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Allgemeiner Anzeiger : 25.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189601256
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-25
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Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.01.1896
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Politische Rundschau. Deutschland. * Die Kundgebung Kaiser Wilhelms m der Transvaalfrage hat das Gefühl der Stammeszugehörigkeit unter den Nieder ländern mächtig angefacht. Lange zwar schon hatten die Vlamen vom deutschen Kaiser als von „onze eldele Keitzer" (unser edele Kaiser) gesprochen, als aber des Kaisers Telegramm an den Präsidenten Krüger bekannt geworden war, haben die Vlamen durch wiederholte Kund gebungen nach Deutschland ihren freundschaftlichen Gefühlen Ausdruck verliehen. Unter anderem hat der Kaiser aus Antwerpen folgende Draht- buldigung erhalten: „Antwerpener Vlamen ohne Umerschied der politischen Gesinnung und durch die .Vlaamsche Wacht' mit Holländern und Deutschen zu einer Versammlung einberuf.n, drücken Cw. Majestät innigsten Dank aus für de durch das Telegramm an Präsident Krüger den in ihrem unabhängigen Volksbesteuen be drohten und verräterisch überfallenen tapferen Stammes-und Sprachgenossen erwiesene moralische Hilse." * Der große festliche Gedenktag des Deutschen Reiches liegt hinter uns: die Deutschen haben ihn aller Orten und in allen Ländern nach seiner Bedeutung gef iert. Die offizielle Vertretung de; Reiches hat sich bei den Veranstaltungen der deutschen Kolonien im Aus lande überall beteiligt; besondere Meldungen darüber liegen aus Brüssel, Antwerpen, aus Madrid und Konstantinopel, aus Schweden, aus der Schweiz, aus Sofia und aus Italien vor. * Die Anwesenheit dereinzelstaatlichen Minister zur Reichs - Erinncrungsfeier soll zugleich auch benutzt werden, um die Ent scheidung über die Zuckersteuer herbeizu führen. Die Beratungen hierüber im Bundesrat sollten am Montag ihren Anfang nehmen. *Jm Reichsamt des Innern haben in vori ger Woche neue Beratungen über Maßregeln zur Abwehr des Petroleum-Welt monopols begonnen. Sachverständige waren beigezogen und sollen auch ferner aus den Kreisen des Handels und der Industrie gehört werden. Es handelt sich, so viel bekannt ist. um den Plan, durch zolltarifarische Maßregeln das Emporkommen einer inländischen Raffinerie zu begünstigen. * Eine neue Marinevorlage soll, wie man mehrfach hört, von der Reichsregierung ge plant werden. Die Rede des Kaisers bei der Tafel am 18. Januar wurde vielfach als eine Andeutung für die an hoher Stelle empfundene Notwendigkeit der Verstärkung unserer maritimen Kräfte angesehen. Von einer Seite wird sogar behauptet, daß, wenn der Reichstag nicht be- willigensbcreit sei, an eine Auflösung des Reichstages gedacht werden würde. * Den, Reichstage ist eine Zusammenstellung ausländischer Gesetze betr. diebedingteVer- urteilung und amtlicher Mtteilungen über die Anwendung dieser Gesetze vom Reichskanzler übermittelt worden. * Man glaubt, daß die erste Beratung des BürgerlichenGesetzbuches im Plenum dcL Reichstages noch lange Zeit wird auf sich warten lassen müssen, weil die einzelnen Par teien sich ihre Stellung zu diesem schwierigen Werke erst klar machen wollen. Es wird vor Einbringung des Einführungsgesetzes nichts Wesentliches geschehen können. In diesem Einführungsgesetze haben sich die Partikular- starrten gewisse Reservatrechie gesichert. Namentlich bezüglich des Erbrechts glaubt man, daß die Einzelstaaten langbemesscne Uebergangs- perioden durchgesetzt haben. * Der vom Auswärtigen Amte in der An gelegenheit desAssessorsWehlan bestellte Staatsanwalt Legationsrat Rose hat nunmehr gegen das Urteil der Potsdamer Disziplinar kammer die Berufung eingelegt. * Die sächsische Regierung hat den Lehrern