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- ihn brach und ihn bis in den tiefsten Pfuhl der Holle hinab ver urteilte. Ja, das sieht ihm ähnlich, sagte man — der Gelds'ack — hat kein Herz — Hochmut kommt vor dem Fall — dem kanns nicht schaden, wenn ihm mal was anderes passiert — glaubt, daß er alles kann — aber es kommt mal ganz anders — und was üergleichen liebenswürdige Kritiken und Prophezeiungen noch mehr waren. Aber es blieb nicht bei den Worten, sie setzten sich in Thatcn nm, und was bei der einen Hälfte der Dorfbewohner das gute Herz machte, das that bei der anderen der Haß und Groll, der endlich eine Gelegenheit sand, sich gründlich Luft zu machen und dem reichen Hardt zu zeigen, wie man über ihn denke. Der alte Möller und seine Tochter hatten den Vorteil davon. Jeden Morgen und jeden Abend wurde so viel frische Milch geschickt, wie für die Familie nötig war, und jeden Mittag kam die schönste Luppe, wie sie der Kranken gerade diente, eine kräftige Biersuppe oder Reis in Milch gekocht, eine delikate Tauben- oder Hühner- fnppe. Die Bewohner des Dorfeschatten sich Lffenbär verschworen, nach der Reihe dafür zu sorgen, das; Fik Möllersch mit ihrem Knaben keine Not litte. Endlich konnte sie zum ersten Mal ausstehen, und der nächste Sonntag war zu ihrem Kirchgang bestimmt. Am Abend vorher kam Bauer Grothmanns Frau und sagte ihr, daß ihr Mann sie nm anderen Morgen auf seinem Fuhrwerk nach Blumenhagen mitnehmen werde, daß sie mit ihnen auch wieder zurückfahren solle. Die Kirche war ganz gefüllt; alle Leute aus Blumenhagen und Sammerin waren anwesend, nur die Familie Hardt fehlte; und was nach Beendigung des Gottesdienstes die Sammeriner aus dem Rückwege über diese Familie und alle ihpe Glieder sprachen, war der feierlichen Sonntagsstimmung wenig angemessen. Man schalt ans Vater und Sohn, auf Mutter und Tochter, jeder hatte nur Wünsche schlimmster Sorte für sie, und alles war darin einig, daß Fik Möllersch mit ihrem Kinde keine Not leiden solle. Die Familie Hardt erfuhr haarklein, was man im Dorfe über sie sprach und dachte. Dafür sorgte zunächst Herr Dett mann, mehr aber noch das Dienstmädchen und die zwei Knechte des Hauses! Herr Dettmann zog sich freilich allmählich zurück und kam bald gar nicht mehr. Herrn Hardt fiel das natürlich aus; und als er seine Frau gelegentlich fragte, warum er wohl nicht komme, zuckte diese mit den Achseln, sagte aber kein Wort. Die Knechte und das Dienstmädchen kamen nach einander mit der Bitte, sie zum Herbst aus ihrem Dienste zu entlassen; Gründe für diese unzeilige Kündigung gaben sie weiter nicht an, Herr Hardt sragte auch nicht danach. Er wußte wohl, daß er sie nicht zu entlassen brauche, aber er that es ohne weiteres: er wollte solche niederträchtige Sippschaft nicht um sich sehen, er bekomme tausend Knechte und Mädchen wieder, meinte er, er gebe einen Lohn aus, wie er in Sammerin nirgends gezahlt werde; er habe es ja. Aber es meldeten sich weder Knechte noch Dienstmädchen, und die Stimmung im Hardtschen Hause wurde nicht freundlicher, wenn man daran dachte, wie es nach dem vicrnndzwanzigstcn Oktober werden solle, wenn keine Dienstboten da wären. Still wars im Hause des reichen Herrn Hardt. Er selbst war viel zu stolz, als daß er sich klar gemacht hätte, welch eine Lust in seinen vier Wänden wehte; auch