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Allgemeiner Anzeiger : 07.03.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189603076
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18960307
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-07
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.03.1896
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politische Nun-sch an. Teukschland. * Kais er Wilhelm sandte der Witwe des sm 29. v. verstorbenen Staatsministers v. Stosch ein sehr herzliches Beileids- Telegramm, in welchem der großen Ver dienste des Verstorbenen, des Freundes seines elterlichen Hauses, um die Armee und die Marine gedacht wurde. *Eine Zusammenkunft der Mon archen des Dreibundes wurde in der ,Agcncia italiana' gemeldet. Nach der ,Post, ist in Berlin in maßgebenden Kreisen davon nichts bekannt. * Zum ReichstagLfeste wird jetzt noch durch das.Wölfische Tclegraphenbmeau' folgende Bekanntmachung verbreitet: „Die sämtlichen früheren Herren Reichstagsmitglieder, welche nach dem Jahre 1871 in den Reichstag gewählt worden sind, werden im Namen des Herrn Reichstags-Präsidenten gebeten, an der Jubi läumsfeier des Reichstages, welche am 21. d. abends 6 Uhr in der großen Halle des Reichs tages stattfinden wird, gefälligst teilzunchmen. Nähere Auskunft erteilt das Reichstags-Bureau." * Der deutsche Handelstag tritt am am 10. März in Berlin zur Beratung des Mar garinegesetzes, des Börsengesctzes rc. zusammen. *Die Handelskammer-Gesetz novelle, die demnächst an den Landtag ge langen soll, verleiht den Handelskammern zum Zweck der Vermögenserwerbung und -Verwal tung Korporationsrechte. Ferner werden die Handelskammern obligatorisch für den ganzen Staat gemacht. Die Ordnung der Bezirke bleibt dem Minister Vorbehalten. Das Stcuerrecht wird erweitert. An dem gewerblichen Fort- bildnngsschulwesen werden sie mehr als bisher beteiligt werden. In den sehr großen ausge dehnten Verwaltungsbezirken werden Lokalaus schüsse durch das Gesetz vorgesehen werden, die, mit der Handelskammer verbunden, in dieser ihren Mittelpunkt erhalten werden. * Der Abgeordnete Brüel, Hospitant des Zentrums, ist in der Nacht zum Sonntag an einer Lungenentzündung gestorben. Seit 1870 vertrat er im Äbgeordnetenhause den 5. Osna- brückschen Wahlkreis. Während der Legislatur periode von 1890—93 gehörte er auch dem Reichstage an. * Gegen Hammerstein ist die Vorunter suchung abgeschlossen. Die Akten sind der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der Anklage zugestcllt worden. Hammerstein ist in vollem Umfange geständig. Es sollen nur wenige Zeugen geladen werden. * Die Gesamtlänge dernormalsvurigen E i s e n b a h n e n i n P r e u ß e n hat sich in den Jahren 1885—1894 von 20 977 auf 25 882 Kilo- Meter, der Bestand an Güterwagen von 165 175 auf 211 935 vermehrt. Der Güterverkehr hat in dieser Periode um 46,14" „ zugenommen. Das find sehr bedeutsame Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs. * Dem braunichweiger Landtage ist die neue Staatseinkommenstcuervor- lage zugegangen, welche dem preußischen Ge setze nachgcbildet ist. Die Einkommen bis zu 900 Mk. bleiben steuerfrei. *Der Produktenhändler Meining, der vom Landgericht Chemnitz wegen Majestätsbe leidigung zu 7 Monat Gefängnis ver urteilt worden war, erzielte bei dem Landgericht Leipzig, an das vom Reichsgericht die Sache zur abermaligen Verhandlung verwiesen worden war, Freisprechung. * In Kamernn soll nach einer vom eng lischen Kriegsschiffe „Roquette" aus Westafrika überbrachten Nachricht am 29. Januar der deutsche Aviso „Nachtigal" Truppen nach Batanga ein- gcschiffl haben; cs sollten im ganzen 400 Mann dorthin befördert werden. Ihr Bestimmungsort sei Kriby, wo letzthin heftige Kämpfe zwischen den deutschen Truppen und den Eingeborenen