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Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189702241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18970224
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18970224
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-02
- Tag 1897-02-24
-
Monat
1897-02
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1897
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Don Uah und Fern. Karlsruhe. Die Augenoperation der Groß herzogin von Baden, welche nach Beratung mit den Aerzten eine beschlossene Sache war, wurde nach dem ,Bad. Landb/ bis nach ihrer Vollen dung vollständig geheim gehalten, so daß sie auch im großhcrzoglichen Schlosse nur ganz wenigen Eingeweihten bekannt war. Die Operation fand bekanntlich vorletzten Montag statt. Abends hatte die Großherzogin mit dem Großherzog das Abendmahl genommen. In der Frühe des Montags hatten zwei Tapezierer im Schlosse zu erscheinen und das Zimmer, m dem die Operation vorgenommen wurde, dunkel grün auszuschlagen: diese beiden Leute mußten im Schlosse verbleiben, bis die Operation be endet war, wohl deswegen, damit nicht unvoll ständige und beunruhigende Mitteilungen vor Beendigung des ärztlichen Eingreifens in das Publikum getragen würden. Um 9 Uhr er ledigte die Frau Großherzogin noch schrift liche Sachen und um halb 10 Uhr unter zog sie sich, ohne daß jemand, wenige Personen ausgenommen, davon eine Ahnung hatte, der Operation. Dieselbe wurde mit Hilfe von Kokain vorgenommen; sie war aber derart schmerzhaft, daß sich die Aerzte noch zu einem stärkeren schmerzstillenden Büttel entschließen mußten. Wie bekannt, ist die Operation glück lich verlaufen und hat keinerlei Folgen hinter lassen. Hamburg. Die Wiederanstellung der alten, im Ausstande befindlich gewesenen Hafen arbeiter ist infolge der Eisverhältnisse auf der E be nicht nur verlangsamt, sondern es haben auch leider viele Wiederentlassunzen, die aller dings in jedem Winter vorkommen, statlfinden müssen. Die am Dienstag ausgezahlte Unter stützung von genau 40,100 Mark kam an 6320 beschäftigungslose Arbeiter zur Verteilung mehrere verzichteten wieder sreiwill g. Auf de i Staatskais äußerte ein Betriebskontrolleur er würde sich fteuen, wenn er erst wieder seine alten Schuppenarbeiter unter Dach und Fach hätte, dann würde auch an die Krahnführer ge dacht werden können. M.-Gladbach. Nach einer Mitteilung des Gewerbe-Inspektors hat im vergangenen Jahre in den Kreisen M.-Gladbach-Stadt und Land, Grevenbroich und Neuß die Zahl der männlichen Arbeiter im Webstoffgewerbe um etwa 100 ab genommen, während die Zahl der Beschäftigten in diesem Gewerbe überhaupt um 2500 zunahm. Das Zahlenverhältnis zwischen männlichen und WÄblichen Arbeitern hat sich demnach wieder zu Ungunsten der ersteren verschoben. Allstedt. Am Mittwoch wurden von der hiesigen Polizei bei einem durchreisenden drei- undzwanzigjährigcn Handwcrksburschen beim Durchsehen seiner Papiere eine große Anzahl gefälschter Arbeitsbescheinigungen, Abmeldescheine und Arbeitsbücher, auf andere Namen lautend, mit falschem Stempelabdruck versehen, und zwei falsche in Schiefer eingravicrte Polizeistempel vorgefunden. Der junge Mann wurde dem Amtsgericht hierselbst vorgeführt. Altona. Auf dem hiesigen Hauptbahnhof wurde vor einiger Zeit in einer Kiste, die bahnhoflagernd Altona abgesandt worden war, eine Kindesleiche entdeckt. Die angestellten fort gesetzten Nachforschungen haben nun ergeben, daß die Kiste aus der Gegend von Neu-Ruppin