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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905022702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905022702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-27
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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gegengebrachte angebliche Wohlwollen. Wir flehen nach wie vor auf dem Standpunkte, daß durch die einseitige Aufhebung der Zollkredite auf Getreide und Mühlensabrikate — während man für alle anderen Artikel solche bestehen ließ — ein Ausnahmegesetz gegen die deutschen Müller und Getreidehanoler geschaffen worden ist und wir dadurch zu Staatsbürgern zweiter Klasse gestempelt worden sind. Wrr protestieren dagegen, daß diesem Unrecht durch An- nähme der Resolution Kanitz noch weiteres Unrecht zugefügt wird. Wir bitten, dieses Telegramm zur Kenntnis des Hohen Hauses zu bringen." — Der Führer der nationalliberalen Partei, Dr. Sattler, wird sich in den nächsten Tagen auf ärztlichen Rat an die Riviera begeben und erst zu Ostern zurückkehren. — "Der ehemalige Hof- und Domprediger Adolf Stöcker, der vor Jahren bekanntlich vom Hof und Dom Abschied nehmen mußte und seitdem die Pforte des kaiserlichen Palastes nicht mehr betreten hat, bat nach dem „B. T." zur heutigen Festtafel im Kaiserfchloss« «ine Einladung er- halten. Selbstverständlich ist die Einladung auf die einstige Stellung Stöckers zurückzuführen. * * Der Friede an der technischen Hochschule zu Hannover ist wieder hergestellt. Wir erhalten darüber folgendes Tele gramm: * Haunover, 27. Februar. lEigene Meldung.) Der Kultusminister Dr. Studthat die Bestrafungen der Stu- denten Heyle und Zimmermann in Verweise umgeändert und verfügt, daß der Studentenausschuß neu gebildet werden soll. Ferner ist die Zusicherung freien Meinungsaustausches mit anderen Hochschulen in allen studentischen Fragen gegeben und Erlaß neuer Satzungen für die Studentenausschüsse in Aussicht gestellt worden. Die Studenten nehmen morgen den Besuch der Vorlesungen und Uebungen wieder auf. Retrospektiv schildert die offiziöse „Nordd. Alla. Zig." die Entwickelung dieses Kampfes um die akademische Freiheit wie folgt: 1) Der Senat hat im Einvernehmen mit dem Rektor von der ersten SiLung an, in der er mit der beantragten Auslösung der konfessionellen Verbindungen sich beschäftigte, auf dem Standpunkt gestanden, daß er auf Grund der Ver fassung der Hochschule diese Verbindungen ohne ein Ver schulden derselben nicht auslösen könne. Ein Versuch, die Angelegenheit im Verein mit allen anderen Hochschulen zu regeln, scheiterte an dem ablehnenden Verhalten der Mehr zahl der Hochschulen. Der Antrag auf Auflösung der kon fessionellen Verbindungen wurde dann am 1. Dezember 1904 vom Senat abgelehnt. 2) Der Rektor eröffnete am 5. Dezember 1904 dem Aus schüsse mit Rücksicht auf die vorstehende Scnatsentscheidung, welche eine Disziplinarfrage, nämlich die Auflösung von Verbindungen, betrifft, daß in Dlsziplinarfragcn die Heranziehung außerhalb der Hochschule stehender Kreise unzuläfsig sei. Diese Eröffnung wird von der Studenten schaft mißverständlich als em allgemeines Verbot ausgelegt, in studentischen Fragen überhaupt mit anderen Hochschulen zu verkehren, trotzdem wiederholt schriftlich und mündlich dem Ausschüsse und der Studentenschaft die ganz spezielle Bedeutung der Eröffnung klargelegt ist. 3) Tie Auflösung des Ausschusses der Studierenden durch Sen Rektor erfolgte am 21. Januar nicht auf einen Druck des Ministeriums hin, sondern aus eigenster Ucberzeugung und freier Entschließung des Rektors. Das Vermögen des Ausschusses ist nicht beschlagnahmt, sondern durch den Rektor in Schutzverwahrung genommen zur Auslieferung an einen wieder einzujetzendcn Ausschuß. 