stattgcfunden hätten. Das ,Büreau Reuter' hat bereits früher mitgeteilt, daß bei diesen Kämpfen zwei deutsche Offiziere verwundet und sieben Ein- acborene auf deutscher Seite getötet worden seien. Die Nachricht lautet sehr unbestimmt und bedarf daher noch der Bestätigung. Oesterreich-Ungarn. * Bei den am Montag stattgehabten Ge meinderatswahlen für den zweiten Wahlkörper erhielten die Liberalen 14, die Antisemiten 32 Sitze. Die Liberalen drangen nur in der inneren Stadt, in der Leopoldstadt und im Alsergrund durch. Die Antisemiten haben jetzt schon 78 Sitze, mithin neun Man date mehr, als die absolute Mehrheit beträgt. Daß sie auch wieder die im September v. erlangte Zweidrittel-Mehrheit von 92 unter 138 Sitzen erlangen werden, ist fast keinem Zweifel mehr nnterworfen. Frankreich. *Der ministerielle ,Rappel wieder holt Tag um Tag seine Frage an das Kabinett Bourgeois, warum cs den zaudere, den großen B eamten wech sel im Lande vorzunehmen, der überall dringend verlangt werde. Mit der Absetzung einiger Präsekten und Unterpräfekten sei cs nicht gethan. Die kleinen Tyrannen, die in allen Büreaus vegetieren, den wahren republi kanischen Geist bekämpfen und die alten Parteien, die Gemäßigten und die Ralliierten, begünstigen, müßten noch vor den Gemeindewahlen von ihren Posten entfernt werden, aus den Gerichts häusern, aus den Steuerämtern, aus den Post- und Telegraphen-Büreaus, eigentlichen Reaktions- nestcrn. Nur so dürfe man hoffen, daß die Wahleu zum Gedeihen der Republik ausfallen. ' England. * Der erste Lord der Admiralität Goschen entwickelte am Montag im Unterhause das Flottenprogramm und schlug folgende Schiffsbauten vor: fünf Schlachtschiffe, vier Kreuzer 1. Klasse, drei Kreuzer 2. Klasse, sechs Kreuzer 3. Klasse und 28 Torpedoboot-Zerstörer. Diese Schiffsbauten sollen im Jahre 1899 voll endet sein. Die Aufwendungen für dieselben werden zehn Millionen Pfund Sterling betragen und auf drei Jahre verteilt werden. Jtallm» *Die Italiener in Abessinien haben in der Nacht zum 1. d. eine entsetzliche Niederlage erlitten. General Baratieri scheint der Versuchung unterlegen zu sein, un mittelbar vor Ankunft des neuernannten Ober befehlshabers General Baldissera noch eine ent scheidende Schlacht zu liefern, und ist gänzlich geschlagen worden. Alle 52 Gebirgsgeschütze fielen den Feinden in die Hände, das italienische Expeditionskorps ist fast gänzlich aufgerieben. — In Italien ist die Aufregung gewaltig. Crispi und sein Kabinett wollten zurücktreten, der König hat dies jedoch nicht zugestanden. * Wie ,Popolo romano' berichtet, wurden sdie Kosten des afrikanischen Feldzuges bis zum 31. Mai 80 Millionen betragen; dem gemäß werde die Regierung nur noch eine Be willigung von 60 Millionen verlangen. Zur Deckung der 80 Millionen reichten die Mittel des Staatsschatzes aus. Balkanstaate»«. *Wie aus Belgrad gemeldet wird, richtete Fürst Ferdinand von Bulgarien ein eigenhändiges Schreiben an den König Alexander, in welchem er der Versicherung Ausdruck gibt, er werde es sich besonders an- gelegen sein lassen, die Beziehungen zu Serbien möglichst freundschaftlich zu gestalten. Dem Besuche des Fürsten Ferdinand in Belgrad wird im Atonal April entgegengesehen. *Bei den bulgarischen Deputierten wahlen am Sonntag wurde in Sofia Zankow gegen den unabhängigen Kandidaten Allastasow gewählt. Die Bevölkerung brachte dem Ministerpräsidenten Stoilow große Ovationen dar, um für die volle Freiheit der Wahlen zu danken. — Die Igence Balcanigne' meldet: Die Ergänzungswahlen in Tirnowa, Jamboli, Silistca und Slanimanka sind in ruhigster Weise verlaufen. Ueberall wurden die konservativen Kandidaten gewählt. Aus allen Teilen des Landes erhielt die Regierung Kund gebungen für die gelegentlich der Wahlen ge währte Freiheit. In Sofia stimmen selbst die