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Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189601290
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18960129
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-29
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1896
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser beglückwünschte drahtlich den Aüaiß Humbert von Italien zur helden mütigen Haltung Makalles und verlieh dem Oberstleutnant Galliano den Roten Adler- «den mit Schwertern. * Das am Donnerstag über das Befinden der Großherzogin von Oldenburg veröffentliche Bulletin lautet: Anhaltender Schlaf behütet die Großherzogin vor dem Em pfinden ihres Leidens; Nahrung wird nicht ge nommen. * Der Bundesrat Hal am Donnerstag dem Entwurf des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch seine Zu stimmung erteilt. Dasselbe war bisher bekannt lich noch rückständig, weil einige kleinere Staaten Sonderwünsche hatten, über die erst eine Ueber- einkunft zu erzielen war. * Der Oberlandesgerichtsrat Spahn aus Posen, zur Zeit Vizepräsident des Reichstags, ist als Kammergerichtsrat an das Kammergericht versetzt worden. Das Reichs- tagsmandat erlischt durch diese Ernennung nicht. *Das Appellgericht in Trani hat ein Urteil erlassen, nach welchem Frhr. v. Hammer stein an Deutschland auszuliefern sei. Die Aus lieferungsbefehle sind demnach bald zu erwarten. Oesterreich-Ungarn. *Der niederösterreichische Land tag hat nach erregter Debatte mit 34 gegen 23 Stimmen die Dringlichkeit des Antrags Lueger, die Ausschreibung der Wiener Gemeinde ratswahlen sofort zu veranlassen, abgelehnt. Frankreich. *Der,Figaro' erfährt aus „ausgezeichneter Quelle", das Gerücht, der deutsche Kaiser wolle den Cäsa re witsch auf franzö sischem Gebiet besuchen, nehme feste Ge statt in diplomatischen Kreisen an; die kaiserliche Jacht solle den Hafen von Villafranca an laufen. * Der französische Ministerrat beschäftigte sich mit dem zwischen Frankreich und der Königin von Madagaskar abgeschlossenen Vertrage, welchen der dortige Generalrestdent Laroche von der Königin hat unterzeichnen lassen. Durch diesen Vertrag ist Madagaskar zursranzösi - schenBesitzung erklärt worden; die Stellung der Königin und die Vermattung durch Ein geborene find indessen beibehalten worden. Frankreich wird daher nicht, wie bei einem Lande, welches unter Protektorat steht, mit den auswärtigen Mächten über das Zollsystem zu verhandeln haben, welches vielmehr durch Dekret eingeführt werden könne. Der Ministerrat beriet sodann über die Form, in welcher der neue Ver trag den auswärtigen Mächten mitzuteilen sei. England. * Prinz Heinrich von Battenberg, dessen Tod bereits gemeldet wurde, ist an Bord des .Kreuzers „Blonde" am 20. d., abends, infolge eines Fieberrückfalles gestorben. Das Schiff kehrte alsbald nach der Sierra Leone zurück. Prinz Heinrich von Battenberg war der Sohn des Prinzen Alexander von Hessen und der Bruder des Fürsten Alexander von Bul garien. Er war am 5. Oktober 1858 geboren, hat also ein Alter von 37 Jahren erreicht. Er ivar seit zehn Jahren mit der Prinzessin Beatrice, der Tochter der Königin Viktoria, ver mählt. Der Ehe entsprangen zwei Söhne und eine Tochter. Prinz Heinrich wollte als Kriegs freiwilliger den Aschantifeldzug mitmachcn, aber bald nach der Ankuft in Afrika erkrankte er. Auf der