4) Auf eine dann von 928 Studierenden unterzeichnete, an Rektor und Senat gerichtete Eingabe beleidigender Form beantragten Rektor und Senat beim Minister vor läufige Schließung der Hochschule. Dieselbe wurde nicht ge- nehmigt. Rektor und Senat mußten sich mit der Erklärung der Unterzeichner begnügen, daß eine Beleidigung nicht be absichtigt gewesen sei. Dies ist der einzige Fall, in dem Rektor und Senat einer Verfügung des Ministers nach- geben mußten, weil die Schließung der Hochschule durch Rektor und Senat in der Verfassung nicht vorgesehen ist. 5) Aus einer Akademikeroerjammlung vom 9. Februar wurden von Studierenden Reden gehalten, in welchen die Sachlage unrichtig dargestellt war, und welche nach Form und Inhalt beleidigende Angriffe auf den Rektor und den Senat enthielten. Daraufhin wurde ein Studierender mit „Ausschluß von der Hochschule" bestraft und einem anderen studierenden wurde dieser Ausschluß angedroht. Der ausgeschlossene Studierende kann in einem späteren Semester in Hannover mit Genehmigung des Ministers wieder zugelassen werden. An anderen Hochschulen wird er ohne weiteres zugelassen. Tie Ausschlußfrage stellt also keine Existenz in Frage. Daraufhin haben die Studierenden am 21. Februar 1905 den Besuch von Vorlesungen und Uebungen eingestellt. Das kann ihnen niemand wehren. 7) Einen am 11. Februar gemachten Versuch des Senates, mit den Studierenden wegen Schlichtung der Streitigkeiten zu verhandeln, haben dieselben wegen einer persönlichen Differenz eines Senatsmitgliedes mit dem jetzt ausyschlossenen Studierenden abgelehnt. Um den Frieden wiederherzustellen, haben am 21. Februar Rektor und Senat der Einsetzung einer Kommission aus dem Lehr körper zugestimmt, welche zur Zeit noch verhandelt und hoffentlich unter Nachgeben von beiden Seiten zu einem er freulichen Ziele gelangt. Bezeichnend ist, daß in dieser Darstellung der Grund der Auflistung des Ausschusses gar nicht angegeben ist. * Bochum, 26. Februar. Das Zentralwahlkomitee der Zentrumspartei des Wahlkreises Bochum erklärt, daß es unter Zustimmung des örtlichen Ausschusses der Partei beschlossen habe, die „Neue Bochumer Volkszeitung" (Verlag Fusangel), besonders wegen wiederholter Verstöße gegen die Parteidis- ziplin, nicht mehr als Organ der Zentrumspartei anzuer kennen. * Aus Baden. In einer Versammlung des national liberalen Vereins zu Heidelberg wurde kürzlich fest gestellt, daß im Geschichtsunterricht die Zeit von Luthers Auftreten bis zum Dreißigjährigen Kriege übersprungen wird! Die evangelischen Schüler hören also im Geschichtsunterricht gar nichts von der Entstehung des Protestantismus! Es zeigt sich hier in der Ueberaeyuno des für den Protestantismus wichtigsten Geschichtsabschnittes in den badischen Simultanschulen, welche Rücksichten stets auf die Katholiken genommen und wie der Protestantismus zurück- gesetzt wird. Trotzdem, so lautet der Bericht über die oben erwähnte Versammlung, war man sich darüber einig, daß Baden schon aus finanziellen Gründen an den Zimultanschulen fest halten müsse. Würde es schon jetzt schwierig sein, die Mittel aufzubringen, um die Volksschule und den Volksschullehrcrstand so zu fördern, wie dies dringend zu wünschen, so würde es unmöglich sein, die doppelte Ausgabe für getrennte Volksschulen zu erschwingen. * München, 27. Februar. Der Prinzregent wird sich am 1. März auf einige Tage nach Hohenschwangau be geben. . HusIanN. Oesterreich-Ungarn. * Böhmischer Landtag. Nach den ursprünglichen Dispo sitionen sollte der böhmische Landtag nach Ostern zusammen treten und eine kurze Session abhalten: hierauf hätte erst der Neichsrat seine Tätigkeit wieder auszunehmen gehabt. Nun müssen der Einberufung des böhmischen Landtag« Verein barungen zwischen Deutschen und Tschechen voraus- aeben, die die Arbeitsfähigkeit des böhmischen Landtags sicher stellen sollen. Zu diesen Verhandlungen konnte es aber bis her nicht kommen, da die deutschen Abgeordneten mit ihren