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Anttkit sm dis AmiSzniG, dis HWtB«t, ssiiic km den Die „Sächsische Elbzcitung" erscheint täglich niit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Die Ausgabe erfolgt nachmittags 6 Uhr. Bezugspreis: bicrleljährlich 6.50 M., monat lich 2.20 M., durch die Post Vierteljahr!. 8.60 M. (ohne Bestellt,cld). Einzelne Nr. 20 Pf. Bestellungen nehmen die Briefträger und Postanstnllcn, sowie alle ZeituugSbotcn entgegen. Druck und Verlag: Sächsische Elbzcitnng, Alma Hieke. Fernruf Nr. 22 Gemeindcverbands - Girokonto Bad Schandau 36. AMrat zu Bad Wadi» uad dti NafizgUiüent z» WO!» Anzeigen finden die weiteste Verbreitung. Annahme derselben bis spätestens vormittags 9 llhr, größere Anzeigen nm Tage vor dem Erscheinen erbeten. Orisprcis für die Klciu- schriftzcile 60 Pf., für auswärtige Auftraggeber 75 Pf. (tabellarischer und schwiorigc» Satz nach Ucbcrcinkunst), Reklame u. Eiugcsautt die Zeile 150 Pf. Bei Wiederholungen Nobatt. Verantwortlich: Kournd Rohrlapper, Bad Schandau. Postscheckkonto Leipzig Nr. 34618 : Telegramme: Elbzcituug. Nr. 143 Bad Schandau, Dienstag, den 22. „Zum ^920 6^. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Kommuualwahlen in Groß-Berlin habe» für die beiden sozialistischen Parteien zusammen eine Mehrheit cr- oeben. * Der Reichspräsident Hot nunmehr den Abgeordneten Fehrenbach zum Reichskanzler ernannt. * In Berlin starb am Herzschlag der bckai nie demokratische Politiker Staatsministcr a. D. Dr. Friedberg. - Die Konferenz voll Spa ist ^zwischen auf den 1b. Juli verschoben worden. * Llopd George hat erklärt, daß England niemals ein freies Irland dulden werde. * Die amerikanische Regierung veilangt von den übrigen Ententcstaaten Rückzahlung der gewährten Kricgsdarlchcn. Reichskanzler Fehrenbach. Nicht Müller und nicht Heinze und nicht Trimborn, sondern der Präsident der Nationalversammlung ist dazu ausersehen worden, als neuer Reichskanzler sich am kommenden Donnerstag dem frisch gewühlten Reichstage vorzustellen. Genau vierzehn Tage hat es gedauert, ehe der Herr Neichs- vräsident diese Ernennung vollziehen konnte: wohl die längste Ministerkrisis, die es in Deutschland jemals gegeben hat. Freilich war auch die Aufgabe, die gelöst werde« mußte, so ziemlich ohne Beispiel in unserer Geschichte: sie läßt sich wohl mit der Quadratur des Kreises in Vergleich stellen. Und wie sie schließlich mit dem „Block der Mitte" gelöst worden ist, darüber läßt sich heute nur ein mit aller Ängstlichkeit verklausuliertes Urteil abgeben. Denn dieser Block ist eine Mindcrheitsrcgicrung, während ausdrücklich vorschreibt, daß der Kanzler und seine Minister das Ver trauen des Reichstags, also seiner Mehrheit ge nießen müssen. Wird die Sozialdemokratie ihre zn- gesicherte Neutralität so weit betätigen, daß sie dem Kabinett Fehrenbach bei seiner Vorstellung am 24. Juni ihr Vertrauen votiert? Oder rechnet man damit, daß die ge flissentlich ferngehaltene Deutschnationale Voiks- partei vor diesem bürger lichen Ministerium eine wohlwollende Ver beugung machen wird? Und wenn die ersten Parlamentstage noch glücklich abiaufen, besteht Aussicht dafür, daß nicht irgendein uuvorhergc- von heule sehr bald in eine Minderheit von Morgen verwandelt? So viele Fragen, so viele Sorgen. Aber cs näht alles nichts, der Versuch muß gewagt werden, und wie die Dinge liegen, verdient Herr Fehrenbach den Dank des deutschen Volkes für die Bereitschaft, trotz aller bestehenden Bedenken in die Bresche zu springen. Ein leichtes Kanzlerlcbeu ist cs nicht, dem er entgcgengeht. Ein Rechtsanwalt aus Freiburg im Breisgau. Man kennt ihn, seine Art und sein Wesen schon ziemlich genau aus seiner Tätigkeit als Präsident der Nationalversamm lung. Humorvoll, geruhiger