Rückreise nach Europa ereilte ihn der Tod. JtallttU * Ein Telegramm vom Kriegsschau plätze in Abessinien, vom 23. d. datiert, besagt: Bis jetzt ist bei Baratieri, dem Ober kommandierenden, weder von Galliano, dem tapferen Verteidiger Makalles, noch von Felter, dem an König Menelik entsandten Unterhändler, eine Nachricht eingelaufen Aus dem schoanischen Lager angelangte Kundschafter bestätigen, es seien dort Friedensgerüchte im Umlauf. Die Schoaner zeigten Unzufriedenheit über die Ver längerung des Krieges und fürchteten Mangel an Lebensmitteln. Auch wüßten sich die Schoa ner den Widerstand Makalles nicht zu erklären. * Der abessinische Feldzug hat den Italienern bisher keine Erfolge gebracht, wohl aber schon gewaltige Kosten verursacht. Das Mailänder Handelsblatt ,Comercio' schätzt die bisherigen Verpflichtungen für den abessi nischen Feldzug auf achtzig bis hundert Millionen Lira. Von der Banca d'Jtalia allein seien an gesetzmäßigen Vorschüssen bereits dreißig Millionen erhoben worden. Die Kosten der eventuellen Okkupierung der Provinzen Schoa und Harrar berechnet der ,Comercio' auf über fünfhundert Millionen Lira. Zweifelhaft sei indessen, ob das besiegte Abessinien für diese Kriegskosten aufkommen oder sie verlohnen werde. Spanien. * Auf Cuba wollen die Spanier schon wieder ein Gefecht gewonnen haben. Nach einer amtlichen Depesche aus Havana griff Oberst Vienna in der Nähe von Pedroso eine Schar von 1200 Aufständischen an. Die Spanier nahmen die feindlichen Stellungen. Die Auf ständischen verloren 12 Tote. Ruhland. *Jn Petersburg verlautet, daß in naher Zeit, und zwar vor der Krönung des Zaren, ein kaiserlicher Ukas zu erwarten sei, durch welchen die Freiheiten der Presse eine wesentliche Erweiterung erfahren sollen. Balkanstaaten. *Nach einer in London eingetroffenen Mel dung auS Konstantinopel soll ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen Rußland und der Türkei unterzeichnet worden sein, an dem vermutlich auch Frankreich betheiligt ist, dessen Botschafter am goldenen Horn vor zwei Tagen vom Sultan in zweistündiger Audienz empfangen wurde. Angesichts der offenkundigen Niederlage der englischen Diplomatie in der armenischen Frage und des stetig wachsenden Einflusses Rußlands, dessen Botschafter sich der besonderen Gunst des Padischah erfreut, klingt die Nachricht an sich nicht allzu unwahrscheinlich. Trotzdem muß mm eine Bestätigung abwarten, ehe man sich in die Erörterung einer Sachlage einläßt, die von so außerordentlicher Tragweite wäre, wie kaum eine im letzten Vierteljahrhundert. * Eine neue Blutthat der Hintschak (Geheimbund der Armenier) wird aus Konstan tinopel berichtet. Diese armenische Nation al- Liga verlangte am Tienstag durch eine Abord nung vom reichen armenischen Bankier Cargue- soglon 10 000 türkische Pfund und entfernten sich, als der Bankier sich weigerte, dem Ver langen nachzukommen, unter Drohungen. Am Mittwoch nun wurde der Bankier bei Hellem Tage auf der Straße in Pera angeschossen und schwer verwundet. Dem Vernehmen nach ist eine strenge Untersuchung eingcleitet. Amerika. *Jn der Hauptstadt Venezuelas soll die Erbitterung gegen England die Volksmassen zu einer schweren Ausschreitung hingerissen haben. Nach einer unverbürgten Meldung der ,New Jork World' aus Caracas wäre daselbst an einem Bilde des Lord Salis bury eine Art Volksjustiz geübt, dasselbe