Volltext Seite (XML)
Tageblatt für die Sächsische Schweiz DicS Blatt enthält die amtlichen MUlmchAkii sm Sas MiMW, das ßWiBui, sm den Lie »Sächsische Elbzcstung' erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Lie Ausgabe erfolgt nachmiltna« 5 Uhr. BczugsvrciS: monatlich 4.— M-, ins Hans gebracht 4.50 M., durch die Post 4.— M. lohne Bestellgeld). Einzelne Nnmmcr 20 Pf. Bestellungen nehmen die Briefträger nnd Postamtaltcn, sowie alle ZcitniigSbotcn entgegen. Druck nnd Verlag: Sächsische Elbzcilmig, Alma Hieke. Fisrnruf Nr. 22 Gemeindcvcrbands - Girokonto Bad Schandau 36 StMrat z« Hail CldiiOW mit Sc« SiMMiMai zu Hehnstci« Anzeigen finden die weiteste Verbreitung. Annahme derselben bis spätestens vormittags 9 Uhr, grössere Anzeigen am Tage vor dem Erscheinen erbeten. OrtSprciS für die Klein» schriftzcilc 60 Pf., für auswärtige Auftraggeber 75 Pf. (tabellarischer und schwieriger Satz nach Ucbcrcinknnft), Reklame u. Eingesandt die Zeile 150 Pf. Bei Wiederholungen Rabatt. Verantwortlich: Konrad Nohrlappcr, Bad Schandau. Postscheckkonto Leipzig Nr. 34918 : Telegramme: Glbzeltung. Mr. 236 Bad Schandau, Freitag, den 8. Oktober 19^0 6H. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Wie aus Warschau telegraphiert wird, werden nach den Bestimmungen des Waffenstillstandes die Feindseligkeiten Zwischen Ruhland und Polen nm 0. Oktober eingestellt. * In Lissabon, Porto und In allen gröberen Städten Portugals ist der Generalstreik ansgebrochen. * Der italienische Arbeitsminister plant die Einführung eines technischen Parlaments für Arbeiterfragen. " In Paris plant man di« Wtcdcreinführtmg der Fletsch» karte oder fleischloser Tage. * Die Polen versuchen in Paris rm erreichen, bass die ausser halb Oberschlesiens wohnenden Oberschiesier nicht zur Ab» stimmung zugelasscn werden. * Die Hamburg-Amerika-Linie dementiert die Nachricht, das» bas mit Nordamerika abgeschlossen« SchissahrtSabkonrnteu ansgehoben worden sei. * Die Stärke der Pollzeibeamtcu in Prcuheu wird in Zu kunft 85 000 Mann betragen. Natürliche Wirtschaftsgesetze. Mit dem ersten Oktober ist in weiten Teilen Deutsch lands der Handelsverkehr mit Fleisch auch rechtlich frei ge worden, nachdem er schon jahrelang sich tatsächlich weniger Im amtlich geregelten, als im sogenannten Schleichhandel vollzogen hatte. Unsere Haussrauen sahen diesem Ersten mit einiger Spannung entgegen. — Nicht mit Unrecht, denn es hing für die Hanshaltskosten ziemlich viel davon ab, wie die Preise für Fletsch sich jetzt gestalteten. Aber die Haus frauen waren keineswegs die einzigen, die diesen Tag mit einer gewissen Neugier erwarteten. Das gleiche war vtel- mchr auch bet allen Volkswtrtschaftlcrn der Fall, denn es war ein volkswirtschaftlicher Versuch grössten Massstabes von höchster Bedeutung, der sich hier abspielte. Gewiss sind auch schon andere Waren in Deutschland und die meisten Waren in anderen Staaten von der Zwangswirtschaft frei geworden. Aber entweder — und das war bei den anderen Staaten der Fall — hatte der Schleichhandel nie solchen Umfang an genommen wie bei uns oder — so lag es in den meisten Fällen in Deutschland — es handelte sich um Waren, in denen man die Zwangswirtschaft aufhob, weil man mit einer gewissen Überversorgung des Marktes rechnete. Über dies ist das Fleisch die erste Ware von derartig allgemeiner Wichtigkeit, in der man die Zwangswirtschaft anfhebt. Bei Kartoffeln liegen ja die Dinge anders, da bei diesen grosse Preisbindungen durch die Lieferverträge erfolgt sind. Wie sind nun die Dinge in den ersten Tagen freien Fleischhandels verlausen? Dass das Angebot nicht ganz un bedeutend war, ist verständlich, denn die Landwirte hatten in der letzten Zett der Zwangswirtschaft mit ihren Abliefe