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Allgemeiner Anzeiger : 31.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189610315
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18961031
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-31
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.10.1896
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politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser begab sich am Dienstag nach dem Kruppschen Schießplatz bei Meppen; Der Monarch gedachte in der Villa Hügel (Krupp) zu übernachten und am Mittwoch die Kruppsche Fabrik zu besichtigen. *Jn das Schiedsgericht für die lippesche Thronfolge hat König Albert von Sachsen den Präsidenten des Reichsgerichts Dr. v. Oehlschläger, zwei Senatspräsidenten und drei Räte des Reichsgerichts berufen. *Der ,Reichs-Anz.' vom Dienstag schreibt: „Bei der öffentlichen Besprechung der jüngsten „Enthüllungen" der .Hamburger Nach richten" über deutsch-russische Be ziehungen bis zum Jahre 1890 ist vielfach der Wunsch hervorgetreten,, die Regierung möge auch ihrerseits das Wort zur Sache ergreifen. Wir sind zu der Erklärung ermächtigt, daß dies nicht geschehen wird. Diplomatische Vor gänge der von den .Hamburger Nachrichten' er wähnten Art gehören ihrer Natur nach zu den streng st enStaatsgeheimnissen; sie gewissenhaft zu wahren, beruht auf einer inter nationalen Pflicht, deren Verletzung eine Schädi gung wichtiger Staatsinteresscn bedingen würde. Die kaiserliche Regierung muß daher auf jede Klarstellung verzichten, sie wird jenen Aus lassungen gegenüber weder Falsches berichtigen, noch Unvollständiges ergänzen, in der Nebcr- zeugung, daß die Zuversicht in die Aufrichtig keit und die Vertragstreue der deutschen Politik bei anderen Mächten zu fest begründet ist, als daß sie durch derartige „Enthüllungen" erschüttert werden könnte." *Die Ernennung des Frhrn. v. Richt hofen zum Kolonialdirektor ist amt lich publiziert worden. Gleichzeitig hat der Genannte sein neues Amt angetreten. *Die Bevollmächtigten der Landes regierungen, welche in ihren Staaten Börsen besitzen, sind am Montag vormittag im Reichsamt des Innern zu einer Konferenz zusammengetreten. In dieser Konferenz sollen, wie bereits gemeldet, die Grundgedanken bezüg lich der Ausführungs-Bestimmungen für das neue Börsengesetz festgcstellt werden. An der Sitzung nahmen teil Abgesandte der prcuß. Staatsregiei ung wie des Handelsministeriums, des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, des Reichsamts des Innern, der Hansastädte (vertreten durch den gemeinsamen Gesandten Klügmann) sowie süddeutscher Regie rungen. * Im Reichsamt des Innern findet der ,Post' zufolge Ende nächster Woche eine Konferenz von Vertretern der beteiligten Reichsrcssorts und der preußischen Regierung statt, um über eine reichs gesetzliche Regelung des Leichenschau - wesens zu beraten. * Die Entschädigungen für Flur schäden, die durch Truppenübungen in diesem Herb st e verursacht find, werden gegenwärtig in vielen Gegenden an die Ge meindevorstände zur Auszahlung gebracht. Es ist dies eine Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, daß auf einzelne Gemeinden be deutend höhere Entschädigungen entfallen wären, wenn alle Gemeindevorstände die Beschädigten darauf hingewiesen hätten, daß eine Abcrntung der beschädigten Felder vor dem Eintreffen der Abschätzungs-Kommission nur auf Anordnung des Gemeindevorstandes und nach vorhcrge- gangener Feststellung des Schadens durch ihn und zwei unparteiische