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„Weißt Du auch, wie das gekommen ist?" „Wie sollte ich?" versetzte er, das Gesicht in den Schatten wen den d. „Das ist von dem Baron selber ausgegangen; der hat wie ein rechter Ehrenmann gehandelt. Er sah, daß das Mädchen ihn nicht mochte, trotzdem sie ihm das Jawort gegeben hatte, und da hat er sie des Wortes entbunden. Hier ist der Brief, den er ihr geschrieben hat; sie schickte ihn, damit Du ihn lesen sollst." Er nahm den Bries und durchflog ihn; während des Lesens richtete er sich aus. „Wann kam dies nach KrüssowS Mühle?" stieß er heraus, als er zu Ende war. „Um die Zeit, wo die Trauung vor sich gehen sollte; der alte Weber, dem der Baron den Brief gestern Abend schon ge geben hatte, sollte damit heute iu aller Morgenfrühe zu Krüssows gehen, aber die guten Bekannten und die Flasche hielten ihn auf, wie immer." Gustav sank wieder zusammen; der Hoffnungsschimmer war wieder verschwunden; er stöhnte. Als er dem Baron gestern Abend auf der Brücke begegnete, da kam dieser aus der Hütte des Feldhüters zurück, dem er den Brief für die Else cingehändigt hatte. Das wars, was er ihm hatte mitteilen wollen. Und in derselben Stunde, wo jener das größte Opfer brachte, das in seinen Kräften stand, mußte er ihu umbriugcu! , „Isis Dir nun nicht besser, Gustav?" fragte die Mutter, die keinen Blick von ihm verwendete. „Bist Du nicht froh, daß Else jetzt wieder frei ist?" „Gestern hätte mich das gefreut, heute nicht mehr." „Warum heute nicht so gut wie gestern?" „Das kann ich Dir nicht sagen," antwortete er dumps. „Hast Du vielleicht gehört, wo Zaruba hin ist?" Die Frage ging ihm nur schwer aus der Kehle. „Nein. Seit er gestern Abend bei Weber war, hat ihn nie mand mehr gesehen." „Ganz sicher. Man kennt ihn ja; kaum hat er sich etwas in den Kopf gesetzt, dann führt ers auch schon aus. Der ist fort." „Ja, dann ist er fort. Im Brief stehts ja auch deutlich, daß er fort wolle, weit fort, daß niemand ihn mehr sehen soll. Die Sache ist ja so klar, wie nur möglich." „Ich bin gerettet!" rief cs in seinem Innern. Scheu sah er aus; die Worte hatten so deutlich in seinen Ohren geklungen, daß er sürchtete, sie laut gesprochen zu haben. Auf dem Gesicht der Mutter malten sich Argwohn, Zweifel und tiefer Kummer. Da rüttelte jemand an der Thür. Die Thür war verriegelt; der Ankömmling stieß heftig da gegen. Gustav sprang auf. „Laß niemand herein, Mutter!" flüsterte er in Angst. Dann griff er sich an den Kops. „Was rede ich da — mach nur aus." l4. Frau Höhn blickte ihren Sohn tief erschrocken an. Der späte Besuch rüttelte noch immer an der Thür. „Warum hast Dtl den Riegel vorgeschoben?" sragte sie leise. „O, ich weiß nicht. Ich dachte nicht daran. Oben in Preußcn sperrt man alle Thnrcn zu. Es war wohl noch die alte Ge wohnheit." Ihr Auge sagte ihm, daß sie ihm nicht glaubte. Sie wendete sich kurz ab und schob den Riegel zurück. „Guten Abend, Frau Stadtpächterin. Verzeihung, wenn ich ungelegen komme. Fürchten Sie denn Räuber oder Panduren, daß Sie Ihre Thüre so fest verrammeln?" Der Eingetretene war Weber, der alte