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Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191701065
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19170106
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170106
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-01
- Tag 1917-01-06
-
Monat
1917-01
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1917
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Oer Vierverbanä ledm ab! Nach langem Zögern hat nunmehr der Vier verband (nach Pariser Meldungen) die Antwort auf das Friedensangebot der Mittelmächte er teilt. Das Dokument, das eine runde Ab lehnung der Vierbundvorschläge darstellt, ist unterzeichnet von den Negierungen Belgiens, Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, Montenegros, Portugals, Rumäniens, Russ lands und Serbiens. In der Note heißt es u. a. Bor jeder Antwort halten sich die Verbündeten Mächte für verpflichtet, gegen die beiden wesentlichen Behauptungen der Note der feindlichen Staaten Ein spruch zu erheben, die auf die Ver bündeten die Verantwortung für den Krieg abwälzen wollen und die den Sieg der Zcntralmächte verkünden. Nach dem Deutschland seine Verpflichtungen verletzt hat, kann der von ihm gebrochene Friede nicht auf sein Wort gegründet werden. Eine Anregung ohne Be dingungen für Erösfmmg der Ver handlungen ist kein rr cd en s a n g c - bot. Dieser angebliche Vorschlag, der jeden greifbaren Inhaltes und jeder Ge nauigkeit entbehrend durch die kaiserliche Regierung in Umlauf gesetzt wurde, er scheint weniger als ein Friedensangebot denn als ei» Kri e g s m an ö v er. Er beruht auf der systematischen Verkennung des Charakters des Streites in der Ver gangenheit, in der Gegenwart und »n der Zukunft. Es wird dann der Nachweis versucht, daß Deutschland im Haag (gelegentlich der Friedenskonferenz) die Abrüstung ver hindert und daß Österreich-Ungarn 1914 durch seine Note an Serbien den Krieg veranlaßt habe. Es heißt dann weiter: Belgien wurde durch ein Reich über fallen, das seine Neutralität gewährleistet hatte, und das sich nicht scheute, selbst zu erkläre», daß Verträge „Fetzen Papier" wären und daß Ftot kein Gebot" kennt. Für die Gegenwart stützt sich das Anerbieten Deutschlands auf eine aus schließlich europäische „Kriegskarte", die nur den äußeren und vorübergehenden Schein der Lage und nicht die wirkliche Stärke der Gegner aus drückt. Ein Friede, der unter solchen Voraus setzungen geschlossen wird, würde einzig den An greifern zum Vorteil gereichen, die geglaubt hatten, ihr Ziel in 2 Monaten erreiche» zu können und nun nach 2 Jahren bemerkte», daß sie es niemals erreichen werden. In Wirklichkeit ist die durch die Zentralmächte gemachte Eröffnung weiter nichts als ein wohlberechneter Versuch auf die Entwicklung des Krieges einzuwirken und zum Schluffe einen deutschen Frieden aiifzunötigen. Sie beabsichtigt, die öffentliche Meinung in den Verbündeten Ländern zu verwirren. Diese Meinung hat aber trotz aller Opfer schon mit bewundernswerter Festigkeit geantwortet und die Hohlheit der feindlichen'Erklärung ins Licht gestellt. Sie will die öffentliche Meinung Deutsch lands und seiner Verbündeten stärken, die schwer geprüft sind schon durch ihre Verluste, zermürbt durch die wirtschaftliche Not und zusammenge brochen unter der äußersten Anstrengung, die von ihren Völkern verlangt wird. In voller Erkenntnis der Schwere, aber auch der Notwendigkeiten der Stunde lehnen es die alliierten Re gierungen, die unter sich eng ver bunden