abgesandt worden ist. Infolgedessen sind die Akten der Staatsanwaltschaft zu Neu - Ruppin zur weiteren Veranlassung übermittelt worden. Bebra. Dem Hilfsbremser Fischer von hier, der sich auf der Strecke nach Rotenburg zu weit vorbeugte, wurde von einer vorbeifahrenden einzelnen Maschine der Kopf zerschmettert. Leipzig. In das hiesige Arresthaus mußte wegen totaler Trunkenheit der Arbeiter R. ein- gelicfert werden. Bedauerlicherweise ist nun der Betreffende in seinem trunkenen Zustande dem Ofen zu nahe gekommen, so daß seine Kleider Feuer fingen und er selbst schwer verbrannte. Mittels Krankenwagens transportierte man ihn, der schon vor Jahren einen Selbstmordversuch gemacht hatte, indem er sich von einem Eisen- ! bahnzug überfahren ließ und dabei den linken! Arm einbüßte, noch lebend nach dem Kranken- > Hause, woselbst er wenige Stunden nach seiner Einlieferung verstarb. Ob jemand ein Ver schulden beizumessen ist, wird die Untersuchung ergeben. Königsberg i. P. Verschneit und erfroren wurde der Landbricfträger Nudat zwischen Ponarth und Karschau, in der Nähe von Königsberg aufgefunden. Wien. An der hiesigen Technischen Hoch schule fand am Donnerstag eine große Studenten kundgebung statt, da der beliebte, zeitweilig an- gcstellte Professor Kugelmayer durch Ernennung eines neuen Professors ersetzt wurde. Schließlich spannten mehrere Hundert Studenten dem Pro fessor Kugelmayer die Pferde aus und zogen ihn, das „Gaudeamus" singend, durch die von der neugierig herbeiströmenden Menge belebten Straßen bis zu seiner Wohnung. Llnz. Zu einer merkwürdigen Entscheidung Wahlrecht des Weib- sichen Geschlechts m einem oberösterreichischen Landgememdebezirk geführt. Dort haben mehrere Vereine Besitz und beantpruchten ihr Wahlrecht. Dreses wurde nun dem Vorschubverein, dem Konsumverein und anderen zuaestanden der oberösterreichischen Sparkasse, dem weitaus be deutendsten Vereine, aber verweigert. Von der Verfügung verblüfft, erkundigte man sich nach den Gründen und vernahm: „Das Gesetz ge währt dem männlichen Geschlecht das Wahlrecht, dem weiblichen nicht. Der Vorschußverein, der Konsumverein haben also das Wahlrecht, die Sparkasse nicht." (Sonderbar, höchst sonderbar!) Krakau. Der Hauptkassierer des hiesigen Magistrats, Alexander Klosowski, wurde ver haftet. Derselbe hat aus der Stadtkaste 42 500 Gulden veruntreut, darunter 35000 Gulden aus dem Pensionsfonds durch Fälschung von Spar kassenbüchern. Rom. Signor Gravina hat die an der sizilianischen Küste gelegene Cyklopen-Jnsel der Universität von Catania geschenkt. Die Insel hat einen Umfang von nur 1 Kilometer, aber ihre Gestalt ist nicht ohne Eigenart, und der Mittelpunkt der Insel erhebt sich 100 Meter über den Meeresspiegel. Die so beschenkte Universität gedenkt auf ihrem neuen Besitze ein Laboratorium für Forschungen in der Zoologie und der Fischzucht zu errichten. Mailand. Der Anfang d. in Zürich wegen Sittlichkeitsvergehens angeklagte, aber freige sprochene, in Berlin wohlbekannte Ex-Sozial- demokrat und würüembergische Predigtamts kandidat Theodor v. Wächter hat, nachdem er die Irrenanstalt Burghölzli bei Zürich verlassen und nachdem ihn der Psychiater Dr. Vorrell als geistig normal erklärt, eine längere Er holungsreise durch Italien und Frankreich an getreten. Gegenwärtig befindet er sich in Mai land, wie er mitteilt, ist er von den dortigen demokratischen Freunden sehr gut ausgenommen worden. Später gedenkt v. Wächter wieder nach Berlin zu kommen und seine Agitation in sozial-christlichem Sinne wieder aufzunehmen. Auch sein Sonntagsblatt, bei dem er 7000 Mk. zugesetzt hat, soll dann wieder aufleben. Die Beschuldigungen, wonach er sich sittlich vergan gen habe, haben sich als vollständig grundlos erwiesen. Antwerpen. Zwischen Zollbeamten und Schmugglern fand in der Nacht zum Mittwoch ein blutiger Kampf statt. 