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Allgemeiner Anzeiger : 25.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189601256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18960125
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18960125
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-25
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.01.1896
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lassen. Der wunde Punkt tritt aber mit dem ^ahre 1W0 ein, da cs nicht angeht, die zwei Nullen oder die 19 als Abkürzung zu gebrauchen. Eine Aenderung des Stempels ist mcht an gängig, da der vorhandene Platz so schon voll ständig ausgenutzt ist. Auf der andern Selle wird es sich wieder schlecht machen lasten, für die etwa 80 000 in Gebrauch befindliche Stempel neue" anzuschaffen, da dieses eine kolossale Aus gabe erfordert. Einen Selbstmordversuch durch Ver brennen machte in der Nacht zum Sonntag der 60 jährige Handlungsgehilfe Franck-Lindh in Berlin Der geistesschwache Mann zündete seine Kleider an, um sich zu verbrennen. Er verletzte sich so schwer, daß er im Krankenhause, wohin man ihn sofort brachte, gestorben ist. Der zum Tode verurteilte Mörder Büsche in Bremen hat nach der Fällung des Urteils seine bisher bewiesene Frechheit vollständig ein gebüßt. Am Donnerstag ließ er seinen Ver teidiger, Rechtsanwalt Heumann, zu sich bitten und ersuchte denselben, für ihn beim Senat ein Gnadengesuch einzureichen. — Seit der Hin richtung der Giftmörderin Jesche Gottfried vor mehr als 60 Jahren ist in Bremen kein Todes urteil mehr vollstreckt worden. In dem Falle der Muttermörderin Köster und des jugendlichen Mörders Jäger aus Bremerhaven lag die Sache so, daß die Geschworenen nach Fällung ihres Wahrspruches sich für eine Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Zuchthausstrafe verwandten. Auf Nimmerwiedersehen! Ein Elber felder Blatt teilt mit, daß Ahlwardt nicht wieder aus Amerika zurückkehren werde. Er soll Deutschland schon von Anfang an mit dec festen Absicht verlassen haben, „drüben" für sich „und für einen noch nicht mit Namen zu nennenden Freund" eine Stellung zu suchen. Das hinderte ihn natürlich nicht, sein Reichstagsmandat beizu behalten und um Urlaub nachzusuchen. Doppelselbstmord. Am Sonntag haben sich zwei junge Mädchen aus Prag, die einander fest um schlungen hielten, in die Moldau gestürzt. Die Leichen konnten bisher nicht gefunden werden. Aus zurückgelassenen Briefen geht hervor, daß sie intime Freundinnen waren und einen und denselben jungen Mann liebten. Damit nun eine der anderen den Geliebten nicht entreiße, be schlossen beide, zu sterben. Falschmünzer. Seit längerer Zeit werden m der Provinz zahlreiche falsche Thaler ange halte». In Ncidenburg sind nun kürzlich zwei angebliche Arbeiter verhaftet worden, bei denen man noch gegen 40 falsche Thaler vorfand. Die Polizei glaubt, daß sie die Falschmünzer in den beiden Personen dingfest gemacht hat. Weggeschickt wurden vom humanistischen Gymnasium in Kaiserslautern mehrere Schüler, weil sie zu Neujahr an Schülerinnen der städti schen Töchterschule beleidigende und unanständige Karten sandten. Die Väter dieser Schülerinnen übersandten die Karten dem Rektorat. Durch Vergleichung der Schriften mit den Arbeitsheften wurden die Thäter ermittelt. Um Fische zu hole«, war am Dienstag der Besitzer Maschlanka aus Polschendorf weit auf den zugefrorenen Czoßsee gefahren, wo ge fischt wurde. Bei der Rückfahrt nahm er sechs Personen auf seinem Schlitten mit. Eine der mitgenommenen Personen hatte die Leine in der Hand, während Maschlanka, der angetrunken war, mit der Peilsche auf