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Allgemeiner Anzeiger : 29.02.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189602296
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18960229
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- Vorlagebedingter Textverlust
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-02
- Tag 1896-02-29
-
Monat
1896-02
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.02.1896
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Politische Rundschau. Deutschland. * Ter Kirchenbesuch bei der Marine soll nach einer Kabinettsordre desKaisers mög lichst befördert werden. Es soll danach unter gewöhnlichen Verhältnissen kein Soldat an Sonn- und Festtagen am Kirchenbesnch behindert wer den, was sich auch auf den freiwilligen Kirchen besuch erstreckt. Insbesondere soll den Be satzungen der Schiffe, soweit es die Eigenart des Borddienstes gestattet, ermöglicht werden, an Sonn- und Festtagen den Gottesdienst zu be suchen. *Der .Staatsanzeiger für Württem- berg- veröffentlicht einen Erlaß des Königs an den Justizminister, nach dem Personen unter 18 Jahren der erstmaligen wegen Gesetzesüber tretungen verhängten Strafen von höchstens 3 Monaten von dem Justizministerium ein stets widerruflicher Strafaufschub gewährt und nach einer angemessenen Probezeit bei guter Führung von dem König Nachlaß der Strafe oder Strafmilderung gewährt wird. * Die Reichstagskommisfion für das Marga rinegesetz hat das in der ersten Lesung be schlossene VerbotdesMargarinekäses in der zweiten wieder aufgehoben, nach dem Staatssekretär von Bötticher dies nachdrück lich verlangt hatte. In einem Teile der Presse wird nun darauf hingewiesen, daß der Land Wirtschaftsminister bei der ersten Lesung im Plenum geäußert habe, er würde von seinem speziellen landwirtschaftlichen Standpunkt aus bereit sein, für das Verbot einzutreten; es wird angedeutct, daß somit ein Konflikt bestehe, dessen Ergebnis der Rückiritt des Landwirtschafts- Ministers sein werde. Es ist aber weder ein seltenes, noch ein besonders sensationelles Vor kommnis, daß ein Minister innerhalb der Regie rung überstimmt worden. * Die Börsen-Kommission des Reichstags hat mit allen gegen drei Stimmen die Einführung des Börs enregist ers an genommen. *Die deutsche Kreuzerdivision begibt sich nach Nagasaki, dem japanischen Hafen an der Straße von Korea. Oesterreich-Ungarn. * Ter Kaiser Franz Joseph ist Montag vormittag in Mentone angekommen und wurde von der Kaiserin am Bahnhof empfangen. Eine zahlreiche Menge grüßte beide ehrfurchts voll, als sie im offenen Wagen nach Kap Martin zum kranken Erzherzog-Thronfolger fuhren. Frankreich. * Wie den Blättern aus Nizza gemeldet wird, werde Präsident Felix Faure nach der Einweihung deS Annexionsdenkmals sich am 5. März von Mentone nach Kap Martin zum Besuche des Kaisers und der Kaiserin von Oesterreich, dann nach Monaco zum Besuche des Fürsten Albert und schließlich nach La Turbin zum Besuche des russischen Großfürsten-Thron- folgers begeben. * Die Deputiertenkammcr nahm mit 502 gegen 24 Stimmen die Vorlage betr. den Kredit für die Repräsentationskosten Frank reichs bei der Krönung des Kaisers von Rußland an. * Der Handelsminister Mesureur hielt Sonntag bei einem Festmahle in Chalons sur Marne eine Rede, in der er versicherte, daß das Kabinett willens sei, eine fortschrittliche und sozialistische Politik zu verfolgen. Er hob hervor, das Ministerium habe den Beweis geliefert, daß die fortschrittlichen und sozialisti schen Republikaner im stände sind, Frankreich zu verwalten; das Kabinett werde nichts von den Interessen und dem Ruhme des Landes auf- opfern. England. *Die Vorschläge des englischen Kolonial ministers Chamberlain, der zielbewußt auf eine engere Verbindung der Kolonien mit dem Mutterlande hinarbeitet, finden in den Kolonien eine recht kühle Aufnahme. Das gilt sowohl von seinen Bestrebungen auf Herbeiführung eines britischen RcichszollvereinS wie von seinen Bemühungen, die englische Auf Mnwegen. 