Feldhüter. „Ihr seids, Weber?" sagte Gustav mit unsicherer Stimme. „So spät noch auf den Beinen?" „Früh oder spät, mir ist alles eins. Ich habe mir ein Pfund Rauchkraut in der Stadt gekauft, beim Krämer am Norderthor, und da ich gleich in der Nähe war, wollt ich mit vorsprechen, um zu sehen, wies Ihnen geht." „Das ist recht, Weber," versetzte Gustav, noch immer in einiger Verwirrung. „Mutter, reich uns den Wachholder her." „Sie sind der ganze Vater, Herr Höhn!" rief die alte Husar, die Augen lüstern auf die Flasche richtend, die die Witwe aus dem Wandschrank nahm. „Der selige Herr Stadlpächler war ein gar zu lieber Mann, ganz wie Sie, Herr Höhn. Kaum ließ mau sich bei ihm sehen —, Mutter, reich uns den Wachholöer her — hieß es da gleich — Mutter, reich uns den Wachholder her — hahaha! Nicht wahr, Frau Siadlpächterin? Aber Sie brauchen nicht zu glauben, daß ich wegen dem Schnaps hierher kam. Ich habe nämlich was gefunden — Herr Höhn, haben Sic nichts ver loren?" „Ich? Was soll ich verloren haben? Ich vermisse nichts." „So? Na, was sagen Sie hierzu?" Knirsä Die L Was Nicht den Stock ja auch bei sich, als Sie gestern Abend an meinem „Wie? Nicht! Höhn Nicht! .Das Weber hatte bei der Leibeskadron gestanden. Bei Chotusitz Der 2 ivb cr sich Jetz- ecre Glas Die W M die Ge Lasten uni Der T Srauem Ne .Die Witwe goß, ohne ein Wort zu sagen, das wieder voll. *) Liuauischer Fluch. **) Provinzialismus für Wachholderschnap». Der Alte brachte die linke Hand zum Vorschein, die er bisher «öhme er hinter sich gehalten hatte, und in derselben Gustavs Schwarzdorm hr gegangc stock. Der junge Mann erschauderte und trat einen Schritt zurück. > - „Wo — wo habt Ihr den gesunden?" stammelte er. „Aus der Brücke beim Schloß," sagte der Alte vergnügt unkend sah' de anscheinend ganz unbefangen. „Da, nehmen Sie ihn nur. Ich — n hab ihn gleich an dem Fuchskopf erkannt, das ist ein rares Stück Schnitzwerk; Ihr Vater hielt große Stücke darauf, und Sie hatten Übend nock und setzte sich dann dein Gaste gegenüber. Er musterte das braune, runzelige Gesicht des Alten, um zu entdecken, ob dieserM mir de nahm er einen österreichischen Offizier gefangen, der ihm, wie esfnarmal a dazumal Kricgsgebrauch war, sogleich seinen Geldbeutel uud seiw-chemel hi Uhr cinhändigte. Der Husar besah das Geld, nahm sich eineiKitwe uni Dukaten und gab dem Osfizier Börse und Uhr zurück. „Heri Klas ansch Leutnant," sagte er, „Sie sind ein Gefangener uud brauchen IM' Geld; dieser hier" — indem er an seinen Säbel schlug — „gib mir alle Tage so etwas." Der Oberst machte ihn dafür auf del Quartier/ etwas wisse oder einen Verdacht hege. Die harten Linien aber blieben ihm unleserlich. ^rwärts! Weber war ein Veteran der schlesischen Kriege. Als dcloalvenfeue „Obriste" von Mackroth im Jahre 1741 den Stamm des Husarew eder sich d reglinents errichtete, welches noch heut die schwarze Uniform uniMmußt, un die Mütze mit dem Totenkopf trägt, da war er, damals schoss kannJH kein junger Mann mehr, unter den ersten, die sich freiwillig denvie Jungfc tapferen Obersten zur Verfügung stellten. Die Thaten des Hy zur ? Regiments sind in der Geschichte verzeichnet. Wenn solch eüHeb ich nic schwarzer Reiter sich mit dem Säbelgesäß vor die Mütze stieß,c Gustat „Bassa Maseuga"*) rief und seinem Pferde die Sporen gab, sine Totei dann mochte Gott dem gnädig sein, der ihm vor die Klinge kamjinimer. Bau vorbeiknmen. Solch einen Stock vermißt man nicht gern, und darum hab ich ihn gleich mitgebracht, als ich zur Stadt ging." Üicnschen Gustav nahm den Stock, stellte ihn in die Ecke am'Ose» Stelle zum Unteroffizier. Gleich zu Anfang des siebenjährigci'»ppc unter Krieges aber wurde er schwer verwundet und mußte sich in seiunDa Sie i Heimat zurück begeben. Die Husarcnmütze ober legte cr niMcm Stad wieder ab, aus welchem Grunde man ihn bald nur noch dci >°b er versc Totenkopf hieß. ccre Glas Das war der Mann, dessen verwittertes, narbcnbcdccktck Die W Antlitz Gustav Höhn jetzt vergeblich zu studieren suchte. Gustav all Die Witwe hatte schweigend, aber mit offenbarem Widcrwillcmfr Flasche den Branntwein eingeschenkt. «Üas noch „Gesundheit!" sagte der Alte, das große Glas leerend urMle sich l dann mit den Lippen schmatzend. „Mohrenclement! Das nenn »rüber zcr ich Machandel.**) Wissen Sie, Herrschasten, nicht, daß ich derben zu Schnaps so gern mag, aber mich selber mag ich, wenn ich rech^unde hei viel davon im Leibe habe. Hahaha! Frau Stadtpächterin, da^ock alle ist ein Zwillingsglas," setzte cr lachend hinzu, „das muß no^rund, das einen Bruder haben." Andererseits Glicht das Nncr bösei „Gesundheit, Herrschasten!" grinste Weber, mit scinc^stn des funkelnden, von hundert Fältchen umgebenen Augen erst die MuttckNldcckeu vc und dann den Sohn anblinzelnd. „Sie sehen nicht aus, wü . Weber sonst, Herr Höhn; warum versuchen Sie nicht auch mal des Machandel?" Er stürzte das Glas hinunter, setzte cs verkehrt auf scwc Die W Knie uud betrachtete es mit komischem Leidwesen. cK, ganzen „Sie haben doch schon gehört, daß heute in der Krüssowschc^nuer sch Mühle keine Hochzeit gewesen ist?" suhr er fort. überzc „Ja, das habe ich gehört," versetzte Gustav. „Wißt Ji^gs nicht, ivo der Baron geblieben ist?" sich zu s „Ich weiß nicht mehr und nicht weniger, als alle anderes Gustat Er hat der Jungscr den Stuhl vor die Thüre gesetzt und daE'gene Na ist cr durch die Lappen gegangen, um das Gezeter nicht anhört; "Ü ^ic zu müssen." tiefen 2 „Habt Ihr ihn denn nicht noch gesehen?" °bnc „Doch; gestern Abend kam der Baron selber uud in eigeR^chl keine Person zu mir in mein Quarüer und gab mir einen Brief st^rf er die Jungfer Krüssow, den ich heute auchordonnanzmäßig bestes" w.wh habe. Im Schloß war Besuch, uud recht lustiger, aber der HiN"'s! Baron war so nüchtern, als ob cr direkt aus der Kirche käme."»"? „Ihr glaubt wohl nicht, daß ihm etwas zugestoßen s/sic die kann?" fragte Gustav zögernd. Er machte übermenschliche Anstrengungen, seine Aujrcgung s unterdrücken. ' ' -- „Das kann mau nicht wissen. Die Nacht war zwar böL°^". ""s aber der Teufel läßt seine Freunde so leicht nicht zu SchadcTch kommen," lachte der Alte. 2° ""lzte Gustav schauerte zusammen. „Wenn cr nur gewartet hatte Schneeinseli