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Sächsische Elbzeitung : 27.03.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-192003274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19200327
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19200327
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-03
- Tag 1920-03-27
-
Monat
1920-03
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 27.03.1920
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Aewyort nach dem Kriege. (Momentaufnahmen.) Vergnügung-slntlim — Schanstllelerstrell — Souren des Krieges — Armee-Werbeplakate — Cilpquartier — Börsenleben — Ver- stböncnmgeii — Wohnungsfrage — Militarismus. Wahrend des Vormittags konzentriert sich der ganze Verkehr in Newyork auf die grossen Geschäftszentren der Stadt. Aber des Abends liegen diese öde und still, und dann zieht sich das Lebe» in die Stadtteile, wo sich die groben Vcrgnügungsctablissements befinden. Die Theater, grohen Restaurants und Tanzpaläste befinden sich fast alle am Broadwnl) In der Nähe der 4b. Strasse. Es wimmelt geradezu von Menschen und Automobilen an diesen Ver« gnägungsstätten, und dieses Gewühl wird von Millionen elektrischer Flammen, die in allen Farben erstrahlen, erhellt. Alles ist fortgesetzt in Bewegung und die Farben wechseln und bieten einen Hexcntraum in einer wilden Illumination dar. Beleuchtet von diesem Lichtwirrwarr bewegt sich die kosmopolitische Bevölkerung Newyorks und strömt in die Theater und Restaurants, aus denen wilde Tanzmusik heraus» schallt. Fast an jeder Ecke der Strabe steht auf einer Er höhung ein Stuhl und unter Begleitung primitiver Musik reden von dort Slrabenrcdner die Menge an. Man spricht über Politik, Religion und alle nur denkbaren Themen. Vor kurzem ging es ain Broadway des Abends äuberst lebhaft zu. Da hatten nämlich die Schauspieler und Schau spielerinnen gestreikt. Der Streik dauerte über einen Monat, und während dieser Zeit promenierten die Streikenden und ganz besonders die jugendlichen Chordamen und Tänzerinnen auf den Straften rings um die Theater umher und ver« ' suchten das Publikum zu bewegen, die wenigen Theater, die noch spielten, zu boykottieren. Ja, die Streikenden eröffneten sogar ein eigenes Theater, und vor Beginn der Vorstellung erschien ein Redner auf der Szene und hielt eine Agitallons- rede für den Streik, während die ganze Bühne von Schau spielern und Schauspielerinnen erfüllt war, die auf den Knien lagen und ihre Hände betend in die Luft streckten. Hier und da begegnet man auf den Straffen noch Spuren des Krieges. So steht an der fünften Avenue noch ein stattlicher Triumphbogen am Broadway ein Tank und einige eroberte Kanonen und eine deutsche Gulaschkanone mit der höhnischen Inschrift: Ein Geschenk des Kaisers. Sonst hat man in Ncwyork für den Krieg kein Interesse mehr. Man hört selten vün sprechen, und höchstens im Senat und in den Zeitungen beschäftigt man sich noch mit Wilson und seiner „Völkerliga". Die grosse Allgemeinheit hingegen hat jedes Interesse dafür verloren, überall auf den Straffen sieht man jetzt wieder Werbeplakate für die Armee und für die Marine, und nichts scheint auf ver minderte Rüstungen HInzudcutcn, was ja wiederum gänzlich im Gegensatz zu den Ideen des Völkerbundes steht. Die Schwierigkeiten für Armee und Flotte, Mannschaften zu er halten, sind geradezu ungeheuer. Denn den amerikanischen demokratischen Freihcltsbegriffen entspricht es nicht, in