die Pferde einhieb, so daß das Fuhrwerk über die Eisfläche förmlich hin- uberflog. In der Dunkelheit fuhr das Gespann mit allen Insassen in eine zum Fischen gemachte Wuhne. Während fünf Mann gerettet wurden, wurden der Maurer Wackermann unv der Ar beiter Totzek tot aus dem Wasser gezogen. Die Pferde kamen ebenfalls um. Ei« Sonderling. In Arnstorf in Bayern starb dieser Tage der Bencfiziat von Zeitlarn. Der Verstorbene war ein großer Sonderling. Um sich richt bigig zu nähren, kaufte er Pferde oder anderes geringwertiges Fleisch, während er es in bezug auf Reinlichkeit auch nicht allzu ^nau nahm. Er trug stets abgetragene selbst- gcflickte Kleider. Um Ostern vorigen Jahres wurde der Benefiziat bewußtlos in seiner Wohnung aufgefunden, ein Schlag hatte ihn ge rührt. Es mußte ein Bett herbeigeschafft werden, - da ein solches nicht vorhanden war. Nun ist ! er gestorben, und als die Gerichtskommission kam ' und das Haus durchsuchte, fand sie auf dem - Dachboden unter einem Sparren 70 000 Mk. in Wertpapieren. Die Entlassungen an beiden Gymnasien in Bamberg erstrecken sich im ganzen au 11 Schüler des neuen und 3 deS alten Gym nasiums. Ferner wurden noch 2 Schülerinnen des höheren Töchter-Instituts im „Bache" ent lassen, zwei weitere traten sofort nach Entdeckung der geheimen Verbindung aus. Die Beteiligung von Damen an dieser Schülerkneipe erregt das größte Befremden. Wie die angestellte Unter suchung ergab, veranstalteten die betreffenden Gymnasiasten und vier „höhere Töchter", nach dem sie sich beim Eisläufen genähert hatten, eine gemeinsame Kneipe in der GeseMchasts- brauerei. Die Gymnasiasten verschickten gedruckte Einladungskarten an ihre „Damen". Diese er schienen auch, wie die ,N. Augsb. Ztg/ be richtet, wurden am Eingang des Lokals von den bereits versammelten „Herren" Gymnasiasten freudig begrüßt und an die Ehrenplätze geführt. Sofort wurde die Leitung der Kneipe von dem Vorsitzenden einer der „Damen" abgetreten, welche diese dankend übernahm. Die Kneipe wird eröffnet. Der Schläger, von zarter „Damsn"-Hand geführt, fällt dröhnend hernieder, die Ehrenpräsidentin spricht: „Man präpariere den Cantus: Ein Hering liebt' eine Auster!" Der Cantus stieg. Kolloquium! Mn kamen die Pfeifen herbei. Sie werden mit Knaster gestopft. Der Vorsitzende überreicht der Ehrenpräsidentin die Präsidialpfeift, die freudig angenommen und vom bereitstehenden Fuchsmajor in Brand gesetzt wurde. Auch die anderen „Damen" erhielten Pfeifchen, nun schmauchten die „Damen" und „Herren". Es wird Silentium geboten. „Man präpariere die drei Cawus: „O Rosenstock, Holderblüh'", ferner: „Das war der Zwerg Perkeo im Heidelberger Schloß" und „Letzte Hose, die mich schmückte". Da wurde die Thür geöffnet und herein trat zum allgemeinen Schrecken der Pedell, der sofort die Namen der Teilnehmer und Teilnehme rinnen feststellte. Der des Doppelraubmordes in Ost haringen verdächtige und deshalb verhaftete früherePortier Oehlmann ausBraunschweig, hat jetzt eingestanden, daß er allein den Oekonomen Fricke und dessen Mutter erschlagen und beraubt hat. Die ermordete Frau war eine Tante des Mörders. Bisher hatte er die Schuld auf einen angeblichen unbekannten Komplicen geschoben. Doppelmord aus Rache. An den Busch- Wärtern Schobert und Kirm ist bei Wiepen- ningken bei Insterburg von Waldarbeitern ein Doppelmord verübt worden. Die Thäter waren den Buschwärtern wegen erstatteter Anzeigen feindselig gesinnt. Die Mörder sind bereits ver haftet. Der Kardinal Maignau, Erzbischof von Tours, wurde am Sonntag vormittag von seinem Diener tot im Bette aufgefunden. Erne Meuterei entstand in einer Kaserne in Kopenhagen. Mehrere