eigenen Beratungen über die Bedingungen, unter denen sie die Arbeitsfähigkeit des Landtags zugeben könnten, noch nicht einig sind. Es wird daher, wie die „Boh." meldet, der Reichs rat auch nach Ostern seine Tätigkeit sortsetzen und daS Bud get erledigen, worauf der böhmische Landtag ungefähr im Juni ernberufcn werden soll. Frankreich. * Bon Herrn Berkeaux. Der „Figaro" berichtet, der Knieasminister werde das von seinem Kabinettsdirektor Valabregue ausgearbeitete AusrückungSsystem fallen lassen und teilweise wenigstens die von seinem Vor gänger aufgehobene Stellenbesetzungskommission wieder einführen. Der oberste Kriegsrat hat sich in seiner letzten Sitzung mit der Frage der Verringerung »er Bepackung der Futztruppen beschäftigt: die Erleichterung soll für jeden Mann 5 Kilo betragen. * Zwei kriegerische Erzbischöfe. Der Erzbischof von Bor deaux bat einen Hirtenbrief erlassen, in dem er in scharfen Worten gegen die Vorlage über die Trennung von Kirche und Staat Einspruch erhebt. Auch der Erzbischof von Cambrai spricht sich in einem Hirtenbrief für die Auf- rechterhaltung des Konkordats aus, das em »ihrer Friedensvertrag sei: aber wenn es sein müsse, werde die «cdesia rnilitLus für Gott, Kirche und Frankreich zu kämpfen wissen. Belgien. * Internationales Seerecht. Aus Brüssel vom 26. Fe- bruar wird uns geschrieben: Auf Anregung der belgischen Regierung trat in Brüssel in der abaelaufenen Woche eme diplomatische Konferenz zusammen, die sich mit einer Kodifizierung des internationalen Seerechts zu beschäf tigen hatte. Zur Debatte stand speziell die Frage des Zu sammenstoßes zweier Schiffe auf hoher See und der Verpflichtung, den Schiffbrüchigen zur Hülse zu kommen. Momentan gehen die Gesetze der meisten Länder vielfach aus einander und da die Zusammenstöße meist aus Hoher See, wo kein positives Gesetz besteht, erfolgen, kommt es hier zu sehr schwierigen Streitfragen. Die Ausgabe der genannten diplomatischen Konferenz war es, die Frage zu beantworten, ob es nicht möglich sei, eine einheitliche Gesetzgebung durch zuführen. Die Grundlage der Unterhandlungen bildeten die Voranschläge, die unter Vorsitz des internationalen Marinekomilees von den verschiedenen Kongressen, auf denen Reeder, Versicherungsbeamtc, Juristen und Kaufleute ver treten waren, ausgearbeitet wurden. Die bisherigen Kon gresse fanden in Antwerpen (1899), London (1898), Paris (1900), Hamburg-(1903), statt. Aus diesen Kongressen ging die als Qomite maritim« international« bekannte Kommss- sion hervor, die im verflossenen Jahre die heute den Diplo- maten unterbreiteten Projekte zu Amsterdam redigierte und auch im laufenden Jahre in Liverpool ihre Arbeiten fortsetzen wird. Auf der diplomatischen Konferenz waren folgende Län der vertreten: Vereinigte Staaten, Frankreich, Rußland, Italien, Spanien, Schweden-Norwegen, Japan, Holland, Belgien, Rumänien. Die Länder, die über die stärksten Handelsflotten verfügen, Deutschland und Eng land, waren nicht vertreten. Die Konferenz hat am Sonn abend ihre Tagung beschlossen. Mit einigen geringen Modi fikationen hat fie die von der Hamburger Konferenz 1902 gemachten Vorschläge angenommen. Sie hat die bel gische Negierung beauftragt, für September eine neue Kon ferenz einzuberufen, die das gestern unterzeichnete Abkommen definitiv annehmen soll. Tie angenommenen Resolutionen schließen Kriegsschiffe von der Konvention aus. Sie haben bestimmt, daß bei Zusammenstößen sich die Schiffe gegenseitig Hülfe leisten müssen, wenn dies ohne Gefahr ge schehen kann. ' Rach dem Bergarbeiterkongren von Charleroi. Trotz des gestrigen Beschlusses des in Charleroi abgehaltenen Bergarbeiterkongresses, den Streik wenigstens imBorinage sortzusetzen, dürste die Arbeit allgemein in den nächsten Wochen zu den früheren Bedingungen wieder ausgenommen werden. In Brüssel wird massenhaft e n g l i s ch e K o h l e