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Allgemeiner Anzeiger : 27.02.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189702272
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-02
- Tag 1897-02-27
-
Monat
1897-02
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.02.1897
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^ctitische Rundschau Deutschland. *Der Kaiser Wilhelm ist leicht er krankt. Am rechten Knie des Monarchen hat sich ein kleiner Fumnkßl gebildet, der die Äe- wegungsfähigkeit des Pattenten hemmt. Die Kaiserin hat ihren Gemahl am Montag in Hubertu sftock besucht. Das große Kostümfest des Hofes, das auf den 24. d. angesetzt war, ist auf den 27. d. verlegt worden. * Unter den Mächten dauern die Ver handlungen, die ein schärferes Vorgehen gegen Griechenland bezwecken, nach wie vor fort, namentlich mit Rücksicht darauf, daß bei längerer Dauer der jetzigen Lage ein Uebcr- greifen der Bewegung auf das Festland zu be fürchten ist. England scheint seinen abweichenden Standpunkt aufgegeben zu haben, wodurch das europäische Konzert wieder hergestellt sein würde. *Die Reform des Militärstraf verfahrens scheint doch auf unerwartete Schwierigkeiten noch stoßen zu sollen. Wie die ,Münch. N. N/ melden, erblickt Bayern, dem durch die Versailler Verträge seine Militärhoheit garantiert ist, in der Errichtung eines einheit - lichen Reichsmilitärgerichtshofes eine Schmälerung seiner Militärhoheit. Bayern würde darin nicht willigen können, da es einer halben Reform, wie sie in der Errichtung eines Zentralmilitärgerichtshofes in Berlin nach An sicht der erwähnten Zeitung gegeben sein würde, seine Zustimmung versagen müßte. Ein Zu standekommen der Reform ohne Bayerns be dingungslose Zustimmung erscheint jedoch beinahe als ausgeschlossen. * Im Neichsamt des Innern hat unter dem Vorsitz des Geh. Regierungsrats Dr. Richter, des Rcichskommissars für die Pariser Weltausstellung, eine der Beteili gung des Kunstgewerbes Deutsch lands gewidmete Konferenz stattgefunden, welche die Form, den Umfang und die Art der Beteiligung auf diesem Gebiete zum Gegen stände hatte. Die von Herrn Geheimrat Richter vorgetragenen grundlegenden Gedanken fanden allseitige Anerkennung. * Nach den Mitteilungen des Staatssekretärs v. Boetticher im Reichstage sollte eine Konferenz wegen Abänderung des Wegerechts für Fischereidampfer berufen werden. Zur Vorberatung der deutscherseits zu stellenden An träge ist zum 28. d. von der RcichSregiernng vorläufig eine Konferenz der Deutschen Inter essenten nach Berlin einberufen. Das Reich wird durch das Reichsamt des Innern und das Reichs-Marineamt, Preußen durch das Handels und Landwirtschaftsministerium vertreten sein. * Der Diätcnantrag ist von der Frei sinnigen Volksvartei zu dem Etat des Reichs tags wiederum eingebracht worden. Der Anttag! geht dahin, den Bundesrat zu ersuchen, eine i Abänderung der Reichsverfassung in dem Sinne herbei zu führen, daß die Mitglieder des Reichs tags aus Reichsmüteln Diäten und Reisekosten erholten. Der gleiche Anttag ist vom Reichs tage schon häufig angenommen, vom Bundesrat aber stets abgclehnt worden. Frankreich. *Der Senat hat die Vorlage über die Er richtung vierter Bataillone bei den Infam crie- Regimentern angenommen. *Jn der Deputiertenkammer gab am Mon tag der Minister des Auswärtigen Hanotaux in betreff der k r e t i s ch e n F r a g e die Erklärung ab, die Besetzung der Küstenorte der Insel durch Truppen der Großmächte sichere vorweg das zu künftige Selbstbestimmungsrccht der Insel. , Kreta werde nicht unter der direkten Verwaltung der Türkei bleiben. Diese Lösung sichere den Bestand des türkischen Reiches, der für Europa nötig fei. Wenn Griechenland ermächtigt werde, Kreta zu verwalten, so würde