Oppositionellen darin überein, der Regierung volles Lob für die Wahrung der Wahlsrciheit zu zollen. Asten. *Aus Korea erfahren die .Times', daß der König sich noch in der russischen Gesandt schaft befindet. Die aufständische Bewegung im Innern Koreas dauert fort. Es geht das Gerücht, Japan mache Rußland Vorschläge zur Errichtung einer gemeinsamen Kontrolle über Korea. Man glaubt ferner, General Mmaoata werde während seines Aufenthaltes in Moskau über Abschließung eines Bündnisvertrages unter handeln. Aus dem Reichstage. Am Montag trat das Haus in die erste Lesung der Zuckersteuervorlage ein. Dieselbe bezweckt eine Erhöhung der Vcrbrauchsabgabe von 18 auf 24 M., die Einführung einer Betriebssteuer, die Erhöhung der Ausfuhrprämien auf 4 Wik. und die Kontingen tierung der Zuckerproduktion. Neichsschatzsekretär Posadowsky begründete die Vorlage. Abg. Richler (fr. Vp.) bekämpfte die Ausfuhrprämien und meinte, das Richtige sei, nicht die Zuckerproduktion, sondern die Erträge der Zuckersteuer zu kontingentieren. Die Znckerindustrie werde mit diesem Gesetz in neue Un ruhen gestürzt werden. Wer dieser Industrie und der Landwirtschaft wohl wolle, müsse das Gesetz ab lehnen. Abg. Graf Bismarck (wildkons.) trat gegen über dem Abg. Richter lebhaft für die Vorlage ein. Abg. Spahn (Zentr.) erklärte, daß seine Partei die Erhöhung der Verbrauchsabgaben ablchne und auf die von der Vorlage vorgesehene Erhöhung der Prä mien nur zum Teil eingchen könne. Am 3. d. wird die erste Beratung der Novelle zum Zuckersteucrgesetz fortgesetzt. Preuß. Landwirtschastsminister v. Hammer stein: Um die Vorlage richtig zu beurteilen, müssen Sie sich immer die Entwickelung unserer Zucker steuergesetzgebung gegenwärtig halten, die an ihrem Teil mit dazu bcigetragcu hat, unsere Zuckerindustrie zu einer Industrie ersten Ranges zu machen. Drei Fünftel unserer Gesamtproduktion können wir auf den Weltmarkt bringen. Den Vorteil davon hat, was wieder von unserer Gesetzgebung begünstigt worden, nicht nur die Industrie, sondern auch die Landwirtschaft. Rübenbau und Zuckerindustrie sind bei uns auf das engste verbunden. Die Aufrecht erhaltung der Prämien kann allein unsere Rüben- Industrie Oesterreich und Frankreich gegenüber, die höhere Prämien zahlen, konkurrenzfähig erhalten. Den Standpunkt des Abg. Richter kann man nur in der Theorie teilen, denn die drei Fünftel, die wir bisher exportiert haben, werden im Jnlande nicht kon sumiert werden können. Wer mit den gegebenen Thatsachen rechnet, der muß die Ausfuhr be günstigen helfen. Sonst schädigen wir nicht nur die Industrie, sondern auch den Rübenbau. Ich habe aber weiter darauf aufmerksam zu machen, daß uns von den Konkurrenzländern der Wettbewerb auf dem Weltmarkt immer mehr erschwert wird. Amerika, das uns bereits jetzt differenziell behandelt, geht mit der Absicht um seine Zuschlagszölle zu ver doppeln; Rußland begünstigt die Ausfuhr seiner Znckerindustrie durch Herabsetzung der Eisenbahn frachttarife. In einer solchen Zeit können wir nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten, bis der Jnlandskonsum sich erhöht. Abg. Richter hat die Vorlage mit dem Antrag Kanitz verglichen. Das kann er aber unmöglich ernst gemeint haben. Der Antrag Kanitz will doch einen Mindestpreis für Getreide festsetzen. Das will die Vorlage nicht, sie will nur die Ausfuhr des über den inländischen Bedarf hinansgehenden Teils der Produktion er leichtern, indem Ausfuhrprämien gezahlt werden sollen. So lange mit anderen Staaten keine Eini gung über die Herabminderung oder Aufhebung der Prämien erzielt ist — die Verhandlungen schweben ja noch — können wir unserer deutschen Industrie die Prämien nicht vorenthalten. Im Interesse unserer Landwirtschaft, im Interesse einer hochentwickelten Industrie mußten wir die Vorlage