Ortseingesessene stattfinden durfte, wenn nicht der Beschädigte auf Ersatz des Schadens verzichten wollte. *Das Reichs-Postamt hatte bekanntlich für Deuts ch-Ostafrika die Errichtung einer besonderen Postbehörde, ähnlich den Oberpostdicektionen, geplant und einen Postrat als Oberpostdirektor dorthin zu versetzen ge dacht, dem die oberste Leitung des Postwesens in dieser Kolonie anvertraut werden sollte. Nach längeren Beratungen im Reichspostamt hat man sich indessen, wie die,Post' hört, entschlossen, diese Neueinrichtung vorläufig noch nicht zu treffen, sie aber für die Zukunft im Auge zu behalten. *Eine Meldung, daß die Verhandlungen zwischen Preußen und Hamburg über die Elbe-Korrektion neuerdings ins Stocken geraten seien, dürfte auf Irrtum beruhen. Höch stens könnte der formelle Abschluß der Verein barung, über deren materiellen Inhalt bereits in den zwischen Kommissaren beider Staaten im Sommer gepflogenen Verhandlungen eine volle Verständigung erzielt worden ist, in der Haupt sache sich aus äußeren Gründen etwas ver- zögern. * Wie verlautet, ist von feiten der Staats anwaltschaft der Generalsekretär der national liberalen Partei, Dr. Patzig in Berlin, über die Organisation der nationallibe ralen Partei vernommen worden. Dieses Vorgehen steht im Zusammenhang mit dem be kannten Einschreiten gegen die sozialdemokratische Parteiorganisation auf Grund des Vereins- gcsctzcs. Bebel hat s. Z. der Staatsanwalt schaft durch eine Anzeige Veranlassung gegeben, auch die Organisation des Bundes der Land wirte und der nationalliberalen Partei näher darauf hin zu prüfen, ob sie nicht mit dem Ver einsgesetz in Widerspruch ständen. Frankreich. *Die endgültig festgcstcllten Ausgaben anläßlich der F e stli ch keite n zu Ehren des KaisersvonRußland betragen 3'/2 Mill. Frank. * Der französische Generalstab beschäftigt sich, wie die ,Petite Republique' meldet, infolge der Errichtung eines Lagers in Malmedy mit der Frage einer Verstärkung der Garni sonen im Norden. Der Effektivbestand des 1. Armeekorps würde um ein Viertel erhöht werden. * Der frühere Minister CH allem el - Lacour, der auch eine Zeitlang Präsident des Senats war, ist am Montag gestorben. Schweiz. *Bei den allgemeinen Erneuerungswahlen des schweizer Nationalrates wurde die Stärke der einzelnen Parteien nicht wesent lich verändert. Die radikal-demokratische Mehr heit wird etwa um fünf Stimmen verstärkt auf Kosten der protestantisch-konservativen. Die Stärke der Ultramontanen bleibt unverändert, die Sozialisten gewinnen einen Sitz. Italien. * Am Sonntag empfingen der König und die Königin von Italien sowie der Prinz und die Prinzessin von Neapel zahlreiche Bürgermeister, welche Glückwünsche darbrachten. Der deutsche und der österreichisch-ungarische Botschafter überreichten dem Könige und dem Prinzen von Neapel Glückwunschschreiben des KaisersWilhelm und desKaisers Franz Joseph. Der König von Serbien, die Skupschtina und der Ministerpräsident beglück wünschten den Fürsten Nikolaus von Montenegro anläßlich der Vermählung der Prinzessin Helene. Die Skupschtina hat auch dem Erbprinzen Danilo von Montenegro Glückwünsche übermittelt. Die Petersburger ,Nowojc Wrcmja' begrüßt freudig den Eintritt einer slawischen Prinzessin in die italienische Königsfamilie und nennt den Kron prinzen von Italien einen aufrichtigen Anhänger Rußlands, was die Anbahnung herzlicherer Be ziehungen Italiens auch zu Frankreich bedeute. * Wie die ,Tribuna' mitteilt, gingen an Bord des „Jndepedente" von Ancona mehrere Millionen Lira