Offiziere wurden von Soldaten überfallen und durch Messerstiche ver wundet. Fünf von den Rädelsführern wurden verhaftet. Eine schreckliche Katastrophe hat sich in der Ortschaft Rybaki bei Wilna ereignet. Dort wurde eine Hochzeit gefeiert und drei Wagen mit 27 Hochzeitsgästen aus den benachbarten Ortschaften fuhren, um sich den Weg abzukürzen, über die mit Eis bedeckte Düna; in der Mitte brach das Eis und die Wagen mit sämtlichen Insassen verschwanden in den Fluten. Elf Leichen sind bis jetzt aus dem Wasser gezogen worden. Ende einer „Weltreise". Aus Belgrad wird gemeldet: Der Franzose Gallais aus Bordeaux, der auf seiner Reise um die Welt mit seiner Frau in einem Schubkarren glücklich hier ankam, versuchte sich im hiesigen Park zu erhän gen. Gendarmen schnitten ihn vom Baume ab. Winter in Griechenland Es scheint doch kein ewig blauer Himmel über Hellas zu lachen. Wenigstens meldet der Draht aus Athen vom 18. Januar: In ganz Griechenland herrscht strenger Winter. Hier fällt heute den ganzen Tag Schnee in Massen. Gerichishalle. Leipzig. Ein hiesiger Restaurateur war, um den Besuch seines Lokals zu heben, auf die Idee gekommen, seine Gäste als Mitspieler an 10 Zehntel-Losen der sächsischen Landeslotterie zu beteiligen. Nicht weniger als 11740 Per sonen haben sich in die von ihm angelegten Listen eintragen lassen. Der findige Restaurateur hatte sich vor dem Landgericht wegen Ver anstaltung einer behördlich nicht genehmigten Lotterie zu verantworten. Das Urteil sollte am Donnerstag verkündet werden. Rostock. Das hiesige Landgericht verurteilte nach mehrtägiger Verhandlung den früheren Direktor der Güstrower Viehversicherung, die nach der Zahl der Versicherten die größte Deutsch lands war, aber unter einer enormen Schulden last zusammenbrach, zu sechs Monat Gefängnis. Das Gericht nahm an, daß der Angeklagte Marci vermittelst eines von ihm ausgearbciteten falschen Jahresberichtes mehrfach Personen zum Eintritt in die Gesellschaft bewogen und diese, sofern sie einzeln später zur Deckung der Schulden beitragen mußten, erheblich in ihrem Vermögen geschädigt habe. Gm Klemer Dioudin. Der große Blondin ist bekanntlich auf einem Seil über den Niagarafall gegangen, ein „kleinerer" Berufsgenosse des berühmten Artisten hat dieser Tage in Wien das Kunststück nach zuahmen versucht und zum Schauplatz seines Wagemutes den Donaukanal gewählt. Unter halb der Aspernbrücke vermittelt ein Ueberfuhr- boot, daS an einem über den Kanal gespannten Seil hängt, den Verkehr zwischen Leopoldstadt und Landstraße. Auf diesem Seile spazierte der der 18jährige Seilkünstler Heinrich Pribyl über den Kanal. Eine tausendköpfige Menge sah ihm hierbei zu; anfangs herrschte große Aufregung, da man den tollkühnen jungen Mann für irr sinnig hielt und einen schlechten Ausgang des Wagestücks befürchtete. Pribyl kam gegen halb drei Uhr nachmittags, mit einer langen Balanzierstange ausgerüstet, zu einem der Mast bäume, auf dein das Seil liegt, und kletterte in die Höhe. Sogleich blieben Passanten stehen und sahen dem merkwürdigen Beginnen zu. Der junge Mann hatte die Höhe erreicht. Oben angelangt, entledigte er sich des Rockes, des Hutes, der Fußbekleidung, zog über die Bein kleider eine rote Hose an und stand nun im Akcobatenkostüm da. Eine rote Jacke bedeckte )cn Oberleib, eine bunte Mütze den Kopf. Unter dessen hatten sich Hunderte von Menschen ange- ammelt. Sicherheitswachleute eilten herbei und von allen Seiten schrie man dem Manne zu, er »löge doch herabkommen. Dieser kehrte sich edoch an die Zurufe nicht und machte au? dem Maste allerlei halsbrecherische Kunststücke, die mehr als einmal das Entsetzen