dies unheilvolle Folgen haben. Der Wille Europas werde sich bei Griechenland zur Geltung zu bringen wissen und ebenso bei der Türkei, um Reformen durch zusetzen. Dieser einfache und friedliche Plan müsse durchgeführt werden; dies werde ein Triumph der Vernunft und der Mäßigung sein. / Die Kammer nahm eine zustimmendes Tagesordnung mit 413 gegen 83 Stim men an. England. *Jm Unterhause gaben am Montag Curzon und Balfour trotz der Gegenrufe der Opposition sehr geh arnischt e Erklärung en gegen Griechenland und ebenso energische Ver sicherungen hinsichtlich der Friedenswünsche und der Einigkeit sämtlicher Mächte ab. Mit Ernst wurde die Notwendigkeit des gewaltsamen Ein schreitens der Flotten betont. Mit dürren Worten wurde gesagt, daß Griechenland keine Aussichten habe, mit einem europäischen Mandat auf Kreta betraut zu werden. *Es war trotz der anfänglichen Spöttereien der englischen Blätter, unter denen sich nur ,Daily Chronicle' einen unbefangenen Stand punkt bewahrt hatte, zu erwarten, daß man dem Entschädigungsanspruch Trans vaals seine Berechtigung würde zugestehen müssen. Dem .Standard' zufolge ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß Rhodes und Bett bereit seien, die Entschädigungssumme an Trans vaal zu zahlen. Die Höhe der Summe solle dem wirklichen Schaden entsprechen, der durch den Einfall Jamesons verursacht worden ist. Italien. *Jn Rom, Neapel und andern italienischen Städten haben in den letzten Tagen große Volks-Kundgebungen für Kreta und Griechenland ftattgefunden. * Auf der internationalen Pestkonferenz ist beschlossen worden, daß alle Mächte mit muselmanischer Bevölkerung in ihren Gebieten die Pilgerfahrten nach Mekka in diesem Jahre verhindern oder doch möglichst be schränken sollen. Svanien. * Wie es heißt, soll die im nächsten Jahre dienstpflichtig werdende Altersklasse früher ein berufen werden, um Verstärkungen nach den Philippinen zu senden. valkanstaatea. *Die fremden Kriegsschiffe vor Kanea haben eine Abteilung Aufständischer, die die griechische Flagge führte und einen An griff auf Haleppa unternehmen wollte, be schossen und in die Flucht getrieben. Das deutsche Schiff „Kaiserin Augusta" gab als Flügelschiff den ersten Schuß ab. Eine ernstere Bedeutung hat der Zwischenfall indessen nicht. Er zeigt nur, daß die Mächte ernstlich gewillt find, die von ihnen besetzten Punkte der Insel zu halten. *Die „Kaiserin Augusta" hat in Kanea 95 Matrosen gelandet; die deutsche Flagge weht dort neben denen der andern Großmächte. — Oberst Vassos hat von seiner Regierung von vornherein den Befehl erhalten, nicht in die Machtsphäre der Groß mächte überzugreifen. Bei dem leichtsinnigen Angriff Aufständischer gegen Haleppa waren daher schwerlich reguläre griechische Truppen beteiligt, wenn die Insurgenten auch die grie chische Flagge führten. Der griechische Minister des Auswärtigen hat bei verschiedenen diplomatischen Vertretern in Athen gegen die stattgehabte Beschießung der Insurgenten pro testiert, da darin eine Begünstigung der Türken erblickt werden müsse. In Athen ist die Aufregung groß. * Die Königin von Serbien, die so gern endlich ihren Sohn verlobt sähe, beabsich tigt, jetzt mit ihrem Gemahl zusammenzutrcffen, damit das eine Hindernis, das Zerwürfnis der Eltern, aus der Welt geschafft wird. Sie traf in Paris ein und stieg bei ihrer Schwester, der Fürstin Ghika, ab. Dort wird auch Exkönig Milan eintreffen. *Bulgarien scheint ernstlich zu rüsten. Wie es heißt, soll es Reserven einberufen haben, ferner hat die Regierung bei der Creuzotschen Geschützfabrik (Frankreich) eine erste Bestellung auf Kanonen ^cmacht. Ans dem *N-tchs»a-e. Der Reichstag erledigte am Montag die Etats des Auswärtigen Amts und der Schutzgebiete. Auf Anregung Abg. Haffe (nat.