das Gefängnis der Disziplin zu wandern. Während des Krieges haben die Amerikaner dasselbe als ein notwendiges Übel hingcnommcn, und einmal aus den Milltürkleidern heraus- gcklettert, wollen die Amerikaner nicht mehr hinein, trotz allen Entzückens, das die Amerikanerinnen für den Khaki geäuffert haben. Newyorks Cityguartier bietet zwischen zwölf und zwei Uhr mittags einen eigentümlichen Anblick. Dann sind nämlich alle männlichen und weiblichen Kontoristen auf der Straffe, »m frische Luft zu schnappen und in der Broadstrect findet sich das mildeste Börsenleben auf der Straffe. Dort steht das meist jugendliche Publikum unter wilden Schreien und Gestikulationen dicht gedrängt aus der Straffe, während Börsenjüngliiigc, die eigenartig gefärbte Hüte aufhaben, damit das Publikum sic in der Menge erkennen kann, mit Taschenspielergcschicklichkeit mit den Fingern ihre Orders an ihre Kollegen weitergcben, die an den Fenstern der Kontore stehen. Und ganz in der Nähe steht ein Volksredner und predigt über Religion — so gross sind die Gegensätze in Newyork. Aber auch in anderer Beziehung ist Newyork die Stadt der Gegensätze. Besucht man das Judcnviertel oder das Quartier der Italiener, so wimmelt es von Kindern. Auf den Straffen und von schnmtzigen Balkons hängt Wäsche, Betten und Lumpen zum Trocknen. Im Judenguartier werden eigene Zeitungen in Hebräisch gedruckt und man hält dort noch fest an alten Gebräuchen. Kehrt man dann in das vornehme Wohnguarlier Newyorks, das an den Parks gelegen, zurück, so bietet sich ein ganz anderer Anblick. In den letzten Jahren ist für Newyork und besten Umgebung ungeheuer viel geschehen, um es zu verschönen. Eine Anlage, die Uivvro oicis briclo, eine Parkanlage mit Asphaltwegen und Reitbahnen, Statuen und Aussichtspunkten, die sich nn- gcsähr zehn Kilometer längs des Hudson hinzieht, hat kein Seilenstück in der Welt. Auf dem Flusse sind die grossen Schlachtschiffe, schlanken Torpcdojäger und die gewaltigen Ozeandampfer verankert, und wenn des Abends die Schein werfer erstrahlen und die Laternen entzündet sind und Millionen von Lichtern am weiten Strande erglänzen, so ist dies ein Bild von eigenartiger Schönheit. Die Wohnungsfrage bildet hier wie überall eine ernste Gefahr. Infolge der groben Baukosten ist in der letzten Zeit wenig gebaut worden, und die Wohnungsnot ist unge heuer. Infolge der groffen Schwierigkeit, Dienstpersonal zu erhalten, haben viele Newyorker ihren Haushalt aufgelöst und sind in die Hotels gezogen. Infolgedessen können viele Newyorker ihre Freunde nicht mehr in ihrem Heim auf nehmen, und die Gastfreundschaft wird in den Restaurants ausgcübt. Die Ruhe und der Frieden des Heims aber, den znan ja als Gegengewicht bei dieser ewigen Jagd braucht, ist unwiderruflich dahin. Dass der früher so verketzerte Militarismus auch lu diesem demokratischen Lande seinen Einzug gehalten hat, kann man bei einem Besuche der Ofsizierschule von West Point deutlich wahrnchmcm Hier exerzieren die Rekruten nach altem preussischen Drill, baff ein europäischer Offiziere vom allen Schlage vor Neid erbleichen könnte. Otts/an Loew?. MH UN^Fem. o Erlös,MsiSbotschaft fiir die Gefangenen in Sibirien. Die Reichszentralstelle für Kriegs- und Livilgefangene teilt mit: Der Heimtransport der deutschen Kriegsgefangenen aus Ostsibirien ist gesichert. Fünf japanische Dampfer sind fest gechartert, wovon der erste, „Scotland Maru", am 20. Marz 1920 Wladiwostok verlassen