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Allgemeiner Anzeiger : 19.09.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191709195
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170919
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-09
- Tag 1917-09-19
-
Monat
1917-09
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.09.1917
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LolöLtenfürlorge. Die riesenhafte Kliegsniaschine, die wir in den Tagen der Mobilmachung mit so bewunde rungswürdiger Präzision sich in Gang setzen sahen, läuft heule, trotz der unendlich gewachsenen Schwierigkeiten, noch ebenso glatt und sicher wie zuvor, nur ist sie in ihrer Riesenhaftigkeit noch um ein vielfaches gesteigert worden. Bei den sich überstürzenden Anforderungen an die Or ganisationskraft der leitenden Stellen ließen sich mancherlei Härten für einzelne und für Gesamt heiten nicht vermeiden. Aber die Heeresleitung hat stets im Rahmen der militärischen Möglich keit alles unternommen, um Mißstände äbzu- schaffen und berechtigten Klagen abzuhelfen. Gegen Mißgriffe hinsichtlich der Behandlung der Mannschaften schreitet die Heeresleitung mit größter Strenge ein. Klagen über nnvor- schriftsmaßige Behandlung oder gar Mißhand lungen sind fast verstummt. Die Abbüßung des strengen Arrestes im Felde durch Anbinden ist durch eine kaiserliche Verordnung abgeschafft worden. Die Verpflegungsschwierigkeiten, unter denen wir in der Heimat zu leiden haben, machen sich natürlick auch im Heere geltend. Während in den ersten Monaten des Krieges für unsere Feldgrauen noch alles reichlich zur Verfügung stand, mußten später, um auch die Heimat nicht zu beeinträchtigen, Menge und Güte der Sol dalennahrung herabgesetzt werden. Anch heule werden jedoch unsere Truppen draußen wie in der Heimat durchaus ausreichend er nährt. Zwar ist das Essen unter den gegebenen Umständen und bei der Massenbekösligung etwas einförmig, aber durch richtige Zubereitung, die durchweg erreicht worden ist, hat man es schmackhaft zu machen verstanden. Bei den oft gehörten Klagen, die Offiziere würden besser ernährt, ist zu berücksichtigen, daß es bei der geringen Zahl der zu beköstigenden Offiziere eher möglich ist, den Speisezettel abwechslungs reicher zu geslalien als bei der Massenspeisung der Mannschaften. Natürlich erhalten die Offiziere aber genau dieselbe Menge an Lebensmitteln geliefert, wie sie jedem Mann zusteht. Frei steht eS selbstverständlich, auf eigene Kosten sich noch etwas dazu zu beschaffen. Mit Nachdruck hat die Heeresleitung immer von neuem darauf hingewirkt, eine ausreichende, schmackhafte und kräftige Ernährung des Heeres zu erreichen. Sein guter Gesundheitszustand und seine erst jetzt von den Feinden wieder empfindlich gespürte Schlagkraft beweisen am besten, daß ihr das gelungen ist. Hinsichtlich der Löhnung sind während des Krieges mehrfache Verbesserungen durchgesührt worden: so erhallen verwundete und erkrankte Soldaten seit dem 1. September 1915 immobile Löhnung und die Entschädigungskosten sür sich selbst verpflegende Heeresangehörige wurden be- nächtlich erhöht. Gewiß sind die Forderungen auf Erhöhung des Soldes verständlich, denn die Dienstleistungen des einzelnen im Felde, der mit Leib und Leben die deutsche Heimat schirmt, sind gar nicht mit Gold aufznwiegen. Aber eine Vermehrung der Mannschastslöhnung, auch nur um einige Groschen, würde jährlich in die Milliarden gehen und die Frage der Geld beschaffung für dis Kriegführung aufs nachhal tigste beeinflussen. Die Regelung der Urlaubssrage ist in all gemein befriedigender Weise erfolgt. Zwar ist ihre Lösung theoretisch leichter aufgestellt, als in der Praxis durchgeführt, da die militärische Lage, die besonderen Verhältnisse der Truppen teile in bezug auf Mannschastszugang und -abgang, Gesundheitszustand und tausend Zu- sälligleilen, einen festen Urlaubsplan aufzuslellen, unmöglich