offeriert. Nach einer Depesche der „Frkf. Ztg." ist ein Teil der Arbeiter zu Exzessen geneigt. Tas Polizeiaufgebot wurde verschärft. Im Becken von Charleroi waren die A u s s ch r e i t u n g e n b e s o n d e r s h e f t i g. Die Streikenden beginnen systematisch die Arbeitswilligen einzu schüchtern, was zu schweren Zusammenstößen führte. In Chatelet griffen 500 Streikende eine Gruppe Arbeitswil liger an. Auf die intervenierenden berittenen Gendarmen wurden Revolverschüsse abgegeben. Tie Gendarmen griffen mit blanker Waffe an und verhafteten zehn Arbeiter. In Chatelioeau, wohin sich die Gendarmen am Nachmittag zu rückzogen, wurden zwei von ihnen bedrängt. Die Gendarmen gaben Feuer, ein Arbeiter wurde getötet und vier oder fünf andere schwer verwundet. In Farciennes, Viesville, wurde ein B o m b e n a t t e n t a t gegen die Häuser von Grubenauf- sehern verübt. In Montigme sur Sambre wurde eine Schar von etwa 50 Leuten, die Fenster zertrümmerten, mit Revolver schüssen empfangen und verjagt. Es streiken 33 000 Arbeiter im Becken von Charleroi. Im Centre, wo der Ab fall von Streikenden am lebhaftesten war, ist wieder eine Zu nahme der Ausständigen zu verzeichnen. Dem Gruben direktor Heusschen wurde ein Ziegelstein an den Kopf ge schleudert. Der Verlust an Löhnen beträgt schon etwa 6 Millionen Franken. Im Borinagc wurde mit Vertei lung von Lebensmitteln begonnen. Namentlich im Centre macht sich das eintretende Elend bei den Arbeiter familien bemerkbar. Italien. * Kanunerobstruktion und Bahnhossobstruktion. Auch in der Kammer begannen nach der »Frkf. Ztg." am Sonnabend die Sozialisten die Obstruktion. Morgari beantragte, daß durch Namenaufruf festgestellt werde, ob nach der Zahl der An wesenden die Depuliertenkammer beschlußfähig sei. Während der Sitzung sand ein Ministerrat statt. — Von Florenz, Ancona und Pisa kommende Eifenbahnzüge trafen seit Sonn abend nacht in Rom mit Verspätungen ein. Ter Bahnhof war abends mit Zügen angefüllt, die nicht rechtzeitig absahren tonnten. Nach einer Depesche aus Mailandsoll die Regie rung Vorsorge getroffen haben, den Fernverkehr mit je zwei Zügen täglich aus den Hauptlinicn zur Verproviantierung der Städte und einen Zug auf den Nebenlinien zum Postdienst aufrecht zu erhalten. Marinemaschinisten und Eisenbahn soldaten werden hinzugezogen. Das höhere Bahnperso nal hat die nötigen Anweisungen erhalten. Militär wird die Bahnhöfe der Hauptlinien besetzen. Heute verlautet gerücht weise auS Nom, daß die Regierung beabsichtige, die beiden das Ausstandsverbot betreffenden Artikel der Eisenbahnvorlaae heute der Kammer als neuen Gesetzentwurf zu unterbreiten und s ofort darüber ab stimmen zu lassen. Wie der „AÜg. Ztg." geschrieben wird, war nach den letzten Streikdrohungen und den auf sie gefolg ten Verhandlungen in Rom der Teil der neuen Vorlagen, der das Personal betrifft, mit besonderer Spannung erwartet worden. Es hat sich bestätigt, daß die Regierung in ihren Kon zessionen an das Eisenbahnpersonal ziemlich weit gegangen ist. Sie bestimmt, daß alle im Eisenbahndienst zu vergebenden Stellen nur durch öffentliche Änsschrciben an den geeignetsten Bewerber vergeben werden dürfen, daß also keine Anstellung von Protektionskindern erfolgen kann. Sie verheißt ferner für die nächste Zeit ein Besörderungsregulativ, das den Be amten auch für das Avancement feste Normen garantiert. Es wird mit sofortiger Wirkung die Einkommensteuer (Nieekerra Mobile) für die Eisenbahnangestellten um 11/2 Prozent herabgesetzt, was dem Staat, da es sich um ca. 100 000 Beamte handelt, einen ansehnlichen Einnahmeausfall bringt. Für später werden dann stufenweise Gehaltserhöhungen eben falls im Wege eines Regulativs angekündigt, obwohl man damit schon bei den Konzessionen von 1902 so weit gegangen ist, wie nur möglich. . Türkei. * Zwischenfall in einem Konstantinopeler Kaffeehaus«. In einem