sollte. Die Kosten für die Hcim- schaffung von ungefähr 8000 Gefangenen betragen rund 160 Millionen Mark. O AtS Zeitfreiwilliger gefallen. In den Putschtagen fiel im Kampf als Angehöriger eines Zeitsreiwilligen- -ataillons der Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Rostock Professor Dr. Ernst Schwalbe. ! « Teuere Parlamentarier. Das französische Parla« «ent hat ein Gesetz angenommen, durch das jedem Senator ! mb Abgeordneten in Anbetracht der Teuerung ein besonderer Zuschuss von 1000 Frank monatlich gewährt werden soll, damit erhält jetzt jeder französische Parlamentarier eine ährliche Aufwandsentschädigung »on 30 000 Frank. In deutsches Geld umgewechsclt, wären das nach dem heutigen lkurs ungefähr 180 000 Markl s Todesstrafe für LebenSmittclanöftthr. Die tschechische Nationalversammlung hat ein Gesetz angenommen, das auf >ie unbefugte Ausfuhr von Lebensmitteln schwere Kerker- Grafen bis zu 20 Jahren, ausserdem Geldstrafe» bis zu einer Million Kronen und in besonders schweren Fällen sogar Todesstrafe setzt. O Das erste deutsche Volkshochschnlheim ist In dem unweit Gera (Ncuff) gelegenen Tinz eröffnet worden. Für dieses gemeinnützige Unternehme» wurde das alte fürstliche schloff zur Verfügung gestellt. Am ersten halbjährigen Kursus nehmen 47 Schüler teil, darunter Fünsundvicrzlg- jährige. 0 Geklebtes Papiergeld. Von der Berliner Polizei wird darauf hlligewiesen, dass cs betrügerische Elemente gibt, die sich die Bestimmung über Einlieferung von zerrissenem Papiergeld bei den Banken zunutze machen. In skrupelloser Art werden Ein- und Zweimarkscheine zerrissen, die rechte Hälfte zur Bank zum Umtausch geschafft, während zwei linke Hälften zusammengeklcbt und in den Verkehr gebracht werden. Somit verdient der Betrüger 100°,« an seinem Gelde, und der andere, der falsch zusammcngetlebte Scheine erhält, ist der Betrogene. o Phantastische Kohleupreisc. AuS Saarbrücken wird gemeldet: Ler Kohlenpreis ist von der französischen Grubcn- vcrwaltung um weitere 100 Mark pro Tonne oder 1000 Mark für den Waggon erhöht worden. Der Kohlcnprcis soll all mählich auf die Höhe deS Weltmarktpreises gebracht werde». Bei Erreichung dieses Zieles würde der Waggon Kohlen 12 000 Mark und der Zentner 120 Mark kosten. 0 Was alles gestohlen wird. Im Tunnel zwischen St. Ingbert (Pfalz) und Hassel entfaltete sich in der letzten Zeit eine riesige DicbeStätigkelt. Dutzende von Personen mit Hammer, Meißel usw. ausgerüstet, sprengten dort geeig nete Eisenteile, sogar eiserne Bogen los, um das Material als altes Eisen abzusetzen. Die Polizei, die dem Treibe» ein Ende setzte, stellte fest, daff einzelne Familien aus diesen Diebstählen Gewinne, die In die Tausende gingen, erzielt haben. Infolge der Raubzüge ist der Tunnel stellenweise durch Einsturzgefahr bedroht. o Geburtenüberschttst in Bahern. Die Bevölkerung Bayerns weist im Jahre 1010 zum erstenmal wieder seit 1915 einen Geburtenüberschuß auf und zwar von 40 046: er erreicht den Geburtenüberschuß des letzten Friedensjahres zur Hälfte. 0 Eine Volkshochschule auf der Wartburg. Wie aus Eisenach berichtet wird, sind für dieses Frühjahr hundert junge Arbeiter »ach der Wartburg eiiigclnde», um vo» den Lehrern der Volkshochschule über mittelalterliche Baukunst, mittelalterliche Dichtung sowie über Kultur und Wirtschaft unterrichtet zu werden. Die freie Zeit wird mit Spazier- -gängc» und sportlichen Übungen aiwgefüllt. Anmeldungen sind überall an die Leitungen der Volkshochschulen zu ricbten. 