bemerkte er in seinem selbstischen Dünkel nicht, daß seine Frau von Tag zu Tag älter und grauer wurde, daß sich über ihre Stirn tiefe Falten legten, und daß um ihren Mund ein Zug herbsten Schmerzes ging. Sie sprach fast gar nicht mehr, bei Tische rührte sie kaum einen Bissen an; und wenn ihr Mann einmal eine Frage an sie richtete, ver stand sie sie nicht, denn sie war mit ihren Gedanken anderswo, und die Gedanken waren zweifellos nicht angenehm, das sagte der eigentümliche Blick ihrer Augen, die sie kaum zu erheben ver mochte, wenn ihr Mann durch eine plötzliche Frage sic aus dem Bannkreis ihrer Gedanken riß- Nur um eines drehten sie sich immerfort, und sie mochte sich abmühen, soviel sie konnte, die Ge danken kamen aus ihrem engen Kreis nicht heraus: sie trug die Schuld daran, wie es nun gekommen, und sie hatte es doch so gut gemeint. Wo fand sie Trost in ihrer Herzensbedrängnis? Ihre Tochter war in der Residenz, sie schrieb sehr selten, von den Ereignissen im Möllerschen Hause hatte man ihr nichts mitgeteilt, und ihre Briese waren immer so eigentümlicher Art, daß die Mutter, wenn sie sie mühsam entziffert, nie rechte Freude daran hatte. Sie wußte nicht, was sie aus ihrer Tochter machen solle, und verwünschte den Tag, wo sie zur höheren Ausbildung in die Residenz geschickt worden. Die Pensionszeit war ihr offenbar nicht zum Vorteil gediehen — ja, ja, kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen — und Frau Rike hatte niemand, niemand auf der ganzen Erde, dem sie sagen konnte, wie es in ihrem armen, zerrissenen Herzen aussah; und hätte sie einen ge sunden, so hätte sie den Mut nicht gehabt, ihn einen Blick in die Abgründe ihrer Seele thun zu lassen. Wenn Johannes nur einmal »o« BierkrSgen gekommen wäre! jchwö Es war ja aber nicht daran zu denken, daß Johannes H Das nach Sammerin käme. Er hatte erfahren, was im Möllers könne Hause geschehen, aber eine sörmliche Anzeige an ihn hatte dort Möller nach der unseligen Zwiesprache mit seinem Vater « mehr sür nötig gehalten. Den Obersörster hatte Herr Hardt! jönlich von der Geschichte in Kenntnis gesetzt. Es kam ihm s auf an, etwaigen böswilligen Gerüchten, die bis Vierkrü ^Mt drängen, zuvorzukommen, und er hatte den „Herrn Bruder" d und so fest in seine eigene Anschauung hineingcsponnen, daß « dieser das ganze Gebühren des alten Möller sür ein abgefeis s Attentat auf den Geldbeutel des reichen Hardt hielt und ß Einlenken zurückwies, damit nicht die Ehre des armen Johat (iches unter diesem abgekarteten Spiel litte. Der alte Möller halte in seinem ganzen Leben noch kei — „ Prozeß geführt, und es war ihm rin entsetzlicher Gedanke, einem solchen behaftet zu sein. Aber als Herr Hardt ihn A»! schnöde aus seinem Hause wies, stand es sogleich bei ihm fest, Sohs Klage erhoben werden müsse, gleichviel gegen wen. Johan hatte seiner Tochter die Ehe tausendmal versprochen; es kok doch unmöglich ein Gericht geben, das ihn nicht zwingen wii noch sein Versprechen zu halten. Seine Tochter wollte von eik iwe Prozeß nichts wissen, aber kluge Leute des Dorfes wußten ihn aber überzeugen, daß bei ihrer Minderjährigkeit er allein zu entschei und habe, was in der Sache gethan werden solle. So erhielt s spä Hardt bald von einem Schweriner Advokaten eine Nufsorderk Wust wegen des von seinem Sohn gegebenen und