Überlegenheit pflegte er seines Amtes zu walten, stets aus dem Sprunge, aufgeregte Volks vertreter durch süddeutsche Gemütlichkeit wieder zu Sanft mut und freundlicheren Umgangsformen zu bekehren. Dabei ein guter Schuß Würde, und recht viel Pathos, wo es von der Feierlichkeit des Augenblicks gefordert wuroe. Es mag hier und da wohl einmal eine Situation gegeben haben, wo seine Unparteilichkeit von politischen Gegnern ange zweifelt werden konnte, wo im entscheidenden Augenblick nicht das rechte Wort, bei heftigen Zusammenstößen zwischen rechts und links nicht der versöhnende Ausgleich sich finden wollte. Im großen und ganzen aber hat er cs verstanden, sich bei allen Parteien Ansehen und Wertschätzung zu er werben, so baß man seiner Übersiedelung ins Reichskanzler- palais zum mindesten mit dcr einen Hoffnung entgegensehen kann, daß sie nicht zu weiterer Zuspitzung der Parteigegcnsätze führen werde. Atan muß ihm auch zugestchcn, daß er oou Anbeginn seinerpolitischenLanfbahnanaufdemltnkcnFlügeldesZentrums gestanden hat: die Nolle, die er ün Zabernfall gespielt hat, legte davon offenes Zeugnis ab. So galt und gilt er auch als rückhaltloser Freund und Gönner des Herrn Erzberger, unter dessen Führung das Zentrum immer näher au die ausgesprochenen Parteien der Linken herangcrückt ist. Wenn also die Ausgabe des Augenblicks, nach dein Ergebnis der Wahlen vom 6. Juni, dahin festgelegt wurde, die Fühlung mit der Sozialdemokratie unter keinen Umständen zu ver lieren, so war Herr Fehrenbach unzweiselhaft der richtige Mann für den Kanzlerposten. Die Sozialdemokraten können gegen ihn im Grunde nur den einen Einwand erheben, daß er einem anderen Lager entstamme; aber da sie selber jede doch die Weimarer Verfassung Konstantin Fehrenbach. Zwischenfall die Mehrheit I Beteiligung an der neuen Negierung, trotz immer wieder holter Bemühungen, abgelchnt haben, müssen sie sich mit dieser Tatsache schließlich abfinden. In der Negierung der Mitte, die nach einigermaßen ängstlich geführten Partei- vcrhandllmgcn nunmehr glücklich zustande gekommen ist, wird Herrn Fehrenbach an erster Stelle die Nolle als „Ausgleichs- Minister" zufallen, und man muß schon sagen, daß unter den gegebenen Verhältnissen kaum eine geeignetere Wahl zu treffen war. Als ein günstiges Vorzeichen seiner Wirksam keit darf ferner in Rechnung gestellt werden, daß bei der Auswahl seiner Mitarbeiter nicht wieder wie bisher in erster Reihe auf ihre Parteizugehörigkeit gesehen werden soll: das wäre immerhin ein gutes Beispiel, das hoffentlich auch irr den mittleren und unteren Regionen des Bcamtentnms wieder mehr Nachahmung finden wird. Auch die Zurück- drängung verfassungsrechtlicher Streitfragen, zu der sich dis Parteien der Negierung geeinigt haben, uin alle Kräfte auf die Bewältigung der wichtigsten auswärtigen, finanziellen und wirtfclmstlichen Fragen des Augenblicks zu sammeln, wird vielleicht Schule machen. Es ist höchste Zelt, daß endlich der Guß beginne, der unseren Wteberuulbau eiu« > leiten soll. Herr Fehrenbach ist nicht der erste Zentrumskanzler, des wir haben. Graf Hertling hat vor ihm den Arntsstuhl dcS Fürsten Bismarck eingenommen, und er hätte die ihm ge stellten Aufgaben vielleicht besser lösen können, wenn er noch im Vollbesitz seiner Arbeitskraft gewesen wäre. Auf Herrn Fehrenbach trifft diese Voraussetzung glücklicherweise zik Dafür stellt freilich die Gegenwart, nach Kriegsoerlust und Revolution, an den Leiter der deutschen Neichsgeschüfte noch imgleich riesenhaftere Anforderungen, als es selbst im Welt kriege der Fall mar. Nur wenn alle guten Deutschen den neuen Kanzler mit voller Hingabe in seinem schweren Werk unterstützen, wird es gelingen können. * Konstantin Fehrenbach wurde geboren am