zum Tode verurteilt, danach von Kugeln durchbohrt und in Stücke gerissen worden, die unter die erregt Volksmenge verteilt wurden. *Die Begeisterung für die Monroe- Doktrin in Amerika fängt an nachzulassen. So erklärte im Senat Walcott, ein hervor ragender Republikaner, in längerer Rede, es sei niemals beabsichtigt gewesen, die Monroe-Doktrin auf amerikanische Staaten außer den Ver. Staaten anzuwcnden, ausgenommen wenn die Unverletz lichkeit der letzteren bedroht werde. Die Bildung der Venezuela - Kommission sei eher als eine Drohung anzusehen, denn als eine Bürgschaft für den Frieden. Die meisten südamerikanischen Staaten seien für die Selbst:cgierung durchaus ungeeignet, besonders Venezuela, welches seine Freiheit teilweise britischem Beistände verdanke. Er hoffe, die Grenzlinie werde so bestimmt, daß die Engländer die Goldfelder ausbeuten könnten, ohne der Habgier der Mischlinge Venezuelas > unterworfen zu sein. Er hoffe, England und die Ver. Staaten würden allzeit als Brüder zusammenstchen. — Von dem Publi kum auf den Galerien wurde die Rede mit lautem Beifall begrüßt; Walcott wmde von vielen Senatoren beglückwünscht. Aus dem Reichstage. Am Donnerstag wurde die Einzelberatung des Postetats zu Ende geführt; das Atraordinarium, sowie auch alle anderen Teile des Postetats blieben unverändert. Nach kurzer Debatte wurde auch der Etat der Reichsdruckerei und darauf debattelos der Etat des Reichstags unverändert angenommen. Längere Erörterungen rief der Etat des Reichs kanzlers hervor. Auf Anfrage seitens des Abg. Barth (fr. Bgg.) erklärte der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, daß er jetzt nicht in der Lage sei, Aus kunft über die im vorigen Jahre angeregte Wäh rungskonferenz zu geben, aber er hoffe, in nächster Zeit eine Erklärung über die Stellung der verbün deten Regierungen in dieser Angelegenheit abgeben zu können. Der Etat des Reichskanzlers wurde so dann genehmigt. Am 24. d. wurde die zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Beim Titel „Staatssekretär" beschwert sich Abg. Gamp (freikons.) darüber, daß die vom Reichsver sicherungsamt für die aufgestellten Unfallversicherungs- Vorschriften für landwirtschaftliche Betriebe zu sehr vom grünen Tische erlassen worden seien. Die Vor schriften verrieten eine völlige Unkenntnis der land wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Innehaltung der für die Fuhrwerke gegebenen Vorschriften sei ganz unmöglich. Ungerechtfertigt sei es auch, daß beim Tragen der Sensen die völlige Verhüllung der Schneide mit Stroh vorgeschrieben sei. Schließlich möchte er eine neue Bestimmung befürworten, wo nach alle — auch die genosslnschastlichen — Unfall- vcrhütungsvorschriften den Ortspolizeibehördcn vor zulegen seien. Staatssekretär v. Bötticher: Der Vorredner geht meines Erachtens von falschen Voraussetzungen aus. Die kritisierten Bestimmungen sind nicht ein geführt, sondern den Berufsgeuossenschaften nur als Muster mitgeteilt worden. Die Bcrufsgcnossenschasten können allein ihre Unfallverhütungs-Vorschriften er lassen. Vom grünen Tische aus ist der Entwurf nicht redigiert, sondern es sind alle technischen Beiräte als des Reichs - Versicherungsamts und Delegierte des preußischen Landwirtschaftsministeriums hinzugezogen worden. Den einzelnen Berufsgenossenschaften ist dabei freie Hand gelassen, das Maß von