rungen, eigenartigerweise sogar mit den Verkäufen an ben Schleichhandel zurückgehalten, weil sie glaubten, jetzt werde sich bei riesenhafter Nachfrage ein noch wett über den bisherigen Schleichhandelspreisen liegender Preis heraus bilde». Die Schleichhandclspreise selbst waren in den letzten Monaten nicht mehr weiter gestiegen. Denn dte Verbraucher rechneten ihrerseits damit,, dass beim Beginn des rcicn Verkehrs ungewöhnliches Angebot auf dte Preise drücken werde. Keine von beiden Voraussetzungen ft eingetroffen. Soweit man überhaupt von einem esten Schleichhandelspreis sprechen konnte, — er schwankte a nach Stadt, Stadtgegend und anderen Um- tänden ziemlich beträchtlich —, so weit ist er auch beim Übergang in die freie Wirtschaft glattiveg erhalten geblieben. Man zahlt allerdings heute z. V. in den westlichen Aussen bezirken Berlins für die einzelnen Fleischsorten bis zu einem Viertel mehr als in der Innenstadt, weil der kleinere Wett bewerb im Westen mit grösserer Nachfrage glaubt rechnen zu dürfen. — Aber das war im Schleichhandel ganz ähn» lich und ist überdies eine Erscheinung, die wir in unserer kranken Wirtschaft unter ähnlichen Umständen immer wieder finden. Der Preis selbst aber hält sich, wie gesagt, voll kommen im Nahmen des Schleichhandelspreises, und es besteht höchstens der eine Unterschied, dass der Schleich- Händler kein Freund der Abgabe kleiner Mengen war, der Fleischer dagegen selbstverständlich auch kleinste Mengen abgibt. Kann man sich eigentlich einen glänzenderen VewÄE denken für die jetzt so oft bestrittene Behauptung, dass wirtschaftliche Gesetze stets und unter allen Umständen doch gur Wirkung kommen, dass dte schärfsten Zwangsmassnahmen bas Eintreten dieser Wirkungen vielleicht hemmen aber nicht hindern können? Und gerade dieser zwingende Schluss sollte unsere wirtschaftlichen Quacksalber, die ja nicht weniger «ahlreich sind als die medizinischen Kurpfuscher, eigentlich putzen machen. Denn der grösste Teil ihrer vielgepriesenen Rezepte geht doch von der Voraussetzung aus, dass man der Wirtschaft Gesetze auszwtngen tonnte. Die Römer halten ein Sprüchlein, das besagte, die Natur kehre immer wieder zurück, auch wenn man sie mit der Heugabel hinauswürfe, und das ist eben auch im Zeit alter der mechanischen Heuwender und Heutrockner noch nicht anders geworden. Ob allerdings die Befürworter gross angelegter allgemeiner »Wirtschaftspläne' das aus diesem bescheidenen Beispiel lernen werden, steht dabkl. //. Ursachen der russischen ALederlagrn» Die Front in Südrussland. Die letzten in Helfingfors etngetroffenen russlfchrn Zeitungen beschäftigen sich sehr eingehend mit den Ursachen der Niederlagen der russischen Heere und kommen zn den» Ergebnis, dass die Heeresleitung in der ersten Zeit der er folgreichen Offensive die Kerntruppen der Radek-Heere in unverantwortlicher Weise in Anspruch genommen habe. Später hatten bei dem Vorgehen der Polen die Lücken mit Kosaken von geringerer Ausbildung und Zuverlässigkeit auS- gefüllt werden müssen. Die auf diese Weise zusammen gesetzten Heeresabteilungen hätten den Polen nicht wider stehen können. In gleicher Weise sei mit den Verbänden der Artillerie verfahren worden. Sie seien in die ersten Linien vorgczogcn morden, und als der Rückzug eingetreten sei, hätte die Artillerie nicht rechtzeitig zurückgebracht werden können und sei den Polen zur Beute gefallen. Nennens werte Kämpfe finden zurzeit nur noch in Südrussland statt, ivo General Wrangel im Verein mit den Ukrainern gegen die Sowjettruppen vorstösst. Wie dort dte Lage ist, zeigt deutlich die Übersichtskarte. Russisch-polnische Waffenruhe. Im letzten polnischen Generalstabsbericht wird gemeldet: »Gemäss der Bestimmung der Kommission des Völkerbundes, die