Konstantinopeler Kasfeehaufe in der Großen Straße von Pera hat sich, wie man der „Pol. Korr." schreibt, ein aussehenerregender Zwischenfall zugetragen, dessen Urheber ein kaiserlicher Adjutant war. Zwischen dem Flügeladjutanten des Sultans, Major Izzet Bey, und einem vor kurzem wegen schlechter Konduite aus der Kriegsschule entlassenen Mohammedaner namens Tadjchdin kam es zu einem Streite wegen des Musikstückes, daS vom Orchester des Caf5s zuerst gespielt werden sollte. Aus dem Wortwechsel darüber entwickelte sich eine Prügelei, worauf ein Austausch von Revolverschüssen folgte. Nachdem Izzet alle Kugeln ver schossen batte, warf er sich mit einem Stilet auf den Gegner, dem er das Gesicht in zwei Teile spaltete. Hierauf entfernte sich der Major ruhig, ohne im geringsten behelligt zu werden, während der Schwerverletzte ins Spital übergeführt wurde. Dort ist er, nach einer Depesche der „Frkfrt. Zta.", feinen Wunden erlegen. Izzet war mehrere Jahre zur Ausbildung inD « utschland als Leutnant bei den Darmstädter Dra gonern. Er ist der einzige Sohn des bekannten türkischen Generalleutnants A cb m e b Tscheker Pascha, dem die Führung aller zum Besuche des Sultans nach Konstantinopel kommenden regierenden und sonstigen Fürstlichkeiten obliegt. Im letzten Jahre gehörte Izzet dem Stabe des Chefs der türkischen Geheimpolizei Fehmi Pascha an, als dessen berüchtigtes Mitglied er galt. Seiner Stellung als Begleiter d:s Lieblingssohnes des Sultans, Prinz Bur- hanediu, war Izzet schon vor längerer Zeit enthoben worden. Serbien. * Skandalszenen zwischen Persisch und Simitsch. In der Skupschtina erklärte bei der fortgesetzten Debatte über die Antwort des Ministers des Innern aufdieJnter- vellati 0 n Pecitsch der Minister des Innern, er habe die Beschlüsse des Staatsrates in dieser Angelegenheit voll- ziehen lassen. Alle Anschuldigungen des Interpellanten seien demnach gegenstandslos. Sollten die Polizei organe irgend welche Ungesetzlichkeiten begangen haben, würden sie hierfür die Verantwortlichkeit selcht tragen. Als der Interpellant Persisch in seiner Erwiderung den Minister der Lüge zieh, entstand großer Lärm. Die Abgeordneten der Majorität schlugen aus die Pulte und verlangten, daß Pecitsch einen Ordnungsruf erhalte. Der Minister forderte den Präsidenten auf, ihm Genugtuung zu verschaffen. Wegen des andauernden Lärmes unterbrach der Präsident die Sitzung. Nach der Wiederaufnahme beschloß das Haus über den Antrag des Präsidenten Pecitsch wegen seiner Aus fälle das Wort zu entziehen. Ter Gemäßigt-radikale Simitsch tadelte, daß Pecitsch von Tyrannei gesprochen habe. Diese Aeußerung würde das Urteil des Auslandes über Serbien beeinflussen. Als Simitsch im weiteren Ver lauf seiner Rede zur Charakterisierung von Pecitsch ein Er lebnis aus früherer Zeit erzählte, wurde er von Pecitsch mit Schimpfworten überhäuft. Dieser rief Simitsch un unterbrochen zu: „Du Strolch, Verräter, Verleumder, schäme dich." (Ungeheurer Lärmj Der Präsident unterbrach abermals die Sitzung. Nach der Wiederaufnahme ersuchte der Präsident nochmals, persönliche Angriffe zu unterlassen. Simitsch erklärte, er habe seine Rede beendigt; Pecitsch warf Simitsch vor, er habe vier Monate vor der Er mordung des Königs Alexander zu Alexander Balugdcitsch gesagt, er möge Karageorgewitsch nahelegen. seine Traume auf den serbischen Thron aufzugeben. Dies )ei die Aeußerung eines Mannes, der heute König Peter in den Himmel hebe. Hierauf wurde unter lebhafter Bewegung die Debatte auf Montag vertagt. Union. * Tie Opposition gegen Roosevelts Domingopolitik. Wie aus New Uork gemeldet wird, machte der republikanische Senator Hale bei der Beratung des M a r i n e b u d g e t s höhnische Bemerkungen über die Einschüchterung kleinerer Nationen, und Senator Morgan legte dem Senatskomitee für das Auswärtige einen formellen Protest gegen Roosevelts Auslegung