machen, aber im allgemeinen kann man wohl sagen, daß ein jeder Mann jetzt seinen jährlichen, wohlverdienten Heimatsurlaub erhält. Die Zurückziehung der älteren Mannschaften und der Vater zahlreicher Kinder aus der vordersten Linie ist schon jetzt, soweit irgend möglich, erfolgt. Die übrigen Landstmmleute von 45 Jahren und darüber, einschließlich der Olfizierslellvertreter, werden noch ausgetauscht, sofern sie sich sechs Monate oder länger in vorderster Linie bestmdcu haben, es sei denn, daß ein« Verwendung in vorderster Linie dem ausdrücklichen Wunsche des einzelnen entspricht. Auf Feldwebelleutnants findet diese M^ckMnr keine Anwendung, da sie Osfiziere sind/ So ist die Heeresverwaltung unermüdlich bestrebt, das Los der Soldaten zu verbessern. Unterstützt wird sie hierin tatkräftig durch alle Parteien im Reichstage, dis es sich einmütig zur Aufgabe gestellt haben, für unsere Feldgranen jetzt und in Zukunft zu sorgen. RrboL endgültig ZurMgetreLen. Die Neubildung des Kabinetts Ribot ist im letzten Augenblick aus unerwartete Hindernisse gestoßen, da plötzlich die parlamentarische So- zialisteirgruppe erklärte, sie könne die Verant wortung ihrer Gruppe'für die Kabinettsbildung nicht auf sich nehmen. Minister Thomas teilte darauf Ribot mit, daß er sein neues Kabinett nicht unterstützen könne. Obwohl nun Ribot entschlossen war, auch ohne die Sozialisten das Kabinett zu bilden, erklärte Knegsminister Painlevö es sür unmöglich, ein Kabinett zu bilden ohne .Mitwirkung der Sozialisten. Die Sitzung, in der die Sozialistengiuppc den Entschluß faßte, Ribot nicht mehr zu unter stützen, verlief sehr stürmisch. Schließlich wurde eine Tagesordnung, die die Politik des Kabinetts Ribot scharf kritisierte, angenommen, in der sich die Partei bereit erklärt, mit der Negierung an der Landesverteidigung zu arbeiten, wenn die öffentlichen Freiheiten und die der Arbeiterschaft gewahrt, die Methoden der Geheimdiplomatie möglichst ausgeschaltet und die Kriegsziele des Verbandes innerhalb der Grenzen rechtmäßiger Forderungen gehalten würden. Sehr wahrschein lich haben die Sozialisten als Bedingung für ihre Teilnahme an der Kabinettsbildung — die Päsfe nach Stockholm verlangt. Dieses Zuge ständnis konnte der amtssrohe Ribot indes nicht machen und legte seinen Auftrag in die Hände des Präsidenten zurück. Mit der Niederlage Ribots, die mit dem Rücktritt des durch Clemen ceau gestürzten Ministers des Innern Malvy begann, ist auch die Stellung des Präsidenten Poincars schwer erschüttert, zumal er sich durch seine durch die Enthüllungen des deutschen Reichskanzlers bekannt gewordene Geheimdiplo- malie unendlich viele Feinde gemacht hat. verschiedene ttriegsnachrichten. Erkrankungen an der feindlichen Westfront. Aussagen von gefangenen Engländern und eine erbeutete Brieftaubenmeldung ergeben, daß die Verbandstruppen im Westen auf ihrer mittleren und nördlichen Front in letzter Zeit sehr hohe und steigende Ausfälle durch Er krankungen infolge des Wetters und der Geländeverhältnisse hatten. An vielen Stellen des Poldergeländes waren die gefangenen Trichterbesatzungeu völlig be wegungsunfähig, da sie tagelang im Wasser ge legen hatten. Für die ihre Reihen lichtende Krankheit haben die Engländer den Namen „Schützengrabenfieber". In der Gegend des von Myriaden - Mücken überschwärmten Über schwemmungsgebietes kommt die Malaria hinzu. Infolgedessen'mehren sich die Anzeichen großer Kampfmüdigkeit und völliger Erschöpfung der jeweiligen Besatzungen. * Franzosen gegen Engländer. Viele neuerdings in Flandern gefangene Engländer äußern sich entrüstet über die Haltung der französischen Be völkerung in den von ihnen besetzten De- > vartements. Sie erzählen, daß man ihnen zum ! Beispiel in Condas, wo Teile ihrer Division in ! Ruhe lagen, die Wasserpumpen gesperrt und ! teilweise sogar unbrauchbar gemacht habe. Um- s gekehrt sollen sich auch dis Belgier in ! England äußerst mißliebig gemacht haben. Die Gefangenen erzählen, daß es wiederholt zum Beispiel im Industriegebiet von Manchester, zu Zusammenstößen zwischen eng lischen und belgischen Arbeitern gekommen sei, die strenge Strafen sür die Belgier nach sich ge zogen hätten. Die einzige Hoffnung. -Zum russischen Rückzug und seinen möglichen Folgen schreibt die ,Tribune de Lawannest Trotz der ungeheuren Anstrengungen der russischen Revolution, die Ordnung wiederherzustellen und die Armee zu galvanisieren, kämpft Ruß land gegen' eine ernsthafte Krise ohne Ende. Kerenski selbst und seine ex tremistischen Kollegen werden dem scharfen Ur teil der Geschichte nicht entgehen. Deutschland macht sich daran, den größten Vorteil aus dem Zusammenbruche der russischen Armee zu ziehen. Wenn Finnland und die baltische Flotte mit dem Feinde gemeinsame Sache machen, ist Petersburgs Schicksal besiegelt. Der Fall der russischen Hauptstadt und der immer noch mög liche Triumph der Negierungsgegner würde Rußland außer Gefecht setzen. Um dieser Be drohung entgegenzuwirken, muß ein ent scheidender Schlag gegen die Mittelmächte gesührt werden. Sie müssen verhindert werden, die durch die Aus schaltung Rußlands sreigewordenen Streitkräfte an die Westfront zu wersen. Der tödliche Schlag kann aber weder in Frankreich noch in Flandern gesührt werden: dies haben die bis herigen Ereignisse bewiesen. Amerikas wirk sames Eingreifen wird sich nicht vor einem Jahre bewerkstelligen lassen. Für Japans Hilse ist die sibirische Bahn zu wenig leistungsfähig, der Transport einer japanischen Armee über See ist» fast unmöglich, er würde auch mindestens sechs Monate in Anspruch nehmen. Ein Sieg an der französischen oder flandrischen Front Wäre nicht entscheidend, denn die deutsche Grenze ist noch zu weit entfernt. Der Weg zu einem siegreichen Frieden führt daher nur über Wien. — So bleibt also als einzige Hoffnung Italien, dessen Armee am Jsonzo verblutet. * Petersburg in Gefahr? Der russische Generalslabschef General Ro manowski erklärte Vertretern der Presse, daß die äußerst zugespitzte Lage nach dem Fall Rigas noch keine Gefahr für Peters burg enthalte, weil die Deutschen wegen der bald eintretenden schlechten Witterung und der weiten Entfernung von der Front zur Haupt stadt nicht bis Petersburg gelangen könnten. Ein Evakuierungsaufruf, der im Auftrags der provisorischen Regierung vom Postminister Nikitin veröffentlicht wurde, betont ebenfalls, daß der Anlaß sür die Erörterung dieser Frage lediglich in den Lebensmittelschwierigkeilen zu suchen sei. — Das amtliche russische Militärblatt ,Rußkij Invalid' schreibt: Der deutsche Sieg wurde ver anlaßt durch eine bedeutende Truppenansamm lung. Die deutschen Batterien eröffneten «in vernichtendes Feuer gegen die russischen Divi sionen dieses Abschnittes, und bald war die russische Artillerie zum Schweigen gezwungen, halb zermalmt, halb erstickt durch dentiche Gra naten und Gase. Die Artillerievorbereitung gestaltete es den Deutschen, ungestraft die rus sischen Stellungen zu rasieren, so daß die russischen Divisionen unter größten Verlusten zum Rückzüge gezwungen waren. Politische Armäkkau. Deutschland. * Über den Depeschenwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem ehemaligen Zaren veröffentlicht die halbamtliche .Nordd. Allgem. Ztg.' einen längeren Artikel. Das Blatt führt aus, daß der Lügenfeldzug unserer Feinde anfangs von Erfolg begleitet zu sein schien, daß aber nach und nach die Wahrheit an das Licht drang, bis jetzt durch die Ergebnisse des Snchomlinow-Prozesses die Verhältnisse un antastbar klargestellt worden sind. Um aber die Wucht der Tatsachen, die unumstößlich Rußlands Schuld am Kriege beweisen, abzu schwächen, wird jener Depeschenwechsel zwischen Kaiser und Zar aus den Jahren 1904/1905 ausgegraben. Dieser Depeschenwechsel, der der Hetze dienen soll, hat, so schreibt das halbamt liche Blatt, das