H. Jamrar 1862 in Wellendingen, Amt Bonndorf, wo sein Vater Volks» schullehrer war. Nach den: Besuch der Volksschule und des Gymnasiums wandte er sich dem Rechtsstudium zu, lieb sich als Rechtsanwalt in Freiburg i. B. nieder, wurde dort 189b Stadtrat und war von 1901 bis 1913 Mitglied der Zweiten badischen Kammer, von 1909 ab Prändeut der Kammer. Jin deutschen Reichstage saß er seit 1903. Am 8. Juni 1U1S wurde er zum Reichstagspräsiüentcn, nm 12. Februar ilttN Präsidenten der Nationalversammlung gewählt. Die neue Negierung Fehrenbach. Berlin, 22. Juni. Wie aus zuverlässiger Quelle ver lautet, kann die Negierungsbildung als vollkommen erreicht angesehen «erden, so daß das Kabinett in allerkürzester Zeit gebildet sein wird. Uebrr die Besetzung einiger Acm- ter ist endgültig noch nicht entschieden, weil die für diese Posten in Betracht kommenden Persönlichkeiten ihre Zu stimmung noch nicht gegeben haben. Das neue Kabinett wird sich wie folgt zusammensetzen: Reichskanzler Fehren bach, Minister des Innern Koch, Finanzminister Wirth, Poftminister Giesberts, Reichsernährungsminister Hermes, Netchswehrmlnister Geßler, Reichsfustizminister Dr. Heinze, für das Neichsschatzminifterium vorgesehen von Kardorf. Die Besetzung des Neichsoerkehrs-, Wirtschafte- und Ar- beitsminifterium« ist noch nicht entschieden. Für letzteres kommt ein Vertreter der christlichen Gewerkschaften in Frage. Das Wiederausbauministerium wird aller Voraus sicht nach mit einem anderen Ministerium verbunden werden. An die Errichtung eines besonderen Ministeriums ohne Porteseuille, wie es David im alten Kabinett innehatte, denkt Fehrenbach nicht. Das Auswärtige Amt, dessen fachmännische Besetzung von allen Parteien als dringend erwünscht bezeichnet worden ist, wird durch Geheimrat Simons besetzt werden. Die Stelle des Neichstagsprksidenten. Berlin, 2L. Juni. Fu der Blättermeldung, daß die Sozialdemokraten es ablehnen, den Präsidenten des Reichs tages zu stellen, erklärt die „Germania", daß auch beim Zentrum, das schon in hervorragendem Maße an der Re gierungsbildung beteiligt ist, wenig Neigung besteht, den Prästdentenposten des Reichstages zu besetzen. Die neue anhaltische Negierung. Dessau, 22. Juni. Der anhaltische Landtag bildete gestern die neue Negierung. Der bisherige mrhrheits- sozialistische Staatspräsident Deist wurde einstimmig wieder gewählt. Die bisherige Koalition zwischen Demokraten und Mehrheitssozialdemokraten bleibt bestehen. Die Oppo sition der Rechten und Linken sicherte der Negierung ihre sachliche Mitarbeit zu. Verbotene Zeitungen im Maingau. Franks». >, 22. Juni. Seit Sonnabend sind nach einer Mrlmmg der „Frankfurter Zeitung" diese Zeitung selbst und außerdem sämtliche Maingauer Zeitungen von den Franzosen in Ludwigshafen verboten worden. Unruhen in Osnabrück. Osnabrück, 22. Juni. Vergangene Nacht kam es in der Stadt zu erheblichen Kämpfen. Die Ursache Ist in Lebcmsmittclunruhen zu suchen, die dann weiterhin offenbar politischen Charakter aunnhmen. Versuche, das Gesängnis zu stürmen, blieben ohne Erfolg. Das Schießen dauerte bis nachts 2 Uhr ununterbrochen an. Der Sicherheits polizei gelang es bisher nicht, der Unruhen Herr zu werden. Ueber das Eingreifen von Militär ist, trotzdem die Kämpfe sortdauern, bis zur Stunde noch nichts bekannt. Arbeiter und Angestellte. Elberfeld. (Unruhen und Arbeitsniederlegung.) Hier sind neue Unruhen ausgcbrochen. Der Betrieb der Barmer Werkbahn ist plötzlich stillgclegt worden. Die Eisen bahner im Elberfelder Bezirk sind in den Streik getreten und lassen keine Züge mehr aussahren. Eine Ausdehnung des Streiks ist mit Sicherheit zu erwarten. Seit einiger Zeit befindet sich die Arbeiterschaft des Nheinlandes in einer ge wissen Garung, was nicht zuletzt auf