50 Schmuggler ver suchten eine Herde Kühe, von denen jede mit 3000 holländischen Zigarren beladen war, nach Belgien einzuschmuggeln. Als die Schmuggler sich zur Wehr setzten, feuerten die Zollbeamten. Nach Beendigung des Kampfes fand man die Leichen von zwei Schmugglern, viel totes Vieh und 200 000 Zigarren. Cadiz. Gerade in der Zeit, als man einen Dampfkessel an Bord des Schiffes „Prinzessin von Asturien" setzte, platzte die Maschine. Mehrere Personen wurden getötet, drei sind im Wasser verschwunden und siebzehn wurden ver wundet, darunter ein Ingenieur. Siew Hoek. Der Millionär Duestrow, der seine Frau und Kinder ermordet hatte, wurde hier am Mittwoch hingerichtet. Er stellte sich bis zum Tage seiner Enthauptung wahnsinnig, machte aber auf dem Schafott noch umfassende Geständnisse. San Francisco. Der Raubmörder George Edward Butler, der in Australien nicht weniger als 14 Personen ermordet haben soll, ist bei seiner Landung in San Francisco dingfest ge macht worden. Er hatte sich nach seinem letzten Morde unter dem Namen seines Opfers, des Seekapitäns Lee Weller, als Mattose anwerben lassen, um aus Australien wegzukommen. Butler pflegte Leute, die im Besitz von größeren Geld summen waren, nach dem Innern von Australien zu locken, um ihnen behilflich zu sein, ihr Geld in gut rentierenden Bergwerken auzulegen. Wenn es ihm gelungen war, sich in das Vertrauen seiner Opfer einzuschleichen, ermordete er sie und bemächtigte sich ihres Geldes. Bombay. Seit dem Ausbruche der Pest find nach dem amtlichen Ausweise hier 6853 Er krankungen und 5447 Todesfälle vorgekommen. Davon entfallen auf die vergangene Woche 893 Neuetkrankungen und 866 Todesfälle. Bis zum 14. d. haben in der ganzen Präsidentschaft 9911 Erkrankungen und 8006 Todesfälle statt gefunden. Man erblickt hierin einen Beweis dafür, daß sich die Pest allmählich nach dem Innern des Landes ausbreitet. Gerichtshalle. Duisburg. Nach zweitägiger Schwur- gerichtsverhandlung wurden die Witwe Schula aus Meiderich und die Fabrikarbeiter Graat, Sauter und Schmitz wegen gemeinschaftlich be gangenen Mordes an dem Ehemanne der Mit angeklagten Schula zum Tode verurteilt. Reichenberg i. B. Das hiesige Schwur gericht hat den Wildschützen Anton Rieger aus Hohenwald wegen Mordes, den er am 20. Novem ber 1870 an dem gräfl. Elam Gallasschen Förster Halek im Dittersbacher Walde begangen hat, zum Tode durch den Strang verurteilt. Aus Dresden. Ucber das Feuer, das am Dienstag die Kreuzkirche in Dresden vernichtete, liegen folgende Nachrichten vor: Während einer Trauung, die Archidiakonus Neubert vollzog, zeigten sich plötzlich, etwa um '/.4 Uhr, am Ostende dcr Kirche unterhalb der Sakristei kleine Rauchwolken. Wenige Minuten später erschienen dergleichen aber auch am Dach, und nach kaum einer Viertelstunde drangen aus allen Fenstern am Dachrande geringere und stärkere Rauchmassen. Gegen °/«4 Uhr entstieg dem Dachstuhl in seiner ganzen Ausdehnung eine mächtige Rauchsäule, aber noch war keine Helle Flamme sichtbar. Diese zeigte sich erst nach 4 Uhr, zuerst wieder am östlichen Dachrande, von wo der Brand überhaupt seinen AuSgang genommen zu haben scheint. Vermutlich ist derselbe durch einen Defekt in der Zentralheizung