1vj Original-Roman von Alice v. Hahn. (Fortsetzung.) „Laß mich," rief Paul heftig, „ich muß fort, es ist die höchste Zeit." „Ich lasse dich nicht oder ich gehe mit dir," flehte Teresa bebend. „Weg von mir, Klette!" schrie Paul außer sich, ein Stoß gegen ihre Brust befreite seinen Arm. Er eilte in sein Zimmer und verließ bald darauf, mit Mütze und Pelz bekleidet, das Haus. Teresa war zurückgetaumelt. ,.Paul!" kam es wie ein Aufschrei tiefsten Schmerzes aus ihrer Brust. Ihre Kniee bebten, wankend klammerte sie sich an den Thürpfosten, um nicht zusammenzubrcchen. Keuchende Atemzüge kamen stoßweise über ihre Lippen, es war ihr, als drehe sich alles um sie her im Kreise. War es Traum oder Wirklichkeit, was sie soeben er lebt? Paul war gegangen und hatte nicht auf ihr Flehen gehört, er hatte sie von sich ge stoßen. „Ach Gott, das ist zu viel!" rief sie ächzend. Endlich faßte sie sich so weit, um sich die augcnbliche Situation klar zu machen. Mit schleppenden Schritten ging sie nach ihrem Zimmer, dort schlief sie vor Abspannung auf dem Sofa ein. Gegen Morgen wurde sie durch lautes Geräusch auf dem Korridor geweckt; sie vernahm mehrere Stimmen und dann sich ent fernende Männertritte. Die Thür ein wenig öffnend, hatte sie hinausgeschaut. Nach ihres Mannes Zimmer hinüberblickcud, sah sie einen Flotte zu einer Reichsflotte umzugestÄten. Doch wäre nichts falscher, als wenn man aus dieser ablehnenden Haltung auf eine Entfremdung der Kolonien vom Mutterlands schließen wollte. Wohl wachen die Kolonien, vor allem die australischen, eifersüchtig über ihre Selbständig keit und wünschen keinen engem staatlichen An schluß an das Mutterland, aber national werden sie sich immer als einen Teil des Ganzen fühlen. * In England mehren sich die Anzeichen der Unzufriedenheit mit der äußeren Politik der Regierung; sie findet Ausdruck durch opposilionelle Wahlen. In Montrose wurde der ehemalige Minister John Morley zum Mitglied des Unterhauses gewählt; er siegte mit einer Mehrheit von 1993 Stimmen über den Unionisten Wilson. In Southampton wurde der Liberale Sir Evans in das Unter haus gewählt mit einer Mehrheit von 35 Simmen gegen den konservativen Kandidaten Candy. Die Wahl brdeutet einen Gewinn der liberalen Partei, die, wie die regierende Partei eine Mahnung, einen Wink für die zukünftige Haltung in dieser Veränderung der Volks stimmung finden müßte. Italic«. * Um die Italiener in Abessinien steht es schlecht. Alle Streitkräfte der Schoaner haben sich in der Richtung nach Adna in Be wegung gesetzt. Tie Taktik des Negus von Abessinien war darauf gerichtet, die Italiener aus ihren festen Stellungen hervorzulocken. General Baratieri mußte aber auf einen solchen Angriff um so mehr verzichten, als die Terrain- schwierigkeiten das Eingreifen der weit über legenen italienischen Artillerie verhindert hätten. Sehr zu statten kommen werden den italienischen Expcditionstruppen die Alpenjägerbataillone, die unter dem Kommando des Generals Heusch nach der Kolonie abgehen. Der als Führer der „Alpini" bewährte General ist durch königliches Dekret mit dem Kommando einer Division der afrikanischen Armee betraut worden und begibt sich, von dem Kapitän Cattaneo begleitet, unver züglich nach der