der Menge Her vorricfen. Der bei der Aspernbrücke postierte Sicherheitswachmann lief zur stelle und wollte den Tollkühnen durch Gesten zum Abstieg be wegen, doch ohne Erfolg. Der junge Mann zeigte keine Lust, sein Wagestück vorzeitig zu beenden und schickte sich an, mit der Balanzier tange, die er mitgebracht hatte, auf dem Seile über den Donaukanal zu schreiten. Man mußte hu gewähren lasten. Unterdessen hatte die Erregung dec Menge einen hohen Grad er reicht, man rief nach der Feuerwehr und der Rettuugsgesellschaft. Die Feuerwehr kam mit Sprungtuch und Schiebleiter angerastelt, die Rettungsgesellschaft entsendete einen Ambulanz wagen. Die Feuerwehrleute legten die große Dachleiter an den Mast, doch erwiesen sich alle Versuche, dem jungen Mann beizukommen, als rfolgloS. Dieser zeigte verschiedene gymnastische Kunststücke. Er rutschte auf den Händen, machte Bauchwellen und kam schließlich langsam, schritt weise gegen die Mitte deS Kanals. Nun schnitt man das bewegliche Seil, an dem das Ueber- fuhrboot an dem horizontalen Seil befestigt ist, am unteren Ende durch, um dem Manne die Möglich keck zum Abstiege zu bieten. Die Ge legenheit schien dem tollkühnen Kletterer doch zu verlockend, sich mit Grazie aus der Affäre zu ziehen. Er ließ sich an dem Seil herab, wurde im Boote ausgenommen und an das Leopold- städter Ufer gebracht, wo ihn ein Sicherheits wachmann empfing, Ker ihn auf das Kommissariat Leopoldstadt führte. Dort gab der junge Mann an, er sei Seiltänzer von Beruf. In einem Gasthause sei er von Bekannten zu dem Bravour stücke dadurch animiert worden, daß sic ihm ver schiedene Belohnungen in Aussicht stellten, wenn er auf dem Drahtseil über den Donaukanal gehe. Nach Aufnahme eines Protokolls wurde Pribyl in Freiheit gesetzt, doch wurde die Strafamts handlung gegen ihn eingeleitet. Gemeinnütziges. Putzen von Mester« und Gabeln. Das einfachste Büttel, Biester und Gabeln schön rein und glänzend zu machen, besteht darin, daß man eine ungelochte Kartoffel entzweischneidet, sie in feines Ziegelmehl oder Kalkpulver taucht und die Messer und Gabeln damit abreibt. Wattierte Bettdecken zu waschen. Eine wattierte Decke weicht man einen Tag in kaltem Wasser, das man zuweilen erneuert, ein und reinigt dieselbe, wenn der Stand ausgezogen ist, auf einem Tisch mit der Bürste und recht fetter starker Seifenlauge. Ist die Decke allenthalben gründlich abgeseift, so staucht man sie in einem Faß mit Wasser tüchtig aus, spült sie in frischem Wasser, das man mehrmals erneuert, klar, läßt die Decke von zwei Personen trocken auswringen und dann auch glatt ausschlagen. Letz, eres läßt man wiederholen, bevor sie ganz trocken ist. Kupferstiche von Tintenflecken zu reinige». Bist einem in Chlorkalklösung ge tauchten Pinsel wird der Fleck bestrichen, bis die schwarze Farbe rostbraun wird. Hierauf wird der Fleck mit Wasser nachgewaschen und etwas pulverisierte Oxalsäure daraufgestreut. Mit einem andern Pinsel bringt man dann auf die Oxal säure einige Tropfen Salzsäure; dadurch wird der Rostfleck gelblich und verschwindet völlig durch Nachwaschen mit Wasser. Kuntes Allerlei. Der Kaiserstuhl von Goslar spielte vor 25 Jahren bei der Neugestaltung des Deutschen Reiches ebenfalls eine Rolle. Er wurde bei der Eröffnungszeremonie des ersten allgemeinen Deutschen Reichstags im Weißen Saal des Berliner Schlosses als Thronsessel benutzt und stand zu dem Zweck auf der Estrade unter dem Purpurbaldachin als Sitz für den Kaiser und König. Der Stuhl ist eine Arbeit des 11. Jahr hunderts und aus Bronze hergestellt. Er besteht aus einem steinernen Sitz, der an den Seiten mit byzantinisch-romanischen