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Allgemeiner Anzeiger : 13.01.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191701137
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170113
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-01
- Tag 1917-01-13
-
Monat
1917-01
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.01.1917
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politilcks R-unälckau. Deutschland. * Wie verlautet, sind die zwischen Deutsch land und der Türkei vereinbarten handelspolitischen Verträge, die schon vor einiger Zeit abgeschlossen worden sind, jetzt unterzeichnet worden. Die Neuregelung unserer handelspolitischen Beziehungen zum ottomanischen Reiche ist zum Teil durch die Aushebung der Kapitulationen, zum Teil durch die dem Kriege zu dankende enge Verbindung mit der Türkei notwendig geworden. Die Ver trage umfassen daS ganze große Gebiet der wirtschaftlichen Beziehungen, es mußten daher 20—25 Einzelverträge abgefaßt werden. Ein Teil der Verträge wird wegen seiner besonderen Natur in Konstantinopel unterschrieben werden. Mit der Unterzeichnung dieser Verträge beginnt ein neues, hochbedeutsames Kapitel der deutsch türkischen Beziehungen. *Bald nach Ausbruch des Krieges wurde im gemeinschaftlichen Landtage der Herzogtümer Ko bürg und Gotha der Antrag gestellt, die ausländischen Thronanwärter von der Thronfolge auszuschließen. In der letzten Sitzung machte Präsident Liebetrau nun mehr die Mitteilung: Die Bevölkerung des Landes darf versichert sein, daß der Landtag unablässig bemüht ist, die bedeutungsvolle An gelegenheit deutschem Empfinden entsprechend und imMeiste der Neichsverfassung unter gleich zeitiger Wahrung der schwerwiegenden materiellen Interessen des Landes baldigst der gesetzlichen Erledigung entgegenzuführen. — Von den aus wärtigen Thronanwärtern des weitverzweigten Hauses Koburg kommen in erster Linie die An gehörigen des englischen Königshauses in Frage, welchem der seit 1905 regierende Herzog Karl Eduard entstammt. — Der Antrag bezweckt demgemäß den Ausschluß der englischen Thronanwärter von der Erbfolge in den Herzog tümern Sachsen-Koburg und Gotha. Italic«. * Die Vierverbandstagung in Nom ist beendet. Die Presse verhält sich sehr zurückhaltend. Nur die Tatsache, daß die Blätter, die bisher die Preisgabe der Stellung Sarrails auf dem Balkan als Wahnsinn bezeichneten» einlenken und andeuten, nian könne die be festigten Lager von Saloniki und Valona wohl auch halten, wenn man die übrigen vorge schobenen Stellungen aufgebe, läßt den Schluß zu, daß in der mazedonischen Frage ein Ab kommen getroffen wurde. Die Beunruhigung wegen Brussilows Preisgabe der Serethlinie ist außerordentlich groß. Amerika. *Nach einer Erklärung von zuständiger Stelle hat, entgegen verschiedenen Blätter meldungen, der deutsche Botschafter Graf Bernstorff nicht gesagt, Deutschland sei bereit, eine Entschädigung anBelgien zu zahlen. Graf Bernstorsi hat vielmehr aus drücklich gesagt, daß Deutschland weder für Belgien noch für Nordfrankreich irgend einen Schadenersatz bezahlen werde. ^Vie festung 6alLt2. Durch, die Eroberung von Braila ist der Weg au!