und in voller Übereinstimmung mit ihren Völkern sind, ab, sich mit einem Vorschläge ohne Aufrichtigkeit und ohne Bedeutung zn befassen. Sie ver sichern noch einmal, das? ein Friede nicht m ög- lich ist, solange sie nicht die Gewähr haben, für Wiederherstellung der verletzten Rechte und Freiheiten, für die Anerkennung des Grundgesetzes der Nationalitäten und der freien Existenz der kleinen Staaten, solange sie nicht sicher sind einer Rege lung, die geeignet ist, endgültig die Ur sachen zn beseitigen, die seit langem die Völker bedroht haben, und die einzig wirklichen Bürgschaften für die Siche rung der Welt zu geben. I Die verbündeten Mächte halten darauf, zum Schluß die folgenden Beirachtungen anzustellen, die die eigentümliche Lage hervorheben sollen, in der sich' Belgien nach 2 V2 jährigem Kriege befindet. Die belgische Regierung hält es für notwendig, genau den Zweck aus einanderzusetzen, weshalb Belgien niemals auf gehört hat, in de» Kampf an der Seite der Vierverbandsmächte für die Sache des Rechts und der Gerechtigkeit einzutreten. Es hat zu den Waffen gegriffen, um seins Un abhängigkeit und seine Neutralität zu verteidigen, die durch Deutschland verletzt worden sind, und um seinen internationalen Verpflichtungen treu zu bleiben. Aw 4. August hat der Reichs kanzler im Reicbstage anerkannt, daß dieser Angriff ein Unrecht gegen das Völkerrecht sei und hat sich im Namen Deutschlands verpflichtet, es wieder gut zu machen. Seit 2Vs Jahren hat sich diese Ungerechtigkeit grausam verschärft durch die Kriegsmaßnahmen und eine Besetzung, welche die Hilfsmittel des Landes erschöpft, seine Industrien zugrunde richtet, seine Städte und Dörfer zerstört und die Niedermetzelungeu, die Hinrichtungen und die Einkerkerungen häuft. Und in dem Augenblick, in dem Deutschland zur Welt von Frieden und von Menschlichkeit spricht, sührt es belgische Bürger zu Tausenden weg und bringt sie in Sklaverei. Belgien hat vor dem Kriege nur danach gestrebt, in gutem Einvernehmen mit alle» seinen Nachbarn zu leben. Sein König und seine Regierung haben nur ein Ziel: Die Wiederherstellung des Friedens und des Rechtes. Aber sie wollen nur einen Frieden haben, der ihrem Lande berechtigte Wiedergutmachungen, Garantien und Sicherheiten für die Zukunft verbürgen würde. verschiedene ttriegsnachrichten. Grosze Erfolge im V-Boot-Kreuzerkrieg. Insgesamt hatte die norwegische Handels flotte am Jahresschlüsse einen Gesamt- verlust von 272 Schiffen mit einer Ge samttonnage von 367 000 Tonnen und einer Kriegsversicherungssumme von 200 Millionen Kronen zn verzeichnen. Nach den Berichten neutraler Blätter nimmt die Tätigkeit der deutschen II-Boote in allen Gewässern unheimlich zu. Das französische Panzerschiff „Gaulois" torpediert. Nach der.Kölnischen Zeitung' gibt das fran zösische Marineministerium bekannt: Das Panzerschiff „Gaulois" ist am 27. De zember im Mittelmeer von einem Unter seeboot torpediert worden. — Den „Gaulois", der bereits am 18. März 1915 beim Angriff auf die Dardanellen durch Artillerie- seuer schwer beschädigt worden war, hat nun sein Schicksal ereilt. Er war 1896 vom Stapel gelaufen und hatte eine Wasserverdrängung von il 300 Tonnen. Seine Geschwindigkeit betrug 18,2 Seemeilen. Die Besatzung, die angeblich bis auf wenige Mann gerettet worden ist, war 571 Mann stark. * Der Ring um die russischen Stellungen. Der frontale Angriff der verbündeten Armeen gegen die Sereth-Linie ist in vollem Gange. Während die 9. Armee ihren Angriff weiter auf den westlichen Flügel