0 Die Explosion in der Munitionsfabrik zu Berlin» Lankwitz hat groffen Sachschaden verursacht. In Lankwitz sind zahlreiche Gebäude stark beschädigt oder zerstört, selbst im benachbarten Steglitz wurden einzelne Dächer abgedeckt, bi einzelnen Straßenzügen zersprangen alle Fensterscheiben. Tote hat das Unglück nicht gefordert, dagegen sind über hundert Personen verwundet worden, unter denen sich etwa zehn Schwerverletzte befinden. Der Sachschaden wird auf mehrere Millionen Mark geschäht. Vermischtes. Die flagge der Stadt Danzig. Oberkommiffar Lower erlieff über das Flaggenrecht der Danziger Kauf fahrteischiffe eine Verordnung, in der es heißt: Die zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffe (Kauffahrtei schiffe) mit Einschluß der Lotsen-, Hochseefischerei-, Bcrgungs- und Schlcppfahrzeuge haben als Stationsflagge ausschließlich die Danziger Flagge zu führen. Die Danziger Flagge hat in Länge und Breite das Verhältnis 3:2, sie zeigt auf rotem Tuch in dem ersten Drittel von der Flaggenstange an gerechnet gleichlaufend zu dieser zwei weiße Kreuze über einander und darüber eine gelbe Krone. Ein genaues, ver bindliches Muster der Flagge ist in der Handelskammer Danzig nledergelcgt. Zur Führung der Danziger Flagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigentum von solchen Parteien stehen, welche am 10. Januar 1020 ihren Wohnsitz im Gebiet der künftigen Freien Stadt Danzig gehabt und die deutsche Reichs- angehörigkeit besessen haben. Platinersatz. Wie eine französische Zeitschrift mittelst, hat ein in der amerikanischen Kriegsindustrie tätiger Chemiker einen brauchbaren Ersatz für Platin entdeckt. Sollte sich diese Nachricht bewahrheiten, so wird das Platin den hohen Preis, den es vermöge seiner außerordentlich schweren Schmelzbarkeit und der dadurch bedingten Unentbehrlichkeit für chemische Versuche hat, sehr bald verlieren. Das neue Erzeugnis soll dem Platin nicht nur in vieler Beziehung weit überlegen sein, sondern sich auch im Preise um 66°/» billiger stellen. Die Amerikaner, die gerne alles sofort ins Große treiben, haben auch schon derselben Nachricht zufolge eine Fabrik errichten lassen, die täglich fünf Tonnen deS neuen Metalls Herstellen kann. Studierende Indianerinnen. Auf der letzten Ver sammlung der Gesellschaft amerikanischer Indianer hielten indianische Studentinnen von den west- und ostamerikanischen Hochschulen Vorträge über die wissenschaftliche Entwicklung der Indianerinnen. Die anwesenden rothäutigen Ver treterinnen der juristischen, medizinischen und philologischen Lehrfächer gaben Rechenschaft von dem Gebrauch, den die Indianerinnen im praktischen Beruf von ihrem Wissen und Könne» zu machen verstehen. Der Versammlung wohnten viele Abkömmlinge von Häuptlingen der groffen Jndiancr- i stämme bei, Männer, die im politischen und geschäftlichen Leben Amerikas an hervorragender Stelle wirken. Ei« Wörterbuch unserer Umgangssprache will der Sprachforscher Dr. Schirmer, der in Siegmar in Sachsen lebt, herausgeben. Er wendet sich an die Öffentlichkeit mit der Bitte, ihm zu helfen und ihm mitzuteilen, was man auf dem Gebiete der Alltagssprache an merkwürdigen Ausdrücken kennt: Kaufmannsdeutsch, Schülerausdrücke, Künstlerdcutsch, Stammtischredensarten, Skat- und Kegel ausdrücke, Studenten- und Soldatcndcutsch usw. Was Dr. Schirmer wünscht, wird man verstehen, wenn wir einige Redensarten, die gang.und gäbe sind (natürlich hat jeder Landesteil seine eigene Alltagssprache, und der Hamburger^ der Leipziger spricht anders als der Berliner), ohne zum „klassischen Schriftdeutsch" zu gehören, anführen: Affen» schände, Mordsdusel, ent- oder weder, da brat' mir jemand 'nen Storch, Poslrat (für Briefträger), Lausallee (für Scheitel), er hat kein Verstchstenlch, Zwcimalzwcitcr (vierter Klasse) fahren, Kitsch, Klimbin, eine Sache fingern oder deichseln, mir ist alles Wurst (oder Pomade), auf etwas pfeifen, jemand verulken usw. Der Ukas der Poxdorfer Burschen. In einer Jenaer Zeitung erlassen die Poxoorfer Burschen folgende Bekannt machung: „Trotz wiederholter Mahnung kommt eS noch immer vor, daß hiesige Mädchen fremde Burschen in den , Poxdorfer Flurbezirk mitbringen. DaS ist unstatthaftk Innerhalb unseres Flurbezirkes hat kein fremder Bursche etwas zu suchen, und wir werden die uns zustehenden Rechte j zu wahren wissen. Nachstehend bringen wir nochmals die Grenzvcrhältnisse in Erinnerung: Poxdorfer Höhe, Drei Linden, Hegeholzecke, Schneidemühle und die 11. Tele graphenstange (vom Telephonamt Poxdorf aus nach Graitschen gezählt). Wir tun kund und zu wissen, daß der Name jedes Mädchens, daS mit einem fremden Galan in unserer Flur betroffen wird, unweigerlich an die Gcmelnde- tafel kommtl Das gilt auch für die Mädchen unseres- Nachbardörfchens, die aber wohl unser Recht noch nicht zu kennen scheinen. Wer zu Besuchszwecken einen fremden Burschen in unseren Flurbezirk entbietet, hat vorher einen Passierschein zu lösen, der beim Vorstand persönlich gegen sofortige Bezahlung in Empfang zu nehmen ist. Dies zurr strengsten Beachtung!" Diese geharnischte Kriegserklärung der Poxdorfer ist ein erfreuliches Zeichen dafür, daff in Deutschland Schneid und Manneömut noch nicht ganz auS- gestorben find. Ob die Poxdorfer Mädchen aber sich diese Einschränkung der Liebesmöglichkelten ruhig gefallen lassen werden? Tie Blnincuberlanscriu als A-ahrlurtonhändlerin. Eine Berliner Firma brauchte dieser Lage vier Fahrkarten zur Leipziger Messe. Ani Fahrkartenschalter und bei den Reiselmrcaus war alles ausvcrläust. Nunmehr erhielt ein Angestellter der Firma den Auftrag, die Karten unter allen Umständen zu besorgen. Er suchte den ganzen Anhalter Bahnhof ab und geriet schliefflich an die „amtliche" Blumen-' Verkäuferin. Bei ihr erhielt er zunächst drei der gewünschten Karten gegen einen „Sondcrzuschlag" von 10 Mark für die Karte. Hierauf besorgte die Blumenfrau auch noch dis vierte Karte gegen weitere 10 Mark Aufschlag. Sie meiiits dabei treuherzig, das Reisen sei teuer. Wahrscheinlich wird die „amtliche" Blumenfrau jetzt, wo das Reisen noch teurer geworden ist, ihre „Sonderzuschläge" bedeutend er höhen. Geld stinkt bekanntlich nicht, und wenn duftige Blumen danebenstchen, erst recht nicht. Aber wie wäre es. wenn die Eisenbahnvcrwoltung sich revanchierte und an de» Schaltern neben Fahrkarten Weilckenslräuffchen verkaufe» ließe? Der „Schliemann der Mark". In Wollersdorf bei Berlin starb dieser Tage inr Alter von 75 Jahren der Altertumssorscher Hermann Busse, den man ein biffchen Ironisch, aber nicht mit Unrecht den „Schliemann der Mark' Brandenburg" genannt hat, weil er, wie der Altertums forscher August Schliemann, der das alte Troja entdeckt hat, aus einem bescheidenen kaufmännischen Hause sich zu wissen schaftlicher Forschungstätigkeit cmporarbeitete. Buffe, der ursprünglich Seifenfabrikant in Berlin war, hat auf dem