Licht nicht zu scheuen, denn er enthält nur neue Beweise dafür, daß der Deutsche Kaiser die seinem Volke schon seit langen Jahren drohende Gefahr eines feindlichen An griffs frühzeitig vorausgesehen, und daß er im engen Einvernehmen mit den verantwortlichen Männern der Negierung alles aufgeboten hat, um sie zu beschwören. «Der Sonderausschuß beim Reichs kanzler hat am 10. d. Mts. getagt, um die Antwort auf die Pavstnote zu er örtern. Wie die ,Nordd. Allgem. Ztg. schreibt, wurden die Verhandlungen in mehrstündiger Beratung unter sorgfältiger Prüfuüg der vorge brachten Gesichtspunkte zu Ende geführt. Der ,Bayerische Kurier' teilt mit, daß in der deutschen Antwort an den Papst auch eine wichtige Er klärung über Deutschlands Stellungnahme zu Belgien enthalten sein werde. — Wann die Antwort veröffentlicht wird, steht noch nicht fest. Schweiz. «Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat nach Genf die Komitees von Dänemark, Holland, Spanien, Norwegen und der Schweiz, sowie das Spezial sekretariat des Königs von Spanien berufen zu einer Konferenz zwecks Beratung der Lage der Kriegsgefangenen in den verschiedenen Ländern und ihrer Unterstützung im kommenden Winter. Zu diesen: Zwecke sollen die verschiedenen Komitees bei den interessierten Regierungen vor stellig werden. Rnffland. * Petersburger Zeitungen berichten, das Präsidium des russischen Arbeiter- und Soldaten- rats habe beschlossen, an der Stockholmer Konferenz nicht teilzunehmen, da weder England noch Frankreich noch eines der übrigen alliierten Länder Vertreter nach Stock holm sendeten. Kleine Nachrichten. — Die evangelisch-theologische Fakultät hat den NeichskanzlerDr. Michaelis zum Ehren doktor der Theologie ernannt. — Der Generalleutnant Karlv. Wenninger, stellvertretender Bevollmächtigter zum BundeSrat und Mililärbevollmächligter Bayerns in Berlin, ist gefallen. — In der kommenden Tagung deS Reichstages soll auch die Einführung eines Reichsmono pols fürKraftfuttermittel erörtert werden. — Die Eiste sächsische Kammer bewilligte 8,2 Millionen Mark sür weitere Teuerungs zulagen an die Staatsbeamten und -arbeiter; im ganzen werden diese Teuerungszulagen rund 57 Millionen Mark jährlich erfordern. — Wie verlautet, wird eine der ersten Maß nahmen der polnischenSelb st Verwaltung die Aufhebung der Zollgrenze zwischen dem deutschen und österreichischen Okkupationsgebiet sein. Vie eiferns ^Vot. 15j KriegSroman von G. v. Vrockdorff. (Fortsetzung.) „Toch; es kommt wieder, Johannes. Wenn du mit mir nach oben kommst, will ich dir alles «klären." Lie kleine Gestalt kam langsam aus ihrer Ecks hervor und langsam schob sich eine Kinder hand in die der jungen Frau. Sabine wandte sich noch einmal um. „Willst du nicht mitkommen, Beate?« „Danke." Es klang spöttisch und verbittert, wie fast -lle», was Beate fetzt sagte. Da nahm Sabine Ükn kleinen Johannes bei der Hand und führte ihn nach oben. Sir hatte die Dienstboten schon früher ent- kssen, als es nötig gewesen wäre; denn sie fürchtete das heimliche Zischeln hinter ihrem Rücken, die mehr oder minder verhehlte Re« fvekllofigkeit vor der verarmten Herrin in den Gesichtern. Nun hauste sie ganz allein in der großen Wohnung. Es war dunkel in den Zimmern, als sie nach oben kam; aber es duftete nach Tannen und Lichten. Sie steckte Johannes ins Speisezimmer und begann die Lichte des kleinen Bäumchens an- -uzünden. Dann führte sie den Jungen herein, zeigte ihm den Baum und das bescheidene Spielzeug, das sie für ihn eingekauft hatte und wartete fast ängstlich auf ein freudiges Ans» ssackern in den großen Augen. Aber die Äuaen d^s Kindes blieben ernst wie zuvor. Beinah scheu starrte Johannes auf die Lichte, und als er schließlich die Trompete und den feldgrauen Uniformlatz betrachtete, ge schah es nur, um sie gleich darauf mit einer müden, gleichgültigen Bewegung, die merkwürdig an seinen Vater erinnerte, wieder aus der Hand zu