^. Galatz von Süden her geöffnet worden, da Braila als Vorwerk von Galatz den Zugang zu dieser Festung im Süden deckt. Die Bedeutung von Galatz als Festung ist ganz un gewöhnlich. Galatz liegt zwischen den Mün dungen des Serelh und des Pruth-Flusses, und zwar von der Mündung des Serelh aus 7>/s Kilometer und von der Mündung des Pruth 153/4 Kilometer. Nördlich von Galatz er streckt sich der ziemlich bedeutende Bratim- See bis ungefähr an das rechte Ufer des Pruth - Flusses. Die Festung bildet den südlichen Eckpfeiler der befestigten Sereth- Liuie und hat auch im Frieden bereits eine starke Besatzung aufzuweisen. Hier befindet sich der Sitz des Kommandierenden Generals des 3. Armeekorps, sowie das Kommando der 5. Territorial-Militär-Division. Außerdem sind hier zwei Regimenter Infanterie und ein Regi ment Kavallerie garnisoniert. Ein Flolten- arsenal und ein Schwimmdock gehören zu den weiteren bedeutsamen Ausrüstungen, die die Bedeutung des Hafens Galatz erhöhen. Von den Festungswerken und von der Ar tillerie-Ausrüstung ist nur wenig Neues zu sagen. Der Festungsgüriel hat eine Länge von ungefähr 15 Kilometer, ist also kleiner als der von Focsani. Die Festungswerke selbst werden voraussichtlich durch Anlage von Feldbefestigungen eins Verstärkung erfahren haben. Die Bedeu tung dieses Platzes kennzeichnet sich am besten durch den großzügigen Ausbau des Verkehrs netzes sowohl zu Lande als auch zu Wafscr. Galatz ist an die zweite große Hanpteisenbahnstrecke der Moldau Buzan-Braila—Barboii—Tecnciu -Verlad—Jassy durch einen Hauptschienenweg angeschlossen, sodaß die Linie Galatz—Barbosi— Tecuciu—Berlad—Jassy hergestellt ist. Außer dem besteht noch eine zweite Verbindung mit dieser Hauptstrecke, die von Galatz aus nach Norden an dein Westuser des Bratisu-Sees entlangsührt und wiederum bei dem bereits ge nannten Verlad den Anschluß an die große Strecke nach Jassy findet. Eine andere Straße führt geradenwegs nach Tecnciu. Ein weiterer Hauptverkehrsweg von Galatz wird von der Donau gebildet, denn Galatz ist, am linken Ufer der Donau gelegen, der Hauplstapelplatz und Haupthafen der unteren Donau-Länder für den gesamten überseeischen Handel und einer der größten Handelsplätze an der Donau Überhaupt. Besonders für Rumänien hat dieser Handels platz eine Bedeutung, der die aller anderen Handelsplätze um ein Bedeutendes übertrifft. Im Frieden sind von hier aus Verbindungen nach Konstantinopel, Odessa, den deutschen, österreichischen, italienischen, englischen, franzö sischen und belgischen Häsen mit ständigem Ver kehr geschaffen. Durch die Lage am Knie der Donau- war Galatz von je her ein heiß be gehrter und heißumstritlener Ort des Balkans, der in der Kriegsgeschichte einen sehr großen Platz einnimmt. In den Kämpfen der Russen mit den Türken fanden hier im November 1769 und im August 1789 große Schlachten statt, von denen die letztere eine schwere Niederlage der Russen be deutete. Am 11. August 179k wurde hier der Borsriehen für den am 9. Januar 1792 ab geschlossenen Hauptfrieden von Jassy erledigt. Im Jahre 1821 spielte Galatz eine bedeutende Rolle in dem Kriege der Griechen mit den Türken, und im Jahre 1828 wiederum im Kriege der Türken mit den Russen, von 1848 bis 1851 war Galatz von den Russen besetzt, ebenso in den Jahren 1853 und 1854, bis im September 1854 die Österreicher hier einrückten, wo sie bis 1857 blieben. Auch im russisch-türkischen Kriege 1877 bis 1878 spielte Galatz eine bedeutende Rolle, da die Russen hier am 22. Juni 1877 die Donau überschritten. * Wie die ,Neue Zürcher Zeitung' aus Jassy erfährt, hat die rumänische Regierung beschlossen, eine General-Umfrage durchzuführen, um die Verantwortlichkeiten für die bisherigen Mißerfolge festzustellen. Eine ganze Anzahl admini ¬ strativer und Militm-Beam ^dcn von ihren Posten enthoben, andere ven Militär gerichten überwiesen. Es ha! sich näm lich heransgestcllt, daß manche Be amte vorzeitig die bedrohten