nach Afrika ab, die angeblich zum Loskauf der Gefangenen dienen sollen. Die .Tribuna' fügt hinzu, daß der Präfekt von Ancona alles that, um die Nachricht zu vertuschen, und schließlich das bezügliche Telegramm konfiszierte. * Nachdem der portugiesische Gesandte in Rom, infolge einer Unterredung mit der Königin Maria Pia von Portugal und- mit Rudini, seinen Dienst wieder ausgenommen hat, wird auch der italienische Gesandte in den nächsten Tagen in Lissabon erwartet. Dieitalienisch- portugiesischen diplomatischen Beziehungen find somit wieder völlig her gestellt. Rußland. *Es verlautet, die russische Regierung son- diere bei den übrigen Großmächten wegen der Einberufung eines europäischen Kon gress e s zur Regelung der orientalischen Wirren. Amerika. *Auf Grund einer Umfrage bei den Gou verneuren der Einzelstaaten kommt der ,New Dort Herald' zu dem Resultat, daß für Mac Kinley (Goldwährung) 248 Wahlstimmen werden abgegeben werden, während fürBryan (Silber) voraussichtlich nur mit 134 Stimmen votiert werden wird. *Eine zahlreiche bewaffnete Bande, die vor mehreren Jahren im Innern der Provinz Bahia (Brasilien) ein starkes Truppendclachcment an griff und schlug, hat jetzt mehrere, hauptsächlich von Italienern bewirtschaftete Land güter geplündert. Das Leben der Italiener wurde nicht gefährdet, der angcrichtete Schaden ist jedoch erheblich. Die regulären Truppen des Staates Bahia gingen gegen die Bande vor und schlugen dieselbe. Die Bande hatte eine Anzahl Tote und Verwundete und wird von den Truppen weiter verfolgt. Die Bundesregierung hat der Regierung von Bahia Truppcnverstärkungen zur Verfügung gestellt. Der italicni'che Vizekonsul in Pernambuco hat den Befehl erhalten, eine Untersuchung anzu- stcllcn und der unter den italienischen Kolonisten entstandenen Panik entgegenzutreten. Afrika. *Der Sultan von Marokko erließ ein Rundschreiben an die auswärtigen Vertreter, in dem er sein Bedauern über die Plünde rung der Stadt Mzab ausspricht und mitteilt, daß er Beamte dorthin entsenden werde. Der Sultan gibt ferner seiner Bereitwilligkeit Ausdruck, allen berechtigten Entschädigungssorde- rungen der Europäer in vollem Umfange gerecht zu werden. Asien. *Li-Hung-Tschang ist zum Minister des Aeußcrn ernannt worden. Diese Ernennung deutet wohl darauf hin, daß fortan für den Verkehr des chinesischen Reiches mit den aus wärtigen Mächten modernere Formen geschaffen werden sollen. Bisher gab es überhaupt keinen Minister des Auswärtigen im eigentlichen Sinne; das Tsungli-Aamen, das Auswärtige Amt, war eine kollegiale Körperschaft, in welcher ein Dutzend Mandarinen bei einander saßen und mit den Zöpfen wackelten. Uom lippeschen Thronfolgestreit. Wie bereits erwähnt, hat der Prinz-Regent von Lippe-Detmold das Gesetz betreffend Er ledigung des Thronstreites durch ein Schieds gericht und die Abänderung des Regentschafts gesetzes in der vom Landtage beschlossenen Form vollzogen, sodaß also, falls das Schiedsgericht bei oder nach dem Tode des Fürsten Alexander zur Lippe durch den Tod eines der Prätendenten oder des Königs von Sachsen außer Thätigkeit träte und nicht innerhalb drei Monaten seine Thätigkeit wieder ausgenommen hätte, die Re gentschaft des Prinzen Adolf erlöschen und der Landtag das Wahlrecht eines neuen Regenten haben würde. Das durch den Schiedsvertrag eingesetzte, unter Vorsitz des Königs von Sachsen aus sechs Reichsgerichtsräten bestehende Schieds gericht kann nun seine Thätigkeit aufnehmen. Bemerkenswert ist es, daß auch der Berliner Staatsrechtslehrer