gebrochenen Ehs sagte sprechens eine Abfindung binnen drei Tagen eintreten zu las H widrigenfalls beim Amtsgericht zu Grabow die Klage ans l ^virs gehung der Ehe werde erhoben werden; weitere Ansprüche wl mir des Kindes würden natürlich Vorbehalten. Herr Hardt lachte laut auf, als er den Brief las. ' thür finden? Heiraten? hahaha! Er soll nur kommen mit sei Ob Klage — kein Schilling wird gegeben — und heiraten? no Möllersch hahahaha! Er soll nur klagen in Grabow, der Ais Uwe Verwalter ist ja Herrn Hardts bester Freund, da wird Mi uiit mit seiner Klage schön ankommen — er soll nnr kla! „Tu hahahaha! Saä Und Möller klagte. Herr Hardt triumphierte schon im t s ans über ihn und über das ganze Dorf; er sagte sich, daß n« Sammeriner ihn so lange gehetzt, bis er die Klage erhoben Jol hahahaha! Wie wird er lachen über Möller und sie alle, « me die ganze erbärmliche Bagage! „we Aber merkwürdig, dem Johannes war gar nicht so läcbe> Gev zu Sinn, als ihm die Klage zuging. sür Kaum war der Briefbote mit dem letzten Bries weggegan! E den er in seiner Unzufriedenheit mit sich selbst an Fik Mölkt meh geschrieben, als er schon bereute, so hart und ungerecht gew Jai zu sein. Hätte er hinübcreilen können nach Sammerin, dem lk zuvorkommen, ihr sagen, daß er sie nicht vergessen könne, da! Abe sie ewig liebe, sie nie verlassen werde! Aber er konnte nicht! Du übereilen, er war flügellahm, gebunden an die Scholle - zeß fesselt an den Felsen des unseligen Verlöbnisses. Da kam bist, Nachricht von der Geburt des Knaben — hinüber nach A gan merin! hinüber! Die Mutter ans Herz drücken, tausend § zr auf den fieberheißen Mund ihr heften, den Jnngen anschauem se wundern — hinüber! hinüber! O seliges Entzücken, wenn ei „D die Kammer zu ihr tritt! Wie es ihm glühend heiß über ich Rücken lief, wenn er das ausdachte — hinüber! hinüber < ar Sammerin! Aber er konnte nicht, sein Fuß steckte in c Ji Schlinge, die ihn nimmer frei ließ, und die ihn festhielt auf > sehr Boden, der unter seinen Füßen brannte. uni Wie ganz anders war doch Johannes im Lause der Zeit lan worden! Der Oberinspektor Metelmann sagte es täglich st mo Frau. Sein Gesicht sah ganz anders aus, seine Augen Hk den einen fremdartigen Ausdruck bekommen, sie lagen ties in den/ fahlen Wangen. Sein Wesen war fahrig und unruhig, ß gut ganze Art einsilbig und mürrisch; mit Widerstreben ging el seine Arbeit, vieles machte er dem Oberinspektor nicht zu D Wi und dieser schrieb dem Vater, wenn es nicht anders werde, er den Johannes noch vor dem Herbst, vielleicht noch vor Ernte entlassen. ein „Mein Sohn is woll ein bischen komisch," antwortete ls sch Hardt, „das macht der Prozeß, aber er is bald zu Ende, d- wird Johannes wieder ganz so sein wie früher. Son Prozeß al, was Vermaledeites, ich merks auch an mich sülwst un an nk nic Frau. Haben Sie man Geduld mit Johannes, er is do^ jm guten Jung, über den ich mir ümmer sehr freue." du Der Prozeß war allerdings seinen ordentlichen Weg, er gangen und seinem Ende nahe. Als Johannes die Klage crs — schickte er sie seinem Vater und schrieb, ihm wäre alles gk W giltig, schlimmer, als es schon wäre, könnt es ja nicht kom>k wc der Vater möge thun, was er wolle. Herr Hardt zog es gi Grabower Advokaten zu Rat, und der Kampf begann. ' g Schweriner wollte eine schnelle Entscheidung: Johannes st