Kolonie. Wenn er nur nicht zu spät eintrifft! SPamem. *Aus Cuba sind folgende Nachrichten in Madrid eingelaufen: Ein Schar Aufständischer griff Hoyo Colorado, ein 5 Meilen von Havana belegenes Dorf, an, wurde jedoch von einer Ab teilung spanischer Truppen zerstreut. — Der Führer der Aufständischen Inglesito wurde gefangen genommen und wird wahrscheinlich er schossen. Balkanstaate«. * DaS bul g aris ch e M inisterium hat folgende Umgestaltung erfahren: Stoilow bleibt Ministerpräsident sowie Minister deS Innern und übernimmt interimistisch das Ministerium des Auswärtigen, Natschewitsch Handel und Ackerbau, der frühere Kammerpräsident Theodorow Justiz, Welitschkow das Ministerium für öffent lichen Unterricht und Madjarow die öffentlichen Arbeiten. * Der russische Fürst Uchtomski veröffentlicht, wie der.Köln. Ztg/ aus Petersburg gemeldet wird, einen ihm zugegangenen Brief bulgarischer Flüchtlinge, die ihm versichern, in Sofia sei bereits wieder ein Konflikt zwischen der russeu- freundlichen Regierung und der russenfreundlichen Partei ausgebrochen; der Brief schließt mit den Worten: „Würde er nicht von Rußland ge stützt, so hätte sich Prinz Ferdinand jetzt nicht länger halten können; dann aber wäre ganz Bulgarien Rußland zu Füßen gefallen und hätte seine Verzeihung erfleht; aber es kommt doch noch so; des Prinzen Sturz ist nur hinauSgeschoben." Das dürfte stimmen. Afrika. * Präsident Krüger erklärte in einer Unter redung mit dem Vertreter des ,Rcuterschen Büreaus^, das Gerücht von der bevorstehenden Unabhängigkeitserklärung der Südafrika nischen Republik sei eine böswillige Lüge; das Land sei nie ruhiger gewesen als gegen wärtig. Ueber die Bedeutung der Wahl Steyns zum Präsidenten des Oranje-Freistaats gibt der,Hamb. Korresp? folgeudes Urteil ab: Lichtschein durch die halbgeöffnete Thür fallen und glaubte des alten Martin Stimme zu ver nehmen. Von einer unerklärlichen Unruhe getrieben, hatte sie den Korridor überschritten und war in ihres Mannes Zimmer eingetreten. Sie sah den alten Martin, und dann, — ihre Augen weiteten sich unnatürlich,- mit verglasten Blicken erkannte sie — ihren Mann, der dort ausgestreckt lag; im selben Augenblick brach sie bewußtlos zu sammen. Als sie wieder zu sich kam, hörte sie eine Stimme sagen, an der Grenze wäre es geschehen, und Bossart sei wahrscheinlich der Thäter, näheres wisse niemand. Der nächste Morgen fand die Bewohner von Kulmhagen in größter Aufregung. Furchtbare Ereignisse waren während dieser Nacht vor sich gegangen. Eine Anzahl Schmuggler war von den Grenzaufsehern abgefaßt worden. Was aber allen rätselhaft und unfaßbar schien, war die erschütternde Kunde, daß Paul Heinrich des Nachts an der Grenze erschossen worden sei. Fünf Schmuggler waren abgefaßt worden, zwei andere waren den Grenzbeamten entwischt, der einzige Tote war Paul. Nachts drei Uhr hatten die an einem von dichtem Gestrüpp umgebenen Kreuzwege lagernden Grenzaufscher das verdächtige Geräusch eilig sich nähernder Männcrtritle vernommen. Bossart schaute aus und erkannte eine Reihe in gewissen Abständen einander folgender Gestalten. Sich seinen Kameraden zuweudcnd, flüsterte er: „Es tritt niemand vor, bis wir sie sämtlich in Schuß weite haben! Sind es Schmuggler, dann wollen Es handelt sich dämm, ob das Boernelement, das seine Augen nach der Südafrikanischen Re publik gerichtet hält und auf eine Verbindung der beiden Staaten hinarbeitet, seinen Vertreter durchbringen würde, ober ob die cnglandsrcund- liche Partei, die die Zollunion mit der Kap- kolonie aufrecht erhalten will und auch den Ein flüssen der engli chen großafrikanischen Pläne nicht