Professor Gierke jetzt für das Recht der Grafen zur Lippe-Biestcrfeld eintritt. Gierke erklärt, daß sich der angebliche Mangel der Ebenbürtigkeit als Trugbild herausstelle; aber selbst wenn die vielgenannte Ehe mit Modesta von Unruhe unebenbürtig gewesen wäre, so sei sie durch die autonome Familie mit Voll wirksamkeit bekleidet worden: „Von erheblicher Bedeutung ist die haus rechtliche Anerkennung der erbherrlichen Linien als Zweige des Lippeschen Gesamthauses in unserem Jahrhundert. Zweifellos vermag eine hausrechtliche Satzung oder Observanz so gut, wie sie eine neue Norm für künftige Fälle ein führen kann, auch für einen Einzelfall ein von der Regel abweichendes Recht zu schaffen. Wäre also die Ehe mit Modesta von Unruhe nach damaligem Hausrecht unebenbürtig ge wesen, so konnte sie doch durch ausdrückliche oder stillschweigende Kundgebung der autonomcn Familie mit Vollwirksamkeit bekleidet werden. Rian hat hiergegen eingewcndet, die Aner kennung sei unwirksam, weil sie auf Irrtum über den Stand der Modesta beruht habe. Allein dieser Einwand überträgt in unzulässiger Weise die für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln ans autonomische Akte. Hausrechtliche Satzungen und Observanzen sind Rechtsctzungsakte. Sie werden fo wenig wie Gesetze durch den Nach weis eines zu Grunde liegenden Irrtums hin fällig. Sind die Mitglieder der erbherrlichen Linie Lippe-Biesterfeld jahrzehnte hindurch nach ihrer angeblichen Rechtsverwirkung von den be rufenen Häuptern und sämtlichen Mitgliedern deS Gesamthauses als vollberechtigte Agnaten aner kannt nnd behandelt worden, so kann ihnen die Succcsfionsfähigkeit nicht nachträglich wieder be stritten werden. Agnaten ohne Folgerecht, minderberechtigte Mitglieder eines hochadligen Hauses kennt das deutsche Privatfürstenrecht nicht. Hätte man das Folgerecht der erbhcrr- lichen Linien nicht zugestehen wollen, so häne man sie überbaupt als aus dem Gesamthause ausgcschicden betrachten müssen. Erkannte man dagegen ihre Hauszugehörigkeit an, so setzte man damit auch ihr Throuwlgcrccht fest." Uon Uah und Fern. Berlin. Abermals eine Blutthat! Eine Witwe Limberg in der Klödenstraße erhängte ihre drei Kinder im Alter von 5'll, 4 Jahren und 4 Monaten und gab sich sodann selbst den Tod. Motiv scheint Streitigkeiten mit einem neuen Bräutigam, der auch der Vater des jüngsten Kindes war, zu sein. (Hreiz. Das Gerücht, daß der Fürst von Reuß-Greiz im Revier von Burgk ein Zu sammentreffen mit Wilderern gehabt habe und dabei durch einen Schuß verletzt worden fei, ist völlig unbegründet. Ueber den Vorfall, welcher jedenfalls die Veranlassung zu diesem Gerücht gegeben hat, berichtete das ,Greizer Tageblatt' bereits am 24. d., daß der Leibarzt, der Mcdizinalrat Dr. Overlach, als er nach Beendi gung einer Jagd den fürstlichen Wagen be steigen wollte, dadurch, daß die Pferde in dem- felben Augenblicke scheu wurden, vom Trittbrett stürzte und vom Wagen überfahren wurde, wo durch er einen Bruch des rechten Fußgelenkes erlitten habe. Der Medizinalrat sei im Wagen nach Greiz gebracht worden. Zuschauer, welche den Wagen fahren und Jäger um den Ver letzten beschäftigt sahen, haben daraus allerhand Schlüsse gezogen und so ist das falsche Gerücht weiter verbreitet worden. Dresden. Die plötzliche Verhaftung des in hiesigen Bürgerkreisen Hochanqcieheuen Stadt verordneten Amtsgcrichtsjckrelücs Richter erregt hier allgemeines Aufsehen. Richter war mit der Führung des Grundbuches betraut und soll hier bei Pflichtwidrigkeiten begangen