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Damit machte der Totenkopf kehrt und marschierte in der Richtung der Stadt zu. Else verfolgte rüstig ihren Weg über die hügelige Heide, deren einsame Stille nur ab und zu durch eine krächzend dem Walde zufliegeude Krähe unterbrochen wurde. Ihre letzte Krank heit hatte sie hart mitgenommen, die Anstrengungen des langen Weges begannen sie unangenehm daran zu erinnern. Allein sie besaß ein mutiges, entschlossenes Herz, und das Ziel, welches sie anstrebte, ließ sic ihre Ermattung überwinden. Weit, fast unabsehbar breitete sich vor ihr die Heide aus, der Wind schnob kalt über das dürre Gras, über das braune Haide kraut und durch die Ginsterbüsche. Durch lange Strecken feuchten Moorbodens führte der Weg, wo das Wasser durch grünes Moos sickerte und in kleinen Rinnsalen thalwärts floß. Trotz ihres eiligen Lnuses war das Abcnddunkel bereits hereingebrochen, noch ehe sie den Rand der Heide erreicht hatte. Endlich gelangte sie an eine schmale, hölzerne Brücke und dann in ein Dörfchen, das vor Beginn des Krieges wohlhabend gewesen sein mochtej jetzt aber nnr noch ans etwa sechs bewohnten Hütten bestand, die ücrigeu lagen in Schutt und Trümmern. In einiger Entfernung ragte der alte Hochmeisterturm schattenhaft im Zwielicht empor. Zwischen diesem und dem Dörfchen lag ein kleines Halbhüfnergehöft inmitten einer Umzäunung. Zu diesem lenkte Else jetzt ihre Schritte. Der Hochmeisterturm stand auf einem schroffen Hügel am Anfang eines bewaldeten Thales. Es war ein festes, viereckiges, aus roh behaltenen Feldsteinen errichtetes Bauwerk, der Rest einer ehemaligen Zwingburg, die zu Anfang des 14. Jahrhunderts von dem Deutschen Orden erbaut worden war, der im Jahre 1310 daS Land Pommercllcn von den Polen erobert hatte, dasselbe aber 1466 wieder an die letzteren abtreten mußte. Er stand un mittelbar an der Grenze, niemand aber wußte recht, ob noch auf hinterpommerschem oder ob bereits auf pommerellischem Grund und Boden. Das Dach und die Fußböden der einzelnen Stock werke lagen in morschen Trümmern innerhalb des Turms am Boden, die engen Fenstern und die Schießscharten starrten wie die hohlen Augenlöcher eines Schädels in die öde Gegend hinaus. Else ging auf das vereinzelt liegende Gehöft zu. Als sie dem kleinen Wohnhäuschen desselben bis aus zehn Schritte nahe gekommen war, wurde die Thür von innen schnell zugeschlagen, wie wenn jemand sie bemerkt hätte, niit ihr aber nichts zu thun haben wolle. Zunächst schenkte sie diesem Umstand keine Be achtung, später aber siel er ihr wieder ein. Es vergingen einige Minuten, ehe ihrem Anpochen Folge ge leistet wurde. Endlich rief eine unwirsche Stimme in breitem, preußischen Dialekt ihr zu, hereinzukommen. Sie stieß die Thür auf und sah sich in dem halbdunklen, engen Naum einem knochigen, robusten Weibsbild gegenüber, von dem sie mit argwöhnischen und unfreundlichen Blicken vom Kopf bis zu den Füßen gemustert wurde. „Erbarm, Krüssows Margell!"*) rief das Weib erstaunt. „Die Jungfer von der Mühle! Was wollt Ihr, wen besucht Ihr hier in aller Nacht?" „Ich habe mit Wallux zu sprechen, ist er daheim?" versetzte Else, ohne von dem Mißvergnügen Notiz zu nehmen, das ihr unerwarteter Besuch hervorzurufen schien. „Wallux? Mein Bruder?" entgegnete das Weib. „Wenn Ihr seinetwegen den weiten Weg hergekommen seid, dann wirds Euch leid werden, denn er ist nicht daheim. Ihr könnt mir aber sagen, was Ihr von ihm wollt; Wenns dann nötig ist, kann er morgen zu Euch kommen." „Das nützt mir nichts, Hanne, ich muß ihn heute noch sprechen; wenn er nicht hier ist, dann weiß ich schon, wo ich ihn finde." Hanne schonte dem jungen Mädchen ungewiß in die Augen. Sie schien mit sich nicht im Klaren darüber zu sein, ob sie Else gehen lassen oder zurückhalten solle. Schließlich ergriff sie Elses Arm und versicherte ihr hoch und teuer, daß es ganz unmöglich sei, heute Abend noch ihren Bruder ansznfinden. Else hatte sich inzwischen in dem Naum umgeschaut. Hinter der Thür hing ein Rock, der ihre Blicke vorübergehend fesselte; ihr war es, als müsse das Kleidungsstück ihr bekannt sein, allein ihre Gedanken waren zu sehr anderweit in Anspruch genommen, um sich genauer davon zu überzeugen. „Ihr habt von mir nichts zu sürchtcn, Haune," sagte sie^ sich aus dem harten Griff der anderen loszumachen suchend. „Die Gendarmen und die Steucrbeamten sind meine Freunde nicht. Ihr könnt Euch also beruhigen und mich loslasscn." Damit befreite sie sich, lief aus der Hütte und geraden Wegs aus den alten Turm zu. Hanne trat in die Thür und sah der Davoneilenden finsteren Blickes nach, bis sie hinter einer Ecke der Ruine verschwunden war. *) Altpreutzischer Aurdruck sür Mädchen. Die Instruktionen des Totenkopfes waren haarklein unk genau