Ortschaften ver- Äeßen und aus diese Weise eine Veiwrruug unter der Bevölkerung verursacht wurde. Ebenso sind Maßnahmen getroffen worden, um die südmoldanischen Städte ordnungsgemäß zu evakuieren. Die Städte Focsani, Galatz, Tecucia (der wichtigste Bahnknotenpuntt der südlichen Moldau) sind von der Bevölkerung geräumt worden. Ebenso sind die Getreidevorräte dieser Ortschaften nach Jassy und Odessa geschafft worden. Da nach Ruß land nur eine direkte Eisenbahnlinie über Jassy—Ungheni—Kischinew zur Verfügung steht, so vollzieht sich die Räumung der Moldau unter großen Schwierigkeiten für die Zivil bevölkerung, die unbeschreibliche Leiden auszu halten hat. verschiedene Uriegsnachrichten. Englands neue Reserven. Der Sondermitarbeiter der .Agence Havas' an der englischen Front weiß zu melden, daß Marschall Haig gegenwärtig für die Operationen in Frankreich über zwei Millionen voll ständig einexerzierts und reichlich mit Munition versehene Mann versüge. In Verbindung mit dieser Meldung wird die folgende von Interesse fein: Zur Einstellung der russischen Juden in das e n glis ch e H e er sind jetzt die Vorbereitungen beendigt. Der Plan der Regierung umfaßt nur die russischen Untertanen, die länger als sünf Jahre in England wohnen. Drei Monate nach ihrer Einstellung in das Heer sollen sie naturalisiert werden. Es sollen besondere Kommissionen eingesetzt werden für diejenigen, die besondere Gründe zur Freilassung vom Dienst zu haben glauben. Die Entscheidung dieser Kommissionen ist endgültig, einen Appell an eine höhere Stelle gibt es nicht. * Menschenmangel in Kanada. Englische Zeitungen melden aus Kanada: Im vergangenen Jahre wurden 178537 Mann in Kanada sür den überseeischen Dienst ange worben. Seit Beginn des Krieges sind 385 955 Mann unter die Waffen getreten. Bekanntlich sollten die kanadischen Truppenverbände im Laufe des vergangenen Jahres auf 500 000 Mann gebracht werden. Dieses Versprechen ist also nicht eingelöst worden. H- Tas Ende der „Militärmacht". Nach holländischen Zeitungsberichten ant wortete der englische Minister Henderson auf die Frage eines amerikanischen Zeitungsmannes, ob die Arbeiterpartei den Krieg fortzusetzen wünsche, oder ob sie sich mit einem durch Unter handlungen zustande gebrachten Frieden be gnügen würde: „Die Arbeiterpartei wird sich mit einem Frieden begnügen, der derExistenz einer großen, durch keine moralischen Er wägungen geleiteten Militärmacht ein Ende macht, wenn das durch Unterhand lungen gesichert werden kann. Die sichersten Bürgschaften sür die Änderung des deutschen Charakters sind Friedensbedingungen, die einer seits nicht von Rache eingegeben sein dürfen, andererseits aber auch deutlich machen müssen, daß Deutschland besiegt worden ist (!), und zwar so, daß es selbst sür deutsche Geschichts schreiber unmöglich sein wird, zu behaupten, daß Deutschland am Anfang des 20. Jahr hunderts seiner Militärkaste zu Dank verpflichtet worden sei. Das internationale Streben nach einer friedlichen Zukunft würde sonst nicht ver wirklicht werden, und die eine oder andere Großmacht würde sich dann vielleicht weigern, einem Friedensverbande, wie er vorgeschlagen worden ist, beizutreten oder sich seinem Be schluß zu fügen." Heftige Kritik des Saloniki-Unter nehmens. über den Wert des Saloniki-Unternehmens, das der französische Ministerpräsident Briand als sein ureigenes Werk bezeichnen kann,! - sind die Vierverbändler immer noch nicht einig. ' i Während ilatienifche und iranzösiiche Blätter für seine Fortsetzung, wenn auch in beschränktem