen die Stettiner Börse zur Sprache. Die Lepra (Aassatz). der ja seit einiger Zeit von unseren Sanitäts behörden verstärkte Aufmerksamkeit zngcwendet wird, ist in Europa doch stärker verbreitet, als im allgemeinen angenommen wird. Die Be hörden sollten ihre besondere Aufmerksamkeit darauf richten, daß die Gefahr nicht nur von Osten her, aus Rußland droht, sondern auch im Westen, in Südfrankrcich und vor allem in Spanien sich stark bemerkbar macht. Besonders in den spanischen Provinzen an der Ostküste tritt seit kurzem die Seuche in Besorgnis erregender Weise aus und greift bei den traurigen sani- , tären Verhältnissen Spaniens immer weiter um j sich. Bei Valencia sollen in einem Dorfe 12 bis 13 Familien mit der unheimlichen Krank heit behaftet sein. In Mberique hat sich fol gender bezeichnender Fall zugctragcn, den ein spanisches Blatt erzählt: Der Delegierte des Sanitätsrates in Alberique hatte vom Zivil gouverneur in Valencia die amtliche Weisung erhalten, sich nach Villanueva, einer am Jnka- fluß gelegenen Ortschaft zu verfügen, um dort über die daselbst auftretende Lepra eine ärzt liche Untersuchung anzustellen. Der Mann kam dieser Weisung wirklich nach und legte in einem amtlichen Berichte seine Beobachtungen nieder. Als er sich vom Bürgermeister des Ortes eine Bescheinigung seines Besuches in Villa nueva aussertigcn lassen wollte, lachte ihn dieser aus, denn er konnte es nicht glauben, daß in seinem Orte Lepra vorkäme. Der Alkalde meinte, der Arzt sei auf dem Holzweg, dabei konstatierte aber der Mediziner, daß der Bürgermeister selber, natürlich ohne es zu wissen, die ausge prägten Zeichen der Lepra trug. Uon Uals «nb Fern. Berlin. Fridtjof Nansen wird am 4. April hier sein. Die Gesellschaft für Erdkunde wird ihm und seiner Gattin in den gesamten Räumen des Krollschen Etablissements einen großartigen Empfang bereiten. In seiner letzten Sitzung hatte sich auch der Magistrat darüber schlüssig zu machen, ob die Stadtgemeinde Berlin von der Anwesenheit des hervorragenden Forschers offiziell Akt nehmen solle. Die Anregung, ihm ein Fest zu bereiten, ist vom Magistrat abge lehnt worden. Templin. Aufsehen erregt die Verhaftung des Gastwirts Reetz in Alt-Temmen wegen Doppelehe. Reetz ging, wie das ,Obcrbarn. Kreisbl.' schreibt, vor etwa 20 Jahren in Anger münde seine erste Ehe ein. Die Wahl scheint jedoch keine glückliche gewesen zu sein; denn nach kurzem Zusammenleben trennten sich die beiden Ehegatten wieder und jedes ging seine eigenen Wege. Zehn Jahre später verheiratete Reetz sich mit seiner jetzigen Frau und über nahm dann die Gastwirtschaft in Alt-Temmen. Er lebte mit seiner Familie — es sind vier Kinder vorhanden — sehr glücklich. Vor kurzem soll nun seine erste Frau Nachforschungen nach ihm angeftellt und dann die Anzeige wegen Doppelehe gegen ihn erstattet haben. Reetz ist hierher in Untersuchungshaft gebracht worden. Bückeburg. In dem zur Zeit hier weilen den Löwentheater der Geschwister Berg ereignete sich am Sonntag der,Schaumb.-Lipp. Landes- Zeitung' zufolge bei einer von Landleuten stark besuchten Vorstellung folgender Vorfall. Nach dem die letzte Nummer des Programms ausgc- führt ist, tritt die „heldenmütige Löwenbändi gerin" vor das Publikum und ruft: „1000 Mk. demjenigen, der es wagt, in den Löwenkäfig zu gehen." Nachdem diese verheißungsvolle Auf forderung zum zweiten Mal verklungen, erhebt sich aus einer der Hinteren Reihen ein Bauer und meldet: „Ick dau et." Allgemeines Er staunen! — Die Löwenbändigerin, welcher der Gedanke, die vor so vielen Zeugen verkündeten 1000 Mk. möglicherweise zahlen zu müssen, durchaus nicht angenehm ist, bedeutet den Mann, daß das Unternehmen aber höchst gefährlich sei. „Ick dau et," entgegnete ruhig der Bauer. „Aber bedenken Sie doch, die Löwen sind sehr wild, Sic begeben sich in eine gräßliche Ge- sahr." „Ick dau et," ist die beharrliche Ant wort. „Sind Sie verheiratet?" „Ja, ick dau et aber." „Haben