gewesen, Else fand daher den Eingang mit Leichtigkeit. Er lag einige Fuß über dem Boden, mit Hilfe einiger Steine aber, die ihr als Stufen dienten, gelangte sie bald in das Innere. Sie sah sich in einer großen Halle, in der allenthalben ge waltige Mauertrümmer umherlagen, zwischen denen Gestrüpp un Brombeergerank wucherte. Am Hinteren Ende des weiten, decken losen Raumes war der Fußboden eingestürzt und hatte die unter irdischen Gewölbe bloßgelegt. Else tastete sich bis zu der gähnenden Oeffnung vorwärts; Es war so finster geworden, daß sie kaum noch erkennen konnte, wohin sie ihren Fuß setzte. Am Rande des Abgrundes kniete sie nieder und rief laut den Namen Wallux. Dann lauschte sie lange mit verhaltenem Atem. Das Echo erstarb in der unter irdischen Ferne, eine Antwort aber vernahm sie nicht. Sie wiederholte den Rus noch dreimal. Da ließ sich ein dumpfes Gepolter, wie von stürzenden Balken hören, darauf kam es in der Tiefe heran Ivie Tritte, und dann gewahrte sie unter sich in der Finsternis eine Mänuergestalt, die zu ihr emporschautc. „Wer da?" rief der Unterirdische argwöhnisch. „Ich bius, Else Krüssow. Seid Ihr das, Wallux?" „Das bin ich." Wieder hörte sie Tritte, als ob der Mann wieder zurück ginge. Sie blieb jedoch nicht lange in Ungewißheit. Eine Leiter wurde an das abgebrochene Mauerwerk gelegt, und gleich daraus erschien sein Gesicht an der Oberfläche. „WaS wollt Ihr hier?" fragte cr, ohne die geringste Ver wunderung über das Erscheinen des jungen Mädchens an diesem Ort und zu dieser Stunde zu verraten. Wallux war eine jener gleichmütigen Naturen, die unter der altpreußischen Landbevölkerung auch heute noch so zahlreich sind, die jedes Ereignis, sei es noch so außerordentlich, als ganz selbst verständlich aufzunehmen Pflegen. Sehr selten sragte er nach der Ursache eines Dinges, vielmehr interessierte es ihn, was es für Folgen haben könne. „Gustav Höhn ist hier bei . Euch; ich muß ihn sehen und sprechen," antwortete Else schnell. „Ah?" machte der Mann, als hätte er kein Wort verstanden. „Haltet mich nicht unnütz auf, Wallux; die Soldaten sind ihm auf der Spur; ich muß mit ihm reden!" Wallux starrte sie noch eine Minute an, dann sagte er lang sam: „Na, dann kommt, seht Euch aber vor, eine Sprosse ist zer brochen." Er stieg hinab und hielt dann die Leiter fest, während sic ihm folgte. Das Gewölbe war stockfinster, feucht und kalt. Wallux gebot dem jungen Mädchen, ihn beim Aermel zu fassen und schritt dann langsam voran durch Trümmer und Geröll ins Innere. Sie passierten durch eine Lücke in der Mauer, die bisher den Licht schein verdeckt hatte, der ihnen jetzt ans der Thüröffnuug cntgegcn- strahltc. Sie betraten einen Naum, der vor Jahrhunderten der reisigen Besatzung der Burg als Küche gedient haben mochte. Von dem Bogengewölbe sickerte das Wasser herab, auch an den Wänden rann die glitzernde Feuchtigkeit nieder, trotz des mächtigen Tors- seuers, das in dem halb zerfallenen Kamine glühte. Vor dem Kamine war ein kleiner, primitiver Destillierapparat ausgestellt, an welchem zwei wild und verwegen blickende Kerle gemächlich beschäftigt waren. Wie alle Bewohner jener Grenzgegenden, war auch Else mit dem von den Branntweinpaschern nach Pommerellen betriebenen Schleichhandel wohlbekannt, und gar oft hatte sie in ihren jüngeren Jahren mit gespanntestem Interesse den gruseligen Geschichten ge lauscht, die über die Gefahren dieses Handels, über die blutigen Kämpfe, welche die Pascher sowohl diesseits wie jenseits der Grenze mit den Zollwächtern, Gendarmen und Grenzsoldaten z" bestehen hatten, und über die sonstigen romantischen Abenteuer, an denen cs im Leben der gewerbsmäßigen Pascher niemals fehlte, am winterlichen Kamin erzählt zu werden pflegten. Während des siebenjährigen Krieges stand dieser Schleichhandel in höchster Blüte. Der Erwerb der pommcrschen und alt- preußischen Bauern durch Ackerbau und Viehzucht war durch daS Kriegselend fast vollständig lahm gelegt, wette Lnudstreckkn lagen brach und öde, weil cö einesteils an Arbeitskräften, auderutew-' an den Mitteln zur Bewirtschaftung fehlte. Um leben zu tonnen, wandte man sich daher dem Schmuggel zu, was um jo lcichnn und lohnender war, dls in jenen unruhigen Zeiten auch dm-' Grenzpolizciweseu notgedrungen ziemlich verwahrlost war. 11h einigen Dörfern wurde der ungesetzliche Handel so schwunghop betrieben, daß man daselbst kaum ein Hauswesen nmras, welchem kein Destillierapparat zu fiuden gewesen wäre. ^uc Unternehmenderen der Pascher vereinigten sich zu organisierten Gesellschaften und bereiteten den Spirttus teils in abgelegene' Waldhöhlen, theils an anderen geeigneten Orten, wo mc Destillaiim wie zum 4 Hochmeinn Die sowohl, n Tympattic Versteck zu waren. 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