Maßflabe, sind, schreibt die Londoner Mouüng Poß': Der Unterhalt dieics Heeres von einer halben Million Mann, der Transport von Tausenden von Geschützen und ungeheueren Mengen Munition, Proviant und sonstiger Aus rüstungsstücke, namentlich aber der Umstand, daß seit mehr als Jahresfrist außer ordentlich viel Laderaum durch dieses Unternehmen scstgelegt wurde, habe die K 0 sten der Unternehmung am Balkan sür die Verbündeten ungefähr auf die Summe gebracht, die Frankreich 1871 an Deutschland bezahlen mußte. Die Höhe der indirekten Schäden sei überhaupt kaum zu berechnen. Was hätte man vielleicht erzielen können, fragt das Blatt, wenn im Sommer 1916 das Balkanheer nach Frank reich gebracht worden wäre und an der Somme 500 000 Soldaten mehr bereitgestanden hätten? Was sind nun die praktischen Ergebnisse dieser Expedition? Schweigen ist das beste. Die Verbündeten haben im Mittelmeer eine Reihe wertvoller Transportdampfer mit Tausenden von Soldaten, Hilfskreuzern und sonstigen Kriegs schiffen infolge der Transporte nach Saloniki verloren. Das russische k)eer. Das vorbildliche Verhältnis zwischen Vor gesetzten und Untergebenen, zwischen Offizier und Mann, jene gegenseitige Treue bis über den Tod hinaus, die das deutsche Heer unüberwind lich macht und zugleich eines der schönsten Kapitel in der Geschichte dieses Krieges und in der Geschichte der deutschen Einheit bildet, zeigt sich in dieser Weise in keiner der seindlichen Armeen. Am allerwenigsten bei den Russen, bei denen der Gegensatz zwischen dem Osfizierkorps und dem gemeinen Mann durch den Krieg an scheinend erheblich verschärft worden ist. Der armselige, ungebildete, schmutzige Muschik, der nicht weiß, wofür er kämpft, der nur blind den Befehlen zu gehorchen hat, ist weiter nichts als Kanonenfutter, das rücksichtslos hingeopfert werden darf. Unter diesem Gesichtswinkel wird er auch von seinen Vorgesetzten behandelt; und da die Prügelstrafe im russischen Heere noch immer das beliebteste militärische Anreiz- und Erziehungsmittel ist, so liegt es auf der Hand, daß die Leiden des russischen Soldaten sich keineswegs mit den unvermeidlichen Strapazen des Feldzuges erschöpfen. Gefangene Russen sprechen sich oft in bitterster Weise über die Grausamkeit und Härte ihrer Vorgesetzten aus, die sich vielfach in sinnlosem Quälen der ihnen unterstellten Mannschaften äußert. Aus den Tagebuchaufzeichnungen eines im August 1916 gefangenen Soldaten vom 148. Kaspischen Regiment fällt ein grelles Schlaglicht auf die tatsächlichen Zustände im russischen Heer. Es heißt darin u. a.: „Als wir uns in der Reserve im Dorfe D. befanden, nahm das Regime (der Leibeigen schast) sehr verschärfte Form an; sür jedes ge ringfügige Vergehen, wenn z. B. der Soldat zu spät zum Appell kommt oder zu Heizzwecken aus einem Zaun ein Brett entfernt hat, oder ohne Erlaubnis in die Kantine geht, bekommt er Ohrfeigen. Auch die Prügelstrafe mit der Nute ist eine gewöhnliche Erscheinung. Die barbarische Strafe ist durch offiziellen Befehl in allen Truppenteilen angeordnet worden und Wird bei ganz geringfügigen Vergehen in An wendung gebracht. Der schuldige Soldat muß sich vor versammelter Mannschaft hinlegen, er hält 25—50 Rutenhiebe und muß danach sofort zum Exerzieren oder zur Arbeit antreten." über die Behandlung der genesenden Sol daten heißt es in diesen Aufzeichnungen: „Die Vorgesetzten der Rekonvaleszenten-Kommandos behandeln ihre Untergebenen unglaublich roh und unmenschlich, dort, wo der abgehetzte Soldat (der doch den Ehrentitel „Verteidiger des Vater landes" trägt) sich