der Monroe doktrin vor. * Zwei neue Unionstaaten. Es wird aus Washington gemeldet, daß der Bundessenat nach einer längeren Debatte die Vorlage, betreffend die Zulassung von zwei neuen Staaten in den Verband der Union, angenommen habe. Tie beiden Territorien, Oklahoma und In dian Territory, werden danach unter dem Namen Oklahoma zusammen den einen Dtaat und das Territorium New Mexico den anderen Staat bilden. Ein Antrag, betreffend die Zulassung des Territoriums Arizona, wurde abgelehnt. Abgesehen von den Sandwichinseln, den Erwerbungen infolge des spanisch-amerikanischen Krieges und dem Dislrict of Columbia (dem die Bundeshauptstadt Washington enthaltenden Gebiete), wird die Union nunmehr aus 47 Staaten und zwei Territorien, Arizona und Alaska, bestehen. Ter Flächeninhalt des neuen Staates Oklahoma elrägt 183 4M Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von ungefähr 500 000 Einwohnern, während New Mexico 292 710 Quadratkilometer und zirka 260 000 Einwohner umfaßt. Da jeder Staat über zwei Senatssitze verfügt, wird der Bundes staat, abgesehen von dem bekanntlich als Senatspräsident fungierenden Vizepräsidenten, nunmehr aus 94 Mitgliedern bestehen. Hur aller Mit. Der Bund für Mutterschutz. In Berlin veranstaltete Sonntag mittag der vor kur zem begründete Bund für Mutterschutz unter ungeheurem Andrang des Publikums im Architektenhaus eine erste öffentliche,Versammlung. Der „B. L.-A." schreibt darüber: Nachdem sich die Versammlung etwas beruhigt, begrüßte die Anwesenden Dr. Helene Stöcker, die den Vorsitz führte. Hernach legte „Frau" Ruth Bre — gegen den ihr zu stehenden Titel „Fräulein" protestierte sic heftig — die Ziele des Bundes dar, indem sie eine laiige Broschüre aus ihrer Feder vorlas. Sie forderte zum schütze der unehe lichen Kinder aus. Die Natur kenne keine ehelichen und unehelichen Kinder, und es sei an der Zeit, milder land- l ä u f i g c N-V e r d a m m u n g des gefallenen Mädchens zu brechen. Sie wies auf die große Sterblichkeit der unehelichen Kinder hin, auf ihre Rechtlosigkeit, auf die furchtbaren Tragödien, die unsere Behandlung der unehelichen Müt ter und Kinder verschulde. Sie verlangt zur Beseitigung dieser Mißstände die völlige Anerkennung der Mutterschaft und die Schaffung von Heimstätten für Mütter auf dem Lande, endlich gesetzliche Fürsorge für jede Mutter in Gestalt einer Versicherung, zu der alle Män ner und Frauen gleichmäßig hcranzuziehen seien. Als zweiter Redner behandelte Iustizrat Sell 0 die rechtliche Stellung der unehelichen Mutter und des Kindes. Er wies darauf hin, daß gesetzlich eine leibliche Verwandtschaft zwischen Vater und unehelichem Kind nicht bestehe und daß dieses stets eines Vormunds außer der Mutter bedürfe. Fräu- lein Dr. Stöcker legte hierauf in einer formell wie inhaltlich gleich vollendeten Rede die ethischen Motive der Bewegung dar. Sie protestierte gegen die herr schende Anschauung von der Unsittlich keil des Ge- schlechtstriebes und gegen die in ihrem Namen erhobenen as ketischen Forderungen. Die Sittlichkeit eines Verhältnisses zwilchen Mann und Weib bestehe nicht in der Form, sondern sie sei abhängig von der Natur der Menschen, so unmöglich cs sei, die Prostitution abzuschaffcn, so gewiß müß ten unsere Bestrebungen dahin gehen, diese Parias der Gesell schaft moralisch und sozial zu heben. Man müsse das Los der Mütter erleichtern, um der Mutter und um des Kindes willen, das heute schwer unter einer scheinheili gen Moral zu leiden habe. Hieran schlag sich eine kurze AnspracheEllen Keys. Die Kultur eines Volkes, fo führte die schwedische Schrift stellerin aus, hänge ab von der Stellung der Frau. Die Un sittlichkeit bestehe darin, zu fragen: „Ist das Kind unehelich oder ehelich?" und nicht: „Wie ist das Kind?" Alle Kinder hätten ein Recht auf Gleichstellung. Die außer eheliche Mutterschaft sei eines der traurigsten