entstanden; cs ist wahrst,einlich, daß der erste Brandherd schon lange Zeit glimmend bestanden hat. Unmittelbar nach den ersten Wahrnehmungen von dem Brande war die Feuerwehr in voller Stärke mit allen Gerätschaften unter dem Kommando deS Herm Branddirektors Thomas am Platze erscbienen und hatte die Löscharbeiten mit be wunderungswürdiger Energie in Angriff ge nommen. Aber das massige, zum Teil sehr trockene Holzwerk und Gcbälke unter dem Dach hatte dem Brande so viel empfänglichen Stoff geboten, daß auch die gewaltigsten Wasscrmaffen, welche durch das Dach im Innern der Kirche niederströmten, sich wirkungslos zeigten. Weiter wurden die Löscharbeitcn in hohem Maße er schwert durch die furchtbare Glut, welche von der schmelzenden Zink- und Kupferbedachung ausging. Der nach Tausenden zählenden Menge, welche sich in den auf die Kirche aus mündenden Straßen angesammelt, bot sich in dem brennenden Gotteshause, welches erst vor zwei Jahren auf das prächtigste renoviert worden ist, ein furchtbares Schauspiel, dessen erschütternde Wirkung noch durch den Ge danken gesteigert wurde, daß oben auf dem Turme noch der Türmer weilte, dem infolge seines zu langen Ausharrens auf seinem Poften der Weg vom Turm durch den Rauch versperrt war. Ja dieser war nicht nur in den Glocken- und Uhr-Raum und in die Gänge des Turmes eingedrungen, sondern das dort befind liche Balkenwerk war gegen 5 Uhr auch bereits vom Feuer ergriffen worden, und so mußte den beiden Leuten, die an dem eisernen Geländer in der großen Laterne des Turmes immer wieder sichtbar wurden, nun von außen Hilfe gebracht werden. Hierzu wurden von dcr Straße aus mittels Stricken Steigleitern auf das Dach gezogen. Nach 5 Uhr gelang die Rettung des Türmers. Es waren Augenblicke voll höchster Aufregung. Der Turm hüllte sich immer mehr in dicke, qualmende Wolken; un durchdringlich, unatmenbar füllten sie die Trep penaufgänge. Ocfter wurde der Türmer oben über der Uhr sichtbar, unten aber auf der Flur eines Hauses in der Pfarrgasse lag in Krämpfen seine Frau, während sein Schwiegervater, der bisherige Türmer Schindler, seinem Schwieger söhne Sohr (?) hinaufrief: „Blitzableiter!" Immer unheimlicher wurde die Lage. Die Feuerwehrleute auf dem brennenden, rauchenden Dachstuhl riefen endlich vereint hinauf: „Am Blitzableiter herunter!" Und der wackere Mann that's! Er schwang sich, ein gewandter Turner, über das Gitter und kletterte vorsichtig, bis weilen in Rauchwolken gehüllt, herab bis auf den Dachstuhl. Als er dort angelangt, erschöpft, rauchgeschwärzt in die Arme der Feuerwehrleute sank, entrang sich unwillkürlich den aus dem Altmarkt Stehenden ein „Gott sei Dank!" und ein vielhundertstimmiges Bravo drang zu dem pflichtgetreuen Beamten empor. Bald nach 5 Uhr ordneten Oberbürgermeister Beutler und Ober- konfistorialrat Dibelius das Fortschaffen der Kirchenbücher aus der Sakristei an, was sehr bald erfolgte. Kurz darauf sahen die Feuerwehrleute vom Jnnenschiff der Kirche aus ein Loch in der Decke; das Feuer hatte durch gebrannt, und einige feurige Holzteile fielen auf den Altar nieder. Die Oeffnung erweiterte sich immer mehr und mehr, schon leuchteten die Kirchenfenster von außen und 7 Minuten vor 6 Uhr stürzte mit einem furchtbaren Krach der Dachstuhl ein in das Innere der Kirche. Eine Feucrsänlc, himmelhoch cmporlodernd, gab den Außenstehenden Kunde von diesem mächtigen Fortschreiten des Brandes. Nun aber wandte sich alle Sorge den Feuerwehrleuten zu, die man aus dem Dache hin- und herlaufen sah. Bereits vor