erholen und ausruhen soll, befindet er sich säst auf einer Stufe mit dem Sträfling. Um 7 Uhr morgens beginnt der Dienst auf dem Exerzierplatz und -dauert bis '^12 Uhr, auch bei der größten Hitze. Leute, deren Wunden an den Händen oder Füßen noch nicht zugeheilt sind, liegen auf dem Platze und werden mit In struktions-Unterricht beschäftigt. Zum Kasernen dienst werden alle, auch die Leute mit noch blutenden Wunden, herangezogen. Verbunden werden diese Leute nur alle zwei Tage, so daß die Wunden sich entzünden und vereitern. Wenn dann diese Soldaten zur Untersuchungskom mission kommen, die wöchentlich einmal die Prüfung auf Felddienstfähigkeit vornimmt, wird ihnen vorgeworfen, daß sie absichtlich ihre Wunden offen gehalten hätten. Sie werden mit 10 bis 25 Rutenhieben bestraft und mit dem nächsten Transport an die Front geschickt." An der Wahrheit dieser Aufzeichnungen ist nicht zu zweifeln. Sie ergänzen in wertvoller Weise unsere Auffassung vom Geist des russi schen Heeres und lassen allerdings die ost so tatkräftig verwirklichte Sehnsucht der russischen Soldaten nach der deutschen Gefangenschaft ver ständlich erscheinen. v. L. ^mnerk, 6er Insekt. 1bj Roman von Bruno Wagener. (Fortsetzung.) Krischan hatte die Fäuste vor Arger geballt; aber er hörte nicht auf, dem Alten zuzureden. Borgen sollte er ihm fünfzig Mark, er wollte sie ja zurückgeben; sogar Zinsen wollte er zahlen, zehn vom Hundert den Monat. So viel nahm Frau Hulda bei ihren Geldgeschäften. Doch der Alte schüttelte hartnäckig den Kopf; mochte sich der Junge doch an seine Mutter wenden, Wrnn er durchaus Geld zum Vertrinken br-ruchte. Da kam gerade eben der Krämer Klein- johann durch die Gartentür, und Franz Rick mann schmunzelte, als er mit dem Finger auf ihn wies. Das war so ein kleiner Anbauer, der seinen Laden im Dorfe aufgemacht hafte und mit allem möglichen handelte: mit Kolonial waren und Bier, mit Sirup und Wein, mit Lichtern und Band, mit Knöpfen und Schuhen, mit Großem und Kleinem, aber das Geschäft brachte nichts ein, und dabei hatte der Mann Schulden. Sechshundert Mark hatte ihm Hulda Rick mann geborgt, machte sechzig Mark Zinsen im Jahre, und jedes Jahr sollte er hundert Marl vom Kapital zurückzahlen. Am 1. Oktober war die erste Jahresrate sällig geworden, und Klein- whann hatte nicht zahlen können. Da war er yei Hulda Rickmann schlecht angekommen. Wenn er nicht bis zum Sonntag die hundert Maik tzom Kapital und die fälligen Quartalzinsen und fünf Mark extra sür die Verzögerung oebracht hätte, wollte sie am Montag zum Rechtsanwalt nach Mölln fahren. Was das bedeutete, wußten ihre Schuldner; dann hieß es, die ganze Schuld summe auf einmal zurückzahlen und die Kosten dazu. Und darum lachte Franz Rickmann, als er den Kleinjohann eintreten sah. Der hatte das Geld in der Tasche, und wenn er es sich hätte vom Teufel selbst borgen müsien. Mochte der Krischan zu der Mutter gehen und sich von der Geld geben lassen; sie hatte es ja. Aber Krischan stampfte mit dem Fuß aus, er war im Gesicht grüngelb geworden vor Arger, daß der Alte ihm mit solchen Dummheiten kam. Der wußte doch ganz ge nau, daß die Mutter ihm nichts mehr gab. Jetzt aber war ihm die Geduld gerissen; er mußte Geld haben, denn er hatte den Kumpanen versprochen, nachmittags zum Skatspielen bei Mahnke zu sein. .Gib mir den Schlüffe! her, Vater," sagte er giftig. „Ich weiß ja, wo es liegt und nehme mir's selbst aus dem Kasten. Mache keine langen Sperenzchen, sonst breche ich das Schloß aus. Ich will Geld haben, ich will —" Der Alte rang