dieser Stellung richtet, sucht die Donau-Armee den östlichen Stützpunkt Braila in ihre Gewalt zu bekommen. Gleichzeitig operiert die Dobrudscha- Armee gegen die Brückenkopfstellung von Maci», das durch dis Donau von Braila getrennt ist. Auch auf dem linken Donauufer vollziehen sich die Dinge in völliger Übereinstimmung mit dem Heeresplane der Verbündeten. Hier ist der linke Angriffsflügel der Armee Falkenhahn am weitesten fortgeschritten, denn er steht mittwegs zwischen Rimnicul-Sarat und Focsani. Daß der östliche Flügel etwas zurückgeblieben ist, er klärt sich daraus, daß die Donauarmee in dem Brückenkopf Braila einen Widerstand findet, der nicht so ohne weiteres zu überwinden ist. Immerhin ist es gelungen, den Feind hier schon in chen eigentlichen Brückenkopf einzu zwängen, so daß der Angriff gegen die Linie Braila—Focsani nunmehr als tatsächlich ein geleitet zu gelten hat. * Cadorna geht! Amsterdamer Blätter melden aus London, daßCad 0 rna, der italienische Generalissimus, demnächst den Oberbefehl werde an General Porro abtreten müssen. Die Stellung des italienischen Oberbefehlshabers galt schon lange als erichüttcrt. Die verschwinden den Ergebnisse der zahllosen blutigen italienischen Offensiven wurden in Italien immer häufiger auf die mangelnde Befähigung und Energie der Obersten Leitung zurückgesührt. AlS Gegner jedweder Ver sendung italienischer Trnppen an andere Stellen der „Einheitsfront", namentlich nach dem Westen, hatte er überdies mit starken französischen und englischen Gegnerschaften zu kämpfen. In letzter Zeit überwarf sich auch Cadorna mit dem Herzog von Aosta rind mit dem Parlamentskommissar für die Armee, dem Minister Bissolati, dein er den Aufenthalt an her Front verbot. General Porro war bisher stellver tretender Chef des Generalslabes. 8ee- unct Luftkrieg 1916. Dos vergangene Kriegsfahr brachte uns auf dem Gebiete des Seekrieges eine ungeahnte und nie für möglich gehaltene Entwicklung aller Waffen. Besonders das V-Boot der deutschen Marine hat eine Leistungsfähigkeit gezeigt, die alle Erwartungen, die man an diese Waffe ge knüpft hatte, weit hinter sich ließ. Sowohl im Aktionsradius wie in der Kampfkraft hat es eine, unseren Feinden bedrohliche Stärke er langt. Durch die Vergrößerung des Raum inhaltes und der Maschinen sowie durch die Verbesserung aller Einrichtungen ist die Mög lichkeit geschaffen worden, daß unsere lll-Boote zwei Monate lang unterwegs sein können, ohne auf Versorgung mit Lebensmitteln oder Brenn material angewiesen zu sein. So kam es, daß unsere H-Boote auch in den entferntesten Ge wässern plötzlich drohend erschienen und den überraschten Feind angriffen. Im Oktober dieses Jahres wurde die Welt mit der Mitteilung überrascht, daß unsere II- Boote bereits in den amerikanischen Gewässern erschienen sind und dort ihre Tätigkeit zum Nutzen unseres Heeres und unseres Vaterlandes ausübten. Von dem Unternehmungsgeist unserer lo-Boots-Kommandanten zeugt die Tatsache, daß es gar nicht mehr als eine seltene Erscheinung betrachtet wird, wenn ein einziges V-Vost mehr als 200 000 Tonnen feindlicher Schiffe versenkt. Die erfolgten Auszeichnungen mehrerer V-Boot- Kommandanten durch den Orden „Lour Io wörits" sind dasür beredtes Zeugnis. Bei dieser erfolgreichen Tätigkeit, die sich in der Hauptsacke gegen die allein auf den Seeverkehr angewiesene englische Insel richtet, war es nur eine Frage von Zeit, wann England diese scharfe Blockade am eigenen Leibe spüren und vor der Hungerczefahr stehen müßte. Noch vor wenigen