Sie Kinder?" „Ja, ick dau et aber doch." „Na, wenn Sie denn nicht hören wollen, so kommen Sic, ich will Sie in den Käfig führen." „Ja, ick dau et, laten Se man erst die Löwen rut." Erfurt. Entspricht Damenbedienung der Würde eines Lokals? Das ist die Frage, derentwegen es wahrscheinlich zwischen der Stadt und dem Pächter der Nathausw-rtschaft zum Prozesse kommt.. Die Sache liegt so: Im Pachtkontrakt ist vorgesehen, daß die Bewirt schaftung des Restaurants eine der Würde des Hauses entsprechende sein müsse. Der Pächter nahm gelegentlich eines Bierfestcs Damcn- bcdienung. Der Magistrat setzte daraufhin nicht nur die Polizeistunde hcrab, sondern erwirkte auch einen Gerichtsbeschluß, wonach unter An drohung einer Strafe von 70 Mk. pro Tag die Damenbedienung ciuzustcllcn sei. Dem Beschlusse wurde natürlich nachgekommen; vermutlich werden sich aber ein oder mehrere Prozesse ent- spinnen, da der Wirt wieder Afterpächtcr einer Brauerei ist. Die Auslegung des Wortes „Würde" wird den Ausschlag geben. Torgau. In einem hiesigen Restaurant saßen unlängst, wie die,Saale-Ztg.' mitteilt, einige angesehene Bürger zusammen und unter hielten sich über die bevorstehenden Gehalts aufbesserungen für Beamte, im besonderen für die Richter. Ein Gymnasialoterlehrcr hob bei dieser Gelegenheit hervor, daß der junge Nach wuchs der letzteren sich häufig mehr dünke, als ein anderer Stand, obgleich doch in der Vor bildung höchstens darin ein Unterschied bestehe, daß die Studierenden der anderen Fakultäten ihre Zeit mehr der Arbeit, als dem Vergnügen widmeten. Durch diese Aeußerung des Lehrers fühlte sich ein inzwischen eingctretener Referendar beleidigt. Am andern Morgen fand eine Beratung der hier anwesenden fünf Referendare statt, dessen Ergebnis eine durch den Garnisonauditeur vermittelte Aufforderung an den Oberlehrer N. war, die beleidigende Aeußerung zurückzunehmen. Auf die Entgegnung desselben, daß er niemand genannt, niemand be leidigt, also auch nichts zurückzunchmen habe, erschien am andem Tage der Auditeur abermals bei N., diesmal als Kartellträger; sämtliche fünf Referendare ließen ihm ihre Forderung über reichen. N. ließ den Herren erwidern, daß er mehr zu thun habe, als sich mit ihnen hcrum- zuschicßen, und übergab die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft. Ein Ehrenwort. Mj Roman von L. Haldheim. Kowtvung.) „Sei es — lassen Sie nur. Ich frage sie," wieS Trautmann den Oberförster entschlossen zurück. In dem Moment öffnete sich die Hausthür und der Landrat trar ein. Der Oberförster ging ihm rasch entgegen. Trautmann durchschritt den kurzen Gang, der zu des Oberförsters Zimmer führte. Sie trat, ehe er klopfeu konnte, mit dem Zigarrenkäftchen aus der Thür, stutzte und lehnte sich plötzlich, wie einen Halt suchend, an dem Thürpfosten. Er nahm ihre Hand, zog sie in das Zimmer zurück, schloß die Thür und sagte ernst, mit einer Energie, die ihm selbst in diesem Augen blick verwunderlich erschien: „Gönnen Sie mir ein Wort, Fräulein Ulla, ich ertrage diesen Zustand nicht länger! Daß ich Sie liebe, wissen Sie längst —" „Sie? Mich?" „Ulla! Haben Sie denn gar keine Saite in Ihrem Herzen, die dem meinigen antwortet? Sie wissen das nicht? Wissen nicht, was Sie mich leiden ließen?" „Nein, nein! Ist es denn wahr? Das Mitleid reißt Sie hin! Das Mitleid mit meiner Verlassenheit!" stammelte sie in grenzenloser Verwirrung. „Nichts reißt mich hin, als die Liebe, Ulla, die sehnsüchtige Liebe, die Sie tausendmal von sich gewiesen haben! Aber ich kann es nicht änger tragen! Trostlosigkeit und Hoffnung Haven von einem Tage zum andern mein Herz gefoltert oder getröstet, bis ich nichts mehr wußte, als daß ich nicht fort konnte von Ihnen, daß ich sogar die Kraft verloren hatte, Sie zu meiden." „Trautmann, ist das wahr?" fragte sie, ihm ihre Hände lassend mit unbeschreiblichem Aus druck von Glück und Bangen. „So hätt' ich mir also nur eingebildet —" „Alles, was gegen meine