Kapitel aus der Märtyrergeichichte der Menschheit. Die erschreckende Zahl der Kindesmorde sei meist auf die Liebe zum Kinde zu rückzuführen. Wie es draußen Frühling werde, möge auch der neue Lenz einzichen in die Herzen der Menschen. Nach Schluß dieser Rede entfernte sich ein großer Teil der Hörer, die 2K Stunden ausgeharrt hatten. Dann ergriff Dr. MaxMarcuse das Wort zu einem längeren ärztlichen Referat. Man darf hoffen, daß die wichtige soziale Be- wegung sich das Interesse weiterer Kreifc er werben und imstande sein werde, ihre idealen Bestrebungen zu verwirklichen. O ; Neuigkeiten. Raubanfall auf einen Kaisenboten. Ein Kassenbote der Deutschen Bank in Berlin, welcher «ine halbe Million Mark in einem Leinwandbeutel bei sich trug, wurde heute vormittag von einem mit dem Rade hinterherfahrenden Manne bei der katholischen Kirche angefallen. Dieser warf dem Kassenboten eine Handvoll Schnupftabak , n die Augen, so daß er völlig geblendet war. Der Versuch des Räubers scheiterte jedoch daran, daß die Bank dem Kassenboten zwei Leute zur Bedeckung mitgegeben hatte. Diese hielten den Unbekannten so lange fest, bis er zur Wache trans portiert werden konnte. Auf de» Schaffst. Allramseder, der gerade heute vor einem Jahre den Doppelraudmord in Elsterberg begangen hat, ist heute früh in München hingerichtet worden, nachdem er kurz vorher die Tat eingestanden batte. Mann über Bord. AuS Kiel wird berichtet: Bei einem Reviergefecht des Artillerieschulschisses „Undine" in der Gjenner Bucht stürzte der Obermatrose Behrens vom Torpedoboot 14 über Bord und ertrank. Die Leiche ist noch nicht gefunden. Russische Soldateska. Aus Omsk meldet der Draht: Hier hatten sechs auf der Fahrt nach Ostasien befindliche Soldaten aus einem Laden Eßwaren geraubt und den Geschäftsinhaber durch einen Ä « ilhieb verletzt. Zwei der Schuldigen sind gehängt, die übrigen zu 20 Ja hren Zwangsarbeit verurteilt worden. Ter Fund im Meere. Aus Cherbourg wird gemeldet: Ter von dem Matrosen G 0 arin vom Torpedoboot 2>>t entwendete Koffer mit Schriftstücken der franzö- fischen Marine und Geld ist im Meere auf- gefunden worden: die Papiere scheinen unversehrt zu sein. Feuer im Hasen von Genua. Sonnabend nacht brach au» einer großen, mit Schmieröl und Fettöl beladenen Bark Feuer aus, welches sich bei dem herrschenden heftigen Winde ichnell ausbreitete und auch die aus dem Kai auf- gespeicherten Waren ergriff. Die Behörden und die Feuerwehr erschienen alsbald auf dem Platze und es gelang denselben nach angestrengter, während der ganzen Nacht dauernden Tätigkeit, des Brandes Herr zu werden. Der Schaden ist sehr beträchtlich. Für die 1907 in New Kork adzuhalteude lutherische Kon ferenz werden umfassende Vorbereitungen getroffen. Zahl reiche Deutsche erhalten Einladungen als Gäste. Letzte Depeschen und Ievnspvechrneldungen. T. Leipzig, 27. Februar. Das Reichsgericht verwarf die R e v i I i 0 n des Kaufmanns Grohmann, der als Auisichtsratsmitglied des in Konkurs geratenen Hannover- schen Hypothekenvereins vom dortigen Landgerichte am 9 Juli v. I, wegen Bilanzsälschung und Betrugs zu zwei Monaten Geiängnis und wegen Bilanzverschleierung zu 150 .ll. Geldstrafe verurteilt worden ist. — Gleichfalls ver worfen wurden die Revisionen des Chemikers Adolf Oe hl mann aus Wulfe! und des Schuhwarenfabrikanten Gieseke aus Peine, die von dem Landgerichte Hannover am 19. Mai v. I. wegen Beihülfe zum Vergehen gegen Artikel 249, 1 des früheren Handelsgesetzbuches (Gründung der Hannoverschen Landesbank ohne Einzahlung von Kapital zu einem Monat bezw. sechs Wochen Gefängnis und je 500 .< Geldstrafe verurteilt worden sind. Zur Affäre -er Gräfin Msntlgnefs. Wir erhalten folgende Information: -2- Dresden. 