Monaten sprachen die englischen Staatsmänner in übermütigem höhni schen Tone, jetzt aber spricht aus jedem ihrer Worte Angst und Besorgnis, denn das Hunger gespenst hat bereits drohend sein Haupt über Entstand erhoben. So stellt sich diese Klein arbeit unserer O-Boote als eine gewaltige und einheitliche Leistung dar, die auf den Verlauf des Krieges den erheblichsten Einfluß zu ge winnen berufen ist. Unser O-Boot hat den Engländern die angebliche Beherrschung des Meeres entrissen. Zu dieser kriegerischen Tätigkeit gesellte sich noch im letzten Jahre eine gewaltige handels politische Tätigkeit unseres Handels-II-Bootes „Deutschland". Noch ist es in aller Erinne rung, mit welchem Erstaunen die erste Fahrt der'„Deutschland" nach Amerika von der ganzen Welt ausgenommen wurde. Inzwischen hat sie bereits die zweite Fahrt zurückgelegt und ist glücklich Anfang Dezember in Bremen gelandet. Die Regelmäßigkeit der Fahrten hat bereits dazu gefühlt, daß die Einrichtung von Tauch- Lootbriefen nach Amerika getroffen werden konnte, durch die der englische Postranb mit größtem Erfolg bekämpft wird. Das Jahr'1916 hat aber seine größte ge schichtliche Bedeutung durch den Zusammenstoß der Hauptstreitkräfte der deutschen und englischen Flotte erhalten. Zum ersten Male hat die deutsche Flotte Gelegenheit gehabt, der viel- gerühmten und gewaltigen englischen Flotte gegenüberzustehen, die von der Welt als die Beherrscherin des Meeres angesehen wurde. Ohne Rücksicht auf den Größenunterschied stellte der deutsche Admiral die englische Flotte beim Skagerrak zum Kampfe. Die näheren Einzel heiten dieser größten Seeschlacht der Welt sind genugsam geschildert worden, so düß sich jetzt ein Eingehen auf den Verlauf der Schlacht er übrigt. Von ewig denkwürdiger Bedeutung bleibt die Tatsache, daß die große englische Flotte von der viel kleineren deutschen ent scheidend geschlagen wurde und unter ungeheuren Verlusten den Rückzug antreten mußte. Der Eindruck, den unser Sieg hervorrief, war in der ganzen Welt gewaltig. Auch in England herrschte auf den Bericht des Admirals Jellicoe hin Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Erst später besann man sich darauf, daß Englands Flotte nicht geschlagen werden dürste und erfand eine Darstellung, welche von einem englischen Siege zu erzählen wußte. Aber weder in England noch in der übrigen Welt ließ sich ein Mensch von diesem Märchen täuschen. Tatsächlich mußte auch Admiral Jellicoe als Opfer dieses eigentümlichen Sieges seinen Abschied nehmen und an seine Steile trat Vizeadmiral Beattie. Seit den Wunden vom Skagerrak hat Englands Flotte es nicht wieder gewagt, den Schutz der Häfen zn verlassen und sich erneut zn einem Kampf mit der angeblich geschlagenen deutschen Flotte zu stellen, welche ruhmgekrönt und erfolgreich bis heut in nicht zu unterschätzender Prisen arbeit die deutsche Küste geschützt hat. Der Luftkrieg im Jahre 1916 hat den gleichen Siegeslauf genommen wie der Krieg zu Lande und zu Wasser. Noch immer sind unsere starren Lustkreuzer die unumschränkten Beherrscher der Lüfte und haben auf vielen Fahrten nach England Schrecken und Verderben gebracht. Unsere Flugzeuge haben bisher säst 500 feindliche Flugzeuge abgeschossen und selbst kaum den fünften Teil der feindlichen Verluste erlitten. Auch hier zeigt sich eine erfolgreiche Kleinarbeit, die zusammengefaßt zu einer großen Leistung wird. Armälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat anläßlich seines Besuches in Dresden durch ein Handschreiben