-lib.) bezüglich der Kretafrage ergriff Staatssekretär v. Marschall das Wort und kündigte die Ankunft des deutschen Dampfers „Kaiserin Augusta" vor Kanea und den dortigen Kampf an und sprach sich in der durch die letzten offiziösen Kundgebungen bereits klar ge wordenen scharfen Weise gegen das Vorgehen Griechenlands aus. Abg. Richter (st. Vp.) empfahl den Vorschlag Englands, Kreta eine autonome Ver fassung zu geben, wie sie Samos besitze, und tadelte das Eingreifen Deutschlands zu Gunsten einer Blockade deS Piräus. Im übrigen sprachen die Abgg. Lieber (Zentr.) und v. Marquardsen (nat.- lib.) das Vertrauen ihrer Parteien zur Leitung der auswärtigen Politik aus. Am 23. d. tritt das Haus in die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Verwendung überschüssiger Reichseinnahmcn aus dem Etatsjahr 1897/98 zur Schulden tilgung. Die Schuldentilgung von der Hälfte der Ueberschüssc soll danach eventuell nur eine be dingte sein. Sie wird in ihrem wirtschaftlichen Effekte rückgängig, falls die Soll-Ueberweisungcn in dem Reichsetat für 1899/1900, zuzüglich des Ucbcr- schusses der rechnungsmäßigen Ueberweisungen über die Matrikularbciträge im Rechnungsjahre 1897/98 zurückstehen, bleibt jedoch unwiderruflich, wenn und soweit letzteres nicht zutrifft. Schatzsekretär Graf v. Posadowsky: Eine Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten muß in der Weise statt finden, daß die Einzelstaaten nicht über ein gewisses Maß hinaus zu den Makikularbeiträgen hinzugc- zogen werden. Jetzt schwanken die Ueberweisungen und Matrikularbciträge hin und her, infolgedessen sind die Reichsfinanzcn sehr unübersichtlich geworden. Es kommt darauf an, die Finanzlage klar zu machen und die Clausula Franckcnstein vollkommener zu ge stalten als bisher. Die Bundesstaaten müssen wissen, welche Maximalsummc sie im äußersten Fall an das Reich zu leisten haben. Eine dauernde Finanzresorm ist z. Z. vom Reichstag nicht zu erlangen, die verbündeten Negierungen beschränken sich deshalb darauf, jährlich ein spezielles Gesetz Ihnen zu unter breiten. Wenn die Einzelflaaten aus einen Teil der Ucber- weisungen verzichten, so müssen sie auch eine Sicher heit für gewisse Eventualitäten haben. Sie fordern daher, daß die Schuldentilgung eine resolutste sei. Sollte die Spannung zwischen den Matrikular- umlagcn und Ueberweisungen größer werden im Jahre 1899/1900, so müßte das Reich den über schießenden Teil der zur Schuldentilgung verwen deten Summen aus den eigenen Etat zurücknchmcn. Einen automatischen Charakter hat dieser Entwurf nicht, denn die Bundesstaaten fordern nur eventuell den überschicbenden Teil zurück, sie verwehren sich nicht gegen die natürliche Steigerung der Mattikular- beiträge. Ich bitte Sie daher, dem Entwurf zuzu- stimmen als einem Entwurf der Reichsfinanzverwal tung und der verbündeten Regierungen. Abg. Richter (st. Vp.) beantragt, den Ent wurf an die Budgetkommission zu verweisen. Redner erklärt sich als Gegner der Vorlage und tadelt, daß man sich nicht an den vorjährigen Beschluß des Reichstags bezüglich der Schuldentilgung IM Reiche gehalten habe. Die Vorlage bedeute den ersten Schritt auf dem Wege zu der alten automatischen NeichS-Finanzresorm-Vorlagc, und würde nur eine Quelle für stetige Streitereien zwischen dem Reichs tag und der Regierung sein. Genau das gleiche, was durch die Vorlage erstrebt werde, lasse sich durch die Etatsfestsetzung erreichen, und er hoffe, daß sich die Mehrheit des Reichstags nicht von den Lockungen des Reichs-Schatzsekretärs umgarnen lassen werde. Abg. v. Leipziger (kons.): In Z 2 liegt kein Automat, da ja der Reichstag jährlich in der Lage ist, die Wirkung desselben zu paralysieren. Das Gesetz legt, wenn auch nur auf kurze Zett, das fest, was wir immer erstrebt