einer Stunde hatte der Oberbürger meister gesagt, das Dach sei nicht zu halten, man möge die Leute zurückrufen, damit keiner verunglücke — doch blieben die Mannschaften bis nach 6 Uhr oben. Rian holte vom Altmarkt die Nettungsleitern und das Sprungtuch herbei, doch haben sich die meisten der Feuerwehrleute noch durch den Turm gerettet. Um 6 Uhr 15 Minuten gewahrte man jedoch noch drei Mann auf dem Dachstuhl, die eine Leine herab warfen. Die Dunkelheit des Abends verhinderte ein genaueres Erkennen. — Die brennende Kirche bot einen furchtbar-schönen Anblick. Die Fenster platzten, und die, welche zunächst noch ganz blieben, leuchteten blittrot. Das Feuer fand ersichtlich an dem Holze der Emporen und deS Schiffes reiche Nahrung; bisweilen flammte eine mächtige Garbe, aus der der stolze Turm als letztes festes Bollwerk in dunkler Wend beleuchtung sich abhob, hoch empor. Das ge schmolzene Kupfer floß in violetten und gelben Farbentönen in das Bluttot der Flammen. Kuntes Allerlei. Hohes Alter der Bögel. Dem Lon doner .Echo' meldet ein Einsender, daß ihm ein Rabe gestorben ist, der sich über 100 Jahre im Besitz seiner Familie befunden hat. Der Vogel war schon der Liebling des Hauses, als sein Großvater noch ein Kind war. In Shel borne gibt es eine Eiche, wo dasselbe Raben paar schon 90 Jahre sein Nest aufgeschlagen hat. Auf der Themse gibt es Schwäne, die 150 Jahre alt find. Guter Anfang. Bewerber: „Fräulein Klärchen, wollen Sie die Meine werden?" — Fräulein: „Kämpfen Sie mit Mama!" Sparsam. „Du wolltest dich einschränken und zahlst für deine neue Wohnung monatlich drei Mark mehr?" — „Bedenke aber doch, daß die Kneipe im Hause ist — waS ub da allein an Sohlen spare!" her und sagte, in seinen österreichischen Dialekt fallend: „Bruderherz! Bin ich denn der Mann, der um ihre Liebe werben darf? Aber gönne mir doch das Glück, sie zu lieben. Laß mich träumen, wie ich ihr Los erleichtern könnte." Trautmann fühlte, der Mann sprach Wahr heit, es lag nichts Selbstsüchtiges in seiner Liebe. „Verzeihung!" sagte er erschüttert. „Sie wissen nicht, wie ich ringe, mein Herz von ihr loszureißcn." „Ich weiß es — Bruder! lieber, junger Bruder, und ich hoffe für dich!" gab jener zur Antwort. Während des gemeinsamen Abendessens fragte Trautmann sich nochmals, ob er jetzt die Herten- Heimer Angelegenheit zu Ende bringen solle oder nicht. Winzcck zeigte sich so ruhig, und die Möglichkeit, daß die Sache in fremde Hände kam, lag so nahe, daß er sich zum Reden ent schloß. So begann er denn, als beide die Zigarren anaczündet hatten, davon zu reden. Sie brauchen mir nur zu sagen, daß Sie mit "jenem Kerl nicht identisch sind, Winzcck, das genügt; wollen Sie mir Ihren Geburtsort und das Jahr Ihrer Geburt nachweisen, so ist «r noch besser," schloß er seine sehr bündige Darlegung. Mit eisigem Schrecken aber bemerkte er, daß Winzcck sehr bettoffen aussah und wortlos, uchtlich j„ peinlichster Unentschlossenheit, vor hilistarrtc. «..Dann stand er mit eigentümlich starren Mienen und ging an seinen Schreibtisch, in dem er einige Minuten suchte, hierauf trat er zu ihm, legte eine Anzahl Papiere vor ihn hin und sagte sehr langsam: „Auf diese Papiere hin hat man mich eines Tags in Arad vom Galgen errettet; es war an demselben Tage, an dem mein Bruder und unsere Gefährten den Märtyrertod durch Henkers hand starben. Man sagte mir damals in wilder Hast, es seien die Papiere eines Dieners von einem der Güter meines Vaters." „So war Ihr Vater der Obergespan Lomtzey?" fuhr Drautmann empor. „Nein!" „Weiter!" keuchte Trautmann. „Meinen Namen werden weder Sie noch irgend ein Mensch je von mir erfahren, denn als man mich, den kaum zwanzigjährigen Burschen, damals dem Henker entriß, als man mich, der schon mit dem Leben abgeschlossen hatte, in Bettlerkleidung steckte und mit atemloser Eile auf ein Pferd setzte und mich über die Grenze brachte, da hat man mir das Ehren wort abgenommcn, daß ich nie meinen wahren Namen verraten, nie in mein Vaterland zurück- kehren wolle, bis man mich von meinem Worte löste. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen." „Doch, doch, noch eins! Wer nahm Ihr Ehrenwort?" „Mein Vater, der mir voreilige Rückkehr un möglich machen wollte!" „Viele der Rebellen wurden später amnestiert, warum rief Ihr Vater Sic nicht zurück?" „Weil er acht Tage nach dem Tode meines Bruders, dessen Rettung ihm mißlang, am Herz schlage starb." . „Wie erfuhren Sie das?" „Durch die Zeitungen!" „Und Ihre Mutter?" „War längst tot." „Aber Ihre Verwandten?" „Sie glaubten uns alle tot. Meines Vaters einziger Bruder erbte die Besitzungen, das Ver mögen." „Und Sie wollen Ihr Wort halten, Winzcck? Einem Toten, der es Ihnen längst zurückgegeben hätte?" „Ich muß! Es gibt nur Eine Ehre und nur Ein Ehrenwort," sagte dieser tonlos. „Aber wenn die Gerichte — ? Sie sind nach diesen Papieren jener Dieb —" „Da muß ein Irrtum vorliegen; meinVater hätte seinem Liebling niemals solche Papiere ge geben." „Die Sache steht bei alledem ernst genug für Sie, Winzcck. Wenn dieser Bükert die Sache aus verletzter Eitelkeit verfolgt, denn er wußte sich sehr viel mit seiner „Entdeckung" — oder wenn man in Hertenheim dies thut —" Winzcck fuhr mit wilder Gcberde durch sein Haar. Dann sagte er mit zusammengebiffenen Zähnen: „Ich muß das abwarten — nur nicht wortbrüchig werden!" Winzcck trug die Papiere wieder in seinen Tisch zurück. Schweigend saßen sie noch lange zusammen. Endlich sagte Trautmann: „Ich meinerseits würde es nicht zum äußersten kommen lassen, Winzcck, ich würde nicht schweigen." Ich glaube doch!" sagte dieser mit tiefstem Ernst. Trautmann fand an dem Abend keine Ruhe. Immer stand Winzcek vor ihm mit den durch- wühlten Zügen und den hoffnungslosen Blicken. - ganze Welt sich gegen den.Un ¬ glücklichen wenden, er stand zu ihm, seine Uebcr- zeugung forderte es. Seinem Versprechen gemäß war Trautmann am nächsten Tage zur Stadt gefahren und hatte dem Gerichtsrat die dringendsten Arbeiten cr- ledigt, jetzt kehrte er gerade zurück, als die Gräfin sich ihren Stuhl ins Freie fahren ließ. Sie traf mir dem Hausherrn zusammen, der, auf seinen Diener gestützt, die schöne weiche Lust genießen wollte. Trautmann gesellte sich zu ihnen. Wenn die Aufregung des gestrigen Abends in Winzceks Zügen auch noch erkennbar war, so bewunderte er doch die Ruhe und Heiterkeit, mit welcher der Genesende die alle Dame unterhielt, und noch mehr die voll- ömmene Fassung, welche er zeigte, als plötzlich citwärts aus dem Gebüsche zwei Damen er- chicnen, in welchen sie alle sofort Ulla von Truhn und ihre Tante erkannten. Dieselben beabsichtigten, die Gräfin Rheu- stcin zu besuchen, und wurden von dieser aut das herzlichste willkommen geheißen, dann von den Herren begrüßt und da man die etwas er müdete Klostcrschwester nicht gut noch im Freien lassen konnte, in das Schloß geführt. Ulla sah sehr hübsch aus, der Spaziergang hatte ihr sichtlich wohlgethan und ihren blassen Wangen eine tiefere Färbung gegeben. ss (Fortsetzung folgt.»
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