Gebiete der Vorgeschichte der Mark Bedeutendes geleistet, vo fand er das grosse Gräberfeld am Scharmützelsee: im Jahre 1008 stieß er auf ein Steinkistengrab mit 17 Gefäffen aus der Bronzezeit, und einige Jahre später nicht weit davon auf 200 Gräber mit reichen Funden an Gefäffen, Bronze gegenständen usw. Er schuf sich nicht nur ein eigenes kleines Museum, sondern überwies auch dem Märkischen Museum und dem Museum für Völkerkunde in Berlin einen Tcii der von ihm ansgcgrabenen Schätze. Die Anerkennung für sein Wirken sand in vielen Auszeichnungen ihren Ausdruck. Zinn Gedächtnis Wolframs p. Eschenbach. Irr diesem Jahre — das Dalum kennt man nicht — jährt sich zum sicbcnhundertstenmal der Tag, an dem Wolfram v. Eschenbach, neben Gottfried v. Straffburg und Walther v. d. Vogelwcide, der bedeutendste deutsche Dichter des Mittelalters, gestorben ist. Das sächsische Kultusministerium hat bereits verfügt, daff in den vberen Klassen der höheren Schulen die Erinnerung an Wolfrain durch eine schlichte Feier wachgcrufcn wird, und es ist zu hoffen und zu wünschen, daß in allen anderen deutschen Staaten gleiche Verordnungen getroffen werden, denn Wolsram (der, nebenbei bemerkt, nach seinem eigenen Geständnis weder lesen noch schreiben konnte und in grosser Armut lebte) hat uns in seinem „Parzival" — von seine» anderen Werken, wie „Willehalm" und „Titurel" ganz abgesehen — eines der großartigsten Gedichte deutscher Zunge geschenkt. Das fränkische Städtchen Eschenbach, irr dem Wolfram das Licht der Welt erblickte, führt seil einiger Zeit mit behördlicher Genehmigung den Namen Wolframs» Eschenbach. Ter hungrige Prediger. Zu einem eigenartigen Mittel, seiner Gemeinde auf dem Wege des Anschaunngs- rmtcrrichts zum Bewußtsein zu bringen, Laß seine Einkünfte mit der heutigen Lebensteuerung in argem Mißverhältnis stehen, griff der Geistliche der Kirche des in der englischen Grafschaft Donegal gelegenen Dorfes Cardonagh. Als er kürzlich die Kanzel bestiegen hatte, stellte er eine mit vier Dutzend Eiern gefüllte Schale vor sich auf die Kanzel und wandte sich mit den Worten an die Gemeinde: „So viel Eier erhielt mein verstorbener Amtsbruder John Canning vor 75 Jahren für einen Schilling." Dann stellte er eine zweite Schale mit zwei Dutzend Eiern vor dlc Gemeinde und sagte: „So viel Eier erhielt dessen Nachfolger und mein Vorgänger vor 35 Jahren für einen Schilling." Zuletzt brachte der Prediger noch eine kleine Pappschachtel zum Vorschein, die nur zwei winzige Eier enthielt und die er mit den Worten vorwics: „Und so viel Eier erhalle ich heute für einen Schilling." Der Eindruck, den dieser Eierbewcis auf die Kircheiibesucher machte, war so überwältigend, daß der Gemeindevorstand auf der Stelle Len Beschluß faßte, das Jahresgehalt seines Pastors von 70 Pfund Sterling zu verdoppeln. Probe« mit orahtto>er Telephonie. Bel Proben mit drahtloser Telephonie, die von Berlin mit einem Bogen- lampcnverstürker vorge»ommen wurden, wurde von einem Berliner Einwohner drahtlos telephonisch eine Mitteilung an seine Verwcmdten im Haag weitergegeben. Diese Mit teilung wurde im Haag wörtlich empfangen, und zwar mittels einer sehr einfachen Empfangseinrichtung. Der Empfang war so gut, daß mit Hilse eines einfachen Ver stärkers das Sprechen der Personen in Berlin durch daS ganze Zimmer hörbar war. Einige Melodien, die gepfiffen wurden, klangen laut durch das Zimmer.
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