Unfallver- hütungsvorschristen einzuführen, das ihnen für ihren Bezirk gut und angemessen erscheint. Abg. Hitze (Zentr.): Herr Gamp ist weiter ge gangen als die Sozialdemokraten, die haben es bis her nicht gewagt, Einzelvorvorschriften der Verufs- genossenschaften zu kritisieren, wenn es sich nur um Selbstverwaltungsmaßnahmcn handelte. Abg. Gamp (freikons.): Ich behalte mir das Recht vor, darüber zu entscheiden, Ivas ich zu sagen habe. Weite Kreise der Landbevölkerung sind an diesen Vorschriften interessiert. Abg. v. Staudy (kons.): Wenn die Vorschläge von Sachverständigen vorgebracht sind, so haben sie ein Monstrum hervorgebracht. Abg. v. Manteuffel (kons.): Wir wollen auf die Haltung der Berufsgenossenschaften keinen Einflutzsansüben. In der Provinz Brandenburg dürfte keine Neigung nach diesen „Normalvorschriften" bestehen. Abg. Wurm (soz.) bezeichnet im Gegensatz zum Vorredner und dem Abg. Gamp den Arbeiterschutz als noch durchaus ungenügend. Das liege mit daran, daß die Fabrikinspektorcn in Preußen, seitdem ihnen die Kesselrevisionen übertragen wurden, zu sehr über bürdet seien und keine genügende Kontrolle der Be triebe ausüben könnten. Bei Gelegenheit der Kcsscl- revisionen habe die Bctriebsrevision keinen Sinn, denn der ersteren wegen müsse sich der Beamte an melden, die letztere habe aber nur Sinn, wenn sie unerwartet vorgenommen werde. DieFabrikinspektoren Verlangten daher selbst, daß ihnen die Kesselrevision wieder abgenomv en werde, wie es in Württemberg bereits geschehen sei. In anderen Bundesstaaten mache die Regierung es sich allerdings noch leichter und übertrage einfach die Betriebsinspeklion einem Polizeibeamten, dem natürlich die nötige Vorbildung fehle. Tas stehe im scharfen Gegensatz zu der Hal tung Englands und Belgiens in dieser Frage. Dort habe man bereits Arbeiter zu Fabrikinspektoren ge macht. Vor allem müßten auch weibliche Fabrik inspektoren eingestellt werden. Die Regierung gehe darauf und aus eine Erweiterung der Fabrik inspektion leider nicht ein, denn sie fürchte, damit den Arbeitgebern unbequem zu werden. Die Arbciterausschüfst, von denen man sich so viel versprochen habe, führten vielfach nur noch ein Scheindasein. Die Vertretung der Arbeitcrintcreffen sollte man den Gewerkschaftskartcllen übertragen; diesen brächte aber die Regierung ein ganz unbe ¬ rechtigtes Mißtrauen entgegen. Zu dem Gewerberat Müller in Hannover könnten die Arbeiter kein Ver trauen haben, denn derselbe habe gezeigt, daß er nicht einmal in Hannover selbst Bescheid wiffe. Seine Berichte über die Nachtarbeit seien durchweg unrichtig gewesen. Die Bedürfnisanstalten in den Fabriken entsprächen noch immer nicht den Anforderungen des Anstandes, der Gesundheit und Sitte, trotzdem seit Jahren Klage darüber geführt werde. Staatssekretär von Bötticher: Ich bin überzeugt, das Urteil des deutschen Volkes über sein Unternehmertum wird bei weitem nicht so ungünstig ausfallen, wie der Vorredner es darstcllt. Die Regie rungen brauchten sich dm Vorwurf nicht machen zu lassen, daß sie es an Fürsorge für die Arbeiter hätten fehlen lassen. Die Beschwerden über die Fabrik inspektoren hätte der Vorredner bester bei dm zn- ständigen Behörden anbringen sollen, als hier, wo seine Rede nur zur Förderung der Unzufriedenheit beitragen kann. In Preußen wissen wir, daß noch manches an dem Jnspektionswesen zu