verboten, gewerbsmäßig und gegen Entgelt Personen, die nicht zu ihrer Familie ge hören, ärztliche Behandlung zu teil werden zu lassen, auch ist in einer Generalver ordnung der Wunsch ausgedrückt, daß sich Lehrer an Naturheilvereinen nicht beteiligen mögen. * Die Wahlrechtsliga inSachsen, welche gegen die Abänderung des noch geltenden sächsischen Wahlrechts agitieren will, ist auf Grund des Vereins- und Versammluugsrechis aufgelöst worden. Frankreich. *Der der französischen Regierung nahe stehende ,Temps' sagt über die Feier des 18. Januar in Deutschland: „So wenig wir über die ins endlose fortgesetzte Ge denkfeier der preußischen Waffen erfreut waren, so leicht ist es uns, der berechtigten Freude der Deutschen, die heute die Werke der vorigen Generation betrachten, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Frankreich hatte natürlich nicht gerade die Schaffung dieses bedrohlichen Organismus an seinen Grenzen herbeigewünscht. Aber Frank reich, unter aller Reserve bezüglich der Recht mäßigkeit der ihm durch Eroberung entrissenen Provinzen, erkennt nichtsdestoweniger loyal und ohne Hintergedanken die germanische Einheit des Deutschen Reichs an." England. "In London ward" am Montag die Ver handlung über die Berufung des Verteidigers ArtonS gegen den Auslieferungs beschluß beendet. Die Entscheidung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Die englische Justiz verfährt etwas langweilig! Italien. *Auch das gerichtliche Vorgehen gegen Giolitti wegen Hinterziehung amtlicher Dokumente ist nun fallen gelassen worden. Die bekannten „Akten" Giolittis sollen laut Ge richtsbeschluß dem Archive einvcrleibt werden. Und die schweren Vorwürfe gegen Crispi?? *Die Lage der Italiener in Mak alle scheint sich gebessert zu haben. Es wird ge meldet, daß der Negus Menelik an General Baratieri das Verlangen, Frieden zu schließen, gestellt und um die Ernennung von Bevollmächtigten ersucht hat. Das Ver langen ist veranlaßt durch die Schwierigkeiten, die infolge von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Führern der Schoaner, namentlich zwischen Menelik und Makonnen, für die schoanische Armee entstanden sind. Es wird ferner bestätigt, daß die Schoaner bei dem Angriff auf Makake am 11. d. eine sehr große Zahl Unteranführer sowie 500 Tote verloren. Belgien. *Am Congo haben neuerdings wieder Kämpfe der Eingebornen mit belgi ch m Truppen stattgefunden. Nach der Mitteilung eines Congo- Miistonars sollen 15 Belgier gefallen und Hauptmann Lothaire schwer ver wundet sein. Eine amtliche Bestätigung liegt noch nicht vor. TPamev. * Aus dem cubanischen Aufstands gebiet wird berichtet: Auf seinem Marsche in östlicher Richtung wurde Gomez durch den Obersten Pasos an der Grenze von Matanzas angegriffen und geschlagen. Eine andere Insurgenten-Abteilung wurde mit chwerem Verlust bei Charcas geschlagen. Maceo ist noch immer in der Provinz Pinar del Rio. Die Autonomistenführer haben Campos in einem sehr rührenden Abschied gefeiert. Camoos hat sich nach Spanien eingeschifft. Den Ober befehl hat General Weyler (nicht Marin, wie es ursprünglich hieß), übernommen. Balkaustaate«. * In Armenien dauern nach den neueren Nachrichten aus den Vilajets Diarbekir und Khargut die feindseligen Bewegungen der Kur zen gegen die Armenier fort. Infolge- reffen hat Schakir Pascha neuerdings Truppen gegen die Kurdenstämme der Landschaft Dcrsim Zwischen Erzingian und Charput) gesandt. Bei. einem Zusammenstöße mit den Kurden in den letzten Tagen wurden die Truppen genötigt, sich unter Verlust von 35 Toten zurückzuzichen. Die Absendung neuer Truppenteile steht unmittelbar bevor. Afrika. *Aus Johannesburg wird gemeldet: Kommandant Cronje, dem sich s. Z. Dr. Iame - ' o n ergeben hatte, richtete bei der Verabschiedung "einer Leute an dieselben eine Ansprache, in der er sie zu dem errungenen Erfolge und zu ihrer