Arabesken und kleinen Säulen verziert ist. Die Rücklchnc in durchbrochener Bronzearbeit steigt fast einen Bieter über den Sitz empor und schließt letzteren auch seitlich ein. Der ganze Stuhl ruht auf vier steinernen Kugeln. Der Kaiserstuhl von Goslar b fand sich jahrhundertelang in dem dortigen Dome, wo er der Zeuge mancher historischen That, ja auch vieler blutigen Fehden gewesen ist. Der Kaiserstuhl von Goslar kam Haler nach Berlin und wurde eiye Hanptzierde )er berühmten Waffensammlung des Prinzen Karl von Preußen, und bei Eröffnung des ersten Deutschen Reichstages kam der alte Sessel der Niedersächsischen Herrscher zum ersten Bial wieder zu Ehren. Immer praktisch. Magd: „Eine höfliche Empfehlung von der gnädigen Frau und sie läßt sich nach dem Befinden des Herrn Biayer erkundigen!" — Frau Biayer: „O, meinem armen Mann geht's recht schlecht, es kann jeden Augenblick ans sein!" — Magd: „Soll ich vielleicht noch ein wenig warten?" Deutlich. Dame: „Nun, Herr Doktor, in welches Seebad soll ich nun mit meinen Töch tern künftiges Jahr gehen?" — Doktor: „Ich würde Ihnen raten, ruhig zu Haufe zu bleiben und es mal mit einem Inserat in der Zeitung zu versuchen." Paul war bei Tonn eingekehrt, wie dies sehr oft geschah, in Gesellschaft einiger Bekannten hatte er ein Glas nach dem andern geleert, so daß er schließlich berauscht zu Hause eintraf. Teresa, die diesen Zustand bei ihm nie vermutet hätte, schob seine Erregung anderen Gründen zu. Es kam nun oft vor, daß Paul ein Glas über den Durst trank, er war dann immer in gereizter Stimmung, und seine Umgebung hatte darunter zu leiden. So begannen schon die ersten Schatten Teresas Lcbenshorizont zu verdunkeln. Paul hatte keine Liebe zur Häuslichkeit, er bedurfte fortwährender Anregung, er befand sich nicht wohl ohne Zerstreuung, und ein ruhiges Dahinleben war ihm ein Greuel; sein Haupt fehler aber bestand in einem grenzenlosen Leicht sinn. Er hätte einer festen Leitung bedurft. Teresa, die nur als echtes Weib fühlte, die ihren Galten nicht beherrschen, sondern zu ihm aufblicken wollte, besaß weder das Verständnis noch die Energie, die eine solche Aufgabe erforderte. Sie wurde nie heftig, nicht einmal erregt, wenn sie auch Ursache hatte, sich über ihn oder die Dienstboten zu kränken Mit ruhigem Gleichmut wies sie letztere zurecht und eine stille Thräne war der einttae Zeuge, wenn Paul chr wehe gethan. ViAicber hätte er es gesehen, sie wäre aufge- fahren und hätte ihm heftig geantwortet; ihr stilles Dulden machte ihn nervös. Er unterschätzte durchaus nicht ihren Rat; tSotüb mußte er ihre Bescheidenheit, ihr ganzes N^senbewu^ es machte ihn ordentlich UerlTA l" °°r kE- Fehler besaß. Er mußte sich zusammennehmen, fortwährend auf sich achten, wenn seine Schwächen ihren Vorzügen gegenüber in keinen zu grellen Kontrast treten sollten; dieser moralische Zwang belästigte ihn. Sein besseres Gefühl flüsterte ihm zu, daß er ihrer nicht würdig sei; darüber empörte sich sein Eigendünkel. Wie alle charakterlosen Men schen, suchte er seine Fehler nicht in sich selber, son dern schob sie den Verhältnissen zu; er redete sich ein, wenn Teresa mehr aus sich herausge treten wäre, sich ihrer keuschen, spröden Hülle entledigt, weniger Engel, mehr Weib gewesen wäre, dann hätten sie sich ganz gefunden. Wanda gegenüber hätte er stets frei aufatmen können, ihr gegenüber hatte er nie das drückende Gefühl gehabt, daß er sich ihr anders zeigen müsse als er war. — Wie das Kind eigensinnig gerade nach dem Spielzeug verlangt, das es nicht haben soll, so hatte er Teresa an sich ge nommen, weil sie ihm begehrenswert erschien und ihr Besitz ihn beglücken sollte, ohne