den Köirig von Sachsen gebeten, die Ab zeichen des Ordens Uour Io inörito anzulegen. In dem kaiserlichen Handschreiben wird die zähe Tapferkeit und hingebende Treue der sächsischen Truppen rühmend hervorgehoben. * Entgegen den immer wieder austauchenden Gerüchten, daß die Einführung einer Z w a n gs ma s s en s p eis un g bevorsteheoder erwogen werde, wird von amtlicher Seite er klärt: Im Ausschuß für Massenspeisung des Beirats des Kriegsernährungsamts ist über die Frage zwar eingehend verhandelt worden, die Zwangsspeisung aber wurde verworfen. Jedoch sind die Bundesregierungen veranlaßt worden, dafür zu sorgen, daß die Gemeinden, wo ein Bedürfnis vorliegt oder im Lause des Winters eintreten kann, sofort Einrichtungen für Massen- fpeisung (Kriegsküchen), soweit solche nicht vor handen, treffen. Frankreich. *Wie aus unterrichteten Kreisen gemeldet wird, soll die ablehnende Antwort des Vierverbandes auf Wilsons Note in den nächsten Tagen überreicht werden. Sie soll von außergewöhnlichem Umfang und außergewöhn licher Bedeutung sein und bisher unveröffent lichte Darlegungen über die Pläne des Vier verbandes enthalten. Ruft land. * Wie die Petersburger Blätter melden, wird binnen kurzem ein kaiserlicher Erlaß er scheinen, in dem die zukünftige Gestalt eines wiedervereinigten Polens festgelegt wird in Übereinstimmung mit der Proklamation des Großfürsten Nikolaus und den jüngsten Er klärungen der russischen Negierung. Das laufende Feuilleton wird durch folgende Erzählung unterbrochen: Cm Mttagessen. Skizze von F. Wilde.*) „So," sagte Frau Steuerinspektor Sophie Erdmann und strich an ihrem schwarzseidenen Tändelschürzchen herab. „Nun kann Monsieur kommen, ich bin bereit I" Sie hatte auf dem Fenstertritt im bequemen Sessel Platz genommen und legte die arbeits- kamen Hände, die so selten müßig waren, taten los in ihren Schoß. Um ihren frischen Mund spielte ein geheimnisvolles Lächeln. „Ja, ja, mein lieber Herr Registrator," murmelte sie, den Kopf hin und her wiegend, „mein lieber Herr Eduard Beyer, das hätten Sie sich wohl nicht träumen lassen, bei Frau Steuerinspektor zum Mittagessen eingeladen zu werden; bei Frau Sophie, deren Kochkunst als unerreicht gilt l Obgleich die wohlhabende Witwe kaum vierzig Jahre zählt und seit zehn Jahren ehrbar und allein durch das Leben schreitet." — Nun sollte die Welt ahnen, daß jene Frau Sophie auf Freiersfüßen geht, einem männlichen Wesen ihre strengverschlossenen Räume öffnet, noch dazu einem Manne, der für den hart gesottensten Junggesellen verschrieen war. Drei Jahre zählte der Junggeselle nun schon zu Frau Sophies Hausbewohnern, und immer hatte sie im stillen gehofft, er würde auf all ihre liebenswerten Bemühungen eine Erwiderung finden. Sie hatte längst das Alleiuleben satt. Ein Ehegemahl aus guten, soliden Beamtenkreisen h Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. wäre ihr eben recht. Das paßte ans Herrn Registrator Eduard Beyer, und deshalb be trachtete sie ihn bereits als ihren Zukünftigen. — Aber die Zeit verstrich. Erfolglos und unge nützt I — Frau Steuerinspektor mußte also selbst zur Attacke schreiten. Sie schrieb ihm auf ein ver schwiegenes Kärtchen: „Kommen Sie am Sonntag zu Tisch. Es wird Ihr Lieblingsmahl angerichtet I" Die heiratslustige Witwe kannte die Schwächen des „herrlichen Geschlechts". Sie wußte, die Liebe des Mannes geht durch den Magen l Draußen hatte es geschellt. Frau Sophie Erdmann eilte in die Küche. Meta öffnete und nötigte den Gast in die „gute Stube". Herr Eduard