glänzenden Haltung beglückwünschte. Cronje fügte seinem Glückwünsche hinzu, man dürfe nicht glauben, daß mit der Gefangennahme dieser Eindringlinge auch die englische Rasse besiegt worden sei; alle müßten sich anstrengen, gute Beziehungen zu pflegen, und darauf hinarbeiten, daß alle Nationalitäten für das Wohl der Republik mitwirkten. Aus dem Reichstage. Am Montag stand der Staatshaushaltsetat und zwar zunächst der Postetat zur ersten Beratung. Staatssekretär v. Stephan leitete die Debatte ein und betonte die erfreuliche äußere Entwickelung seines Verwaltungszweiges. Referent Abg. Bürklin (nat.- lib.) empfahl namens der Kommission die Annahme einer Resolution, wonach die Annahme und Be stellung gewöhnlicher Pakete an Sonn- und Feier tagen, mit Ausnahme der Weihnachtszeit, vom 18. bis 30. Dezember, auf Eilsendungen beschränkt werden soll. Abg. Singer sprach über die Notlage der Postbeamten. Es beteiligten sich außerdem an der Debatte die Abgg. Schädler, Lingens und Hitze (Zcntr.), Werner (Antis.), Jazdzewsti (Pole) und Frhr. v. Stumm (freikons.). Betreffs der Herabsetzung der Tarife und Tclephongebührcn erklärte der Schatz- sekretär Graf PosadowSki, die Reichsfinanzverwal tung könne den Ausfall an Einnahme, der die Folge einer solchen Herabsetzung sein würde, nicht tragen, ehe dem Reiche nicht andere Finanzquellcn eröffnet wären. Am 21. d. wird die Beratung des Postetats bei dcni Titel „Staatssekretär" (24 000 Mk.) fort gesetzt. Abg. Lcnzmann (frs. Vp.) erkennt an, daß Deutschland dank den Leistungen der Neichspost- vcrwaltung an der Spitze des Weltverkehrs stehe. Der früher jugendliche und thatkräftige General- Postmeister habe Außerordentliches geleistet, als Staatssekretär des Reichspostamts sei er aber ein anderer geworden. Tie Verwaltung sei in eine ge wisse Stagnation geraten. Namentlich in sozial politischer Beziehung geschehe zu wenig für die Beaniten Der Sonntagsdienst könnte zweifellos ganz erheblich mehr beschränkt werden. ' Auf die Gchaltsverbcssernngen für die Beamten sei in den letzten Jahren allerdings etwas mehr verwendet worden, wie in früheren, aber es sei zum Beispiel ganz unverständlich, daß man die Aufrückuugszeit für Landbriesträger erst vom 18. Lebensjahre an datiere, obgleich es genug Landbriefträgcr von 16 Jahren an gebe. Im Telephonwesen sei Deutsch land wesentlich zurückgeblieben hinter Staaten wie Schweden, Norwegen, Dänemark und der Schweiz. Staatssekretär v. Stephan: Das Anfangs- diensialtcr der Landbriefträgcr haben wir auf Grund langjähriger Erfahrung auf achtzehn Jahre fest- gestellt, weil sich jüngere Leute in der Regel als noch nicht widerstandsfähig genug erwiesen haben. Als Aequivaleut für die Leistungen der Eisenbahnen füc die Post bietet die letztere dem Staat die Porto- freiheit, und ich glaube, die ersteren sind damit reichlich ausgeglichen. Herr Lenzmann glaubt, uns dann einen Vorwurf machen zu können, indem er sagt, wir ließen außer acht, daß mit der Ver billigung der Gebühren der Verkehr steige. Das haben wir sehr wohl in Rechnung gezogen, aber er selbst läßt außer acht, daß mit dem steigenden Ver kehr auch die Ausgaben ganz wesentlich anwachsm. Das ist der Fall beim Briesverkehr wie im Telephon- wescn. In der Schweiz hat man daher schon zweimal die ursprünglich zu niedrig angenommenen Gebührensätze erhöhen müssen. Daß mit dem neuen Postzcitungstarif eine Ermäßigung der Gebühren allgemein eintreten werde, kann ich leider nicht in Aussicht stellen, denn der Tarif ist schon sehr billig. Abg. Förster (Antis.) bedauert, daß die Reichs- postverwaltung den Wünschen des Reichstages gegen über viel weniger Entgegenkommen zeige, als andere Ressorts. Herr von Stumm finde das zwar richtig, aber schließlich fasse doch der Reichstag seine Be schlüsse, um damit etwas zu erreichen. Der Reichs schatzsekretär habe den Generalpostmeister