verbcrbestern ist, und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel werden wir diese Verbesserungen auch vornehme«. Weibliche Fabrikinspektoren können wir von Reichs wegen nicht einführcn. Ob die Einführung solcher zweckmäßig ist, ist übrigens eine noch umstrittene Frage; der Vorredner mag sich mit derselben an den Preuß. Handelsminister wmden. Der letztere wird diese Frage und auch die der Vereinigung der Kesselrevisionen und der Fabrikinspcktionen fort dauernd prüfen. Gcgm den Gewerberat Müller in Hannover hat der Vorredner einen schweren Vor wurf erhobm. Ich kann nicht kontrollieren, ob der Beamte wirklich einm falschen Bericht gemacht hat. Weshalb aber wendet sich denn der Abgeordnete Wurm nicht an die vorgesetzte Behörde des Gc- werberates Miller? Es wäre doch richtiger ge wesen, als hier ohne weiteres eine so schwere An klage gegen einen Beamten zu erheben, der auf das Vertrauen der Arbeiter angewiesen ist. Für eine einheitliche Veröffentlichung der Berichte der Fabrik inspektoren will ich gern Sorge tragen, ich würde es aber nicht für ratsam halten, daß unsere Publi kationen noch dickleibiger werden. Abg. Hitze (Zentr.) beantragt: „Dem Reichstage eine llebersicht über die Erhebungm zu 8 12V der Gewerbeordnung vorzulcgen." Abg. Wurm (soz.): Ein Loblieb zu singen ist nicht unsere Ausgabe hier. Wir müssen die Miß stände aufdccken, das ist unsere Pflicht. Den Bor wurf, nicht objektiv geurteilt zu haben, weise ich zurück. Abg. Js kraut (Antis.): Der Abg. Wurm hat eine Agitationsrede hallen wollen. Die Sozialdemo kratie hat den Beruf der Kritik, aber nicht dm des Arbeiterschutzes, das hat sie auch heute gezeigt. Sie würde cs wohl gern sehen, wenn ihre Abgeordnetm Fabrikinspektoren würden; die Herren wollen doch nur die Gegensätze schärfen. Es ist undankbar, dir Segnungen der Fabrikinspektorcn nicht anzucrkennm. Abg. Reiß Haus (soz.) beklagte sich über mangelhafte Fabrikaufsicht in Meiningen. Abg. Schmidt (freis. Vg.) verlangt, daß im Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb die Stellung der Werkführer genauer präzisiert werd«. Das Landgericht l habe entschieden, daß der Wochen lohn der Werkmeister nicht als Gehalt anzusehen I sei und habe sich darum in Widerspruch zu allen Gewcrbcgerichtm gesetzt. Staalsminister v. Bötticher: Es handell sich nur um die Entscheidung eines Gerichts, nicht mn eine prinzipielle. i Abg. Hitze (Zentr.): Das Landgericht ist doch ! aber die höhere Instanz der Gewerbegerichte und sie > müssen sich bei dem Urteile begnügen. Der Redner ! befürwortet dann seinen Antrag, um eine Ucbcrsicht > der Verordnungen zu 125e der Gewerbeordnung. i Staatsminister v. Bötticher erklärt sich berett, i eine solche Zusammenstellung cinfertigen zu lasten. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Stadthagen (soz.) und Beckh (freis. Vp.) wird der Titel „Staats sekretär" bewilligt und die Weiterberatung vertagt. Prrußtscher Landtag. Das Abgeordnetenhaus erledigte am Freitag zu nächst einige Rechnungssachen und beriet dann über die Vorlage betr. den Wiederaufbau des durch Brand zerstörten Fleckens Brotterode Abg. j v. Christen (stkons.) wies noch einnial auf die ganze ! Schwere des Unglücks hin. Das durch den Brand ! erzeugte Elend sei groß und schnelle Abhilfe nötig. ! Die Broucrodcr haben es abgelchnt, sich an einem anderen Ortc auszubaum. Die