die scharfen Maßregeln der Nheinlandkommission im Düsseldorfer Regierungsbezirk zurückzuführeu ist, wo alle Versammlungen verboten worden sind. Halle. (Der Elektrizitätsstreik beendet.) Der Ausstand der Elektrizitäisarbeiter in Halle ist beendet. Der Magistrat halte ein Eingreifen der Technischen Nothilfe ab gelchnt. Er begründete diese Maßnahme damit, daß er die Aufrechterhaltung des Elektrizitätswerkes nicht als lebenswichtig ameye. Der Arbeitgeber als Steuereinnehmer. Ergänzende Bestimmungen. Nach 8 12 Abs. 1 der Bestimmungen über die vorläufige Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeits lohn für das Rechnungsjahr 1920 kann dem Arbeitgeber ge stattet werden, statt der Einzahlung des einbehaltenen Be trages durch Steuermarken die Einzahlung unmittelbar in bar oder durch Überweisung an die Steuerhebestelle vorzu« nehmen, die für die Erhebung der vom Arbeitnehmer zu ent richtenden Einkommensteuer zuständig ist. Um Arbeitgebern mit zahlreichen in mehreren Gemeinden wohnhaften Arbeit nehmern die Durchführung zu erleichtern, wird hierdurch folgendes verordnet: Beschäftigt der Arbeitgeber mehr als 100 Arbeitnehmer, und sind für die Erhebung der von ihnen zu entrichtenden Einkommensteuer mehrere Steuerhebestellen zuständig, so ist der Arbeitgeber berechtigt, den einbehaltenen Betrag an die für die Betriebsstätte oder in Ermangelung einer solchen an die sür ihn sonst zuständige Finanzkasse abzuführen. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber die Nachweisung — Muster 3 — und zwar in dreifacher Ausfertigung, bet der selben Kasse einzureichen. Die Nachweisung ist einseitig zu beschreiben und so einzurichten, daß die einzelnen Abschnitte ohne Abschriftnahme auf die Finanzämter verteilt werden können, die für die Erhebung der Einkommensteuer der Arbeitnehmer in Betracht kommen: die einzelnen Arbeit nehmer find tunlichst nach Wohnorten zusammenzufassen. Die Finanzkasse hat die Nachweisung dem für sie zuständigen Finanzamt abzugeben. Das Finanzamt trennt die Ab schnitte und leitet sie an die für die einzelnen Arbeitnehmer zuständigen Finanzämter weiter/ Wissenschaftliche Betrie-sfüheung. Von Georg Hammerschlag. Als vor einigen Jahren die beiden Amerikaner Taylor und Gilbreth mit ihrem System der wissenschaftlichen Betriebsführung in die Öffentlichkeit traten, fehlte es auch bei uns in Deutschland nicht an Versuchen, dieses System in den industriellen Betrieben einzuführen. Der Erfolg war ein vollkommen negativer. Die Arbeiterschaft lehnte sich ins gesamt gegen das „Zikoncuguctsch- oder Hetzvogt-System" auf. Schließlich wurde das Taylor-System mit dem Urteile beiseite gelegt, daß cs vielleicht für amerikanische Verhält nisse, aber nicht für deutsche passend sei. War das Taylor-System aus den Werkstätten verbannt, so beschäftigte sich doch die deutsche Wissenschaft weiter mit der Frage der wissenschaftlichen Betriebsführring. Zitrouen- yuetsch- oder Hctzvogtsystem, der Arbeiter hatte das Empfinden, daß er ausgebeutet wurde; da lag der Haken. Die Ameri kaner hatten wohl eine Methode gefunden, um einen Betrieb so zu führen, daß er möglichst viel Nutzen dem Unternehmer abwarf, aber sie hatten sich nicht genügend mit der Frage beschäftigt, „wie erhalte ich den Arbeiter leistungsfähig und nrbcitsfrcudig. Wie erziele ich als Unternehmer den größten Nutzen bei größter Schonung des Arbeiters?" So mußte die Frage lauten. Die Wissenschaft, welche sich zur Aufgabe macht, diese Frage zu beantworten, nennen mir Psychotechnik. Obwohl als Wissenschaft noch recht jung, lo kann sie heute doch be reits auf ganz ausgezeichnete Erfolge zurückblicken. Dis betriebswisseuschaftlichen Erfahrungen sind heute schon so zahlreich, daß wir im folgenden «ns damit benüaen müssen.