27. Februar. In Sachen der Gräfin Man- tignoso beabsichtigt der sächsische Hof überhaupt nicht- mehr zu veröffentlichen. Man scheut sich, die peinliche Angelegen- heit noch einmal offiziös in der Oeffentlichkeit zu erörtern und hofft, daß sich die Gemüter auch ohnehin wieder beruhigen werden, da man eine „Aufklärung" über die neueren Vor gänge kaum noch für nötig hält. In den Verhältnissen der Gräfin Monlignoso hat sich einstweilen nichts geändert. Ihre Bezüge seitens des sächsischen Hofes werden ihr auch jetzt noch ausgezahlt. Obstruktion -er italienischen Eisenbahner. * Rom, 27. Februar. Die Obstruktion der Eisen, bahnangestellten dauert hier fort, ebenso in Neapel, Mailand, Florenz, ferner in Ancona, Reggio (Calabrien) und einer Reihe kleinerer Städte. Frankreich in Marokko. * London, 27. Februar. Der Korrespondenk deS „Daily Telegraph" meldet aus Tanger: Ich erfahre aus glaub- würdiger Quelle aus Fez, daß die von Frankreich dem Sultan gemachten Vorschläge folgende sind: 1) mili- tärische Besetzung von Utda, 2) die Berechtigung eine Straße mit Brücken über die Flüsse zwischen Tanger und Fez anzulegen, 3) Herstellung einer telegraphischen Verbindung zwischen Tanger und Fez, 4) Verleihung des Rechtes an die Europäer, Eigentum in allen Teilen des Reiches einschließ lich Fez, zu erwerben, 5) Errichtung von Gesandtschaften in Fez, 61 die Ermächtigung zur Errichtung einer elektrischen Beleuchtungsanlage in Fez, und 7) Errichtung einer Bank mit eigener französisch-marokkanischer Münze. Es heißt, daß der Rat der Notabeln die Vorschläge zurückweisen werde, weS- halb man Schwierigkeiten erwartet. * Düsseldorf, 27. Februar. (Eigene Meldung^ Wie unS mitgeteilt wird, sind die Forderungen der Belegschaft auf der Zeche „ G I ü ck a u s T i e s b a u ", die der Dortmunder Union gehört, nicht die Forderungen der Siebenerkommis- ) i 0 n , sondern Beschwerden l 0 kaler Natur , die bereit- vor Beginn des Streiks erhoben wurden. Im übrigen sind die Forderungen bis heute der Verwaltung noch nicht zuge- gangen. — Auf der Zeche „Laugenbrahm" beschloß die Belegschaft, die Verwaltung zu ersuchen, die gemaßregelten Arbeiter wieder einzustellen. Auf der Zeche „Mar garethe" bei Zölbe stellten die Belegschaften die Forde- rungen der Lohnerhöhung, Ermäßigung der Preise für Haus- brandkohle usw. Wie uns mitgeteilt wird, werden die Verwal tungen natürlich alles, soweit sie es nur können, aufbieten, diese Beschwerden eingehend zu prüfen und Mbülse zu schaffen. Bon der Absicht eines neuen Streiks kann keineRede sein. * München, 27. Februar. Prinz Friedrich Leo pold von Preußen ist heute vormittag hier eingetroffen und hat um 11^ Uhr die Reise nach Genua und den ost- asiatischen Kriegsschauplatz fortgesetzt. Meteorologische Beobachtungen ans äer^teruvart« la l.elprlr. Höbe: 119 Ilster über üem dleere. ilsrimum rler Temperatur — -s- 5,3", Illaüuum — — 2,0". st Reik. 2elt äer Leodaoktunx tiarom. ro<i. »al euuiim mstsr. Ool^-Or. V- b'savtt- Ueksit"/, vcioä- riotitumr a. Ltarirs. Nimm»"- 25.1'odr. ab. 8 U. 754,5 -i- 2,3 84 8 0 trübe 26. löbr. vm. 8 - 751,1 — 1.7 98 8 0 trübe ss nm. 2 - 747,7 -i- 5,3 74 80 1 Kelter Bericht der mcteorslogischen Station Oberhof i. Thür. 82» m «. d. M. 1905 Luftdruck Lufttemperatur Rela- live tthteil in »» Wind I _ m-o i eunttoru Febr. ? Uhr 2 Uhr ) i, Uhr Lages- Maxi- Mini- Rich- Llarle V-li- oorm mttta«! add«. mittel mum MUM mitt«' luna 22. 694.4 692.4 691.4 —3.9 -3.4 —5.0 100 8K s 10 23. 69'1.2 689.8! 689.2 -1.6 -0.2 —4.2 100 8L 2 10 24. 687.4 687.0 tl88.6 —1.5 -1.0 —2.4 100 8 1 10 Chefredakteur: Adolf Schiebt. Verantwortliche Redakteure: Für deutsche Politik Dr. Fried rich Purlitz, für auswärtige Politik Paul Wiegler, für säch sische Angelegenheiten Rudolf Szallie«, für Feuilleton Paul Zschorlich, für Musik Heinrich Zoellner, für Sport Julius Haarseld. — Für den Inseratenteil verantwortlich i. B. Ernst Bretschueider. Sämtlich in Leipzig. ' Die vorliegende Nummer umfaßt 10 Seiten.
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