mit dem Hinweis auf die Verminderung der Ueberschüsse zu entschuldigen versucht, die die Neichskasse nicht ver tragen könne. Aber zunächst sollten doch die eigenen Bedürfnisse der Verwaltung befriedigt, dann erst Ueberschüsse an die Rcichslasse abgeführt werden. Namentlich wo es sich um Verkehrsverbesserungcn handle, dürfe man nicht auf engherzig finanziellem Standpunkt beharren. Vor allem müsse mehr Fürsorge für die Beamten in sozialpolitischer Beziehung aufgewendet werden; denn Sonntags ruhe und Erholungsurlaub seien doch Dinge, die man als ein wohlerworbenes Recht der Beamten bezeichnen müsse. Geh. Postrat Sydow bemerkt, daß die meisten vom Vorredner vorgcbrachten Punkte bereits früher beantwortet worden seien, er gehe deshalb nicht auf dieselben ein. Der Vorredner habe aber den Wunsch geäußert, daß den Militäranwärtern für die Jnfor- mationszeit eine Vergütung gezahlt werde. Es be stehe hier bereits die Praxis, daß den Militär anwärtern eine Vergütung von 2,50 bis 2,75 Mark gewährt werde; nebenher hätten noch die Bezüge aus der militärischen Stellung fortgedauert. Dadurch sei die Militärverwaltung ungebührlich belastet wor den, und diese Zulagen seien in Fortfall gekommen. Die Postverwaltung habe aber dafür auf die Jnfor- mationszeit verzichtet und sich niit einer Probedienstzeit begnügt, für die obige Vergütung gewährt werde. Abg. Schädler (Zentr.) beantragt folgende Nesolotion: „Den Reichskanzler zu ersuchen, möglichst bald einen Gesetzentwurf zur Umgestaltung des be stehenden Post-Zcitungstarifs dem Reichstage vorzu- iegen, zu diesem Zwecke in eine eingehende Prüfung der von sachverständiger Seite gemachten Vorschläge eintreten zu wollen, jedenfalls aber in dem neuen Post-Zeitungstarif auch das Gewicht der zu beför dernden Zeitungsnummcrn zu berücksichtigen." Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.) bittet, seine Ausführungen nicht mißzuverstehen. Er habe aller dings die Notwendigkeit betont, die Disziplin auf recht zu erhalten, sich aber keineswegs gegen die sozialpolitischen Bestrebungen zu Gunsten der Post beamten ausgesprochen. Abg. Lingens (Zcntr.) bittet, die Interessen der Beamten auch insoweit zu berücksichtigen, daß sie nicht etwa vor den Feiertagen zum Nachtdienst herangezogen werden. Nach weiierer unwesentlicher Debatte schließt die Diskussion. Der Titel „Staatssekretär" wird be willigt, die von der Kommission beantragte Resolution wird mit großer Mehrheit angenommen. Die Ab stimmung über die Resolution Lingens und Schädler wird bis zur dritten Lesung ausgesetzt. Zu Titel 15 tadelt Abg. Werner (Antis.) das Postarchiv; es koste verhältnismäßig viel und werde schlecht redigiert. Unterstaatssekretär Fischer weist die Angriffe auf das Archiv zurück; es diene dazu, alle Geschäfts stellen von den Vorgängen in der Zentrale zu unter richten, wirke daher anregend und belehrend. Bei Titel 21 tritt Abg. Werner für die Ober Postsekretäre ein, die bezüglich ihres Gehalts zu ungünstig gestellt seien; das habe die Postbehörde anerkannt, doch die Finanzverwaltung habe Schwierig keiten gemacht. Zu Titel 22 liegen zwei Anträge vor. Einer des Abgeordneten Werner, der den Zivilanwärtcrn wie den Militäranwärtern die Zulassung zur Sekretär prüfung sichern will, und einer des Abg. Schädler, der dieselbe Vergünstigung für die Zivilanwärtcr unbedingt verlangt, wenn sie das Einjährigen-Zcug- nis besitzen; andernfalls sollen sie sich über ihre Bildung ausweiscn. Unterstaatssekretär Fischer bittet, beide Anträge abzulchnen. Der Antrag Werner sei unausführbar ohne Aenderung der gesamten Beamtenorganisaüon. Vorher müsse man an die allgemeine Gehaltsauf besserung gehen, das sei wichtiger. Der Antrag Schädler rufe dieselben Bedenken hervor. Nach einer längeren Debatte, an der außer den Antragstellern der Abg. Groeber (Ztr.) und der Staatssekretär v. Stephan