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Kleine Mitteilungen. Englisches Vorbild. — Unter dieser Überschrift ist im neuesten (März-) Heft des »Türmer« nachstehender Artikel abge druckt: Man beschuldigt uns so oft, und leider mit gutem Recht, der Nachahmung des Auslandes in gleichgültigen oder gar üblen Dingen. Vielleicht, daß diese bedauerliche Charaktereigenschaft auch einmal in gutem Sinne fruchtbar gemacht werden kann. In Eng land haben sich führende Verlagsbuchhändler und Schriftsteller zu sammengefunden, um bei der Regierung auf die schärfere Über wachung der literarischen Erzeugnisse hinzuwirken. Eine Abordnung aus den genannten Kreisen hat vom Staatssekretär des Innern ein energisches Gesetz gegen die unanständige Literatur verlangt, und zwar sollten nicht nur, wie bisher, »obszöne«, sondern auch »indezente« Erzeugnisse für strafbar erklärt werden, damit die Richter nicht, wie bisher oft, von einer Verurteilung absehen müßten, wenn die offene Gemeinheit fehlt, obwohl der unsittliche Zweck deutlich erkennbar sei. Es wäre dringend zu wünschen, daß auch bei uns in Deutsch land, wo wir jetzt doch allgemein uns den Gefahren der Schund literatur nicht mehr verschließen, die Verleger und Schriftsteller in der notwendigen Reinigungsarbeit mit allen Kräften die gesetz gebenden Körperschaften unterstützten. In Schriftstellerkreisen müssen wir offener werden. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, aus einem anstößigen Werke mit höchstem Wohlwollen künstlerische Tendenzen und Kunstwerte herauszuwittern und so durch unsere Gutachten derartige Bücher der Strafe zu entziehen. Nur ganz ungewöhnliche künstlerische Werte können ein Gegengewicht gegen schwere ethische und sittliche Mängel bedeuten. Jenen wird man sich kaum verschließen können. Die Verleger aber haben in ihren Organisationen ein Mittel zu praktischer Säuberungs arbeit. Das Buchhändler. Börsenblatt könnte da in ganz anderer Weise Vorgehen, als es bisher geschehen ist, und seinen Anzeigenteil jener Literatur ver- schließen, die unter sehr durchsichtiger Decke die unsitt lichen Spekulationen versteckt?) Wenn so die in Frage kommenden Berufe die Reinigungsarbeit in die Hand nehmen, wird es auch leichter sein, das jetzt oft so unsinnige Verhalten der Zensur zu bekämpfen. St. Es ist nicht das erste Mal, daß in der Presse die Forderung erhoben wird, das Börsenblatt möge in umfassenderer Weise als es bisher geschieht, seinen Anzeigenteil von versteckt unsittlicher Literatur freihalten, wie es auch nicht das erste Mal ist, daß man ihm vorwirft, sich eine Zensur anzumaßen, auf die es kein Recht habe. In dieser Verschiedenartigkeit der Beurteilung liegt eine weit bessere Rechtfertigung als wir sie durch den Hinweis auf die wiederholte Behandlung dieses Themas im Börsenblatt geben können. Anscheinend hat aber auch der Türmer nur läuten gehört, ohne zu wissen, wo die Glocken hängen. Denn sonst wäre es unverständlich, daß er der Redaktion eine Aufgabe zuweist, die bisher weder von der Gesetzgebung, noch von den zahlreichen Sittlichkeitsvereinen in be friedigender Weise gelöst worden ist, obwohl diese es ungleich bequemer haben als wir, da sie es in der Regel mit den Büchern selbst, wir dagegen nur mit den Anzeigen darüber zu tun haben. Auch sind wir — von den äußeren Machtmitteln abgesehen — nicht so allgewaltig wie der Staatsanwalt, in dessen freies Er- messen es gestellt ist, ob er Anklage erheben will oder nicht, und dem es schlimmsten Falls passieren kann, daß der Gerichtshof oder eine höhere Instanz sein Urteil korrigiert. Das Börsen- blatt dient den Interessen der buchhändlerischen Geschäftswelt, und diese Interessen haben wir zu respektieren, solange sie sich in gesetzmäßigem Rahmen bewegen und in Einklang mit den Bestimmungen über die Verwaltung des Börsenblattes zu bringen sind. Diese Bestimmungen sind schon zu einem guten Teil ein über das Gesetz hinausgehendes moralisches Hilfsmittel, um sowohl die Form als auch den Charakter der Anzeigen im Sinne geschäftlicher Wohlanständigkeit beeinflussen zu können. Dann aber versagen unsere Machtmittel genau so wie die des Gesetzgebers, dem es bisher auch nicht gelungen ist, die Red. Kriterien des Schundes in einwandfreier Weise