haben. Frankfurt a. M. In einer von Dele gierten aus allen Teilen Deutschlands besuchten Versammlung hat sich hier ein Zcntralverein für die Interessen des Detailreisens gebildet, der ganz Deutschland umfassen und seinen Sitz vor läufig in Bielefeld haben soll. Der Verein be zweckt, sowohl gegen die Beschränkungen des Detailreisens als auch überhaupt gegen alle Be schränkungen der Gewerbcfrciheit anzukämpsew Zum ersten Vorsitzenden wurde der Wäschefabri kant Detring aus Bielefeld gewählt. Offenbach a. M. Die mehrfaches Milch fälschungsprozesse in Frankfurt und Umgegend haben zunächst in Offenbach zur Gründung einer Milchlicferungsgenossenschaft geführt. In das hiesige Genosscnschaftsregister ist die „Molkerei genossenschaft e. G. m. b. H." eingetragen worden mit dem „Zwecke der Versorgung der Stadt Offenbach mit einem billigen, gehaltreichen undgesundenVolksnahrungsmittel".Die Genossen schaft will dem Vernehmen nach in erster Linie den Milchverkauf in Offenbach organisieren und nur die nicht verbrauchten Lieferungsmengen ver buttern lassen. Die Milch soll durchweg in einer eigenen Anstalt sterilisiert werden. Die Genossen schaft gewinnt ihre Mitglieder, wie die Zusam mensetzung des Vorstandes zeigt, nicht nur unter Schuld und Sühne. 81) Roman von A. K. Green. (Füsesung.) „Ihre Tochter braucht deshalb des Schlafes nicht zu entbehren," sagte ich. „Ich gewahrte nur, daß meine Gäste nach etwas Schaurigem Ver langen trugen und da erfand ich diese Ge schichte. Es war alles Erfindung. Wäre es anders geivesen, hätte ich mich wohl gehütet, es zum besten zu geben; der Ruf meines Hauses steht mir zu hoch." „lind Sie hatten keine Unterlage für Ihr künstliches Phantasiegebäude? Es war alles nur Erfundenes?" Ich lächelte; ihr leichter Ton täuschte mich nicht über die Angst hinweg, welche demselben zu Grunde lag, aber es war nicht meine Ab sicht, ihr meine Fähigkeit des Gedankenlesens zu verraten. Es paßte besser in meinen Plan, wenn sie der Ueberzeugung blieb, mich täuschen zu können. „O," erwiderte ich so harmlos, als hätte ich nie einen argwöhnischen Gedanken gehegt, „mir wird es nicht schwer, eine Geschichte zu zu erfinden. Es ist ja selbstverständlich, daß diese nicht wahr sein konnte, sonst würde ich mich ja gefürchtet haben, in diesem Hause zu bleiben. Nein, ich könnte niemals etwas Ge heimnisvollem, ertragen, bei mir muß alles so offen und klar sein wie der Tag." „Bei mir auch," sagte sie lachend; aber durch ihre Heiterkeit klang ein Mißton, wenn ich mir auch den Anschein gab, ihn nicht zu bemerken. „Ich hielt Ihre Erzählung ja auch nicht für buchstäblich wahr, aber ich glaubte, Sie hätten dieselbe auf einer alten Tradition aufgebaut — auf irgend eine geheimnisvolle Begebenheit, welche sich in früheren Zeiten in diesem Hause zutrug und von welcher Sie gehört." „Nein, nein," versicherte ich nochmals. „Es war kein Anklang an eine frühere Begebenheit, sondern nur meine eigene Erfindung." Sofort nahm ihr Gesicht einen anderen Aus druck an. Es war, als würde von demselben ein schwarzer Schleier gezogen. „Meine Tochter wird nun beruhigt sein," sprach sie. „Auf mich wirken ja so düstere Bilder nicht, aber sie ist jung und empfindsam und besitzt ein weiches, zärtliches Herz. Ich danke Ihnen, Frau Truax, gute Nacht." Höflich erwiderte ich ihren Gruß, und wir trennten uns, um jede unser Zimmer aufzu suchen. Oktober 9. 