haben. Ich beantrage ebenfalls, die Vorlage an die Budgetkommission zu verweisen. Abg. Lieber (Zentr.) begrüßt den Gesetzent wurf als die Fortsetzung der im vorigen Jahre be gonnenen Schuldentilgungspolitik. Das von dem Rcichs-Schatzsekretär entwickelte dritte Projett einer Reichs-Finanzreform werde aber bei dem Zentrum keine Gegenliebe finden. Redner erkennt an, daß die gegenwärtige Vorlage den automatischen Charakter vermeide, und damit entfielen die wesentlichsten der von dem Abg. Richter vorgetragenen Bedenken gegen die Vorlage. In der Kommission werde er bean tragen, daß die für die Reichsschuldentilgung einzn- behaltcnde Summe auf mehr als die Hälfte der Spannung festgesetzt wird. Abg. Paasche (nat.-lib.): Wir haben von jeher eine dauernde Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten gewünscht, und des halb können uns alle Gründe, die der Abg. Richter gegen den Automaten vorgebracht hat, nur bewegen, dafür zu stimmen. Hiermit schließt die Debatte. Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen. Es folgt die zweite Beratung des Gesetz-Ent wurfs wegen Abänderung des Gesetzes betr. die Beschlagnahme desArbeitS- odcr Dienst-Lohnes (Lohn-Beschlagnahme bei Alimentenfordcrungcn). Der Entwurf wird mit einem Zusatz-Anttag Bassermann genehmigt. Sodann wird die zweite Beratung deS Etat» deSReichr-Jnvalidenfonds fortgesetzt, der im allgemeinen unverändert bewilligt wird. Die Kommission hat den Betrag für den Dis positionsfonds des Kaisers zur Unterstützung von Kriegsinvalidcn um den Bettag von 960 000 Mk. erhöht, sodaß sich der Fonds auf 2 760000 Mk. beläuft. Die Abgg. v. Leipziger u. Gen. (kons.) be antragen statt dessen eine Resolution, in der die Regierung ersucht wird, zu gleichem Zweck einen Nachttagsetat einzubringen. Abg. Müller- Fulda (Zentr.) legt die Gründe dar, die die Kommission zur ihrem Beschluß geführt haben. Es gebe viele .Kriegsteilnehmer mit voll be rechtigten Ansprüchen, denen aber bisher aus Mangel an Mitteln nicht entsprochen werdm konnte. Jetzt sei die Finanzlage derartig, daß dieser Einwand nicht mehr gelten könne. Die Sache sei auch budgetrecht lich wohl möglich. Abg. «.Leipziger befürwortet seinen Anttay. In der Sache stehe er aus demselben Boden wie die Mehrheit der Kommission und wie der Vorredner, aber er habe etatsrcchtliche Bedenken. Schatzsckretär Graf v. Posadowsky: Es liegt den verbündeten Regierungen fern, die Zinsen des Jnvalidenfonds zu anderen Zwecken als zum Besten der Invaliden zu verwenden. Wenn nicht alle Zinsen in den Etat eingestellt sind, so ist der Grund dafür darin zu suchen, daß wir die jenigen, die durch den .Krieg geschädigt find, aber diesen Schaden nicht juristisch nachweisen können, für mehr berechtigt halten, an dem Genuß der Zinsen tcilzunehmen, als diejenigen, die wohl den Krieg mitgemacht haben, aber aarnicht behaupten, daß sie Schaden gelitten haben, sondern sich nur auf ihren Pattiotismus berufen. Wir find bereit, die seit 1895 ersparten Zinsen zu den ange regten Zwecken zu verwenden, es fragt sich nur, auf welchen Zeitraum dieselben verteilt werden sollen. Es wird Ihnen ein Nachtragsetat zugehen, aus dem Sic sich übcrzcngcn können, wie weit die Regierun gen Ihren Wünschen entgegengekommen sind. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) betont, daß da» Reich und die Einzclstaaten verpflichtet seien, für den Ausfall zu sargen, den der Jnvalidenfonds durch die Konvertierung erleidet. Auch müßten die Witwen und Waisen der Invaliden besser gestellt werden. Generalleutnant Viebahn weist nach, daß dic Witwen deutscher Offiziere und Soldaten besser ge stellt sind als die der französischen. In vielen Fällen seien freilich die Bezüge der Witwen nicht mehr ausreichend, in diesen Fällen sollc auf dem Wege der Unterstützung mehr cingegriffcn werden als bis her. Der Anttag v. Leipziger fei dem Beschluß der Kommission vorzuziehcn. Abg. v. Vollmar (soz.) ist der Ansicht, daß eS nicht nötig gewesen wäre, Millionen anfzustapcln. DaS Geld sei ausdrücklich für die bedürftigen In validen bestimmt, und daher sei es unbegreiflich, wie die Regierung auch nur einen Augenblick eine folche Haltung einnehmen konnte. Er Werde der Resolution der Kommission zustimmen. Abg. Lieber (Zentr.) erklärt, die Resolution Leipziger gehe auf der einen Seite zu weit, auf der andern Seite Nicht weit genug. Er habe deshalb in Verbindung mit seinem Parteigenossen Müller eine Resolution cingebracht, „den Reichskanzler zu er suchen, einen Nachtragsetat einzubringen, der hilfs bedürftigen Kriegsteilnehmern die Unterstützung von jährlich 120 Mk. im Sinne deS Gesetzes vom 22. Mai 1895 aus den ersparten und verfügbaren Zinsen deS ReichS-Jnvalidcnfonds „soweit als möglich" ge währt." Abg. Hammacher (nat.-lib.) ist mit dem Vor redner in allen wesentlichen Punkten einverstanden; den Beschluß der Budgetkommission könne er nicht begreifen. Der Anttag der Kommission wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt, die Reso lution Lieber-Müller einstimmig angenommen. Der Rest deS Etats wird bewilligt. Vr»»hlsch,r Am Montag erledigte das Abgeordnetenhaus einige kleinere Vorlagen und nahm dann das aus dem Herrenhause in etwas veränderter Gestalt herüber- gekommene Lehrcrbesoldungsgcsetz unverändert nach den Beschlüssen des Herrenhauses an. Das Abgeordnetenhaus nahm am Dienstag zu nächst ohne Debatte in dritter Lcsung die Gesetzent würfe betr. die Ergänzung einiger jagdrechtlicher Bestimmungen und betr. die Rechtsverhältnisse der Auktionatoren in Ostfriesland und Harlingerland an. Daraus wurde die Etatsberatung bei dem Etat der Bauverwaltung fortgesetz Gin Ehrenwort. LH Roman von L. Haid hei». (Sortierung.) Trautmanns Herz schlug, sobald er Ulla nur erkannte. In dem Durcheinander der Be grüßungen und Vorstellungen schien es ihm, als treffe ihn ein sanfter Blick, im nächsten Augen blick hatte sie aber schon ihre Augen Winzcek zugewendet, reichte ihm die Hand und sprach ihre Freude auS, ihn so weit wieder genesen zu sehen. Auch das eifersüchtigste Gemüt konnte aus ihrer Stimme nichts anderes als freundliche Teilnahme heraushürcn, das sagte sich Traut mann selbst; dennoch regte ihn die kleine Szene leidenschaftlich auf. Sie schritten dem Schlosse zu, die Nonne neben Gräfin Rheusteins Fahrstuhl, hinter ihnen Ulla neben Trautmann, an dessen anderem Arm jetzt Winzcek ging. Man stand vor der Thür zu dem Flügel, d«n die Gräfin bewohnte. Die Herren hatten ihr spätes Diner noch nicht genommen, die Damen wollten nicht lange verwetten, so empfahlen sie sich trotz der dringen den Einladung der Gräfin Rhenstein. „Sie sind mir wohl böse, daß ich von unserem Diner sprach, lieber Freund? Wozu sollen wir beide uns unnütze Qualen schaffen ?" wagte Winzcek im Hineingehen. Als dann Trautmann und Winzcek ein ander gegenüber saßen, bemerkte dieser nach denklich: „Ist es nicht eigentümlich, daß mich auch diese Nonne au meine Jugendliebe er-1 innert? Und so entschieden, daß ich sie immer ansehen mußte." „Ich fand keine Aehnlichkeit zwischen ihr und Fräulein von Truhn," erwiderte Trautmann, der es sehr richtig fand, daß sie jede Unter haltung über Ulla vermieden. „O doch! Die Aehnlichkeit ist da, aber nicht so entschieden, wie beide meiner armen Marie gleichen." Winzcek sah froher aus und Traut mann sagte sich: „Er liebt sie doch und hofft. Und warum sollte sie ihn nicht nehmen? Ihr Los wäre kein beklagenswertes, er würde sie auf Händen tragen!" So kam immer wieder der unselige Zwie spalt hoch, denn heute hoffte auch er wieder! Winzcek