einbringen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß wir ein segens reiches Resultat erzielen. Abg. v. Puttkamer - Plauth (kons.): Ich schließe mich namens meiner Fraktiön dem Anträge auf Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern an. Im Interesse der Landwirtschaft muß versucht werden, etwas zu stände zu bringen. Abg. Richter stellte es gestern so dar, als ob an der Zuckersteucr nur reiche Leute ein Interesse hätten. Demgegenüber genügt es, darauf hinzuweiscn, daß in meiner Heimat an drei Fabriken 1200 Rüben bauern beteiligt sind. Diese sind aber fast insgesamt einfache Bauem, und keine reichen Leute. Ein Jnieresse an der Zuckersteuec hat überhaupt die ganze Landwirtschaft. Deshalb haben auch die süddeutschen Staaten, die gar keinen Rübenbau haben, dem Ent wurf keinen prinzipiellen Widerspruch entgegengesetzt. Abg. Spahn erklärte gestern, für eine Erhöhung der Verbrauchsabgabe, wie der Entwurf sie vorsehe würde seine Partei nicht zu haben sein. Aber S verriet uns nicht, wie er den dann entstehenden An^ fall decken will. Die Ausfuhrprämien, die auch Ab- Spa n nicht ablehnte, nehmen wir, weil wir sic nehm» müssen. Ohne Prämien wäre die deutsche Zucker industrie nicht konkurrenzfähig zu erhalten. Für da Fall, daß das Ausland seine Prämien erhöht, muß« natürlich der Bundesrat die Ermächtigung haben, d« deutschen Prämien auch zu erhöhen. Der Koniin gentierung stimmt die Mehrzahl meiner Freund ebenfalls im Prinzip zu, nur einige weichen hier vol unserer Ansicht ab. Die Mehrzahl aber hält ei« Prämienerhöhung ohne Kontingentierung für eb Unglück. Was die Betricbsstcuer anbctrifst, so wär es mir persönlich ganz spmvathisch, daß die Jndustr« selbst zur Aufbringung der Kosten der NeucruA herangezogen wird. Meine Freunde können sich nist auf die Staffelung der Betricbsabgabc einlassen Eine Schädigung des Rcichsfiskns darf dadnrst natürlich nicht eintreten. Dieselbe läßt sich aber aust sicher vermeiden. Reichsschatzsekretär Graf Posadowsky: Abz Richter hat gestern von reichen Zuwendungen an di Landwirtschaft gesprochen. Er hat aber doch der Land Wirtschaft seinerseits noch nichts zugewendet. Er h« weder für Zuckersteucr, noch für Branntweinsteuer, no« für Schutzzölle gestimmt. Wäre die deutsche Land Wirtschaft den Anregungen des Abg. Richter gefolgt (Abg. Richter: dann wäre sie viel bester daran' — Schallende Heiterkeit), dann wäre sie bereist Hungers gestorben. (Sehr richtig! rechts.) Sie wär auf dem Standpunkt der englischen Landwirtschaft angelangt. Abg. Richter hat die Prämien mii de» Antrag Kanitz verglichen. Wäre das richtig, dank ständen Frankreich, Holland, Oesterreich rc. scho« mitten im Antrag Kanitz. Die Spekulation hä!« ich als Grund für das Steigen der Zuckcrpreise be zeichnet. Die Spekulation als solche braucht nist unsittlich zu sein, aber sie kann es sein. Ich hast nur die gegenwärtigen hohen Preise, und das 3 meine Ucberzeugung, als ein spekulatives Manövv gegen das Zustandekommen dieses Gesetzes bezeichne: Wer es gut meint mit der Zuckeriudustrie und da Landwirtschaft, der trage daher dazu bei, daß ist unfruchtbare Wirtschaftspolitik des Abg. Richter ub- möglich wird. Abg. Bock- Gotha (soz.): Me Vorlage ist ä allen Teilen für uns unannehmbar, denn sie wil auf der einen Seite ein wichtiges Volksnahrungs- mittel verteuern, auf der anderen den reichen Zucker' industriellen eine neue Liebesgabe zuwenden. Da- neben wird ein Industriezweig durch die Vorlag! schwer geschädigt, nämlich die Honigkuchenbäckerei, denn der erst im vorigen Jahre erhöhte Honigzoll soll nunmehr bis auf 45 Mk. erhöht werden. Gral Posadowsky sagt, Abg. Richter habe der Landwirt' schäft noch nichts geschenkt. Auch er aber schenkt ih> nichts, sondern gibt nur, was er aus den Tasche« der Steuerzahler nimmt. Die wirklich