nach Luft; ihm war todes- angst ums Herz; dem Krischan war ja alles zu zutrauen. Aber er sagte doch: „Du bekommst nichts — nichts — keinen Pfennig." „Den Schlüssel! Gib den Schlüssel her!" kreischte der Bucklige in höchster Wut, und dabei stürzte er sich auf den hilflosen Riesen, der mit schlotternden Gliedern im Lehnstuhl saß und die Hände abwehrend vorstreckte. Nun rangen die beiden um den Schlüffe!, den der Sobn dem Vater ans der Tasche au zerren suchte. Franz Rickmann suchte aus dem Stuhle hochzukommen, und nun gelang es ihm, sich aufzurichten. Da plötzlich fühlte er, wie ihm eine glühend heiße Welle in Hals und Kopf hochschoß. Er sah nichts mehr; schwarz war es vor seinen Augen. Mit lautem Ge polter fiel der Lehnstuhl nm, und neben ihm stürzte die mächtige Gestalt des alten Bauern krachend zu Boden. Krischan stierte sprachlos auf den so plötzlich Dahingestreckten. Hafte er das getan? Oder war es nur ein Schlaganfall? Die Gedanken wirrten ihm wild durchs Gehirn. Er sah alles um sich herum ganz deutlich, und doch war es ihm, als sähe er es wie im Nebel. Da ging gerade der Krämer, der der Mutter Geld ge bracht hafte, durch den Garten und begegnete in der Tür der Frau Meyer, die mit einem Packen ankam. Und dann sah er wieder den Alten regungslos am Boden: und in furcht barer Angst stürzte er zur Tür und schrie: „Mutter! Mutter! Der Vater ist tot!" Die Altenteilerin saß am Tisch im Wohn zimmer und liebkoste.mit ihren Blicken das vor ihr aufgezählte Geld. Ein Hundertmarkschein war es, abgegriffen und schmutzig, und daneben lagen fünf Talerstücke. Hulda Rickmann nahm jedes einzelne in die Hand und sah es an. Dabei schimpfte sie halblaut auf den Kleinjohann; der die fünf Mark nicht gebracht hafte, die sie ihm als Strafe sür die Verzögerung auferlegen wollte. Was war denn das für ein Taler, den sie zuletzt vom Tisch aufnahm? Sie sah ihn mißtrauisch aü. Der war gewiß unecht: denn io einen batte sie noch nie gesehen. Ein lockiger Frauenkopf zierte die Bildseite. Sie las die Umschrift — es war ein Frankfurter Taler. Den legte sie beiseite, um ihn prüfen zu lassen. Und nun wollte sie es wegschließen, das liebe Geld, in die stählerne Kassette, die sie in einem geheimen Fach ihres Schrankes stehen hafte. Da hörte sie das Geschrei: „Tot! Tot!" gellte es in ihren Ohren. Ein Grauen befiel sie, daß sie darüber sogar den Schatz auf dem Tische vergaß. Und nun tönte es wieder von oben herab. „Komm rauf, Mutter! Der Vater ist tot I" Unwillkürlich gehorchte sie dem Rus. Aber die Beine waren ihr wie Blei; sie mußte sich am Geländer der Treppe anhalten, als sie Hinaufstieg. Mit ihren: Packen gestopfter Strümpfe im Arme betrat Frau Meyer das Zimmer gerade, als die Altenteilerin oben angelangt war. Er staunt blickte die Kätnerin sich nm; sie halte doch eben ein Geschrei gehört, und nun war niemand hier. Ihren Packen legte sie ani den Tisch und setzte sich dann am einen Stuhl an der Wand, um zu warten, bi? s^macko kam. Eine kleine Weile saß sie da und sah aus ihre im Schoß gefalteten Hände. Dann fing sie an, sich im Zimmer nmzusehen. Da siel ihr Blick auf das Geld auf dem Tisch. Es dnrchiuhc sie ordentlich. Ach, halten die Leuts viel Geld! Sie mußte Hinblicken, mochte sie wollen oder nicht. Endlich hielt sie es nicht mehr ans und stand auf. Auf den Zehen schlich sie an den Tisch heran und stierte auf das Geld. Tann tippte sie mit dem kleinen Finger auf den blauen Schein. Wer den sein eigen nannte! Und dann die Taler! Sie sah sich scheu um.
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