1791. — Madame nennt ihre Tochter niemals beim Vornamen, infolgedessen wissen wir ihn nicht. Dies bildet einen Gegenstand der Verwunderung für das ganze Haus, und von den jungen Herren wird manche Vermutung darüber ausgesprochen. Ich bin auf diesen Namen nicht besonders neugierig — ich möchte lieber denjenigen der Mutter wissen — trotzdem wundere auch ich mich, denn es ist für eine Mutter vollkommen unnatürlich, ihre Tochter stets als Mademoiselle anzureden. Ist sic ihre Mutter? Manchmal glaube ich, sie ist es nicht. Wenn das Interesse am Eichenzimmer, das ist, was ich denke, dann kann sie es nicht sein; denn welche Mutter würde ihrem Kinde Gefahr bringen wollen? Und Gefahr liegt auf dem! ! Grunde all dieses Interesses — Gefahr für die Hilflose, Vertrauende, Unwissende. Aber, ist das Interesse der Mutter ein solches, wie ich es ver mute? In der letzten Zeit habe ich nichts bemerkt. Vielleicht irre ich mich doch. 19. JndenKorridoren umMitternacht. Oktober 10. 1791. — Ich habe mich nicht geirrt. Madame hat nicht nur ein sehr ernstes Jnterresse an dem Eichenzimmer, sondern auch sehr ernste Absichten darauf. Nicht damit zu frieden, in dem dorthin führenden Korridor um herzuschleichen, wurde sie auch gestern früh dabei überrrascht, die Thür des Zimmers öffnen zu wollen; und als sie höflich gefragt wurde, wen sie suche, antwortete sie, daß sie nach dem Salon gehen wolle, welcher, nebenbei bemerkt, an der anderen Seite des Hauses liegt. Und das ist nicht alles. Als ich gestern nacht in meinem Bett lag und meine Glieder ruhte, wie sie eine übermüdete Frau nur ruhen kann, hörte ich leises Klopfen an meiner Thür. Ich stand auf, öffnete und war überrascht, die zarte Ge stalt von Mademoiselle vor mir zu sehen. „Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe," sagte sie in ihrem reinen Englisch — sie sprechen beide ausgezeichnet englisch, wenn auch mit etwas fremdem Accent — „es thut mir leid, Sie wecken zu müssen, aber ich ängstige mich um meine Mama. Sie ging mit mir zu Bett und wir schliefen beide ein; als ich aber vor kurzer Zeit wieder erwachte, vermißte ich sie. -Ich habe bis jetzt gewartet, aber sie kommt nicht wieder. Ich fühle mich nicht ganz wohl Ich bat sie, wieder ins Bett zu gehen, nachdem ich ihr noch einige beruhigende Worte gesagt, über welche das liebenswürdige Mädchen allen Stolz zu vergessen schien, schlang sic nm einem leisen Seufzer beide Arme um meinen chen, fortzufahrcn- Bett zu gehen, E und bin sehr leicht ängstlich. O, wie kalt es ist!" Ich zog sie herein, hüllte sie in einen Shawl und führte sie in ihr Zimmer zurück. „Ihre Frau Mama wird sehr bald wieder bei Ihnen sein," beruhigte ich das arme Kind „Sie hat vielleicht nicht recht schlafen können und ist nun aufgestanden, um durch etwa? Hin- und Hergehen ihre aufgeregten Nerven zu beruhigen." „Vielleicht haben Sie recht; denn ihre Pau- toffeln und ihren Schlafrock vermisse ich anal Aber sie hat das noch niemals gcthan und ul einem fremden Hause —" Ein leichtes Erbeben verhinderte das junge Mäd^ Hals. . „Sie find eine gute Frau," sagte sie dabei, „ich fühle mich stets glücklicher, wenn ich sprechen höre." , Gerührt sagte ich ihr einige zärtliche Wor und zog mich zurück. Ich sehnte mich dana«, noch bei ihr zu bleiben, ihr zu sagen, wie M ich mich zu ihr hingezogen fühle und wie aut richtig ich ihre Freundin sei; aber ich furchn die Rückkehr der Mutter, fürchtete etwas von der Kenntnis ihres Thuns und Treibens versäumen, das für meinen heimlichen Berd V von Wichtigkeit war. So legte '4 »w Empfindungen Zwang an und eilte nach me m Zimmer, wo ich einen langen, dunklen
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