Notleidende« in der Zuckerindustric sind deren Arbeiter, dcre« Lebenshaltung eine überaus traurige ist. Abg. Schaedler (Zentr.): Ich habe schwel' wiegende Bedenken gcg n die Vorlage, kann aber dost nicht so absprcchend über sie urteilen wie der Vor redner. Es wäre vielleicht besser gewesen, man hast! uns in diesem Jahre nicht mit einer solchen Vor' läge behelligt, sondern zunächst die Entwickelung ab- gewartet. Die Erhöhung der Prämien ist mir nist sympathisch. Jede Prämienwirtschast ist ungesund Werden sie aber beibehalten und erhöht, so mui man eine Frist in das Gesetz einfugen, um sie Wieda zu ermäßigen und ganz zu beseitigen. Die Erhöhuni auf 4 Mk. erscheint mir aber unannehmbar. Ebens« unannehmbar ist für mich die Erhöhung der Ver brauchssteuer. Die Prämien bezeichnet man ast Kampfmittel. Ich fürchte aber, die Waffe, die wä da in Gebrauch nehmen, wird sich als stumpf er weisen. Schon hören wir, daß Oesterreich und Fran!' reich Anstalten machen, unserem Beispiele zu folge« Erhöhen sie aber ihre Prämien auch, so erweise« sich die unsrigen als unwirksam. Das sieht mist ein Teil der Zuckerindustriellen voraus. Gegen di< Kontingentierung habe ich sehr gewichtige Bedenke Ich fürchte sehr, daß sie zur Benachteiligung del kleinen Bauern führen muß. Jedenfalls muß dü Vorlage ernstlich geprüft werden. Darauf wird die Weiterberatung vertagt. vrcmKilch«. Landtag Das Herrenhaus erledigte am Montag eine Anzahl kleinerer Vorlagen und Petitionen und vertagte sist dann auf unbestimmte Zeit. Auch am Montag wurde im Abgeordnetenyawl die Beratung des Kultusciats bei dem Titel „Minister gehalt" fortgesetzt. Die Debatte bot nichts wesent lich Neues mehr. Das Abgeordnetenhaus setzte am Dienstag dir Beratung des Kultusetats fort und erledigte endlist den Titel „Ministergeh lt". Die Debatte bewegte sich auch heute in den gleichen Bahnen wie an de« vorhergehenden Tagen: Erörterungen über kirchliche Angelegenheiten und über das Zedlnzsche Schulgesetz, Auf Umwegen. 21) Original-Roman von Alice v. Hahn. (Forisetzung.s Erschöpft hielt Wanda inne, die Fieberröte auf ihrem Antlitz hatte zugenommen, nervös zupsien die Hände an der Bettdecke. Bofiart war todtenbleich auf einen Stuhl gesunken, eine unheimliche Stille herrschte im Gemach. „Wann war Heinrich zum letzten Male hier? kagte Bossart, doch hörte ihn Wanda nicht und so mußte er seine Worte wiederholen, worauf sie ihm antwortete: „Vorgestern, — er suchte meinen Bruder." „Vorgestern? — War denn dein Bruder gleichfalls hier?" „Ja, er hatte mich sprechen wollen, doch war ich ausgegangen. Er hatte einige Zeit in deinem Zimmer auf mich gewartet, war dann aber doch schon kurz vor meiner Rückkehr auf gebrochen." .Ist Paul Heinrich gleichfalls in meinem Zimmer gewesen?" „Ja, er hat, da er meinen Bruder nicht antraf, an deinem Schreibtisch etwas für ihn ausgeschrieben." Da also war die Lösung, und Bossart sah klar, wer ein Interesse daran gehabt haben konnte, das Blatt in seinem Dienstkalender zu fälschen. Bahlke mußte um das Treiben Heinrichs gewußt haben, mußte wissen, daß die Quelle, aus welcher dieser seine Nachrichten über Bossarts Dienst schöpfte, hier zu suchen war. Warum aber wollte er Heinrich verderben? Es lag denn doch klar zu Tage, daß Bahlke das Blatt in dem Dienstkalender nur fälschte, um Heinrich auf falsche Fährte zu bringen, das konnte doch nur ein Racheakt sein. Aber was war die Veranlassung zu diesem Gefühl? darüber grübelte Bossart. Erst ein leiser Seufzer Wandas schreckte ihn aus seinem Sinnen auf und rief ihm ihren Zustand ins Gedächtnis zurück. Er weckte die noch immer in ihrem Stuhle schlafende Wärterin, welche etwas von Ueber- müdung stammelte und teilte ihr mit, daß ihm daS Befinden seiner Frau verschlimmert erscheine und ihm Anlaß zu ernsten Befürchtungen gebe. Die