Beyer war von untersetzter Statur mit einem runden Bäuchelchen, rundem Kopf, runden Augen und ebenso kreisrunder Glatze. Im ganzen keine Schönheit! Aber, er verstand es, sich zu kleiden. Und nun huschte ihm plötzlich eine heiratslustige Witwe über den Weg. — Natürlich währte es gar nicht lange, so begann man ihn mit der liebebedürstigen Haus wirtin zu necken, es half ihm nicht, auch wenn er beschwor, nie zu heiraten, da er nun einmal den Anschluß verpaßt Habs. Und nun stand er hier in der „guten Stube" der liebreichen Witwe. Sie wollte dem ein samen Junggesellen, der zu dem faden Kneipen essen bestimmt war, auch mal einen guten Tag bereiten. Da trat die Hausfrau ins Zimmer. Sie hatte sich sehr schmuck gemacht mit der bronzefarbenen Taffetbluse, der man es ansah, daß sie eben erst aus der Hand der Schneiderin kam. „Ich freue mich, daß Sie mir keine Absage gesandt haben, werter Herr Registrator," sprach Frau Steuerinspektor zuerst und legte ihre kleine, mollige Hand in feine ausgestreckte Rechte. „Wer könnte einer so lockenden Einladung widerstehen," entgegnete Herr Eduard Beyer und atmete mit einem wahren Wonnegefühl den Bratenduft ein, der von der Küche herein drang. Frau Erdmann öffnete die Tür zum Eß zimmer. Da stand in der Mitte des — mit glänzen dem Damast, schwerem Silber und echtem Por zellan gedeckten Tisches — der bedeutungsvolle Gänsebraten. Knusprig von Bräune und lecker von Wohlbeleibtheit, und neben ihr leuchtete der saftige Rotkohl, lachten die weißen Kar toffeln. Frau Sophie Erdmann hatte den Braten geschickt Zerlegt, und nun konnte man zur Tat übergehen. Für die nächsten Minuten herrschte großes Schweigen. — Die Hausfrau füllte die Gläser mit dem alten, schweren Rotwein und beobachtete ihren Gast mit triumphierendem Lächeln. „Sicher würde ihr Plan glücken I" Endlich, als das Schweigen zu lange an dauerte, begann die hoffnungsvolle Witwe, die Augen nicht von ihrem Teller erhebend: „Haben Sie sich nicht gewundert, Herr Registrator, daß ich Sie so ohne weiteres zu Tisch geladen 2" Der Gefragte kaute gerade an einem knusprigen Bissen und konnte einstweilen keine Antwort finden. Erst als er sich mit der Ser viette über den Mund gefahren, erwiderte er: „Gestellt habe ich mich, riesig gestellt! Ich sagte mir, die Frau Steuerinspektor ist eine Frau, die in die Welt paßt. Erstens, weil sie sich über den engen Horizont der Kleinstädter hinweg schwingt und zweitens, weil sie für einen einsamen Junggesellen Mitleid empfindet; also ein gutes Herz hat!" „Sie sind nun schon drei Jahre mein treuer Mieter, Herr Registrator, und da dachte ich, solche Treue muß man lohnen! Ich weiß ja, wie's mit der Esserei in den Restaurants be stellt ist!" Herr Beyer verzerrte das Gesicht. „Scheußlich, scheußlich l" „Sehen Sie, aber daran sind sie selbst schuld, die Männer, meine ich. Warum streike» sie alle gegen die Heirat?" Den Männern fehlt nur die Courage, das ist das Ganze. Sie fürchten, das liebe „Ich" in irgend einer Weise be schränken zu müssen. Sie sind grenzenlose Egoisten allesamt." Sie schloß mit einem tiefem Atemzuge und harrte einer Erwiderung. Aber — es kam keine. Schweigend sah er auf den Teller vor sich hin, es »schien, als quälten ihn bange Zweifel: „geht's noch, oder geht's nicht mehr mit einer Schlußauflage?" Dann murmelte Herr Beyer ganz geknickt vor sich hin, „es geht beim besten Willen nicht mehr! Eine gebratene Gans ist eine gute Gabe — indes — man soll sie nicht mißbrauchen I"
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