Bestimmung de« 8 3 der Verordnung ist nicht zweckmäßig; danach sollen diejenigen Besitzer, welche Mehrüberweisungcn ! an Terrain erhalten, den Betrag dafür an die Ge- mcindekassc zahlen. Da würden viele von den neuen ! Häusern, sobald sie fertig sind, unter Subhastatiou ! geraten. Abg. Arendt (frk.) wünschte eine Unter stützung aus Staatsmitteln, uni Subhastationen zu vermeiden. Justizministcr Schoenstadt bestritt die Notwendigkeit vonStaatsuuterstützung. Finanzminister Miquel hielt eine Staatshilse für sehr bedenklich, da sie leicht zur Nachahmung reize. Die Vorlage wurde a» eine Kommission verwiesen. Auf Htmwegen. 10j Original-Roman von Alice v. Hahn. (Fortsetzung.) Kam Bossart vom Dienste heim und hoffte, ein kräftiges Mahl zu finden, dann mußte er seine Frau aus dem Haute ihrer Ettern holen lassen; die Magd halte nichts vorbereitet, denn Wanda hatte nichts herausgegeben, nichts bestimmt. Sie würde bald zurückkommen, hatte sie beim Fort gehen gesagt, war aber nicht gekommen. Versuchte er, ihr Vorstellungen zu machen, dann wurde sie heftig, bewegte sich in den niedrigsten Ausdrücken und warf ihm vor, daß er wohl immer noch an Teresa denke, denn sonst könne er an ihr nicht soviel auszusetzen haben; er meine wohl, er habe eine Magd geheiratet? Warum er es nicht besser verstanden, Teresas Liebe zu erwerben? Dann wären sie beide glücklicher. Bossart schwieg erschreckt bei solchen Zornes- ausbrüchen seiner Fran, und tief verletzt wandte er sich ab. Anfangs hatte ihn noch die tröst liche Hoffnung beherrscht, lein Geschick könnte sich vielleicht doch an ihrer Seite zu einem freundlichen gestatten; schließlich ersaßte ihn ein an Entsetzen grenzendes Erstaunen, als sie ihm so unverhohlen ihre wahren Gesinnungen zeigte. Er hatte erst versucht, ihr Wesen umzugestalten, zu veredeln ; als er sich aber überzeugte, daß es nicht allein die Resultate einer schlechten Er ziehung waren, die sie zu dem machten, was sie war, sondern die Hauptschuld ihrer niedrigen Gesinnungsart zu Grunde lag, gab er die un dankbare und vergebliche Mühe auf. Er verlor auch alle Hoffnung, daß sic sich je ineinander finden würden, denn ihre Charaktere, ihre ganzen Lebensanschauungen waren zu verschieden. Erbittert über sein doppeltes Elend, ging er ihr so viel wie möglich aus dem Wege und zog sich in sich selbst zurück, einsamer und verschlossener, als er es je gewesen. Sie war damit recht zufrieden. Konnte sie doch so noch ungenierter sich selbst und ihren eigenen Neigungen zu Gefallen leben. Das einzige, was ihr noch einigen Trost verschaffte und ihr über die Erfahrungen mit Paul hinweghalf, war die Genugthuung, nun immer reichlich mit Geld versehen zu sein. Welches Behagen verschaffte ihr das Bewußt sein, sich nun alles an Staat anschaffen zu können, was ihr Herz begehrte und sie im Städtchen erlangen konnte! Nichts war ihr zu teuer, nichts erschien ihr zu kostbar, ihre eigene geliebte Persönlichkeit zu schmücken. Sie ivar in bescheidenen Verhältnissen groß geworden und hatte sich im Elternhause in bedrückender Weise einschränken müssen; was sie früher entbehren mußte, wollte sie sich nun in doppeltem Maße ge währen. Die Einnahmen ihres Gatten dünkten ihr so groß, daß sie ihr jeden Luxus gestatten mußten. Mit größtem Erstaunen erfüllte sie daher die Erkenntnis, daß die ihr großmütig gewährten Summen nicht ausreichten. Doch