festzulegen. WaS hier allenfalls noch getan werden kann, kann nicht vom Börsen- verein aus geschehen, sondern muß der Initiative des Sortiments überlassen bleiben. Weit zweckmäßiger als die Angriffe auf das Börsenblatt wäre es u. E., auf eine Vereinheitlichung unserer Recht sprechung auf diesem Gebiete hinzuwirken und damit jener Un sicherheit über das, was verboten und was erlaubt ist, ein Ende zu machen, die viel gefährlicher ist als die strengste Zensur. Der im Börsenverein organisierte Buchhandel verwahrt sich entschieden gegen den Vorwurf der Begünstigung unzüchtiger Literatur, aber er hat ein Recht darauf, daß man seiner Kenntnis und Er kenntnis zweifelhafter Literaturerscheinungen nicht mehr zumutet, als billiger Weise mangels einer sicheren gesetzgeberischen Führung von ihm verlangt werden kann. Was das Loblied auf unsere Vettern jenseit des Kanals anbetrifft, so braucht bloß an das Verbot von Sudermanns Roman »Das hohe Lied« erinnert zu werden, um ihnen neidlos diese »notwendige Reinigungsarbeit« zu überlassen. Wie man übrigens in England über die erwähnte Aktion denkt, geht aus dem in der ersten März-Nummer des »üookssllsr« abgedruckten Versammlungsbericht der I^Ltioual Look l'raäs 1-itsrar^ anä vebativA Loeist.^ hervor, in dem der Referent über das Thema 6eo8or8bip ok Loolrg anck kls^s die gegenwärtige Bewegung als »an attaelc ou tks libsrt^ ok tbouAbt« bezeichnet. Man scheint demnach auch in England über die Zweckmäßigkeit einer Ausdehnung der Strafverfolgung auf »indezente« Literatur durchaus nicht einer Meinung zu sein, weil sich dieser Begriff ebensowenig erfassen läßt wie der der »Schundliteratur«, unter dem auch jeder etwas anderes versteht. Wir haben die kürzlich erfolgte Wahl des 1. Vor stehers des Börsenvereins in den Vorstand der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schundliteratur mit Genugtuung begrüßt, nicht zuletzt, weil dadurch dem im Börsenverein organisierten Buch. Handel Gelegenheit gegeben ist, an einflußreicher Stelle den Nach weis zu führen, daß er mit den Fabrikanten und Verbreitern der unsittlichen Literatur nichts gemein hat und haben will. Aber es scheint uns eine sonderbare Zumutung, uns selbst den Strick um den Hals zu legen, damit ein von keinerlei Sachkenntnis getrübter angeblicher Kunstverstand uns um so bequemer die Luft ab- schneiden kann. Buchhändler-Berband Hanuober-Braunschweig. — Auf die Tagesordnung des 30. Verbandstages, der, wie bereits ge meldet, am 10. März im Künstlerhause zu Hannover abgehalten wird, sind neben internen Vereinsangelegenheiten auch ein Vortrag des Herrn Max Schaper: Der Kredit im Buchhandel, sowie einige Mitteilungen aus den Sitzungen des Ausschusses zur Revision der Verkaufsordnung 1911/12 von Herrn Oscar Schmorl gesetzt worden. Ein von Herrn R. Hargens vertretener Antrag des Vorstandes bezweckt die Erhöhung des Mitgliederbeitrags zum Verbände der Kreis- und Ortsvereine von 2.— auf ^ 3.—. Der Reformator der Geographie. — In der Frkf. Ztg. schreibt bk.: Aus der Schulzeit ist jedem die »Mercator-Projektion« erinnerlich; wer zum ersten Male einen Atlas in die Hand bekam, fand darin eine Karte der ganzen Erdoberfläche in »Mercator- Projektion«, nebst einer Übersicht über die anderen Arten der Kartenprojektion, bei denen die »Gradnetze« bald krumm, bald geradlinig verliefen. Die Einrichtung dieser Gradnetze (wie das Wort Atlas auch) gehen auf einen Mann zurück, dessen Ge- burtstag sich am 5. ds. zum 400. Male jährt: auf Gerhard Mercator. Mit der Schaffung dieser Gradnetze und mit der ge nauen mathematischen Untersuchung ihrer Bedeutung überhaupt hat Mercator in der ganzen Kartenkunde eine solche Umwälzung hervorgerufen, daß er als Reformator der Geographie bezeichnet werden kann. Vor seiner »Reformation« waren auf den Karten die Umrisse der Länder usw. gezeichnet, außerdem fanden sich an verschiedenen Stellen Kompaßrosen gezeichnet, die Längen- und Breitengrade dagegen waren nicht vor handen. Die Grundlagen der damaligen Kartenzeichen kunst waren bekannte Abstände zweier Punkte auf der Erde und die Richtung, die nach dem Kompaß bestimmt werden konnte; beides waren aber unzuverlässige Hilfsmittel, denn die Abstände verschiedener Punkte beruhten zum Teil auf recht *) Von uns gesperrt.