Liebe zeugte, Ulla!" rief er und zog sie in seine Arme und sie lag bebend an seinem Herzen. „Ich habe mir immer gesagt, das Glück wäre zu groß für mich!" sprach sie leise. „Und weil ich wußte, wie kalt und unliebenswürdig ich den Menschen erschien, darum sagte ich mir immer: WaS kann er für dich fühlen? Nur Mitleid! Er ist gut und freundlich, dämm kommt er zu dir — aus Mitleid." Er küßte ihr die letzten Worte von den Lippen, nachdem er die anderen, die so ernst und wahr an sein Herz drangen, mit tiefer Rührung angehört hatte. So saßen sie beisammen, merkten nicht, daß der gütige Oberförster, der heute mit so vielem Geschick Amors Handlanger spielte, eine brennende Lampe auf den Tisch des Nebenzimmers stellte und, die Verbindungsthür leise öffnend, mit Schmunzeln und Händereiben wieder ging. Niemand störte sie, und sie hatten einander so viel zu sagen, daß sie den Flug der Zeit nicht beachteten. Erst nach Stunden kamen Oskar und Fides lachend, sie zu holen, und nun flog die Kunde von den zwei Brautpaaren jubelnd durch das Haus und in die Nachbarschaft. „Winzcet," sagte Trautmann, als er am andern Morgen zu diesem eintrat — „Winzcek, vergeben Sie mir, sie ist mein!" Er war so tief bewegt, daß er die wenigen Worte kaum sprechen konnte. Auch Winzcek blieb zunächst stumm. Aber nicht einmal eine halbe Minute dauerte dieser schwere Moment, da hatte Winzcek sich schon gefaßt. „Gott segne Sie und Ihr Glück, lieber, treuer Junge," sagte er mit tiefem Atemzuge, aber mit der echten Herzlichkeit, die Trautmann immer so wohlgethan hatte. Und mit der feinen aristokratischen Hand fuhr er ihm sanft über die Augen und meinte lächelnd: „Keine Wolke dort! Genieße den Sonnenschein, mein Freund!" „Winzcek I" „Mn sei kein Thor, lieber Freund, ich gebe dir ja nichts. Du hast es dir genommen in ehrlichem loyalen Wettstreit, und mir hast du aus vollem Herzen gegeben, was mir schmerzlich genug fehlte: Freundschaft und Treue! Und nun erzähle und laß mich dir sagen, daß ich von euch gehalten sein will wie ein älterer Bruder, oder, wenn's euch besser gefällt, wie ein junger Onkel, denn du sollst sehen, nun es klar entschieden ist, lebe ich wieder auf und werde, was ich gewesen bin. In mir ist ein Ahnen, als sollte auch mir ein Glück kommen, freilich ein anderes!" Trautmann berichtete. Winzcek hörte inter essiert die Details des gestrigen Tages und hatte nur herzliche Teilnahme. Dann mußte Trautmann heim. Die Ver- öffenilichung seiner Verlobung konnte erst er folgen, nachdem seine Eltern dazu ihre aller dings fraglose Einwilligung gegeben. Oskar und Fides wollten aber nicht warten, sie hatten die größte Eile, der Welt ihr Glück zu ver künden. Kurz vor Weihnachten erneute sich im Schlosse all das Vorbereiten, welches im November durch eine Erkrankung deS Herzogs unterbrochen worden. Zum letzten Riale sollte der hohe Herr mit seiner Jagdgesellschaft kommen. Es war be schlossene Sache, dieses Besitztum zu verkaufen und der Herzog hatte anderseits der Stadt die Erwerbung des Parkes unter so günstigen Be dingungen geboten, daß man darin Ursache zur Dankbarkeit fand. Wer der Käufer des Schlosses und der Ackerländereien, Wiesen und Teiche sein würde, konnte man bis jetzt noch nicht in Erfahrung bringen; man riet wohl einmal auf Winzcek, aber man nannte auch sonst noch viele Käufer; die Ankunft des Herzogs verdrängte für jetzt alle anderen Interessen. Wie Prinzeß Mathilde es angefangen hatte, ihre eigenen Pläne durchzusctzcn, blieb Geheim nis ; Thatsache war, daß trotz der Beschränktheit des Raumes auch die Herzogin und mehrere Damen mitkommen wollten, daß ein großes Jagddiner mit nachfolgendem Ball geplant wurde, und daß der Adel der Umgegend, sowie einzelne bevorzugte Familien des Städtchens dazu Einladungen erhielten. Die Prinzeß kam allen voraus im Schlosse an, rief ihren ganzen Stab und zuerst Traut- li v d d 8 c d sc ei S
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