hatte dem Oberförster seinen Wagen und einen Brief geschickt; am Abend saßen sie, über den Ankauf der herzoglichen Besitzung sprechend, beisammen. Der letztere versprach, seinem Herrn sofort Bericht zu erstatten. Einige Tage später erlag der Gerichtsrat seiner Krankheit und Trautmann bezog wieder seine kleine Stube bei Frau Erdmeier, die ihn, ihre Freudenthränen mtt der blauen Schürze trocknend, empfing. Es kam ihn hart an, sich von dem behag lichen Leben auf Rheustein zu entwöhnen, und er dachte eben darüber nach, wie er Frau Erd meier seinen Entschluß, in eine behaglichere Wohnung zu ziehen, mitteilen solle, als an seine Thür gepocht wurde und zu seinem Er staunen Oskar von Truhn eintrat. Derselbe sah keineswegs so vergnügt aus, wie Trautmann gehofft hatte, und nach der sehr herzlichen Begrüßung war selbstverständlich seine nächste Frage: „Ich hoffe doch, Sie führt nichts Unangenehmes her?" „Leider doch, und Sie verzeihen mir, Traut mann, daß ich Sie wieder damit überfalle!" war die Antwort. „Nun, wenn ich helfen kann, ist das selbst verständlich. Es liegt doch keine Mißstimmung zwischen Ihnen und Ihrem Direktor vor?" „Im Gegenteil! Zum 1. Januar geht er ab, das ist definitiv und meine Anstellung auch, aber nun erlauben Sie mir, Ihnen zu erzählen, was mich zu Ihnen führt, und tadeln Sie meine Ungeduld nicht. Ich schrieb Ihnen von dem Briefe meines Gläubigers, der mir so loyal, auf Grund angeblicher von meinem Vater em pfangenen Wohlthaten, die Zahlung meiner Schuld erleichterte. „Nun," fuhr er fort, als Trautmann zustimmend nickte, „die ganze Ge schichte ist erlogen." „Unmöglich!" rief derselbe und doch schoß ihm im nächsten Augenblick der Gedanke an Winzcek durch den Kopf. „Na, ich sehe Ihnen schon an — Sie er raten l Aber hören Sie, wie ich die Sache vor gestern erfuhr. Der Banker ist also vor einem Monat gestorben. Ich wollte abwarten, wie seine Erben sich zn der Sache stellen würden, doch dauerte die Sache mir zu lange; ich schrieb und bekomme dann mein Konto, wonach ich eine Bagatelle zu zahlen habe für Stempel, Auslagen re., das Schuldkapital ist seit dem 5. August getilgt durch den Rittergutsbesitzer Herrn Winzcek auf Schloß Rhenstein." „Ich dachte es mir," sagte Trautmann leise. „So werden Sie sich aber auch ferner denken. daß mir diese unerbetene Wohlthat von einem Manne, den mein unglücklicher Vater sozusagen als Schwindler gebrandmarkt hat, trotz meiner Achtung vor Herrn Winzceks tadelloser Füh rung, unerträglich ist; Sie werden begresieu, Trautmann, daß ich seine Einmischung in meine Angelegenheit taktlos und zudringlich finde." „Sie find empfindlich, Truhn, seien Sic ge recht. Er konnte den Tod des Bankiers Stein heim nicht voraussehen, er gab Ihnen in guter Meinung die Möglichkeit, erst einmal frei auf zuatmen, Sie sollten ja als Direktor nach und nach abtragen." „Ja, lächerliche Raten. Jetzt, wo ich klar sehe, begreife ich meine Leichtgläubigkeit nicht." „Sie hatten voraussichtlich auch nicht viel mehr übrig, Truhn, der Gehalt ist für den Anfang klein — Ihre Schwester —" „Ja, das ist's! Ihretwegen nehme ich diesen Vorschuß erst recht nicht an. Sie soll nichl verhandelt werden!" rief Oskar von Truhn heftig. „Erlauben Sie mir die Versicherung, daß nichts Herrn Winzcek ferner lag." Ein eigentümlicher Blick streifte ihn aus OSkars Augen. „Ulla darf von dieser Sache keine Ahnung haben. Wenn wir auch arm sind, das Geld hat keine Macht über unseren Stolz!" rief er. „Schon der.Gedanke regt mich auf. — Die Sache ist nun die, Sie müssen mir raten. WaS soll ich schreiben? Ich möchte ibn nicht beleidigen er hat es vielleicht gut gemeint." „Wollen Sie das Geld von mir nehmen? Mtt Vergnügen, lieber Truhn ..
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