tcilnahmcn, wurde die Weiterberalung vertagt. Preußischer Kaudtag. Das Herrenhaus überwies am Montag die ein- gegangene Verordnung betr. den Bebauungsplan für das s. Zt. durch Feuer zerstörte Brotterode der Gemeinde-Kommission. Es folgte die Beratung des Gesetzes betr. das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedlungsgütern. Landwirtschaftsminister v. Ham merstein begründete diesen Entwurf und schlug vor, einen Versuch mit der Einführung des Ancrbenrechts zu machen, da es sich hier besonders um die Er haltung eines kleinen leistungsfähigen Besitze? ban delt. Die Vorlage wurde einer Kommission über wiesen. Nächste Sitzung unbestimmt. Auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses stand am Dienstag die erste Beratung des Staats haushalts-Etats. Die Diskussion wurde mit einer fast zweistündigen Rede des Abg. Richter eingeleitct. Er kritisierte den Minister und dessen Politik in sehr scharfer Weise. Namentlich wollte Redner dem Staat keine neuen Mittel zur Kapitalisation geben wegen der Person des Finanzministcrs und angesichts seiner ganzen Vergangenheit. Finanz-Minister Miguel wies die Angriffe des Vorredners zurück. Nachdem noch mehrere Redner sich an der Diskussion beteiligt, wurde die Weiterberatung vertagt. Von Nah und Feen. Eine heikle Frage beschäftigt augenblicklich ne Postbeamten. Bekanntlich find die Aufgabe stempel sämtlicher Postanstaltcn derartig einge richtet, daß darauf die Jahreszahl abgekürzt an gebracht ist, z. B. in diesem Jahre 96. Das wird sich auch ganz gut bis 1899 fortsetzen Auf Umwegen. >1 Original-Roman von Alice v. Hahn. (Fortsetzung.) Paul war oft stundenlang zu Fuß oder zu Wagen fort, und Teresa wußte eigentlich nie, wohin er sich begeben, ob er der Jagd oblag oder in Geschäften auswärts weilte. Es kränkte sie doch, daß er sie so wenig fähig hielt, gewisse Dinge zu verstehen, denn immer wich er ihren Fragen aus, ja ost, wie es sie dünkte, mü einer gewissen Gereiztheit. Es wäre ihr auch lieber gewesen, wenn er sich mehr um die Wirtschaft gekümmert und praktisch mit zugegriffen hätte; es würde ihr Freude gemacht haben, mit ihm gemeinschaftlich alles, was sich um die Wirtschaft, folglich um ihre beiderseitigen Interessen drehte, beratschlagen zu können; er überließ ihr das alles allein. Lies Vertrauen erfüllte sie allerdings mit freu diger Genugthuung, aber sie hätte so gern alles mit ihm geteilt. Jeden Abend gab er dem alten Martin, der Inspektor und Vogt in einer Person war, seine Anweisungen, was den nächsten Tag im Felde oder auf dem Hofe vorgenommen werden sollte, und damit waren seine diesbezüg lichen Geschäfte erledigt. So ruhte denn die Hauptlast der ganzen Einrichtung auf ihren schwachen Schultern, und sie mußte den Tag über sehr emsig sein, wenn sie sich abends mü Befriedigung sagen sollte, es sei alles gut verrichtet worden. Wenn dann wenigstens Paul ihr abends seine Gesellschaft gewidmet hätte! Aber so mußte sie die meisten Abende und ost auch einen Teil der Nacht allein, mit irgend einer Handarbeit beschäftigt, zubringen. Wie schön wären diese Mußestunden! dachte sie seufzend — hätten sie miteinander geplaudert oder ein gutes Buch gelesen. Brachte er aber einen Abend zu Hause zu, dann war er gewöhnlich sehr einsilbig; sie wußte nicht, war er verstimmt oder langweilte er sich. Die Ungewißheit beunruhigte sie; so sehr be haglich Teresa ihm auch alles einrichtete und so viel sie sich auch mühte, ihn durch munteres Plau dern zu fesseln, es gelang ihr nicht. Gleichgültig und mit unterdrücktem Gähnen saß er ihr gegenüber, bis er, Müdigkeit vor schützend, sich zeitig zur Ruhe begab. Sie dachte sich ein gemütliches, gehaltvolles Gespräch als die schönste Unterhaltung zweier sich so nahestehender Menschen. Wie gern hätte sie sich ihm noch inniger so ganz erschlossen und zugleich seinen Charakter studiert! Wie