unzugänglich ist, ihr Ucbergewicht behaupten würde. Das Land hat sich für den Boernkandi- daten, Herrn Steyn, entschieden. VrruMcher Landtag Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Be ratung des Eisenbahnetats bei dem Titel „Einnahmen aus dem Güte! verkehr" fort. Minister Thielen ant wortete auf eine vom Abg. v. Loe befürwortete Petition des Westfälischen Bauernvereins, daß die Einführung des Viehstaffeltsriss für das Land im allgemeinen eine Wohlthat sei. Abg. v. Plötz (kons.) sprach sich gegenjedeHerabsetzungderTarisefürrussisches Getreide aus. Für Steinkohle, für Thomasmehl und Kalisalz befürwortete er eine Herabsetzung der Tarife. Geheimrat Möllhausen erklärte, die Tarife würden, wenn überhaupt eine Ermäßigung eintretcn sollte, sicher nicht niedriger fixiert werden, als die für den Transport des deutschen Getreides. Die Ermäßigung der Tarife für Thomasmehl werde er wogen, sei auch zum Teil schon erfolgt. Im Abgcordnetenhause wurde am Dienstag die zweite Beratung des Eiscnbahnetats fortgesetzt. Bei dem ersten Ausgabetitel, Besoldung der Beamten, wurden lebhafte Klagen für die Verbesserung der Lage einzelner Bcamtenklassen und auch der Arbeiter laut. Eisenbahn-Minister Thielen erw derte, daß die Finanzvcrhältuissc eine allgemeine Besoldungsver besserung nicht ermöglichten, und nur teilweise Ver besserung einzelner Klassen die Unzufriedenheit bei den übrigen Klaffen Hervorrufen würde. Abg. dichter (frs. Vp.) führte dagegen aus, daß das lausende Etatsjahr mit einem Ueberschuß von mindestens 30 Millionen abschließen werde; die Finanzlage ermögliche also sehrwohl eine schrittweise Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse in bezug aus Besol- dungsverbefferungen. Abänderung des IuvuUdrtäts- nnd Altersv er6chernngsgesches. Anscheinend offisiös schreiben die ,Berliner Polit. Nachr/: „Wenn gegenwärtig Mitteilungen über die ins Auge gefaßten Aenderungen des Invalidität- undAltersversicherungsgesetzes durch die Presse gehen, so wird man daraus nicht schließen dürfen, daß nunmehr schon die Frage der weiteren Reform der Arbeitervcrsicherung entschieden und die Revision der einzelnen Ge setze nach dem Muster der Krankenversicherungs novelle in Aussicht genommen ist. Es ist wahr scheinlich, daß die JnvaliditätS- und Alters versicherung in naher Zeit an denjenigen Punkten, wo die Mißstände allzu arg sind, eine Um gestaltung erfahren wird, im übrigen aber steht die Frage der Reform der Arbeiterversicherung noch so wie zur Zeit der Konferenz im Reichs amte des Innern am Ende des vorigen Jahres, d. h. man wird zunächst noch weiter erwägen, ob eine auch die Grundlagen der Gesetze be rührende Revision zweckmäßig und durchführbar ist. Selbstverständlich wird es von Nutzen sein, wenn sich diese Erwägungen nicht bloß auf die Regierungskreise beschränken, sondern wenn alle Kreise, die an den Vcrficherungsfragen inter essiert sind, sich mit der Lösung der in Rede stehenden Ausgabe beschäftigen. Einzelne indu strielle Kreise haben damit bereits den Anfang gemacht. Jedoch erst, wenn aus den weitesten BevölkerungSschichten Voten abgegeben sind, wird man erkennen können, nach welcher Seite sich die Stimmung im Lande neigt. Und diese Stimmung dürfte dann die ihr gebührende Be rücksichtigung finden Inzwischen muß von der Revision der einzelnen Gesetze, wie sie vor längerer Zeit in Aussicht genommen war, sowie von der Ausführung des Planes, die Unfall- sowie die Jnvaliditäts- und Altersversicherung nach dem Muster der Krankenvcrsicherungsnovelle ohne Berührung der Grundlagen und nur unter Abänderung der Einzelheiten umzugestalten, Ab stand genommen