daß er sich die Verpflichtungen, die er damit auf sich nahm, zur Richtschnur feines Leben und Treibens machte. Mit kühner Hand hatte er die fremde Blume in seinen Garten gepflanzt, ohne zu überlegen, ob sie auf diesem Boden gedeihen könne. Sie sollte nur für ihn blühen, aber da es ihm un bequem schien, sich ihrer Pflege zu widmen, so überließ er sie sich selbst. Ihren Duft hatte er genossen, der Rausch, der wie ein Wirbel ihn gefaßt, war verflogen. Mit ihrem sicheren Besitz war der Hauptreiz dahin; noch nahm er sich zusammen und suchte seine Fehler vor ihr zu verbergen. Hatte er sich einmal vergessen und sah dann ein, daß er sie ungerechterweise gekränkt, dann bemühte er sich es wieder durch über triebene Zärtlichkeiten gut zu machen. Wie glück lich war dann Teresa! Sie selbst schalt sich eine undankbare Närrin, war er doch der beste aller Menschen. Gern wäre Teresa manchmal zu ihren allen Bekannten, zu Inspektors hinübergefahren. Welch angenehme Stunden hätte sie in der lieben Familie zubringen können! Doch ihr Mann hatte sich auf eine dahinzielende Bitte so un willig geäußert, daß sie diesen Wunsch aufgab. Mit großer Sehnsucht dachte sie in einsamen Standen an die guten Menschen, was würden sie von ihr denken, daß sie sich so gar nicht bei ihnen sehen ließ? Neulich waren sie alle bei ihrem Hause vorübergefahren, hatten so freund lich zu ihr hingeschaut, ihr so herzlich zugenickt, sie hätte hinausfliegen und sie alle umarmen mögen. Im Städtchen wunderte und ärgerte man sich, daß man die junge Frau vom Mühlenhofe gar nicht zu sehen bekam. Zu gern hätte man erfahren, wie das junge Paar lebte. Unter die Neugierigen zählte Wanda. Ihr Haß gegen Teresa war nicht geschwunden, sie konnte es ihr nicht vergeben, daß sie die Gattin Pauls ge worden, an dem sie noch jetzt in Liebe und Sehnsucht hing. Sie hätte aufgejauchzt, wenn sie die Gewißheit gehabt hätte, Teresa sei nicht glücklich. Unter diesen Umständen war es kein Wunder, daß auch Bossart den ersehnten Herzens frieden nicht fand. War es doch ganz anders gekommen, als er gehofft und Wanda ihm verheißen hatte. Da sie ihre erste Liebe nicht begraben wollte, gab sie sich auch keine Mühe, die Neigung ihres Mamies zu erwerben. Sie war nicht glücklich und zufrieden, warum sollte er es denn sein? So dachte sie in grenzenlosem Egoismus; sie mar geborgen in äußerlich guten Verhältnissen, so viel wie möglich hatte sie aus ihrem Schiff bruch gerettet. Wie sich die seelischen Beziehungen zwischen ihr und dem Gatten gestalten mochten, das war ihr gleichgültig. Es gewährte ihr so gar eine gewisse Genugthuung, ihm diese neue Enttäuschung gebracht zu haben, denn in ihrem Herzen machte sie es ihm wirklich zum Vorwurf, daß nicht er Teresas Neigung erworben. Wie hatte ihr vor dem Spott der Menschen gegraut, mit welcher Verzweiflung hatte der Ge danke sie erfüllt, die Zielscheibe ihrer Witze zu werden und außerdem wieder einer ungewissen, kümmerlichen Zukunft gegenüber zu stehen! Als rettender Engel war Bossart eingetreten, ihr Schutz und Versorgung bietend. Wenn vorerst nicht Neigung, so hätte doch mindestens das Gefühl der Dankbarkeit sie ver anlassen müssen, alles aufzubicten, mit allen ihren Kräften einzutreten, um ihm Vergessenheit zu bringen. Wußte sie doch, daß auch er bittere Enttäuschungen zu verschmerzen hatte. Doch nichts that sie, ihm sein Heim behaglich zu machen; wo war ihre gepriesene Liebe zur Häuslichkeit? Mit Schmerz überzeugte sich Bossard bald, daß sie ihn getäuscht habe, sein erstes Urten über Wanda demnach das richtige gewesen sei. »u, (Fortsetzung jotztO
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