nach Suwalki gekommen ist, hat die Oberste Heeres leitung die Einstellung der Kampftätigkett im Abschnitt von der preussischen Grenze bis Poturce östlich von Qrauq verfügt.' Trotzki an seine Internierten. In einem yunkspruch au» Moskau wendet sich Troßki an die Internierten der Noten Armee in Deutschland und entbietet ihnen seinen Gruss. Er verspricht ihnen möglichst rasch« Rückkehr in di« Heimat. Er versichert den Noten Soldaten, dass die grosse Mehrheit des von der Entente unterdrückten deutschen Bölkes warm mit ihrer und ihren Bestrebungen sympathisiere. lvas Ergebnis von Brüssel. Übereinstimmung in allen Frager». Der Vorsitzende der Fiiianzkonferenz Ador teilte Ver tretern der Presse mit, es sei in den Kommissionen Ein verständnis über die Vorschläge geschaffen worden, die der Vollversammlung unterbreitet werden sollten. Atan habe von Spaltungen, unversöhnlicher Haltung und unvereinbaren Vorschlägen gesprochen: nichts sei unrichtiger. Wenn Frei händler mit überzeugte»» Schutzzöllnern verhandelten, so müsse rnan sagen, der beste Geist und der aufrichtigste Wunsch, zuin Ziel zu gelangen, habe die Arbeiten der Aus schüsse geleitet. Die Gntschlicsinngen seien in den vier Ausschüssen einstimmig angenommen worden. Diese Über einstimmung habe sich nicht ohne gegenseitige Zugeständnisse erreichen lassen und nicht, ohne dass die Entschliessungen etwas an Entschiedenheit eingebüsst hätten. Andererseits dürfe man nicht vergessen, dass die Konferenz nur dte Auf gabe hatte, über bestimmte Probleme den Negierungen, di« aus den Arbeiten der Kouserenz Varteil ziehen sollten, Richtlinien vorzuschlagen. Die Sozialisierungsvorschläge. Der Borstand des Neichsverbandes der deutschen Industrie hat nunmehr die beiden Borschlüge der Sozialisierung«. Kommission geprüft. Beide Vorschläge entsprechen nicht den Hauptforderungen, daß nämlich durch sie dl« Hebung der Förderungen mit Sicherheit erreicht werden. Der Neichs- verband der deutschen Industrie vertritt den Standpunkt, daß durch Beratung der Frage in den Sachverständigen- und zuständigen Körperschaften de, Nelchswirtschafts« und Neichskohlenrates Grundlage»» für eine Ausgestaltung der Kohlenwirtschaft gefunden werden könne, die insbesondere für die deutsche Volkswirtschaft unerträglichen Kohlenmangel in kürzester Frist abzuhelscn geeignet sind. Gesetzliche Regelung der Arbeitszeit. Gegenüber Gerüchten von der bevorstehenden Abschaffung des Achtstundentage» wird von zuständiger Stelle erklärt, dass im Neichsarbeitsministittum in der Tat eine gesetzliche Negelung der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter und Angestellten in Vorbereitung ist. Völlig unzutreffend ist es aber, daß dabei beabsichtigt wäre, den Achtstundentag zu beseitigen. Uebrigens wird daraus verwiesen, dass der inter nationale Verband der Arbeit beim Völkerbund auf seiner ersten Hauptversammlung in Washington 1-1S den Entwurf zu einem Ucbereinkommen Uber die Einführung des Acht stundentages für gewerbliche Arbeiter beschlossen hat, und daß die Neichsregierung, da Deutschland Mitglied dieses Verbandes ist, verpflichtet ist, diesem Uebereinkommens« entwurf der gesetzgebenden Körperschaft alsbald oorzulegen. Mesenkosten der Feind-Besatzung. Unmöglichkeit der Etataufstellung. Der Rcichsrat hatte zur Erstattung des Berichtes des AuSsthusses über de» Haushaltsplan des Ncichsschatzmini- steriums eine Vollsitzung anberanmt, in der der Bericht erstatter sich ausserstande erklärte, das Referat zu erstatten, weil in der Zwischenzeit bekanntgeworden war, dass riesige Er höhungen der Aufwendungen für die Besatznngstruppcn er forderlich werden. Der Berichterstatter stellte infolgedessen die Anfrage an den Minister, welche Bewandtnis es mit dieser Erhöhung