werden. Schwerlich ist auch anzunehmen, daß diese Frage noch während der lausenden Session des Reichstags entschieden, oder daß die Entscheidung während desselben Zeitraums schon praktische Konsequenzen haben wird." wir sie womöglich alle abfassen." Der Weisung gemäß verhielt man sich ganz still. Nun waren die dunklen Gestalten näher ge kommen. Die ersten drei, mächtige Ballen tragend, hatten die Grenzpatrouille passiert. Da gab Bossart das Zeichen, und ein mächtig schal lendes „Halt!" ausstoßend, stürzte er vor, die andern folgten ihm. Im ersten Augenblick waren die acht ge lähmt vor Schreck; bald aber wieder Herren ihrer Geisteskräfte, warfen sie die Lasten ab und machten Miene, die Flucht zu ergreifen. Die auf sie gerichteten Gewchrläufe und die Drohung Bossarts: „Ergebt euch, oder ihr seid des Todes!" ließen sie sich eines Bessern be sinnen. Zitternd und wutschnaubend standen sie machtlos ihren Angreifern gegenüber. Die drei letzten ließen sich nicht abhalten, sie lösten sich von der Kette und stürzten eilends zurück, der nahen russischen Grenze zu. „Behaltet diese hier auf dem Korn, ich werde die drei verfolgen!" rief Bossart semen Kame raden zu, dann eilte er hinter den Fliehenden her. Mit übermächtiger Anstrengung bemühte er sich, die Flüchtlinge einzuholen, — vergebens, sie hatten einen ziemlichen Vorsprung und die Entfernung blieb immer dieselbe. Sie mußten nun an dem Graben angelangt sein, der hier die Grenzlinie bildete, denn Bossart schien es, als zögerten sie; er täuschte sich nicht. Schnell legte er an und sandte zwei Schüsse nach jener Gegend, wo er die Flüchtlinge zu sehen glaubte. Da waren die drei Gestalten, die sich soeben noch von der weißen Bildfläche abzuheben schienen, plötzlich verschwunden. Von Uah «nd Fer«. Der Fall Kotze, welcher nun schon seit länger als anderthalb Jahren die Oeffentlichkeit beschäftigt, dürfte jetzt in Hannover, wie mal von dort schreibt, seine endgültige Erledigun- gefunden haben. Das Regiment der Königs- Ulanen hat unter Vorsitz des Kommandeurs v. Pfuhlstein in voriger Woche sein Urteil üb« den seit Juni 1894 vom Amte suspendiert« Zeremonicnmeister Lebrecht v. Kotze gesprochen, nach Lage der Dinge als letztes Ehrengericht; welches die Angelegenheit zu erledigen hatte Das Urteil wird natürlich, so lange der Kais« es nicht bestätigt hat, streng geheim gehalten. Die Festnahme Dr. Friedmanns st Bordeaux erfolgte Freitag abend, wurde ab« am folgenden Vormittag noch geheim gehalten Die Polneibeamten sagten, er würde nur über wacht, bis zur Feststellung seiner Identität In dem langen Verhöre, das mit ihm an gestellt wurde, leugnete der Verhaftete Fried mann zu sein, jedoch führte die Durchsuchun- seines Zimmers, die in Gegenwart der Anna MertenS vorgenommen wurde, zu der Auf findung von Papieren, die seine Identität klar stellten. Dr. Friedmann machte sodann ein voll ständiges Geständnis und fügte hinzu, während seines Aufenthaltes in Paris habe er eine Broschüre unter dem Titel „Der Sozialismus in Deutschland" erscheinen lassen. Friedman» wurde gemessen und sodann nach dem Fort ge bracht, wo er bis zur Beendigung der Ausliefe- rungsformalitätcn bleiben soll. Anna MertenS wurde freigelassen. Ein Haus aus Papier. Den Anspruch deS Originellen kann das neulich im Hamburg« Hafen errichtete Restaurations - Gebäude all? Papier erheben. Es besteht aus einem eiserne« Gliedcrbau, der dem Bauwerk die Festigkeit verleiht; die Mauern sind dagegen ans ein« Papiermasse hergestellt und auch die Fußböden aus feuersicherem Kartonpapier ausgeführt. Ebenso bestehen die äußeren Verzierungen deS Hauses und ein großer