Wärterin enschnldigte sich nochmals mit ihrer Uebermüdung, forderte dann aber nach kurzem Blick auf die Kranke, daß der Arzt geholt werde. Schon während ihrer letzten Worte war Bossart zur Thüre hinaus und es gelang ihm, den Arzt aufzuwecken und gleich mitznbringen. Als letzterer die Kranke sah, schüttelte er be denklich mit dem Kopse und bemerkte, daß sich Wanda stark erregt haben müsse, und daß die Gefahr für ihr Leben, wenn auch noch nicht gerade drohend, so doch keineswegs ausgeschlossen wäre. Er ordnete zunächst Eiskompressen und möglichste Ruhe an, verschrieb noch eine neue Arzenei und versprach, in einigen Stunden wieder nach der Patientin zu sehen. Bossart blieb am Bette seiner Frau sitzen, um die Wärterin in der Pflege zu unterstützen. Wanda lag apathisch da und duldete stumm die angeordnete Behandlung, nur die Hände fuhren nervös erregt auf dem Bett hin und her. Wenn das Kind sich rührte oder nur den ge ¬ ringsten Laut von sich gab, schlug die Kranke die Augen auf und richtete sie jedesmal mit einem so flehenden Ausdruck auf Bossart, daß dieser ihre Hand nahm und ihr zuflüsterte: „Wir werden vereint dafür sorgen, daß unser Kind gut gedeiht!" Wanda entgegnete nichts und wandte nur stumm ihren Kopf zur Seite. Bofiart hätte so gern mehr für seine Frau gethan, da sie aber allmählich etwas ruhiger wurde, so hoffte er, daß sich noch alles zum Guten wenden werde. Langsam schlich die Nacht dahin. Gegen Morgen kam es Bofiart so vor, alS ob sich die Fieberröte auf Wandas Antlitz abermals zu zeigen beginne. Er hatte recht ge sehen und der Helle Tag fand die junge Frau in starkem Delirium, dem gegenüber auch der abermals schnell herbeigerufene Arzt vollständig ratlos war. Unter wachsender Sorge verrann der Tag, aber als die Sonne unterging, schlossen sich auch Wandas Angen für immer. Sie war dem Rufe gefolgt, der früher oder sväter an einen jeden von nns ergeht, sanft und anscheinend schmerzlos war sie zur ewigen Ruhe hinüber- geschlummert. * * Wie für Bossart waren auch für Teresa Tage schwerer Sorge gekommen, deren grenzenlosem Leide sie in ihrer schwachen Kraft fast erlegen wäre, wenn nicht der Inspektor sofort zu ihr ge eilt wäre, als er von dem Vorgefallencn Kennt nis erhalten hatte. Zunächst versuchte er durch verständigen Zuspruch Teresas Schmerz zu be ¬ sänftigen, dann veranlaßte er sie, in sein Haus zu kommen, wo die veränderte Umgebung, die Gegenwart seiner Frau und Töchter sie zer streuen und vor Schwermut bewahren sollte. Erst wenn sie etwas ruhiger geworden war, sollte sie in ihr eigenes Heim zurückkchren. Teresa erkannte die Berechtigung dieses Vorschlages und packte einige Kleinigkeiten zusammen, dann folgte sie dem Inspektor und fuhr mit ihm in sein Haus. Die Inspektorin war beim Heranrollen des Wagens vor die Hausthür getreten und empfing die Tiefgebeugte auf das herzlichste. Die ganze Familie vermied es, sich in das sonst allgemein übliche Bedauern zu ergehen, und auf d-e un seligen Vorfälle ging man nur ein, wenn Teresa selber das Gespräch darauf lenkte. Sie empfand diese Schonung äußerst wohlthuend und schloß die prächtigen Menschen nur desto wärmer ins Herz. Welchen Kontrast bot das Bild dieser Ehe gegen ihr eigenes Zusammenleben mit Paul! Wie Balsam legte sich die Liebe, welche ihr allseitig entgegengebracht wurde, auf ihr wundes Herz. Freilich mußte der Inspektor schon au> nächsten Tage mit Teresa über die traurige An gelegenheit sprechen, da sie dem Untersuchungs richter würde Angaben machen müssen, ob und wie weit sie von dem Treiben ihres Diannes Kenntnis gehabt hatte. Ilebcrdies mußte auch die Beerdigung Pauls besorgt und der Nachlaß geregelt werden. Dem Inspektor kam seine vorletzte Fahrt mit Teresa wieder ins Gedächtnis und wie zer-
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