habe und wie hoch sich nach Ansicht des Ministers der Gesamtaufwand stellen würde. Der von dem Rcichs- schatzminister gegebenen Begründnng ist u. a. zu entnehmen, dass bei der Ausstellung des Etats im Februar 1920 jede sichere Unterlage fehlte. Die Anfrage bei der Nheinlandkommission über die Stärke der Besatzung, über ihre Gcbührnisse an Geld, Verpflegung, Wohnung, Vcrbrauchsgegenständen usw, ist unbeantwortet geblieben. Der Marschall Foch hatte im Oktober 1919 auf eine Anfrage der deutschen Waffcnstillstands- kommission geantwortet, die deutsche Negierung habe keine Kontrolle zu üben über die Verwendung der angeforderten Markvorschüsse, die ihr auf die Vcsatzungskosten gutgcschrteben ivürden. Der einzige Anhalt für die Aufstellung des Etats 1920 ergab sich für das Reichsschatzministerium aus einer Er klärung des Vorsitzenden der Interalliierten Kommission, Herrn Loucheur, bei den Verhandlungen in Versailles im August 1919. Herr Loucheur hat damals auf dte Feststellung des Staatssekretärs Dr. Lewald, dass im besetzten Gebiet Kasernemeuts für 7VV6V Mam» vorhanden seien und auf seine Forderung, dass die Vesatznngs- truvvcn diese Zahl nicht überschreiten sollten, erwidert, die Zahl würde wohl um etwas höher sein. Das Neichsschatz- ministerinm musste demgemäss aunchmen, dass nur mit einer mässigen Überschreitung dieser Ziffer zu rechnen sein würde. Es hat die Gesamtbesatzungsstärke auf 80 000 Mann und, unter Zugrundelegung der für die deutschen Ncichswehrsoldaten er wachsenden Kosten, die Kosten für den normalen Unterhalt der Besatzung auf 1,92 Milliarden Mark veranschlagt. Unter Zurechnung der Ausgaben für die Requisition ist das Neichs- schatzministerium auf Grund roher Schätzung auf den im Etat eingestellten Bettag von drei Milliarden Mark gekommen. Die nur indirekt möglichen Feststellungen über die Bcsatzungs- stärke ergaben eine Ziffer von etwa 130 000 Mann. Die von den Besatzungsmächten geforderten Barzahlungen für den Unterhalt der Besahungötruppen, die sogenannten Markvorschüsse, erreichten Ende Dezember 1918 bis Ende August 1920 die Summe von 2 313 097 609 Mark, für die Lieferung von Verpflegung und Futtermitteln wurden bis zum gleichen Zeitpunkt etwa 110 000 000 Mark verausgabt. Ausserdem ergab sich auf Grund der im Sep tember abgeschlossenen Erhebungen, dass die bis Ende März 1920 anfgelanfenen Quartier- nud Reguisitiousentschädiguugen auf einen Gesamtbetrag von über 5 Milliarden Mark veran schlagt »verden mussten, der znm überwiegenden Teil erst im Rechnungsjahr 1920 zur Auszahlung kommt. Diese Betrage stellen aber nur einen Teil der tatsächlichen Kosten dar. Es steht noch aus der überwiegende Teil der von den Besatzungs mächten verauslagten Beträge für Besoldung und Unterhalte der Truppen und für von ihnen unmittelbar bezahlte Rc- guisitionen. Für die Schätzung der Hübe dieser Zahlungen ist das Reichsschatzministerium, da es bisher keinerlei offizielle Aufklärung erhalten konnte, ausschliesslich auf Zeitungsnach richten angewiesen, für deren Zuverlässigkeit keine Gewäl-r gegeben ist. Der Bericht des französischen Abgeordneten Loucheur, den er iin Namen der französischen Bndgetkom- missiou der französischen Kammer am 14. Juni 1920 erstattet hat und dessen authentischen Wortlaut wir uns erst vor kurzem beschaffen konnten, schätzt die Kosten der Besatzungs armee bis 1. Mai 1920 auf 4 Milliarden Goldmark, ivas einem Betrage von 4i» Milliarde»» Papiermark entspricht. Es ist wchl ersichtlich, ob Herr Loucheur hierbei lediglich die Kosten der französischen Besatzungsarmee oder die Gesamtkosten der Besatzung im Ange hatte. Geht man von letzterer Voraussetzung aus, so ergibt sich eine monatliche Ausgabe von 2,8 Milliarden,, d. h-, eine Jahresausaabe non