schnell war sie mit sich einig: Er muß mir niehr geben; ich weiß, er kann es und wird sich ja schließlich daran gewöhnen, wenn er nur einige Male Extrazuschüsse gewährt haben wird. Sich einzuschränken, ihre Wünsche auf ein kleines Maß zu reduzieren, das kam ihr nicht in den Sinn. Wenn sie Geld brauchte, dann stichle sie ihn auf, dann gönnte sie ihm wohl auch Schmeichelworte, die ihn, ihres niedrigen Ur sprungs wegen, mit Zorn erfüllten. Sie erbat sich oft kleinere oder größere Summen; schweigend überreichte er ihr den Be ttag. Einmal hatte er ihr in ruhigster Weise vorgestellt, sie müßte bei ihren Einkäufen mit Ueüerlegung verfahren, damit ihnen nicht unnütze Ausgaben erwüchsen, — da war sie in Thränen ausgebrochen und hatte ihn einen Knauser ge scholten, der ihr nicht einmal das Nötigste gönne. Als er aber zu der Erkenntnis kam, daß ihre An forderungen in keinem Verhältnis zu seinen Ein nahmen ständen, da setzte er ihr eine bestimmte Summe aus mit der festen Erklärung, damit müsse sie auskommen. Sie sträubte sich dagegen, doch half ihr das nichts. Immer wieder versuchte sie außer der Zeit Geld von ihm zu erlangen, doch vergebens, er blieb fest. So waren ein paar Monate seit ihrer Ver heiratung vergangen, als ihr die Eltern einen Brief ihres Bruders zeigten, in welchem dieser in den stehendsten Ausdrücken bat, ihm um gehend sechshundert Mark zu senden. Er sei von seinem Prinzipal plötzlich entlassen worden, und bei der Uebergabe der Bücher habe sich ein Defizit von sechshundert Mark herausgestellt. Er müsse dieselben nun sofort ersetzen, oder es drohe ihm strenge Strafe, da sein Prinzipal die Sache dem Gericht übergeben wolle. Er habe sich das Geld anderweitig zu ver schaffen gesucht, doch da es ruchbar geworden, daß er entlassen sei, so habe man ihn überall abschlägig beschieden. Wenn die Eltern ihm jetzt nicht helfen könnten, so bliebe ihm nichts übrig, als sich eine Kugel vor den Kopf zu schieben. Welchen Kummer hatte der alte Lehrer schon durch diesen Sohn erfahren! Zu den schönsten Hoffnungen berechtigend und mit guter Schulbildung ausgestattet, Haft er vor Jahren das elterliche Haus verlassen, um als Lehrling in ein Handlungshaus einzu treten. Auf seine Bitten hatte ihm der Vater gestattet, seine Laufbahn in einer größeren Stadt zu beginnen. Doch dies sollte sein Ver derben werden, denn sein angeborener Leichtsinn entwickelte sich hier zur schönsten Blüte, und die ihm innewohnende Genußsucht fand geeignete Nahrung. Schon während der Lehrzeit liefen von feiten der Lehrherren vielfach Klagen ein über die Extravaganzen des Sohnes, doch kaum stand er auf eigenen Füßen, so ließ er jede Rücksicht beiseite und gab sich ganz dem Zuge seiner Neigungen hin, die ihn leider auf eine sehr schlüpfrige Bahn führten. Obgleich erprobe Fähigkeiten und in seinen! Fach tüchtiges Wissen besaß, konnte er doch nie längere Zeit seine Stellung behaupten, da er sich weder Mühe gab, seine Kenntnisse zu verwerten, noch Lust hatte, sich ganz und voll seinem Berufe zu widmen. Nach durchschwärmter Nacht trat er mit wirrem Kops und übernächtigen Sinnen morgens sein Amt an, und mit Unlust den Tag über au seinem Pult zu sitzen, den Abend herbeisehnend, der ihn wieder seinen geliebten Lastern in die Arme führte. So trieb er sich in der Welt umher, bald
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