bald hätten sie dann den Weg zu vollkommener gegen seitiger Beglückung gefunden! Oft hatten sie das Gefühl, als stände etwas zwischen ihnen, als sei er nicht ganz offen, als habe er ihr etwas zu verbergen. Sollte er Sorgen haben? Warum saß er oft so nachdenklich da, wes halb war er häufig so unruhig? Namentlich des Abends schien er ihr manchmal außer gewöhnlich erregt; er verließ dann noch spät das Haus und kehrte oft erst nach Stunden zurück, manchmal in Gesellschaft fremder Männer, und in seinem Arbeitszimmer führten sie dann noch im Beisein des alten Martin lange Unter redungen. Fragte sie ihn dann in leicht begreiflicher Neugierde, was dies zu bedeuten habe, dann sah er sie forschend an und gab ihr irgend eine ausweichende Antwort, oder er wies sie ver drießlich ab. Es war die erste Enttäuschung, als sie erkannte, daß ihr Mann gar keine Nei gung für ein gemütliches Familienleben empfand. Selten widmete er ihr ein paar Stunden, und hätte er sie nicht hin und wieder einmal mit den leidenschaftlichsten Liebkosungen über schüttet, dann wäre ihr wohl der Gedanke nahe getreten, seine überschwängliche Liebe sei erkaltet. Daß er seine liebenswürdige Bräutigamsstimmung nach und nach abgestreift, darin hatte sie sich bereits als vernünftige Frau gefunden; aber daß er sie so ganz und gar sich selbst überließ, schien ihr doch ein wenig ungerecht. Sic meinte, wenn er sich eine bestimmte Zeiteinteilung für seine auswärtigen Geschäfte, Jagd u. s. w. machen würde, müßten auch für sie hin und wieder ein paar Stunden abfallen. Einmal hatte sie versucht, ihm in liebevollster Weise Vorstellungen zu machen, doch wollte sie es nie wieder thun, denn sehr ärgerlich hatte er sie abgewiesen. „Das verstehst du nicht," sagte er, „und ich bitte dich ein für allemal, mir in meinen Angelegenheiten freie Hand zu lassen. Mit Bedauern habe ich bemerkt, daß du so gar kein Verständnis für das edle Waidwerk hast und ebensowenig wirst du ja manche andere Ange legenheit begreifen und billigen. Ich habe mich auch schon in den Gedanken cingelebt, daß sich unsere Wege in gewisser Beziehung scheiden müssen; bei unserer verschiedenen Charakter anlage ist dies unbedingt nötig, wenn wir ernst lichen Konflikten ausweichen wollen. Deshalb, mein Kind," fuhr er freundlich fort, als er sah, daß sich ihre Augen mit Thränen füllten, „können wir uns immer lieben, wie wir uns von Anfang an lieb gehabt haben, nicht wahr? In die Ein samkeit mußt du dich jetzt noch fügen, ich habe meine Gründe, vorläufig meinem Hause noch Besuche fern zu halten. — Im übrigen mache dir keinen Kummer, Martin vertritt mich in jeder Weise. Unsere Knechte haben schon in meines Vaters Dienst gestanden und sind alte erprobte Leute, auf die ich mich verlassen kann." „Du kommst mir heute so gereizt vor, lieber Mann," sagte Teresa, als er jetzt schwieg; „habe ich dich so gekränkt, so ist es unbewußt geschehen, und ich bitte dich, sei wieder gut!" Beide Arme schlang sie um seinen Hals, ihn thränenden Auges aublickend. „Laß es gut sein, Kind," sagte er freundlich, „ich werde mich jetzt ein paar Minuten hinlcgen, und den Rest des Abends verbringen wir heute zusammen im Garten." Liebkosend fuhr er mit der Hand über ihren Scheitel und verließ dann das Gemach. Besorgt schaute ihm Teresa nach, — was war ihm nur? — Wie wunderbar, daß er zu so ungewöhnlicher Zeit das Bedürfnis nach Ruhe empfand! Er war doch nie müde, wenn er heim kehrte, — gewiß fühlte er sich unwohl, war doch heut sein Antlitz auch so rot, und seine Augen blickten so unruhig. In Angst folgte sie ihm nach dem Schlaf zimmer, halb entkleidet ruhte er auf dem Sofa und schlummerte. Sie beugte sich über ihn, um seinen Atemzügen zu lauschen, — langsam und regelmäßig hob und senkte sich die Brust, be ruhigt verließ sie leise das Zimmer.
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