legen. „Freust du dich, Johannes ?" fragte Sabine, enttäuscht durch sein seltsames Benehmen. Er gab keine Antwort, aber als sie sich be sorgt zu ihm niederbeugte, sah sie Tränen in seinen Augen. Sie war ein wenig entrüstet. „Aber mein Junge, das ist doch wirklich zu toll" — Da begann er aufzuschluchzen. „Warum ist es diesmal so anders als sonst, Tante Sabine?" Es soll wieder so sein wie sonst. Ich bin nicht unartig gewesen und Mutter ist doch böse auf mich, und das Cbristkind hat mir nur einen kleinen Baum gebracht und gar nicht viel Sachen." Er warf einen bösen Blick auf die kleine Tanne. „Gar kein schönerBaum ist das, Tante Sabine." Sabine konnte ein wehmütiges Lächeln nicht unterdrücken. Sie dachte daran, mit welcher frohen Hoffnung sie am Morgen aufgestanden war, mit welchen Erwartungen sie. das kleine Bäumchen geschmückt hatte, und wie das Kind in seiner unbewußten Grausamkeit nun auch diese kleine Freude vernichtete. Sie seufzte auf. Der Tag war wirklich reich an Enttäuschungen sür sie gewesen. Aber viel leicht würden noch viele solcher Tage kommen.! Durste sie schon jetzt traurig und entmutigt sein? Sic batte fick erbobeu und aina lana- i sam zu Johannes hinüber, der noch immer nachdenklich und prüfend vor seinem bescheidenen Gabentisch stand. Auch er hatte heute eine Enttäuschung er fahren, vielleicht die größte in seinem Kinder dasein. Sie zog den Knaben zu sich heran. „Komm einmal, Johannes. Ich will dir er klären, warum es diesmal anders ftst als sonst, und warum du nicht gleich böse und trotzig sein darfst, wenn sich nur ein kleiner Teil von dem, was auf deinem Wunschzettel ver merkt war, heute auf dem Weihnachtstisch vor findet." Und sie begann ihm vom Krieg zu erzählen und von den Soldaten draußen im Schützen graben, die für ihr Vaterland hungern und frieren und ihre Weihnachtstanne, wenn sie eine hatten, draußen im kalten Schnee anzünden müßten. „Sieh, Johannes, und wer nicht Soldat sein kann, der muß etwas anderes für sein Vaterland hingeben. Verstehst du das?" Der Junge nickte eifrig. Ein begeistertes Funkeln war bei Sabines Erzählung in seine Augen getreten. „Ich will Soldat werden," rief er eifrig. Die junge Frau schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist noch zu klein dazu, Johannes. Und deine Mutter und ich, wir können auch nicht in den Krieg ziehen. Aber — mithelfen wollen wir doch alle, nicht wahr?" Wieder begeistertes Kopfnicken. „Und wir können auch milhelfen, sichst du. Dein Later'mußte sein großes. Mnes Haus. deine Mutter muß ihre Möbel hingeben, weil Krieg ist, und dir hat das Christkind deshalb so wenig zu Weihnachten gebracht. Nun dürfen wir aber alle nicht weinen, sondern müssen an die armen Soldaten draußen im Felde denken und müssen uns sagen: wenn's denen nur gut geht, dann wollen wir gern jedes Jahr nm einen kleinen Tannenbaum und wenig Sachen vom Christkind haben. Nicht wahr, Johannes?" „Nein, Tante Sabine, ich will gewiß nicht- mehr haben." Der Junge war ganz erregt geworden. -Und der kleine Baum ist doch schön, Tante." Sabine lächelte. „Wollen wir die feldgraue Uniform nun einmal anprobieren?" Und sie nahm den grauen Latz vom Tisch und begann ihn Johannes umzuschnallen. Da wurde die Tür des Nebenzimmers hastig geöffnet. Schnelle Schritte durchquerten vaS dunkle Eßzimmer. Dann — Klopfen an der Tür. Sabine war sehr blaß geworden. Ihre Hände zitterten. „Werneri" dachte sie in seligem Schreck. „Herein l« Aber der auf der Schwelle stand, war nicht Werner Asmusssn. Hans Grotemus stand dort mit verstörtem Gssicht. Einen Augenblick blieb sein erstaunter Blick an der Gruppe hasten. „Ah, ihr feiert Weihnachten!" „Ich hatte Johannes mit mir heraufgs- nommen, Hans. Er sollte es diesmal nicht zu sehr entbehren!" Jnr Gesicht ihres Bruders zuckle eine selt same Mischung von Rührung und Verlegenheit, während er auf das Kind mederjah.
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