Teil der Möbel auS Papier. Daß der Speisesaal von etwa 150 Per sonen gleichzeitig benutzt werden kann, beweist, daß der Bau annehmbare Größenverhältnisse besitzt. Zur Beheizung dient ein Wmmwasser- system, dessen Rohre an den Durchtrittsstclle« durch die Wandungen und Dielen mit Steingut- Muffen isoliert sind. Der Hauptvorzug d« Papierhäuser soll in den geringen Ausführungs kosten derselben zu suchen sein. So wird d« Preis des Hamburger Restaurants mit 1500 Pik. angegeben. Verhafteter Rechtsanwalt. In Lätze« wurde Rechtsanwalt Storp wegen UntcrschlagunA von Erbgcldern verhaftet. Storp verfiel in Tob sucht und wird ärztlich überwacht, weil man ver mutet, daß er simuliert. Selbstmord im Koupee. Auf der Fahrt von Mannheim nach Heidelberg erschoß sich Julius Wolff von der Getreidetommissionifirm« Stern und Wolff im Eisenbahnkoupee. Die Gründe sind unbekannt. Verhaftung eines Gendarme». Be rechtigtes Aufsehen verursacht in Ostritz bei Zittau die Verhaftung des dortigen Gendarme« Ludwig. Wegen Beleidigung desselben war vor kurzem ein Ostritzer Bürger vom dortige« Schöffengericht zu 100 Mk. Geldstrafe verurteilt worden. In diesem Prozesse, der unter Aus schluß der Oeffentlichkeit verhandelt wurde, kaw es wesentlich auf das Zeugnis des Gendarmen Ludwig und einer Kellnerin an, die früher in Ostritz Fabrikarbeiterin war. Beide leistete« einen Eid zu Ungunsten des Angeklagten, ab« die Folge jener Schöffengerichtsverhandlung war auch die, daß zunächst gegen jene Kellnerin ei« Verfahren wegen Meineids eiugelcitct wurde, in das nunmehr auch der Gendarm Ludwig ver wickelt worden ist, bei dem es sich wahrscheinlich obendrein noch um eine Anstiftung zum Meineid handeln dürfte. Ei» Unschuldiger zum Tode verurteilt? Vor einiger Zeit wurde vom Schwurgericht i« Ostrowo der Arbeiter Kokot auS Kroioschin zust Tode und zehn Jahr Zuchthaus verurteilt, weil er den taubstummen Bäckermeister Neustadt er mordet und die ebenfalls taubstumme Schwestel des Neustadt schwer verletzt haben sollte. Kokot „Sollte ich getroffen haben?" fragte sich Bossart gespannt. Noch hatte er den Gedanken nicht vollendet, da sah er die drei wieder auftaucheo und jetzt verschiedene, der Grenze entgegengesetzt« Richtungen eiuschlagen. Einigermaßen betroffen über den Plötzlich veränderten Fluchtplan, legre er nochmals an und nahm einen der drei auf- Korn, als er lautes Sprechen und wüstes Ge schrei von der Grenze her vernahm und ein« Anzahl dunkler Gestalten sich jäh, wie aus der Erde gewachten, emporhob. „8tH P82L Lrsv!" („Steh', Hallunke!") Hötte er eine Stimme aus jener Richtung, gleich darauf ein Blitz, ein Knall, und der Fliehende, auf den er selbst noch zielte, stürzte mit eine« lauten Aufschrei zu Boden, die anderen beide« waren indessen verschwunden. Schnell eilte Bossart vorwärts, der Stell« zu, wo der Verwundete liegen mußte. Di« Russen, die im Grenzgraben gelagert hatten, hielten dasselbe Ziel im Auge. Fast zu gleicher Zeit erreichten die beiden Parteien den Ott. D« Anführer der russischen Patrouille trat Bossart näher, gleichsam als wolle er ihn genau ins Auge fassen. Als er beim fahlen Schein deS MondlichteS, das durch Schneeflocken trübe her vorleuchtend nur kümmerlich die Erde erhellte, den preußischen Beamten erkannte, grüßte « militärisch und sprach einige polnische Worte, di« Bossart nicht verstand. Der Russe knüpfte seinen Paletot auf ustS brachte eine kleine brennende Laterne zum Vor schein. Das Helle Licht, das auf seine Züge fiel, zeigte Bossart ein bekanntes Gesicht. Zn auf geregt, um darüber uachzudenlcn, wo er de«
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